Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
derösterreichischen Stände und zwölf Mitgliedern aus dem provisorischen "Der provisorische Aus- Der provisorische Ausschuß. Prager Bürger-Deputation -- auf der Eisenbahn angelangt -- meinem Fenster vorbei; auch hieß es schon heute Morgen: essey eine Deputa- tion aus Preußisch-Schlesien und Breslau eingetroffen, um dem neuen constitutionellen Kaiser die deutsche Reichskrone anzutragen! Wir er- warten bald mehrere solcher Deputationen aus allen Gauen Deutsch- lands, denn nur in einem neuen constitutionellen deutschen Kaiserthum sehe ich eine Möglichkeit die gesammten Wünsche der deutschen Nation befriedigt und realisirt zu sehen. x Wien, 20 März. Uebermorgen erwartet man die Ver- ** Wien, 20 März. Gestern langte der Erzherzog Johann hier *+ Wien, 20 März. Es ist natürlich daß man das erste constitutio- [Spaltenumbruch]
deröſterreichiſchen Stände und zwölf Mitgliedern aus dem proviſoriſchen „Der proviſoriſche Aus- Der proviſoriſche Ausſchuß. Prager Bürger-Deputation — auf der Eiſenbahn angelangt — meinem Fenſter vorbei; auch hieß es ſchon heute Morgen: esſey eine Deputa- tion aus Preußiſch-Schleſien und Breslau eingetroffen, um dem neuen conſtitutionellen Kaiſer die deutſche Reichskrone anzutragen! Wir er- warten bald mehrere ſolcher Deputationen aus allen Gauen Deutſch- lands, denn nur in einem neuen conſtitutionellen deutſchen Kaiſerthum ſehe ich eine Möglichkeit die geſammten Wünſche der deutſchen Nation befriedigt und realiſirt zu ſehen. × Wien, 20 März. Uebermorgen erwartet man die Ver- ** Wien, 20 März. Geſtern langte der Erzherzog Johann hier *† Wien, 20 März. Es iſt natürlich daß man das erſte conſtitutio- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="1334"/><cb/> deröſterreichiſchen Stände und zwölf Mitgliedern aus dem proviſoriſchen<lb/> Bürgerausſchuß, iſt ſchon ſeit dem 16 unter Vorſitz des niederöſterreichi-<lb/> ſchen Landmarſchalls Albert Grafen v. Montecucculi zuſammengetreten.<lb/> Sie nennt ſich ſelbſt „Proviſoriſchen Ausſchuß zur Beſorgung der für<lb/> den Augenblick wichtigſten Geſchäfte,“ und die Namen ihrer Mitglieder<lb/> ſind folgende: 1. Alexander Bach, <hi rendition="#aq">Dr. jur.,</hi> 2. Graf Auguſt Brauner<lb/> (niederöſterr. Stand), 3. Graf Ferdinand Colleredo-Mannsfeld (nie-<lb/> deröſterr. Stand), 4. Frhr. Anton Dobblhof-Dirr (niederöſterr. Stand),<lb/> 5. Karl Gerold, Buchhändler, 6) Theod. Hornboſtel, Fabricant, 7.<lb/> Graf Heinr. Hoyos, Commandant der Nationalgarde, 8) <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Ant. Hyn,<lb/> 9. Franz Jacks, 10. Ritter Karl Kleyle (niederöſterr. Stand), 11. Jo-<lb/> hann Mayer, Großhändler, 12) Ritter Georg Mitis (n. ö. St.), 13.<lb/> Wilhelm, Prälat von Mölk (n. ö. St.), 14. Frhr. Johann Moſer (n. ö.<lb/> St.), 15. Bernard, Prälat von Neuſtadt (n. ö. St.), 16. Graf Anton<lb/> Pergen (n. ö. St.), 17. Franz Plaſun, Kaufmann, 18. Ludwig Ro-<lb/> dert, Großhändler und Fabricant, 19. Ernſt Schilling, Notar der me-<lb/> dieiniſchen Facultät, 20. Ritter Anton Schmerling (n. ö. St.), 21. Mat-<lb/> thäus Sieß, bürgerl. Kaufmann, 22. Michael Spörlin, Fabricant, 23.<lb/> Frhr. Andreas Stift (n. ö. St.), 24. Leopold v. Wertheimſtein, Groß-<lb/> händler. In Beziehung auf die übrigen von Sr. Maj. dem Kaiſer bis<lb/> jetzt noch nicht förmlich und feierlich bewilligten, in den Bürger- und<lb/> Studenten-Petitionen enthaltenen Punkte machte dieſer proviſoriſche<lb/> Ausſchuß folgende ſehr beruhigende Erklärung: <floatingText><body><div n="1"><p>„Der proviſoriſche Aus-<lb/> ſchuß hält es für ſeine angenehme Pflicht ſeine Mitbürger fortan von<lb/> den Ergebniſſen ſeiner Berathung in Kenntniß zu erhalten. Nachdem Se.