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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Minister entlassen, von denen er nur provisorisch den Grafen Stollberg,
den Kriegsminister v. Rohr, Savigny und Uhden beibehalte. Der Abg.
Graf Schwerin soll Minister des Cultus an Eichhorns Stelle, v. Auers-
wald Minister des Innern, Graf Arnim Minister des Auswärtigen und
der Verfassungsangelegenheiten werden. Der König ließ alle bei dem Auf-
ruhr Gefangene frei, fügte aber nicht ohne Ironie hinzu, indem er zum
Volke sprach: nehmt sie, seht sie euch aber an ob es auch die eurigen sind.
Die Zahl der Todten ist noch nicht bekannt. Man spricht von 64 todten
und verwundeten Officieren. Ein Wagen voll Todter wurde gestern
feierlich beim Schloß vorübergefahren um den König zu kränken. Eine
ähnliche Kundgebung war daß man überlaut im Schloß den -- Schützen-
könig leben ließ, einen Bürger von ansehnlicher Gestalt, der als Schützen-
könig mit goldener Kette um den Hals die Bürgerwacht im Schloß lei-
tete. Die am Mittag des 19 noch sehr gereizte Stimmung hat sich bald
darauf in eine versöhnliche, ja theilweise in laute Heiterkeit und Lust
verwandelt. Die ganze Stadt war illuminirt. Es ist kein Exceß weiter
vorgefallen.

Der Jubel über den Abzug der Truppen, von denen
die auswärtigen nach ihren Garnisonen zurückgekehrt, und die einheimischen
auf ihre Casernen beschränkt sind, war gestern so allgemein, daß noch am
Nachmittag sämmtliche Barricaden, deren an hundert in den verschiede-
nen Stadttheilen errichtet waren, verschwanden. Abends war die Stadt
erleuchtet, aber nicht wie am vorhergehenden Tage damit die furchtbaren
Kämpfe auf der Straße Licht haben, sondern um die Vereinigung mit
dem freien und constitutionellen Deutschland zu feiern, die man sich von
der Aenderung des preußischen Regierungssystems und von der Ab-
setzung der bisherigen Minister verspricht. Man hofft daß die rheinischen
Deputirten, welchen Anträge gemacht worden in das Ministerium einzu-
treten, dieselben annehmen werden, wenn auch vielleicht unter gewissen
Bedingungen. Daß auch der Minister v. Bodelschwingh ausgeschieden,
der, den ersten vorgestern verbreiteten Nachrichten zufolge, noch am Ru-
der bleiben sollte, hat um so mehr Freude erregt als man wußte daß der
diesem Minister vom vorigen Landtag her verbliebene Nimbus, als bilde
er eine Ausnahme unter seinen Collegen, ein gänzlich unverdientet war.
Er mochte wohl mehr parlamentarische Geschicklichkeit haben als diese,
aber auch an bureaukratischer Willkür war er ihnen weit überlegen.
Sein Nachfolger wird darum auch nichts dringenderes zu thun haben
als die Männer sich fern zu halten welche die Günstlinge des Hrn. v. Bo-
delschwingh waren. Heute strömt und drängt das Volk durch alle
Straßen; es freut sich gleichzeitig seines Sieges wie seiner Mäßigung.
Die Liebe zum König gibt sich vielfältig zu erkennen, doch vor dem Pa-
last des Prinzen von Preußen haben Demonstrationen stattgefunden die
einen Augenblick seine Zerstörung fürchten ließen. Die bewaffneten
Bürger redeten indessen dem Volk zu, indem sie ihm sagten daß der Kö-
nig so großes Vertrauen seinen Bürgern zeige welchen allein er sich an-
vertraut, das Volk nun auch dieses Vertrauen des Königs ehren müsse.
