Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.[Spaltenumbruch]
vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heransprengen und Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er- I. An mein Volk und an die Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. Arnim. Kühne. II. Ich habe heute den bisherigen Gesandten v. Arnim zum Mini- Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Diese überraschende Erklärung ist offenbar von Deutschland nur *) Die Deutsche Ztg. äußerte schon bei dem Patent des Königs von
Preußen vom 18 März, das dieselbe Absicht der Berusung einer vorläu- figen Repräsentation aus allen deutschen Stämmen aussprach: "Wie ewig Schade daß diesem Erlasse so bejammernswerthe Ereignisse folgen mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutschland hinterlassen haben! Das ist nun das Programm das wir von jeher be- kannten, das die Nation schon längst als das ihrige aufgestellt hat, das so oft von Preußen her bespottet und bedroht worden ist! Es sey ver- gessen! Und auch die Opfer die dieser Sache, noch als sie ausgekämpft war, fallen mußten -- wir werden sie ewig zu beklagen haben; aber es muß selbst ihre Manen versöhnen wenn diese Worte zu Thaten werden." [Spaltenumbruch]
vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heranſprengen und Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er- I. An mein Volk und an die Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. Arnim. Kühne. II. Ich habe heute den bisherigen Geſandten v. Arnim zum Mini- Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm. Dieſe überraſchende Erklärung iſt offenbar von Deutſchland nur *) Die Deutſche Ztg. aͤußerte ſchon bei dem Patent des Königs von
Preußen vom 18 März, das dieſelbe Abſicht der Beruſung einer vorläu- figen Repräſentation aus allen deutſchen Stämmen ausſprach: „Wie ewig Schade daß dieſem Erlaſſe ſo bejammernswerthe Ereigniſſe folgen mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutſchland hinterlaſſen haben! Das iſt nun das Programm das wir von jeher be- kannten, das die Nation ſchon längſt als das ihrige aufgeſtellt hat, das ſo oft von Preußen her beſpottet und bedroht worden iſt! Es ſey ver- geſſen! Und auch die Opfer die dieſer Sache, noch als ſie ausgekämpft war, fallen mußten — wir werden ſie ewig zu beklagen haben; aber es muß ſelbſt ihre Manen verſöhnen wenn dieſe Worte zu Thaten werden.“ <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="1349"/><cb/> vielleicht <hi rendition="#g">niemals</hi> aufgehellt wird, die Reiterei <hi rendition="#g">heranſprengen</hi> und<lb/> auf die friedlichen wehrloſen Bürger die dem König ein Vivat nach dem<lb/> andern riefen <hi rendition="#g">einhauen</hi> ließ, nun alles mit Entſetzen Verrath rief, und<lb/> durch die Stadt wie mit Sturmeseile das Geſchrei nach Waffen flog.<lb/> Bis zu dem eben gefeierten Frieden hatte der kaum ſeit acht Tagen er-<lb/> nannte neue Gouverneur von Berlin, General v. <hi rendition="#g">Pfuel,</hi> den Befehl<lb/> geführt, und ebenſo menſchenfreundlich als mit militäriſch richtiger Ein-<lb/> ſicht die Truppen auf die Vertheidigung des Schloſſes beſchränkt und die<lb/> Anwendung der Schußwaffen verhütet. 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Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frie-<lb/> den in unſerem ſchönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Ge-<lb/> ſammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Ab-<lb/> wendung der augenblicklichen Gefahr <hi rendition="#g">wird die deutſche Stände-<lb/> verſammlung über die Wiedergeburt und Gründung ei-<lb/> nes neuen Deutſchlands berathen,</hi> eines einigen, nicht ein-<lb/> förmigen Deutſchlands, einer Einheit in der Verſchiedenheit, einer Ein-<lb/> heit mit Freiheit. 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vielleicht niemals aufgehellt wird, die Reiterei heranſprengen und
auf die friedlichen wehrloſen Bürger die dem König ein Vivat nach dem
andern riefen einhauen ließ, nun alles mit Entſetzen Verrath rief, und
durch die Stadt wie mit Sturmeseile das Geſchrei nach Waffen flog.
Bis zu dem eben gefeierten Frieden hatte der kaum ſeit acht Tagen er-
nannte neue Gouverneur von Berlin, General v. Pfuel, den Befehl
geführt, und ebenſo menſchenfreundlich als mit militäriſch richtiger Ein-
ſicht die Truppen auf die Vertheidigung des Schloſſes beſchränkt und die
Anwendung der Schußwaffen verhütet. Mit jenem Angriff auf das
vivatrufende Volk ging der Oberbefehl auf einen andern General
über, und bald wogte der Kampf nun durch den größten Theil der Stadt.