<lb/> Maj. durch die Einſetzung eines verantwortlichen Miniſterrathes bereits den<lb/> wichtigſten Stützpunkt für die Vollziehung der beſchloſſenen Conſtitu-<lb/> tion des Vaterlandes gewährt haben, ſo iſt es die erſte Aufgabe des<lb/> Ausſchuſſes auch nach ſeinen Kräften zur alsbaldigen Ausführung der<lb/> Conſtitution nach ihrem vollen Inhalte beizutragen. Außerdem hat der<lb/> Ausſchuß in ſeiner erſten Sitzung (vom 16) für nothwendig erkannt zu-<lb/> nächſt folgende Gegenſtände in Anregung zu bringen: 1. Eine zeitge-<lb/> mäße Umgeſtaltung und Verbeſſerung der <hi rendition="#g">Gemeindeverfaſſung</hi><lb/> der Städte und Märkte, ſo wie der Dorfgemeinden. 2. Die Regelung<lb/> der <hi rendition="#g">bäuerlichen</hi> Verhältniſſe in der den gegenwärtigen Zeit-, Cultur-<lb/> und Volkswirthſchaftszuſtänden entſprechenden Weiſe. 3. Eine ange-<lb/> meſſene Prüfung des beſtehenden Syſtems der Beſteurung, um eine Er-<lb/> leichterung in jenen Steuergattungen zu ermöglichen, welche vorzugs-<lb/> weiſe die Mindervermöglichen und die erwerbenden Claſſen betreffen.<lb/> 4. Die Herſtellung eines den gegenwärtigen ſocialen Verhältniſſen entſpre-<lb/> chenden <hi rendition="#g">Rechtszuſtandes der verſchiedenen Religionsconfeſ-<lb/> ſionen.</hi> 5. 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Auf dem Wege des Geſetzes und der rechtli-<lb/> chen Ordnung werden wir die empfangenen Wohlthaten zum reichen<lb/> Segen für <hi rendition="#g">alle</hi> im Vaterlande verwirklichen, während Unruhen und<lb/> geſetzwidrige Vorgänge unſere redlichen Bemühungen ſtören und ver-<lb/> eiteln würden. </p><closer><signed>Der <hi rendition="#g">proviſoriſche Ausſchuß.</hi></signed></closer></div></body></floatingText>“ So eben zieht die<lb/> Prager Bürger-Deputation — auf der Eiſenbahn angelangt — meinem<lb/> Fenſter vorbei; auch hieß es ſchon heute Morgen: esſey eine Deputa-<lb/> tion aus Preußiſch-Schleſien und Breslau eingetroffen, um dem neuen<lb/> conſtitutionellen Kaiſer die deutſche Reichskrone anzutragen! Wir er-<lb/> warten bald mehrere ſolcher Deputationen aus allen Gauen Deutſch-<lb/> lands, denn nur in einem neuen conſtitutionellen deutſchen Kaiſerthum<lb/> ſehe ich eine Möglichkeit die geſammten Wünſche der deutſchen Nation<lb/> befriedigt und realiſirt zu ſehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>× <hi rendition="#b">Wien,</hi> 20 März.</dateline> <p>Uebermorgen erwartet man die Ver-<lb/> öffentlichung eines proviſoriſchen Preßgeſetzes, welches dem Ver-<lb/> nehmen nach nicht ganz mit den Anforderungen der Zeit in Ein-<lb/> klang ſtehen ſoll. Es iſt aber zu hoffen daß es von der allgemeinen<lb/> Ständeverſammlung weſentlich modificirt werden wird. Bereits werden<lb/> mehrere neue politiſche Journale angekündigt. 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Der<lb/> ruſſiſche Geſandte, Graf Medem, wird jeden Augenblick zurückerwartet.