Inzwischen wurde auf der Zinne des Palastes unter dem Jubel der Ver-
sammelten die schwarz-roth-goldene Fahne aufgezogen, während an den
Mauern desselben mit großen Buchstaben die Worte "Eigenthum des
ganzen Volkes" zu lesen find. Der Prinz hat mit seiner Familie gestern
Berlin verlassen und befindet sich wahrscheinlich jetzt auf seiner Villa in
Potsdam. Die polnischen Angeklagten und Verurtheilten welche der
König begnadigt hat, wurden heute aus dem Gefängniß entlassen und
fuhren im Triumph durch die Straßen. Am Schloß stellten sie sich auf
und brachten dem König ein Lebehoch, worauf das Volk "Es lebe Polen!"
rief. Unsere neue Bürgergarde organisirt sich zusehends. Einstweilen
hat sie alle von den Truppen verlassenen Wachtposten bezogen. Im Schloß
hat die Schützengilde die Auszeichnung unmittelbar um des Königs Per-
son zu seyn. Gleichwohl herrscht noch große Unruhe über das was die
nächsten Tage bringen können, und an der Presse wird es jetzt seyn ihre
ehrenhafte Aufgabe zu erfüllen und zur Ordnung sowie zur Einigkeit
beizutragen.

* Wir erhalten eben noch Briefe aus Berlin vom 20 März
Abends. Der Friede war nicht weiter gestört worden. Alle Truppen
hatten sich aus der Stadt zurückgezogen, der König und der ganze Hof
hatten sich nach Potsdam begeben. Vorher hatte der König noch eine
allgemeine politische Amnestie erlassen; die befreiten Polen waren mit
einer deutschen Fahne durch die Stadt gezogen vor das Schloß, um dem
König zu danken.

In der vorgestrigen Nacht ist noch
Blut geflossen. Die verschiedenen Haufen (s. mein gestriges Schreiben)
[Spaltenumbruch] hatten sich noch spät vereinigt um mehreren beliebten Vertretern der
Stadt ein Hoch auszubringen. Dieß geschah vor den Wohnungen der
Landtagsdeputirten Siebig und Tschocke. Um halb 12 Uhr in der Nacht
hatte man auch dem Mitgliede der letzt an Se. Maj. gesandten Deputa-
tion, dem Apotheker Lockstädt, ein Hoch gebracht, und dieser wollte eben
seinen Dank aussprechen als plötzlich eine Abtheilung Cuirassiere auf
ein Trompetensignal heransprengte und auf die Versammelten, meist
Bürger, einhieb. Von denselben wurden 11 verwundet. Dieser Vor-
fall regte am gestrigen Morgen die ganze Stadt auf. Um 11 Uhr begab
sich eine Bürgerdeputation zu dem commandirenden General Graf
Brandenburg und verlangte von demselben 1) Waffen für die Bürger,
2) Enthaltung jeder fernern Einmischung des Militärs und 3) Unter-
suchung gegen den Schuldigen. Se. Excellenz antwortete: Waffen könne
er nicht geben; ferner werde das Militär in den Casernen bleiben und
nur auf Verlangen einschreiten, endlich in Bezug auf den gestrigen be-
dauernswerthen Vorfall sey die Untersuchung schon eingeleitet. Der
letztere Theil der Antwort erregte einen ungeheuren Jubel der Tausende
welche auf den Straßen und vor dem Rathhause standen, die Verweige-
rung der Waffen aber ebenso großes Mißfallen und man sprach nicht
undeutlich die Absicht aus sich die Waffen aus den Landwehrdepots selbst
zu holen. Der Nachmittag gewährte ein Bild des lebendigsten Treibens
auf Straßen und in den Häusern; ganz Breslau glich einer belagerten
Stadt. In den betreffenden Bezirken versammelte sich die Bürgerschaft
um über die Organistrung der Bewaffnung zu berathen; es wurde be-
schlossen: jeder solle sich bewaffnen so gut er könne und Abends zwischen
6 bis 7 Uhr auf den bestimmten Sammelplätzen sich einfinden. Aehn-
liche Versammlungen fanden von Seiten der Schutzverwandten und der
