Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.[Spaltenumbruch]
dere Aufgabe als Bayern unsern westlichen Nachbarn gegenuber; es ## München, 26 März. Schon die seit einiger Zeit hier || München, 26 März. Heute ward eine gediegene Adresse an Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! Allergnädigster [Spaltenumbruch]
dere Aufgabe als Bayern unſern weſtlichen Nachbarn gegenuber; es ## München, 26 März. Schon die ſeit einiger Zeit hier ǁ München, 26 März. Heute ward eine gediegene Adreſſe an Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König! Allergnädigſter <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0002" n="1378"/><cb/> dere Aufgabe als Bayern unſern weſtlichen Nachbarn gegenuber; es<lb/> muß wie dieſes die Vormauer Deutſchlands gegen franzöſiſche Angriffe<lb/> ſeyn; Preußen iſt die größte norddeutſche Macht, wie Bayern die größte<lb/> ſüddeutſche iſt. Bayern aber hat wegen ſeiner freiſinnigen Führung<lb/> am deutſchen Bundestage und wegen ſeiner rein deutſchen Stämme und<lb/> wegen ſeiner conſtitutionell wohlbegründeten Staatsverfaſſung viel we-<lb/> niger Antipathien gegen ſich; im Könige Ludwig bezweifelte man nie-<lb/> mals ſeine deutſche Geſinnung; im Könige Mar <hi rendition="#aq">II</hi> ruht die Hoffnung<lb/> und die gewiſſe freiwillige Erfüllung freiſinniger conſtitutioneller Grund-<lb/> ſätze. Er hat keinerlei Haß, keinerlei Blut, keinerlei Leidenſchaft gegen<lb/> ſich. Bayern iſt mit ſeiner ganzen wohlarrondirten Macht deutſch; es<lb/> es hat keine nichtdeutſchen Provinzen; die drei uralten Kernſtämme<lb/> Bayern, Schwaben und Franken ſind in ihm vertreten; das Gebiet ur-<lb/> alter deutſcher Freiheit, das Gebiet der Reichsſtädte und der Reichsritter-<lb/> ſchaft, der Nern des ſüddeutſchen conſtitutionellen Lebens liegt in ihm.<lb/> Schon Bayern kann ſich nicht der excluſiven preußiſchen Hegemonie unter-<lb/> ordnen. Aber auch Oeſterreich wird dieß niemals thun. Oder will man<lb/> Oeſterreich von Deutſchland ausſchließen? Wehe den deutſchen Mächten<lb/> die einen ſolchen Wunſch aus Ehrgeiz oder aus kleinlichen Intereſſen<lb/> laut werden ließen! Oeſterreich iſt der Hort der deutſchen Intereſſen<lb/> gegen Oſten; viel weniger von Rußland angreifbar, viel weniger leicht<lb/> auseinandergeſprengt als Preußen, in das ſich der polniſche Keil hinein-<lb/> treibt; im Oſten geſchützt durch das heldenmüthige und freie Volk der<lb/> Ungarn, im Nordoſten durch die natürliche Mauer der Karpathen und<lb/> Sudeten, im Innern deutſcher Kern durch die ſchneebedeckten Alpen,<lb/> liegt der öſterreichiſche Rieſe mit ſeinem maſſenhaften Körper als Schutz-<lb/> wehr in der Flanke Rußlands, vereint die germaniſtrten ſlaviſchen Nach-<lb/> barn unter ſeinem Scepter, beherrſcht den Lauf des größten deutſchen<lb/> Stroms, und ſtreckt zum Schutz gegen den Weſten wenigſtens noch Einen<lb/> Arm in die italiſche Ebene aus. Da Oeſterreich ſeine burgundiſchen und<lb/> ſchwäbiſchen Beſitzungen verloren hat, ſo hat es auch ſeine ehemalige<lb/> Bedeutung im Weſten Deutſchlands aufgegeben; Bayern iſt an ſeine<lb/> Stelle getreten und muß mit Württemberg, Baden und Heſſen zugleich<lb/> der wichtigſte Vorpoſten im Süden Deutſchlands bleiben und immer<lb/> mehr werden. Dieß iſt das Erbtheil Bayerns; es muß ſein Auge auf<lb/> die deutſchen Nachbarn im Elſaß und Lothringen und auf den Oſten<lb/> Frankreichs wach erhalten. So aber iſt die Sachlage der deutſchen Dinge.