<lb/> Geſtern Abends 9 Uhr iſt Se kaiſ. Hoh. der Erzherzog Johann von<lb/> Grätz zurück hier eingetroffen. Eine große Volksmenge hatte den Erz-<lb/> herzog am Bahnhof eingeholt, von ſeinem Wagen wurden die Pferde<lb/> ausgeſpannt, und Se, kaiſerl. Hoh. im Triumph nach der kaiſerlichen<lb/> Burg gefahren. Da man nicht wußte woher der Lärm der heranwogen-<lb/> den Menge kam, ſo wurde ſowohl von den Nationalgardiſten als dem<lb/> Militär in der Nähe der Burg zu den Waffen gerufen. — Der neue<lb/> Stadtcommandant, Hr. v. Sardagna (Generalmajor), iſt dem Com-<lb/> mandanten der Nationalgarde zur nöthigen Dienſtleiſtung <hi rendition="#aq">ad latus</hi> ge-<lb/> geben worden. — Die Ruhe in unſerer Stadt iſt gänzlich wiederherge-<lb/> ſtellt; ſie war es von dem Augenblick an als am Mittwoch Abends das<lb/> Verſprechen einer allgemeinen Conſtitution erfolgt war. Die Anſpie-<lb/> lung des Hrn. Koſſuth in der von ihm bei ſeiner Rückkunft in Preßburg<lb/> gehaltenen Rede auf einen vermeintlichen Zuſammenhang zwiſchen dem<lb/> Erſcheinen der ungariſchen Deputation in Wien und der Ertheilung<lb/> der Conſtitution dünkt uns etwas anſpruchvoll, und iſt jedenfalls unge-<lb/> gründet, denn beides fiel, wie bereits berichtet, in denſelben Zeitpunkt<lb/> zuſammen, und das eine konnte ſich nicht zu dem andern als Urſache zur<lb/> Wirkung verhalten. Was die ungariſche Deputation übrigens in jenen<lb/> für Wien und die Monarchie ſo verhängnißvollen Tagen geſucht, das<lb/> erhielt ſie im ganzen Umfang, jedoch nur nachdem — ſo ſagen die unga-<lb/> riſchen Blätter ſelbſt — der Erzherzog Palatin im Fall der Verweigerung<lb/> mit ſeiner Abdankung gedroht hatte. Es war daher die ungariſche De-<lb/> putation mit ihrem eigenen Geſuch auf nicht unbedeutende Schwierig-<lb/> keiten geſtoßen. Wir glauben uns nicht zu irren, wenn wir die Be-<lb/> hauptung umkehren und ſagen daß die erwähnte Deputation die Errei-<lb/> chung ihres Zwecks den drei Märztagen verdankt, da ohne die letzteren<lb/> der Palatin ſchwerlich, ſo ganz <hi rendition="#aq">ex abrupto,</hi> auf den Gedanken einer<lb/> Abdication, wenn dieſer überhaupt beſtanden hat, verfallen wäre. Bis<lb/> jetzt ſcheint uns der Erfolg der Märztäge hinſichtlich Ungarns nicht eben<lb/> in einer bewirkten Annäherung zu beſtehen; vielmehr iſt die Ab-<lb/> trennung desſelben von der Geſammtmonarchie durch Aufſtellung ei-<lb/> nes Stellvertreters des Königs mit einem <hi rendition="#g">beſondern</hi> verantwortlichen<lb/> Miniſterium eine faſt vollſtändige geworden. Möge die nicht eben unmög-<lb/> liche Theilnahme Ungarns an dem allgemeinen Reichstage ſich verwirkli-<lb/> chen und ſo ein neues Band geſchaffen werden um das alte, wie uns dünkt<lb/> etwas lockerer gewordene, zu erſetzen; der Vortheil einer ſolchen Er-<lb/> neuerung wird wohl nicht geringer für Ungarn ſeyn als für die übrigen<lb/> öſterreichiſchen Länder. Der mit der Zuſammenſetzung eines ungari-<lb/> ſchen Miniſteriums beauftragte Graf L. Batthyanyi hat in Preßburg<lb/> eine Ehrenwache von Nationalgardiſten und Bürgern erhalten. Es<lb/> heißt der Landtag in Preßburg werde binnen acht Tagen aufgelöst, und<lb/> dann in Peſth nach alter Sitte, bis auf die Wahl des Platzes, wieder<lb/> eröffnet oder eigentlich fortgeſetzt werden. Die Einſchreibungen in die<lb/> Liſten der Nationalgarde in Preßburg ſollen mit großem Eifer betrieben<lb/> werden, ſelbſt Geiſtliche — man nennt darunter den kirchlichen Digni-<lb/> tar Lonovics — ließen ihre Namen einzeichnen. Ueberhaupt ſoll die<lb/> Geiſtlichkeit eine merkwürdige Begeiſterung an den Tag legen und be-<lb/> reits ihre Verzichtleiſtung auf den kirchlichen Zehnt ausgeſprochen ha-<lb/> ben. — Die Unruhen in den Umgebungen Wiens haben ſich noch nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1334/0006]
deröſterreichiſchen Stände und zwölf Mitgliedern aus dem proviſoriſchen
Bürgerausſchuß, iſt ſchon ſeit dem 16 unter Vorſitz des niederöſterreichi-
ſchen Landmarſchalls Albert Grafen v. Montecucculi zuſammengetreten.