Studirenden statt. Nun wurden die Waffenläden fast gestürmt, auch
nicht eine Spur von Waffe blieb in denselben; in den Behausungen
wurde alles hervorgesucht was einer Waffe glich, Flinte, Säbel, Pike,
Lanze; auf offener Straße standen Scheerenschleifer von Studenten um-
geben die sich ihre Rappiere und Hieber schärfen ließen. Um 7 Uhr
war die gesammte Bürgerschaft, viele der Schutzverwandten und die
Studentenschaft bewaffnet auf den Beinen, besetzte die wichtigsten Punkte
oder zog in starken Colonnen durch alle Straßen der Stadt. Zur Aus-
zeichnung trug man eine weiße Binde um den Arm, die meisten hatten
noch ein schwarz-roth-goldenes Band oder dergleichen Cocarde hinzuge-
fügt. Um halb 9 Uhr verlangte ein ungeheurer Volkshaufe der vor dem
Rathhause stand, die Freilassung der wegen schwerer Majestätsbeleidi-
gung verhafteten Gebrüder Bürger Hoffmann. Man rückte in Masse
vor das Inquisitoriat, und würde dasselbe sicherlich gestürmt und die Frei-
lassung aller Gefangenen bewirkt haben, hätte nicht eine Bürgerdeputa-
tion den Freilassungsbefehl von dem Criminaldirector erhalten. Die
Gebrüder Hoffmann wurden im Triumphe von dem Volke bis zum
Rathhause getragen. Die Ruhe der Stadt wurde nun, ausgenommen
einiges Geschrei, nicht mehr gestört; die Bewaffnung der Bürger hat das
schönste Resultat gewährt. Nachschrift. Kurz vor Abgang der Post.
Es finden überall Versammlungen statt. Man will die Censoren zwin-
gen schon mit dem heutigen Tage die Censur aufhören zu lassen. So
eben befinden sich die drei Redacteure bei dem Oberpräsidenten.

Oesterreich.

Der ge-
strige Tag ist in vollster Ruhe zu Ende gegangen. Das Militär, welches
die Bastei, Stadtgräben und Glacis besetzt hatte und rund um Wien ein
großes Feldlager bildete, verläßt nach und nach seine Bivouaks, und
auch die Burg, deren innere Höfe vier Tage hindurch von Soldaten
vollgepfropft waren, ist dem Publicum wieder geöffnet. Der Kaiser
selbst hat sich auf seiner letzten Fahrt durch die Stadt von der unbe-
gränzten Anhänglichkeit und Treue des Volks überzeugt, und soll in
bittern Ausdrücken seinen gerechten Unwillen gegen diejenigen Männer
geäußert haben welche durch systematische Bestrebungen das Vertrauen
zwischen Volk und Thron zu untergraben suchten. Bor allem hat dieser
Unwille den Grafen Sedlnitzky getroffen, welcher Befehl erhielt Stadt
und Land zu verlassen. Ueber die Bildung des neuen verantwort-
chen
Ministeriums circuliren auch in den bestunterrichten Kreisen nur
Gerüchte; jedoch gehören alle Männer welche genannt werden zu der
entschieden liberalen Partei; Pillersdorf -- dieß steht fest -- ist Mini-
ster des Innern. Kolowrat wird als Präsident des Ministeriums be-
zeichnet und ihm der Gouverneur in Galizien, Graf Stadion, beigegeben;
Kübeck bleibt für die Finanzen; Graf Coloredo-Wallsee wird als Mini-
ster der auswärtigen Angelegenheiten genannt. Die Commission der 24,
bestehend, wie ich Ihnen meldete, aus zwölf Mitgliedern der nie-

[Spaltenumbruch] Miniſter entlaſſen, von denen er nur proviſoriſch den Grafen Stollberg,
den Kriegsminiſter v. Rohr, Savigny und Uhden beibehalte. Der Abg.
Graf Schwerin ſoll Miniſter des Cultus an Eichhorns Stelle, v. Auers-
wald Miniſter des Innern, Graf Arnim Miniſter des Auswärtigen und
der Verfaſſungsangelegenheiten werden. Der König ließ alle bei dem Auf-
ruhr Gefangene frei, fügte aber nicht ohne Ironie hinzu, indem er zum
Volke ſprach: nehmt ſie, ſeht ſie euch aber an ob es auch die eurigen ſind.