<lb/> Drei mächtige Staaten, Bayern im Südweſten, Preußen im Norden,<lb/> Oeſterreich im Oſten ſtehen als Haltpunkte deutſcher Macht da; ſie ſind<lb/> alle drei zu der natürlichen Hegemonie dann beruſen wenn ſie ſich durch<lb/> deutſche übereinſtimmende Verfaſſungen, durch kräftige Volksbewaff-<lb/> nung und Heerorganiſationen, durch Wahrung der nationalen Freiheit<lb/> jeglicher Art derſelben würdig gemacht haben. Der Ausſchluß Oeſter-<lb/> reichs, die Unterdrückung Bayerns und der kecke excluſive Vortritt<lb/> Preußens iſt gleich unmöglich. Es gibt jetzt nur <hi rendition="#g">einen</hi> thatſächlichen,<lb/> möglichen, freien und geſetzmäßigen Gedanken der eine ſtarke und glück-<lb/> liche Zukunft für ganz Deutſchland in ſich ſchließt: Ein Bundesſtaat<lb/> mit einem Nationalparlament, ſo daß die eigentliche <hi rendition="#g">Centralregie-<lb/> rung</hi> der deutſchen Intereſſen in den Händen der Bevollmächtigten oder<lb/> Gewählten aller deutſchen Regierungen bleibe, deren Vorſitz und einigende<lb/> Leitung Bayern, Oeſterreich und Preußen abwechſelnd übernehmen. Da-<lb/> neben aber eine Vertretung und Wahrung der Rechte des deutſchen<lb/> Volks durch die Repräſentanten der verſchiedenen aber nach gleichen<lb/> Grundſätzen geordneten Kammern aller deutſchen Stände und Staaten,<lb/> mit berathender und entſcheidender Stimme in denjenigen Angelegen-<lb/> heiten welche die Geſammtintereſſen Deutſchlands ſind. Nur auf dieſen<lb/> Grundlagen läßt ſich Kraft nach außen und innen gewinnen; ein Bun-<lb/> desgericht, eine Heerverfaſſung, <hi rendition="#g">eine</hi> auswärtige Politik, <hi rendition="#g">ein</hi> nationa-<lb/> les Zollſyſtem, ein Handelsrecht, <hi rendition="#g">ein</hi> einiges volkswirthſchaftliches Syſtem<lb/> und <hi rendition="#g">eine</hi> Kriegsführung; welche Intereſſen und Gewalten dann eine Ein-<lb/> heit von 60 Millionen Deutſchen bilden können, die weder Oſten noch<lb/> Weſten zu ſcheuen haben. 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Unſere Re-<lb/> gierung hat vorbeugend bereits Marſchbefehl an folgende Truppen er-<lb/> gehen laſſen: an das Infanterieregiment König Otto in Würzburg, an<lb/> das dritte Jägerbataillon und an eine Abtheilung der in Dillingen gar-<lb/> niſonirenden Chevaulegers. Dieſelben ſind zunächſt nach der Pfalz be-<lb/> ſtimmt, und wenn nicht ſchon dort angelangt, doch bereits auf dem Wege<lb/> dorthin. Zugleich erging an die Regierung von Frankreich eine Er-<lb/> klärung der bayeriſchen Regierung daß dieſe Truppenbewegungen durch-<lb/> aus keinen feindlichen Zweck haben, ſondern nur eine gegen den ſigna-<lb/> liſtrten Einfall der