Sie nennt ſich ſelbſt „Proviſoriſchen Ausſchuß zur Beſorgung der für
den Augenblick wichtigſten Geſchäfte,“ und die Namen ihrer Mitglieder
ſind folgende: 1. Alexander Bach, Dr. jur., 2. Graf Auguſt Brauner
(niederöſterr. Stand), 3. Graf Ferdinand Colleredo-Mannsfeld (nie-
deröſterr. Stand), 4. Frhr. Anton Dobblhof-Dirr (niederöſterr. Stand),
5. Karl Gerold, Buchhändler, 6) Theod. Hornboſtel, Fabricant, 7.
Graf Heinr. Hoyos, Commandant der Nationalgarde, 8) Dr. Ant. Hyn,
9. Franz Jacks, 10. Ritter Karl Kleyle (niederöſterr. Stand), 11. Jo-
hann Mayer, Großhändler, 12) Ritter Georg Mitis (n. ö. St.), 13.
Wilhelm, Prälat von Mölk (n. ö. St.), 14. Frhr. Johann Moſer (n. ö.
St.), 15. Bernard, Prälat von Neuſtadt (n. ö. St.), 16. Graf Anton
Pergen (n. ö. St.), 17. Franz Plaſun, Kaufmann, 18. Ludwig Ro-
dert, Großhändler und Fabricant, 19. Ernſt Schilling, Notar der me-
dieiniſchen Facultät, 20. Ritter Anton Schmerling (n. ö. St.), 21. Mat-
thäus Sieß, bürgerl. Kaufmann, 22. Michael Spörlin, Fabricant, 23.
Frhr. Andreas Stift (n. ö. St.), 24. Leopold v. Wertheimſtein, Groß-
händler. In Beziehung auf die übrigen von Sr. Maj. dem Kaiſer bis
jetzt noch nicht förmlich und feierlich bewilligten, in den Bürger- und
Studenten-Petitionen enthaltenen Punkte machte dieſer proviſoriſche
Ausſchuß folgende ſehr beruhigende Erklärung: „Der proviſoriſche Aus-
ſchuß hält es für ſeine angenehme Pflicht ſeine Mitbürger fortan von
den Ergebniſſen ſeiner Berathung in Kenntniß zu erhalten. Nachdem Se.
Maj. durch die Einſetzung eines verantwortlichen Miniſterrathes bereits den
wichtigſten Stützpunkt für die Vollziehung der beſchloſſenen Conſtitu-
tion des Vaterlandes gewährt haben, ſo iſt es die erſte Aufgabe des
Ausſchuſſes auch nach ſeinen Kräften zur alsbaldigen Ausführung der
Conſtitution nach ihrem vollen Inhalte beizutragen. Außerdem hat der
Ausſchuß in ſeiner erſten Sitzung (vom 16) für nothwendig erkannt zu-
nächſt folgende Gegenſtände in Anregung zu bringen: 1. Eine zeitge-
mäße Umgeſtaltung und Verbeſſerung der Gemeindeverfaſſung
der Städte und Märkte, ſo wie der Dorfgemeinden. 2. Die Regelung
der bäuerlichen Verhältniſſe in der den gegenwärtigen Zeit-, Cultur-
und Volkswirthſchaftszuſtänden entſprechenden Weiſe. 3. Eine ange-
meſſene Prüfung des beſtehenden Syſtems der Beſteurung, um eine Er-
leichterung in jenen Steuergattungen zu ermöglichen, welche vorzugs-
weiſe die Mindervermöglichen und die erwerbenden Claſſen betreffen.