Die Zahl der Todten iſt noch nicht bekannt. Man ſpricht von 64 todten
und verwundeten Officieren. Ein Wagen voll Todter wurde geſtern
feierlich beim Schloß vorübergefahren um den König zu kränken. Eine
ähnliche Kundgebung war daß man überlaut im Schloß den — Schützen-
könig leben ließ, einen Bürger von anſehnlicher Geſtalt, der als Schützen-
könig mit goldener Kette um den Hals die Bürgerwacht im Schloß lei-
tete. Die am Mittag des 19 noch ſehr gereizte Stimmung hat ſich bald
darauf in eine verſöhnliche, ja theilweiſe in laute Heiterkeit und Luſt
verwandelt. Die ganze Stadt war illuminirt. Es iſt kein Exceß weiter
vorgefallen.

Der Jubel über den Abzug der Truppen, von denen
die auswärtigen nach ihren Garniſonen zurückgekehrt, und die einheimiſchen
auf ihre Caſernen beſchränkt ſind, war geſtern ſo allgemein, daß noch am
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nen Stadttheilen errichtet waren, verſchwanden. Abends war die Stadt
erleuchtet, aber nicht wie am vorhergehenden Tage damit die furchtbaren
Kämpfe auf der Straße Licht haben, ſondern um die Vereinigung mit
dem freien und conſtitutionellen Deutſchland zu feiern, die man ſich von
der Aenderung des preußiſchen Regierungsſyſtems und von der Ab-
ſetzung der bisherigen Miniſter verſpricht. Man hofft daß die rheiniſchen
Deputirten, welchen Anträge gemacht worden in das Miniſterium einzu-
treten, dieſelben annehmen werden, wenn auch vielleicht unter gewiſſen
Bedingungen. Daß auch der Miniſter v. Bodelſchwingh ausgeſchieden,
der, den erſten vorgeſtern verbreiteten Nachrichten zufolge, noch am Ru-
der bleiben ſollte, hat um ſo mehr Freude erregt als man wußte daß der
dieſem Miniſter vom vorigen Landtag her verbliebene Nimbus, als bilde
er eine Ausnahme unter ſeinen Collegen, ein gänzlich unverdientet war.
Er mochte wohl mehr parlamentariſche Geſchicklichkeit haben als dieſe,
aber auch an bureaukratiſcher Willkür war er ihnen weit überlegen.
Sein Nachfolger wird darum auch nichts dringenderes zu thun haben
als die Männer ſich fern zu halten welche die Günſtlinge des Hrn. v. Bo-
delſchwingh waren. Heute ſtrömt und drängt das Volk durch alle
Straßen; es freut ſich gleichzeitig ſeines Sieges wie ſeiner Mäßigung.
Die Liebe zum König gibt ſich vielfältig zu erkennen, doch vor dem Pa-
laſt des Prinzen von Preußen haben Demonſtrationen ſtattgefunden die
einen Augenblick ſeine Zerſtörung fürchten ließen. Die bewaffneten
Bürger redeten indeſſen dem Volk zu, indem ſie ihm ſagten daß der Kö-
nig ſo großes Vertrauen ſeinen Bürgern zeige welchen allein er ſich an-
vertraut, das Volk nun auch dieſes Vertrauen des Königs ehren müſſe.