genannten Republicaner gerichtete Vorſichts- und<lb/> Schutzmaßregel ſeyen. Sie kennen bereits die allgemeine Stimmung<lb/><hi rendition="#g">gegen</hi> die Perſon des Königs von Preußen als Führer der deutſchen<lb/> Bewegung. Sie ſpricht ſich täglich entſchiedener und heftiger aus. Die<lb/> Abſicht und Geſinnung unſerer Regierung gegenüber dieſer Frage kann,<lb/> wie mir ſcheint, keineswegs darauf gerichtet ſeyn jener gereizten Stim-<lb/> mung unbedingt zu folgen und der Zwietracht in Deutſchland, die gerade<lb/> jetzt mehr als je entfernt gehalten werden muß, dadurch in die Hände zu<lb/> arbeiten. Wenn indeß mit dem Proviſorium eines deutſchen König-<lb/> thums in Berlin beabſichtiget ſeyn ſollte Bayern ganz und dauernd von<lb/> der Leitung der deutſchen Verhältniſſe auszuſchließen, ſo müßte das-<lb/> ſelbe dagegen feierliche und ernſtliche Verwahrung einlegen. Bayern<lb/> kann nur wünſchen daß die definitive Conſtituirung des einigen Deutſch-<lb/> lands in Frankfurt, alſo auf einem durchaus neutralen Boden vor ſich<lb/> gehe. 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Zugleich wird eine Adreſſe an die Berliner ergehen um<lb/> jedes Mißverſtändniß, als wollte darum die allgemeine Eintracht geſtört<lb/> werden, zu beſeitigen, und eine andere an die Wiener, um ſie wegen ihrer<lb/> Errungenſchaft und deren kräftiger Erkämpfung zu beglückwünſchen.<lb/> Nachmittags war eine Verſammlung von Studenten, welche ähnliche<lb/> Beſchlüſſe faßten. Darauf kam eine Adreſſe an die Stände zur Bera-<lb/> thung in welcher Wünſche niedergelegt ſind die dem Geiſte der Petenten<lb/> zu aller Ehre gereichen, ich bemerke von denſelben: Aufhebung der die<lb/> Aermeren drückenden Collegiengelder und Promotionsgebühren, beſſere<lb/> Beſoldung der Profeſſoren, freiere Studienform mit einem Schlußexamen,<lb/> Berückſichtigung des Studiums der deutſchen Litteratur und der Politik,<lb/> volle Gleichberechtigung während und nach den Studienjahren für die<lb/> Studenten jüdiſcher Religion, endlich unter mehrerem andern auch volle<lb/> Lehrfreiheit. Der letzte Antrag gab den zahlreich anweſenden Anhängern<lb/> der im vorigen Jahre entfernten Profeſſoren Gelegenheit eine Modiſica-<lb/> tion dahin vorzuſchlagen daß die Rehabilitation von vier derſelben (Laſ-<lb/> ſaulx, Deutinger, Phillips und Sepp) ausdrücklich verlangt werde.<lb/> Während dieſer ſpecialiſtrte Antrag zu lebhaften Debatten führte, ja<lb/> einen Augenblick zum Zankapfel der Anweſenden zu werden drohte, ward<lb/> durch ein Extrablatt der Einbruch an der Weſtgränze bekannt. Es war<lb/> ehrend und erhebend, wie in einem Athem der Antrag fallen gelaſſen<lb/> und von allen beſchloſſen wurde die augenblickliche Bereitwilligkeit des<lb/> Freicorps dem Könige mit der Hoffnung anzubieten vielleicht übermor-<lb/> gen ſchon auf dem Marſche zu ſeyn. Nach neuern Nachrichten dürfte die<lb/> Gefahr nicht ſo groß ſeyn als es im erſten Augenblick den Anſchein hatie.