4. Die Herſtellung eines den gegenwärtigen ſocialen Verhältniſſen entſpre-
chenden Rechtszuſtandes der verſchiedenen Religionsconfeſ-
ſionen. 5. Eine Verbeſſerung der Gerechtigkeitspflege auf den Grund-
lagen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, ſo wie 6. des geſammten
öffentlichen Unterrichtsweſens. Entgegen erwartet aber auch
der Ausſchuß daß alle Mithürger ſeinem redlichen Willen und thätigen
Eifer vertrauen und für die Aufrechthaltung der beſtehenden Geſetze
thätig mitwirken werden. Auf dem Wege des Geſetzes und der rechtli-
chen Ordnung werden wir die empfangenen Wohlthaten zum reichen
Segen für alle im Vaterlande verwirklichen, während Unruhen und
geſetzwidrige Vorgänge unſere redlichen Bemühungen ſtören und ver-
eiteln würden.
Der proviſoriſche Ausſchuß.“ So eben zieht die
Prager Bürger-Deputation — auf der Eiſenbahn angelangt — meinem
Fenſter vorbei; auch hieß es ſchon heute Morgen: esſey eine Deputa-
tion aus Preußiſch-Schleſien und Breslau eingetroffen, um dem neuen
conſtitutionellen Kaiſer die deutſche Reichskrone anzutragen! Wir er-
warten bald mehrere ſolcher Deputationen aus allen Gauen Deutſch-
lands, denn nur in einem neuen conſtitutionellen deutſchen Kaiſerthum
ſehe ich eine Möglichkeit die geſammten Wünſche der deutſchen Nation
befriedigt und realiſirt zu ſehen.
× Wien, 20 März.Uebermorgen erwartet man die Ver-
öffentlichung eines proviſoriſchen Preßgeſetzes, welches dem Ver-
nehmen nach nicht ganz mit den Anforderungen der Zeit in Ein-
klang ſtehen ſoll. Es iſt aber zu hoffen daß es von der allgemeinen
Ständeverſammlung weſentlich modificirt werden wird. Bereits werden
mehrere neue politiſche Journale angekündigt. Die Ernennung des
Generals Sardagna zum Stadtcommandanten hat einen guten Ein-
druck gemacht, und man hofft daß der nicht ſehr beliebte Fürſt Windiſch-
grätz bald ſeine Stelle als Stadtgouverneur niederlegen wird, welche
von dem Feldmarſchalllieutenant Zanini eingenommen werden ſoll.
Ueberhaupt hofft man daß die Ankunft des Erzherzogs Johann, der
geſtern Abend im Triumph vom Volke eingeholt wurde, den Entſchlüſſen
der Regierung eine entſchieden liberale Färbung verleihen werde.
** Wien, 20 März.Geſtern langte der Erzherzog Johann hier
an, und wurde von der Bevölkerung, welcher ſeine freiſinnigen Grund-
ſätze und noch vor der Stunde der Entſcheidung dringenden Rathſchläge
beim Monarchen zur Ertheilung der gegenwärtigen Verfaſſung be-
kannt ſind, mit Jubel empfangen. — Die Einzeichnungen bei der Natio-
nalgarde ſind bereits nahe an 20,000 Mann gediehen, und man hofft
den Stand derſelben auf das Doppelte gebracht zu ſehen. — Das In-
fanterieregiment „Erzherzog Ludwig“ iſt Nachts aus Mähren auf der
Eiſenbahn hier angelangt, und hat ſeinen Marſch ſogleich weiter nach
Italien fortgeſetzt. — Die Bivouacs auf dem Glacis werden heute ab-
getragen, die Garniſon kehrt in ihre Caſernen zurück, und die herbei-
gezogenen auswärtigen Truppen ſind in den Vorſtädten einquartiert
worden. — Eine Bittſchrift um Gleichſtellung aller Confeſſionen
(Emancipation der Juden) circulirt im Publicum zur Unterzeichnung,
hat aber bereits eine gegentheilige Petition unter der Bürgerſchaft her-
vorgerufen.
*† Wien, 20 März.Es iſt natürlich daß man das erſte conſtitutio-
nelle Miniſterium nicht anders denn als ein Uebergangsminiſterium be-
trachten kann, das nach Conſtituirung des Reichstags wohl einem andern,
aus andern Elementen zuſammengeſetzten, wird weichen müſſen. — Heute
verläßt Graf Flahault unſere Hauptſtadt und begibt ſich nach England. Der
ruſſiſche Geſandte, Graf Medem, wird jeden Augenblick zurückerwartet.