Inzwiſchen wurde auf der Zinne des Palaſtes unter dem Jubel der Ver-
ſammelten die ſchwarz-roth-goldene Fahne aufgezogen, während an den
Mauern desſelben mit großen Buchſtaben die Worte „Eigenthum des
ganzen Volkes“ zu leſen find. Der Prinz hat mit ſeiner Familie geſtern
Berlin verlaſſen und befindet ſich wahrſcheinlich jetzt auf ſeiner Villa in
Potsdam. Die polniſchen Angeklagten und Verurtheilten welche der
König begnadigt hat, wurden heute aus dem Gefängniß entlaſſen und
fuhren im Triumph durch die Straßen. Am Schloß ſtellten ſie ſich auf
und brachten dem König ein Lebehoch, worauf das Volk „Es lebe Polen!“
rief. Unſere neue Bürgergarde organiſirt ſich zuſehends. Einſtweilen
hat ſie alle von den Truppen verlaſſenen Wachtpoſten bezogen. Im Schloß
hat die Schützengilde die Auszeichnung unmittelbar um des Königs Per-
ſon zu ſeyn. Gleichwohl herrſcht noch große Unruhe über das was die
nächſten Tage bringen können, und an der Preſſe wird es jetzt ſeyn ihre
ehrenhafte Aufgabe zu erfüllen und zur Ordnung ſowie zur Einigkeit
beizutragen.

* Wir erhalten eben noch Briefe aus Berlin vom 20 März
Abends. Der Friede war nicht weiter geſtört worden. Alle Truppen
hatten ſich aus der Stadt zurückgezogen, der König und der ganze Hof
hatten ſich nach Potsdam begeben. Vorher hatte der König noch eine
allgemeine politiſche Amneſtie erlaſſen; die befreiten Polen waren mit
einer deutſchen Fahne durch die Stadt gezogen vor das Schloß, um dem
König zu danken.

In der vorgeſtrigen Nacht iſt noch
Blut gefloſſen. Die verſchiedenen Haufen (ſ. mein geſtriges Schreiben)
[Spaltenumbruch] hatten ſich noch ſpät vereinigt um mehreren beliebten Vertretern der
Stadt ein Hoch auszubringen. Dieß geſchah vor den Wohnungen der
Landtagsdeputirten Siebig und Tſchocke. Um halb 12 Uhr in der Nacht
hatte man auch dem Mitgliede der letzt an Se. Maj. geſandten Deputa-
tion, dem Apotheker Lockſtädt, ein Hoch gebracht, und dieſer wollte eben
ſeinen Dank ausſprechen als plötzlich eine Abtheilung Cuiraſſiere auf
ein Trompetenſignal heranſprengte und auf die Verſammelten, meiſt
Bürger, einhieb. Von denſelben wurden 11 verwundet. Dieſer Vor-
fall regte am geſtrigen Morgen die ganze Stadt auf. Um 11 Uhr begab
ſich eine Bürgerdeputation zu dem commandirenden General Graf
Brandenburg und verlangte von demſelben 1) Waffen für die Bürger,
2) Enthaltung jeder fernern Einmiſchung des Militärs und 3) Unter-
ſuchung gegen den Schuldigen. Se. Excellenz antwortete: Waffen könne
er nicht geben; ferner werde das Militär in den Caſernen bleiben und
nur auf Verlangen einſchreiten, endlich in Bezug auf den geſtrigen be-
dauernswerthen Vorfall ſey die Unterſuchung ſchon eingeleitet. Der
letztere Theil der Antwort erregte einen ungeheuren Jubel der Tauſende
welche auf den Straßen und vor dem Rathhauſe ſtanden, die Verweige-
rung der Waffen aber ebenſo großes Mißfallen und man ſprach nicht
undeutlich die Abſicht aus ſich die Waffen aus den Landwehrdepots ſelbſt
zu holen. Der Nachmittag gewährte ein Bild des lebendigſten Treibens
auf Straßen und in den Häuſern; ganz Breslau glich einer belagerten
Stadt. In den betreffenden Bezirken verſammelte ſich die Bürgerſchaft
um über die Organiſtrung der Bewaffnung zu berathen; es wurde be-
ſchloſſen: jeder ſolle ſich bewaffnen ſo gut er könne und Abends zwiſchen