<lb/> — Morgen hält die Kammer der Abgeordneten ihre erſte öffentliche Si-<lb/> tzung; es wird die Adreſſe an den König berathen. Ich lege Ihnen den<lb/> Adreßentwurf bei; er macht dem wahren aufopfernden Patriotismus der<lb/> Commiſſion volle Ehre, denn es waren unter 9 Mitgliedern 3 adelige<lb/> Grundherren und 2 Geiſtliche. Der Entwurf lautet:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König! Allergnädigſter<lb/> König und Herr! „In einem Momente, ſeit Jahrhunderten dem<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1378/0002]
dere Aufgabe als Bayern unſern weſtlichen Nachbarn gegenuber; es
muß wie dieſes die Vormauer Deutſchlands gegen franzöſiſche Angriffe
ſeyn; Preußen iſt die größte norddeutſche Macht, wie Bayern die größte
ſüddeutſche iſt. Bayern aber hat wegen ſeiner freiſinnigen Führung
am deutſchen Bundestage und wegen ſeiner rein deutſchen Stämme und
wegen ſeiner conſtitutionell wohlbegründeten Staatsverfaſſung viel we-
niger Antipathien gegen ſich; im Könige Ludwig bezweifelte man nie-
mals ſeine deutſche Geſinnung; im Könige Mar II ruht die Hoffnung
und die gewiſſe freiwillige Erfüllung freiſinniger conſtitutioneller Grund-
ſätze. Er hat keinerlei Haß, keinerlei Blut, keinerlei Leidenſchaft gegen
ſich. Bayern iſt mit ſeiner ganzen wohlarrondirten Macht deutſch; es
es hat keine nichtdeutſchen Provinzen; die drei uralten Kernſtämme
Bayern, Schwaben und Franken ſind in ihm vertreten; das Gebiet ur-
alter deutſcher Freiheit, das Gebiet der Reichsſtädte und der Reichsritter-
ſchaft, der Nern des ſüddeutſchen conſtitutionellen Lebens liegt in ihm.
Schon Bayern kann ſich nicht der excluſiven preußiſchen Hegemonie unter-
ordnen. Aber auch Oeſterreich wird dieß niemals thun. Oder will man
Oeſterreich von Deutſchland ausſchließen? Wehe den deutſchen Mächten
die einen ſolchen Wunſch aus Ehrgeiz oder aus kleinlichen Intereſſen
laut werden ließen! Oeſterreich iſt der Hort der deutſchen Intereſſen
gegen Oſten; viel weniger von Rußland angreifbar, viel weniger leicht
auseinandergeſprengt als Preußen, in das ſich der polniſche Keil hinein-
treibt; im Oſten geſchützt durch das heldenmüthige und freie Volk der
Ungarn, im Nordoſten durch die natürliche Mauer der Karpathen und
Sudeten, im Innern deutſcher Kern durch die ſchneebedeckten Alpen,
liegt der öſterreichiſche Rieſe mit ſeinem maſſenhaften Körper als Schutz-
wehr in der Flanke Rußlands, vereint die germaniſtrten ſlaviſchen Nach-
barn unter ſeinem Scepter, beherrſcht den Lauf des größten deutſchen
Stroms, und ſtreckt zum Schutz gegen den Weſten wenigſtens noch Einen
Arm in die italiſche Ebene aus. Da Oeſterreich ſeine burgundiſchen und
ſchwäbiſchen Beſitzungen verloren hat, ſo hat es auch ſeine ehemalige
Bedeutung im Weſten Deutſchlands aufgegeben; Bayern iſt an ſeine
Stelle getreten und muß mit Württemberg, Baden und Heſſen zugleich
der wichtigſte Vorpoſten im Süden Deutſchlands bleiben und immer
mehr werden. Dieß iſt das Erbtheil Bayerns; es muß ſein Auge auf
die deutſchen Nachbarn im Elſaß und Lothringen und auf den Oſten
Frankreichs wach erhalten. So aber iſt die Sachlage der deutſchen Dinge.