Geſtern Abends 9 Uhr iſt Se kaiſ. Hoh. der Erzherzog Johann von
Grätz zurück hier eingetroffen. Eine große Volksmenge hatte den Erz-
herzog am Bahnhof eingeholt, von ſeinem Wagen wurden die Pferde
ausgeſpannt, und Se, kaiſerl. Hoh. im Triumph nach der kaiſerlichen
Burg gefahren. Da man nicht wußte woher der Lärm der heranwogen-
den Menge kam, ſo wurde ſowohl von den Nationalgardiſten als dem
Militär in der Nähe der Burg zu den Waffen gerufen. — Der neue
Stadtcommandant, Hr. v. Sardagna (Generalmajor), iſt dem Com-
mandanten der Nationalgarde zur nöthigen Dienſtleiſtung ad latus ge-
geben worden. — Die Ruhe in unſerer Stadt iſt gänzlich wiederherge-
ſtellt; ſie war es von dem Augenblick an als am Mittwoch Abends das
Verſprechen einer allgemeinen Conſtitution erfolgt war. Die Anſpie-
lung des Hrn. Koſſuth in der von ihm bei ſeiner Rückkunft in Preßburg
gehaltenen Rede auf einen vermeintlichen Zuſammenhang zwiſchen dem
Erſcheinen der ungariſchen Deputation in Wien und der Ertheilung
der Conſtitution dünkt uns etwas anſpruchvoll, und iſt jedenfalls unge-
gründet, denn beides fiel, wie bereits berichtet, in denſelben Zeitpunkt
zuſammen, und das eine konnte ſich nicht zu dem andern als Urſache zur
Wirkung verhalten. Was die ungariſche Deputation übrigens in jenen
für Wien und die Monarchie ſo verhängnißvollen Tagen geſucht, das
erhielt ſie im ganzen Umfang, jedoch nur nachdem — ſo ſagen die unga-
riſchen Blätter ſelbſt — der Erzherzog Palatin im Fall der Verweigerung
mit ſeiner Abdankung gedroht hatte. Es war daher die ungariſche De-
putation mit ihrem eigenen Geſuch auf nicht unbedeutende Schwierig-
keiten geſtoßen. Wir glauben uns nicht zu irren, wenn wir die Be-
hauptung umkehren und ſagen daß die erwähnte Deputation die Errei-
chung ihres Zwecks den drei Märztagen verdankt, da ohne die letzteren
der Palatin ſchwerlich, ſo ganz ex abrupto, auf den Gedanken einer
Abdication, wenn dieſer überhaupt beſtanden hat, verfallen wäre. Bis
jetzt ſcheint uns der Erfolg der Märztäge hinſichtlich Ungarns nicht eben
in einer bewirkten Annäherung zu beſtehen; vielmehr iſt die Ab-
trennung desſelben von der Geſammtmonarchie durch Aufſtellung ei-
nes Stellvertreters des Königs mit einem beſondern verantwortlichen
Miniſterium eine faſt vollſtändige geworden. Möge die nicht eben unmög-
liche Theilnahme Ungarns an dem allgemeinen Reichstage ſich verwirkli-
chen und ſo ein neues Band geſchaffen werden um das alte, wie uns dünkt
etwas lockerer gewordene, zu erſetzen; der Vortheil einer ſolchen Er-
neuerung wird wohl nicht geringer für Ungarn ſeyn als für die übrigen
öſterreichiſchen Länder. Der mit der Zuſammenſetzung eines ungari-
ſchen Miniſteriums beauftragte Graf L. Batthyanyi hat in Preßburg
eine Ehrenwache von Nationalgardiſten und Bürgern erhalten. Es
heißt der Landtag in Preßburg werde binnen acht Tagen aufgelöst, und
dann in Peſth nach alter Sitte, bis auf die Wahl des Platzes, wieder
eröffnet oder eigentlich fortgeſetzt werden. Die Einſchreibungen in die
Liſten der Nationalgarde in Preßburg ſollen mit großem Eifer betrieben
werden, ſelbſt Geiſtliche — man nennt darunter den kirchlichen Digni-
tar Lonovics — ließen ihre Namen einzeichnen. Ueberhaupt ſoll die
Geiſtlichkeit eine merkwürdige Begeiſterung an den Tag legen und be-
reits ihre Verzichtleiſtung auf den kirchlichen Zehnt ausgeſprochen ha-
ben. — Die Unruhen in den Umgebungen Wiens haben ſich noch nicht
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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