6 bis 7 Uhr auf den beſtimmten Sammelplätzen ſich einfinden. Aehn-
liche Verſammlungen fanden von Seiten der Schutzverwandten und der
Studirenden ſtatt. Nun wurden die Waffenläden faſt geſtürmt, auch
nicht eine Spur von Waffe blieb in denſelben; in den Behauſungen
wurde alles hervorgeſucht was einer Waffe glich, Flinte, Säbel, Pike,
Lanze; auf offener Straße ſtanden Scheerenſchleifer von Studenten um-
geben die ſich ihre Rappiere und Hieber ſchärfen ließen. Um 7 Uhr
war die geſammte Bürgerſchaft, viele der Schutzverwandten und die
Studentenſchaft bewaffnet auf den Beinen, beſetzte die wichtigſten Punkte
oder zog in ſtarken Colonnen durch alle Straßen der Stadt. Zur Aus-
zeichnung trug man eine weiße Binde um den Arm, die meiſten hatten
noch ein ſchwarz-roth-goldenes Band oder dergleichen Cocarde hinzuge-
fügt. Um halb 9 Uhr verlangte ein ungeheurer Volkshaufe der vor dem
Rathhauſe ſtand, die Freilaſſung der wegen ſchwerer Majeſtätsbeleidi-
gung verhafteten Gebrüder Bürger Hoffmann. Man rückte in Maſſe
vor das Inquiſitoriat, und würde dasſelbe ſicherlich geſtürmt und die Frei-
laſſung aller Gefangenen bewirkt haben, hätte nicht eine Bürgerdeputa-
tion den Freilaſſungsbefehl von dem Criminaldirector erhalten. Die
Gebrüder Hoffmann wurden im Triumphe von dem Volke bis zum
Rathhauſe getragen. Die Ruhe der Stadt wurde nun, ausgenommen
einiges Geſchrei, nicht mehr geſtört; die Bewaffnung der Bürger hat das
ſchönſte Reſultat gewährt. Nachſchrift. Kurz vor Abgang der Poſt.
Es finden überall Verſammlungen ſtatt. Man will die Cenſoren zwin-
gen ſchon mit dem heutigen Tage die Cenſur aufhören zu laſſen. So
eben befinden ſich die drei Redacteure bei dem Oberpräſidenten.

Oeſterreich.

Der ge-
ſtrige Tag iſt in vollſter Ruhe zu Ende gegangen. Das Militär, welches
die Baſtei, Stadtgräben und Glacis beſetzt hatte und rund um Wien ein
großes Feldlager bildete, verläßt nach und nach ſeine Bivouaks, und
auch die Burg, deren innere Höfe vier Tage hindurch von Soldaten
vollgepfropft waren, iſt dem Publicum wieder geöffnet. Der Kaiſer
ſelbſt hat ſich auf ſeiner letzten Fahrt durch die Stadt von der unbe-
gränzten Anhänglichkeit und Treue des Volks überzeugt, und ſoll in
bittern Ausdrücken ſeinen gerechten Unwillen gegen diejenigen Männer
geäußert haben welche durch ſyſtematiſche Beſtrebungen das Vertrauen
zwiſchen Volk und Thron zu untergraben ſuchten. Bor allem hat dieſer
Unwille den Grafen Sedlnitzky getroffen, welcher Befehl erhielt Stadt
und Land zu verlaſſen. Ueber die Bildung des neuen verantwort-
chen
Miniſteriums circuliren auch in den beſtunterrichten Kreiſen nur
Gerüchte; jedoch gehören alle Männer welche genannt werden zu der
entſchieden liberalen Partei; Pillersdorf — dieß ſteht feſt — iſt Mini-
ſter des Innern. Kolowrat wird als Präſident des Miniſteriums be-
zeichnet und ihm der Gouverneur in Galizien, Graf Stadion, beigegeben;
Kübeck bleibt für die Finanzen; Graf Coloredo-Wallſee wird als Mini-
ſter der auswärtigen Angelegenheiten genannt. Die Commiſſion der 24,