Drei mächtige Staaten, Bayern im Südweſten, Preußen im Norden,
Oeſterreich im Oſten ſtehen als Haltpunkte deutſcher Macht da; ſie ſind
alle drei zu der natürlichen Hegemonie dann beruſen wenn ſie ſich durch
deutſche übereinſtimmende Verfaſſungen, durch kräftige Volksbewaff-
nung und Heerorganiſationen, durch Wahrung der nationalen Freiheit
jeglicher Art derſelben würdig gemacht haben. Der Ausſchluß Oeſter-
reichs, die Unterdrückung Bayerns und der kecke excluſive Vortritt
Preußens iſt gleich unmöglich. Es gibt jetzt nur einen thatſächlichen,
möglichen, freien und geſetzmäßigen Gedanken der eine ſtarke und glück-
liche Zukunft für ganz Deutſchland in ſich ſchließt: Ein Bundesſtaat
mit einem Nationalparlament, ſo daß die eigentliche Centralregie-
rung der deutſchen Intereſſen in den Händen der Bevollmächtigten oder
Gewählten aller deutſchen Regierungen bleibe, deren Vorſitz und einigende
Leitung Bayern, Oeſterreich und Preußen abwechſelnd übernehmen. Da-
neben aber eine Vertretung und Wahrung der Rechte des deutſchen
Volks durch die Repräſentanten der verſchiedenen aber nach gleichen
Grundſätzen geordneten Kammern aller deutſchen Stände und Staaten,
mit berathender und entſcheidender Stimme in denjenigen Angelegen-
heiten welche die Geſammtintereſſen Deutſchlands ſind. Nur auf dieſen
Grundlagen läßt ſich Kraft nach außen und innen gewinnen; ein Bun-
desgericht, eine Heerverfaſſung, eine auswärtige Politik, ein nationa-
les Zollſyſtem, ein Handelsrecht, ein einiges volkswirthſchaftliches Syſtem
und eine Kriegsführung; welche Intereſſen und Gewalten dann eine Ein-
heit von 60 Millionen Deutſchen bilden können, die weder Oſten noch
Weſten zu ſcheuen haben. Oeſterreich und Bayern aber von der Leitung
der Angelegenheiten ausſchließen, hieße Deutſchlands Kräfte zerſplit-
tern, und zu Gunſten eines Leiters die deutſchen Kräfte abſorbiren.
Dieſe Gefahr würde immer vorhanden ſeyn.
## München, 26 März.
Schon die ſeit einiger Zeit hier
bekannten Abſichten deutſcher Demokraten in Paris, mehr aber noch die
heute vom frühen Morgen an verbreiteten Allarmgerüchte von räube-
riſchen Einſällen franzöſtſcher und deutſcher Arbeiter in deutſches Ge-
biet ſetzen hier alle Gemüther in Spannung, umſomehr da in dieſem
Moment unglücklicherweiſe durch den König von Preußen der Erisapfel
mitten in unſer Vaterland geſchleudert werden mußte. Unſere Re-
gierung hat vorbeugend bereits Marſchbefehl an folgende Truppen er-
gehen laſſen: an das Infanterieregiment König Otto in Würzburg, an
das dritte Jägerbataillon und an eine Abtheilung der in Dillingen gar-
niſonirenden Chevaulegers. Dieſelben ſind zunächſt nach der Pfalz be-
ſtimmt, und wenn nicht ſchon dort angelangt, doch bereits auf dem Wege
dorthin. Zugleich erging an die Regierung von Frankreich eine Er-
klärung der bayeriſchen Regierung daß dieſe Truppenbewegungen durch-
aus keinen feindlichen Zweck haben, ſondern nur eine gegen den ſigna-
liſtrten Einfall der genannten Republicaner gerichtete Vorſichts- und
Schutzmaßregel ſeyen. Sie kennen bereits die allgemeine Stimmung
gegen die Perſon des Königs von Preußen als Führer der deutſchen
Bewegung. Sie ſpricht ſich täglich entſchiedener und heftiger aus. Die
Abſicht und Geſinnung unſerer Regierung gegenüber dieſer Frage kann,
wie mir ſcheint, keineswegs darauf gerichtet ſeyn jener gereizten Stim-
mung unbedingt zu folgen und der Zwietracht in Deutſchland, die gerade
jetzt mehr als je entfernt gehalten werden muß, dadurch in die Hände zu
arbeiten. Wenn indeß mit dem Proviſorium eines deutſchen König-
thums in Berlin beabſichtiget ſeyn ſollte Bayern ganz und dauernd von
der Leitung der deutſchen Verhältniſſe auszuſchließen, ſo müßte das-
ſelbe dagegen feierliche und ernſtliche Verwahrung einlegen. Bayern
kann nur wünſchen daß die definitive Conſtituirung des einigen Deutſch-
lands in Frankfurt, alſo auf einem durchaus neutralen Boden vor ſich
gehe. Daß unſere Regierung in dieſer Weiſe die Frage entſchieden
wiſſen will, geht einmal ſchon aus der Nichtbetheiligung an dem beab-
ſichtigten (nunmehr gar nicht zu Stande kommenden) Fürſtencongreß
hervor, ferner daraus daß Hr. v. Gagern mit einem Haupttheil ſeiner
neulichen Miſſion hier: nämlich Bayern für Uebertragung der deutſchen
Hegemonie an Preußen zu gewinnen, gänzlich geſcheitert iſt, endlich aus
der Wahl unſeres neuen Bundestagsgeſandten und aus den demſelben
mitgegebenen Inſtructionen. Ich bin in den Stand geſetzt bezüglich der
letzteren Sie zu verſichern daß dieſelben ſo liberal gefaßt ſind als nur
irgend vorausgeſetzt werden konnte bei Uebergabe von Aufträgen an
einen politiſchen Charakter wie wir ihn in Willich kennen.