Die Truppen hatten Verſtärkung aus Potsdam, Halle und Stettin er-
halten, und alle Waffengattungen ſtanden bald im erbitterten Streite
gegen die wie durch Zauber emporſteigenden Barricaden, die von der
ganzen Bevölkerung, beſonders aber von jungen Leuten und Arbeitern
mit einem Heldenmuthe vertheidigt wurden der dem der Pariſer nichts
nachgab. In der Nähe des Schloſſes ſiegte zwar theilweiſe die An-
ſtrengung der Truppen, aber in den entfernteren Stadttheilen wurden
die Barricaden behauptet, oft durch wenige todverachtende Streiter, und
mehr als die Hälfte der Stadt blieb zur Nacht im Beſitze des Volks.
Viele, ſehr viele Bürger fielen im Kampf, aber der Verluſt der Truppen
war bei weitem größer, der Steinhagel von den Dächern und wohlge-
zielte Schüſſe aus den Fenſtern ſtreckte ganze Reihen darnieder. Man
mußte wohl erkennen daß die Militärmacht, wenn auch auf einzelnen
Punkten ſiegreich, doch im ganzen bei ſolchen Hinderniſſen gegen die
Volkserhebung nichts ausrichten konnte, und ſah nun erſt ein wie nutz-
los und verderblich die rohe Waffengewalt ſich erweiſen mußte! Der
zweifelhafte Sieg war eine unzweifelhafte moraliſche Nieder-
lage. Die Entſcheidung zeigte ſich durch das Abziehen der Truppen,
die ſogar das Schloß räumten und die Sicherheit des Königs den
Bürgern anvertrauten, die jetzt erſt Waffen erhielten! Neue Ge-
währungen des Königs folgten raſch aufeinander und begannen die
Gemüther zu verſöhnen, nur in einigen Schaaren tobte noch die empörte
Leidenſchaft fort. Die große Mehrheit aber war in ihrem Vertrauen
nicht erſchüttert: man kennt das Herz des Königs, ſeinen ächten Edel-
ſinn, man liebt in ihm den angeſtammten Fürſten noch immer. Mit
beſſern Räthen als die bisherigen waren, mit Zuziehung des Landtags
und mit nun ſelbſterlangter Kenntniß der ihm lange vorenthaltenen
Wahrheit wird er an der Spitze ſeines freien tapfern Volks Preußen
auf der neuen Bahn zu neuem Glück und Ruhm führen können,
und auch für Deutſchlands Heil die großen Anordnungen treffen
helfen zu denen der Willen der Nation ſo herrlich aufſtrebt, und
die ſie zu erlangen ſo muthig entſchloſſen iſt. Das heute Mittag hier
ausgegebene „Extrablatt der Freude“ der Voſſiſchen Zeitung gibt ein
lebendiges und, ſo weit unſer Geſichtskreis es zu bezeugen vermag,
wahrheitgetreues Bild des Heldenkampfes vom 18 März.
Die Allg. Preuß. Zeitung zeigt in ihrem amtlichen Theil an
daß der Prinz von Preußen nach England abgereist iſt. Der
Wink genügt um zu zeigen wem zunächſt das Blutbad zugeſchrieben
werden muß.
Die Allg. Preuß. Zeitung vom 22 März bringt folgende Er-
klärungen des Königs von Preußen:
I. An mein Volk und an die
deutſche Nation. Mit Vertrauen ſprach der König vor fünfunddrei-
ßig Jahren in den Tagen hoher Gefahr zu ſeinem Volke, und ſein Ver-
trauen ward nicht zu Schanden; der König, mit ſeinem Volk vereint,
rettete Preußen und Deutſchland von Schmach und Erniedrigung. Mit
Vertrauen ſpreche Ich heute, im Augenblick wo das Vaterland in höch-
ſter Gefahr ſchwebt, zu der deutſchen Nation, unter deſſen edelſte Stämme
Mein Volk ſich mit Stolz rechnen darf. Deutſchland iſt von innerer
Gährung ergriffen, und kann durch äußere Gefahr von mehr als einer
Seite bedroht werden. Rettung aus dieſer doppelten, dringenden Ge-
fahr kann nur aus der innigſten Vereinigung der deutſchen Fürſten und
Völker unter einer Leitung hervorgehen. Ich übernehme heute
dieſe Leitung für die Tage der Gefahr. Mein Volk, das die Ge-
fahr nicht ſcheut, wird Mich nicht verlaſſen, und Deutſchland wird ſich
Mir mit Vertrauen anſchließen. Ich habe heute die alten deutſchen
Farben angenommen und Mich und Mein Volk unter das ehrwürdige
Banner des deutſchen Reiches geſtellt. Preußen geht fortan in
Deutſchland auf. Als Mittel und geſetzliches Organ, um im Ver-
ein mit Meinem Volk zur Rettung und Beruhigung Deutſchlands vor-
anzugehen, bietet ſich der auf den 2 April bereits einberufene Land-
tag dar. Ich beabſichtige in einer unverzüglich näher zu er-
wägenden Form den Fürſten und Ständen Deutſchlands
die Gelegeheit zu eröffnen mit Organen dieſes Land-
tages zu einer gemeinſchaftlichen Verſammlung zuſam-