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[1333/0005] Miniſter entlaſſen, von denen er nur proviſoriſch den Grafen Stollberg, den Kriegsminiſter v. Rohr, Savigny und Uhden beibehalte. Der Abg. Graf Schwerin ſoll Miniſter des Cultus an Eichhorns Stelle, v. Auers- wald Miniſter des Innern, Graf Arnim Miniſter des Auswärtigen und der Verfaſſungsangelegenheiten werden. Der König ließ alle bei dem Auf- ruhr Gefangene frei, fügte aber nicht ohne Ironie hinzu, indem er zum Volke ſprach: nehmt ſie, ſeht ſie euch aber an ob es auch die eurigen ſind. Die Zahl der Todten iſt noch nicht bekannt. Man ſpricht von 64 todten und verwundeten Officieren. Ein Wagen voll Todter wurde geſtern feierlich beim Schloß vorübergefahren um den König zu kränken. Eine ähnliche Kundgebung war daß man überlaut im Schloß den — Schützen- könig leben ließ, einen Bürger von anſehnlicher Geſtalt, der als Schützen- könig mit goldener Kette um den Hals die Bürgerwacht im Schloß lei- tete. Die am Mittag des 19 noch ſehr gereizte Stimmung hat ſich bald darauf in eine verſöhnliche, ja theilweiſe in laute Heiterkeit und Luſt verwandelt. Die ganze Stadt war illuminirt. Es iſt kein Exceß weiter vorgefallen. *) Berlin, 20 März.Der Jubel über den Abzug der Truppen, von denen die auswärtigen nach ihren Garniſonen zurückgekehrt, und die einheimiſchen auf ihre Caſernen beſchränkt ſind, war geſtern ſo allgemein, daß noch am Nachmittag ſämmtliche Barricaden, deren an hundert in den verſchiede- nen Stadttheilen errichtet waren, verſchwanden. Abends war die Stadt erleuchtet, aber nicht wie am vorhergehenden Tage damit die furchtbaren Kämpfe auf der Straße Licht haben, ſondern um die Vereinigung mit dem freien und conſtitutionellen Deutſchland zu feiern, die man ſich von der Aenderung des preußiſchen Regierungsſyſtems und von der Ab- ſetzung der bisherigen Miniſter verſpricht. Man hofft daß die rheiniſchen Deputirten, welchen Anträge gemacht worden in das Miniſterium einzu- treten, dieſelben annehmen werden, wenn auch vielleicht unter gewiſſen Bedingungen. Daß auch der Miniſter v. Bodelſchwingh ausgeſchieden, der, den erſten vorgeſtern verbreiteten Nachrichten zufolge, noch am Ru- der bleiben ſollte, hat um ſo mehr Freude erregt als man wußte daß der dieſem Miniſter vom vorigen Landtag her verbliebene Nimbus, als bilde er eine Ausnahme unter ſeinen Collegen, ein gänzlich unverdientet war. Er mochte wohl mehr parlamentariſche Geſchicklichkeit haben als dieſe, aber auch an bureaukratiſcher Willkür war er ihnen weit überlegen. Sein Nachfolger wird darum auch nichts dringenderes zu thun haben als die Männer ſich fern zu halten welche die Günſtlinge des Hrn. v. Bo- delſchwingh waren. Heute ſtrömt und drängt das Volk durch alle Straßen; es freut ſich gleichzeitig ſeines Sieges wie ſeiner Mäßigung. Die Liebe zum König gibt ſich vielfältig zu erkennen, doch vor dem Pa- laſt des Prinzen von Preußen haben Demonſtrationen ſtattgefunden die einen Augenblick ſeine Zerſtörung fürchten ließen. Die bewaffneten Bürger redeten indeſſen dem Volk zu, indem ſie ihm ſagten daß der Kö- nig ſo großes Vertrauen ſeinen Bürgern zeige welchen allein er ſich an- vertraut, das Volk nun auch dieſes Vertrauen des Königs ehren müſſe. Inzwiſchen wurde auf der Zinne des Palaſtes unter dem Jubel der Ver- ſammelten die ſchwarz-roth-goldene Fahne aufgezogen, während an den Mauern desſelben mit großen Buchſtaben die Worte „Eigenthum des ganzen Volkes“ zu leſen find. Der Prinz hat mit ſeiner Familie geſtern Berlin verlaſſen und befindet ſich wahrſcheinlich jetzt auf ſeiner Villa in Potsdam. Die polniſchen Angeklagten und Verurtheilten welche der König begnadigt hat, wurden heute aus dem Gefängniß entlaſſen und fuhren im Triumph durch die Straßen. Am Schloß ſtellten ſie ſich auf und brachten dem König ein Lebehoch, worauf das Volk „Es lebe Polen!