ǁ München, 26 März.
Heute ward eine gediegene Adreſſe an
den König (deren Text ich morgen nachliefern werde) von hieſigen Ein-
wohnern entworfen, in welcher, neben der Verſicherung der Treue und
der Verwahrung gegen jede Zerſplitterung der deutſchen Kräfte, gegen
die Prätenſionen des Königs von Preußen vom 21 März Verwahrung
eingelegt wird. Zugleich wird eine Adreſſe an die Berliner ergehen um
jedes Mißverſtändniß, als wollte darum die allgemeine Eintracht geſtört
werden, zu beſeitigen, und eine andere an die Wiener, um ſie wegen ihrer
Errungenſchaft und deren kräftiger Erkämpfung zu beglückwünſchen.
Nachmittags war eine Verſammlung von Studenten, welche ähnliche
Beſchlüſſe faßten. Darauf kam eine Adreſſe an die Stände zur Bera-
thung in welcher Wünſche niedergelegt ſind die dem Geiſte der Petenten
zu aller Ehre gereichen, ich bemerke von denſelben: Aufhebung der die
Aermeren drückenden Collegiengelder und Promotionsgebühren, beſſere
Beſoldung der Profeſſoren, freiere Studienform mit einem Schlußexamen,
Berückſichtigung des Studiums der deutſchen Litteratur und der Politik,
volle Gleichberechtigung während und nach den Studienjahren für die
Studenten jüdiſcher Religion, endlich unter mehrerem andern auch volle
Lehrfreiheit. Der letzte Antrag gab den zahlreich anweſenden Anhängern
der im vorigen Jahre entfernten Profeſſoren Gelegenheit eine Modiſica-
tion dahin vorzuſchlagen daß die Rehabilitation von vier derſelben (Laſ-
ſaulx, Deutinger, Phillips und Sepp) ausdrücklich verlangt werde.
Während dieſer ſpecialiſtrte Antrag zu lebhaften Debatten führte, ja
einen Augenblick zum Zankapfel der Anweſenden zu werden drohte, ward
durch ein Extrablatt der Einbruch an der Weſtgränze bekannt. Es war
ehrend und erhebend, wie in einem Athem der Antrag fallen gelaſſen
und von allen beſchloſſen wurde die augenblickliche Bereitwilligkeit des
Freicorps dem Könige mit der Hoffnung anzubieten vielleicht übermor-
gen ſchon auf dem Marſche zu ſeyn. Nach neuern Nachrichten dürfte die
Gefahr nicht ſo groß ſeyn als es im erſten Augenblick den Anſchein hatie.
— Morgen hält die Kammer der Abgeordneten ihre erſte öffentliche Si-
tzung; es wird die Adreſſe an den König berathen. Ich lege Ihnen den
Adreßentwurf bei; er macht dem wahren aufopfernden Patriotismus der
Commiſſion volle Ehre, denn es waren unter 9 Mitgliedern 3 adelige
Grundherren und 2 Geiſtliche. Der Entwurf lautet:
Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König! Allergnädigſter
König und Herr! „In einem Momente, ſeit Jahrhunderten dem
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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