menzutreten. Die auf dieſe Weiſe zeitweilig ſich bildende
deutſche Ständeverſammlung wird in gemeinſamer, freier Be-
rathung das Erforderliche in der gemeinſamen, inneren und äußeren
Gefahr ohne Verzug vorkehren. Was heute vor allem nothtut, iſt
1) Aufſtellung eines allgemeinen deutſchen, volksthümlichen Bundes-
heeres, 2) bewaffnete Neutralitätserklärung. Solche vaterländiſche Rü-
ſtung und Erklärung werden Europa Achtung einflößen vor der Hei-
ligkeit und Unverletzlichkeit des Gebietes deutſcher Zunge und deut-
ſchen Namens. Nur Eintracht und Stärke vermögen heute den Frie-
den in unſerem ſchönen, durch Handel und Gewerbe blühenden Ge-
ſammtvaterlande zu erhalten. Gleichzeitig mit den Maßregeln zur Ab-
wendung der augenblicklichen Gefahr wird die deutſche Stände-
verſammlung über die Wiedergeburt und Gründung ei-
nes neuen Deutſchlands berathen, eines einigen, nicht ein-
förmigen Deutſchlands, einer Einheit in der Verſchiedenheit, einer Ein-
heit mit Freiheit. Allgemeine Einführung wahrer conſtitutioneller Ver-
faſſungen, mit Verantwortlichkeit der Miniſter in allen Einzelſtaaten,
öffentliche und mündliche Rechtspflege, in Strafſachen auf Geſchwore-
nengerichte geſtützt, gleiche politiſche und bürgerliche Rechte für alle
religiöſen Glaubensbekenntniſſe und eine wahrhaft volksthümliche, frei-
ſinnige Verwaltung werden allein ſolche höhere und innere Einheit
zu bewirken und zu befeſtigen im Stande ſeyn.
Berlin, den 21 März
1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin.
Bornemann. Arnim. Kühne.
II. Ich habe heute den bisherigen Geſandten v. Arnim zum Mini-
ſter der auswärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Verwaltung der
Miniſter Graf v. Arnim bisher vorläufig geführt hat. Bei dem noth-
wendigen Zuſammenhange der allgemeinen deutſchen mit den preußi-
ſchen Verfaſſungsangelegenheiten übernimmt der Miniſter v. Arnim auch
deren Verwaltung. Der Miniſter Graf v. Arnim bleibt Vorſitzender
des Staatsminiſteriums vorläufig ohne Verwaltung eines beſonderen
Portefeuille.
Berlin, den 21 März 1848.Friedrich Wilhelm.
Dieſe überraſchende Erklärung iſt offenbar von Deutſchland nur
anzunehmen, wenn die hier in Ausſicht geſtellte Reconſtituirung Deutſch-
lands eine durchaus freie ſeyn ſoll, ohne daß Preußen oder ſeinem Kö-
nig im voraus, kraft eigenen Willens, die hegemoniſche oder Kaiſer-
Gewalt übertragen würde — eine Gewalt über die, wie über das ganze
Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen Nation, aller
gleichberechtigten Stämme — entſcheiden darf. Der König ſcheint ihr
auch lediglich dieſe Deutung geben zu wollen, aber Graf Schwerin, ſein
Miniſter, ging bereits weiter, und auch aus den Maſſen ſcholl der Ruf:
„dem deutſchen Kaiſer.“ So weit ſind wir noch nicht. Noch
liegt die Berliner Schlächterei zu friſch vor uns. Die deutſche Kai-
ſerkrone wird nur von Deutſchland verliehen, und der König von
Preußen eröffnet bloß die Schranken des großen Wahlfeldes. *) Doch
hören wir die Berliner Spen. Ztg. vom 21 März, welche die Mani-
feſtationen, mit denen der König jenes bedeutungsvolle Wort: Preu-
ßen geht in Deutſchland auf! begleitete, alſo erzählt: Geſtern Abend
erſchien der König in Begleitung des Prinzen Albrecht auf dem Schloß-
platze, redete alle Umſtehenden an, reichte ihnen die Hand und ſprach
*) Die Deutſche Ztg. aͤußerte ſchon bei dem Patent des Königs von
Preußen vom 18 März, das dieſelbe Abſicht der Beruſung einer vorläu-
figen Repräſentation aus allen deutſchen Stämmen ausſprach: „Wie
ewig Schade daß dieſem Erlaſſe ſo bejammernswerthe Ereigniſſe folgen
mußten! Welch einen reinen Eindruck würde es in ganz Deutſchland
hinterlaſſen haben! Das iſt nun das Programm das wir von jeher be-
kannten, das die Nation ſchon längſt als das ihrige aufgeſtellt hat, das
ſo oft von Preußen her beſpottet und bedroht worden iſt! Es ſey ver-
geſſen! Und auch die Opfer die dieſer Sache, noch als ſie ausgekämpft
war, fallen mußten — wir werden ſie ewig zu beklagen haben; aber
es muß ſelbſt ihre Manen verſöhnen wenn dieſe Worte zu Thaten werden.“
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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