“ rief. Unſere neue Bürgergarde organiſirt ſich zuſehends. Einſtweilen hat ſie alle von den Truppen verlaſſenen Wachtpoſten bezogen. Im Schloß hat die Schützengilde die Auszeichnung unmittelbar um des Königs Per- ſon zu ſeyn. Gleichwohl herrſcht noch große Unruhe über das was die nächſten Tage bringen können, und an der Preſſe wird es jetzt ſeyn ihre ehrenhafte Aufgabe zu erfüllen und zur Ordnung ſowie zur Einigkeit beizutragen. * Wir erhalten eben noch Briefe aus Berlin vom 20 März Abends. Der Friede war nicht weiter geſtört worden. Alle Truppen hatten ſich aus der Stadt zurückgezogen, der König und der ganze Hof hatten ſich nach Potsdam begeben. Vorher hatte der König noch eine allgemeine politiſche Amneſtie erlaſſen; die befreiten Polen waren mit einer deutſchen Fahne durch die Stadt gezogen vor das Schloß, um dem König zu danken. *** Breslau, 18 März.In der vorgeſtrigen Nacht iſt noch Blut gefloſſen. Die verſchiedenen Haufen (ſ. mein geſtriges Schreiben) hatten ſich noch ſpät vereinigt um mehreren beliebten Vertretern der Stadt ein Hoch auszubringen. Dieß geſchah vor den Wohnungen der Landtagsdeputirten Siebig und Tſchocke. Um halb 12 Uhr in der Nacht hatte man auch dem Mitgliede der letzt an Se. Maj. geſandten Deputa- tion, dem Apotheker Lockſtädt, ein Hoch gebracht, und dieſer wollte eben ſeinen Dank ausſprechen als plötzlich eine Abtheilung Cuiraſſiere auf ein Trompetenſignal heranſprengte und auf die Verſammelten, meiſt Bürger, einhieb. Von denſelben wurden 11 verwundet. Dieſer Vor- fall regte am geſtrigen Morgen die ganze Stadt auf. Um 11 Uhr begab ſich eine Bürgerdeputation zu dem commandirenden General Graf Brandenburg und verlangte von demſelben 1) Waffen für die Bürger, 2) Enthaltung jeder fernern Einmiſchung des Militärs und 3) Unter- ſuchung gegen den Schuldigen. Se. Excellenz antwortete: Waffen könne er nicht geben; ferner werde das Militär in den Caſernen bleiben und nur auf Verlangen einſchreiten, endlich in Bezug auf den geſtrigen be- dauernswerthen Vorfall ſey die Unterſuchung ſchon eingeleitet. Der letztere Theil der Antwort erregte einen ungeheuren Jubel der Tauſende welche auf den Straßen und vor dem Rathhauſe ſtanden, die Verweige- rung der Waffen aber ebenſo großes Mißfallen und man ſprach nicht undeutlich die Abſicht aus ſich die Waffen aus den Landwehrdepots ſelbſt zu holen. Der Nachmittag gewährte ein Bild des lebendigſten Treibens auf Straßen und in den Häuſern; ganz Breslau glich einer belagerten Stadt. In den betreffenden Bezirken verſammelte ſich die Bürgerſchaft um über die Organiſtrung der Bewaffnung zu berathen; es wurde be- ſchloſſen: jeder ſolle ſich bewaffnen ſo gut er könne und Abends zwiſchen 6 bis 7 Uhr auf den beſtimmten Sammelplätzen ſich einfinden. Aehn- liche Verſammlungen fanden von Seiten der Schutzverwandten und der Studirenden ſtatt. Nun wurden die Waffenläden faſt geſtürmt, auch nicht eine Spur von Waffe blieb in denſelben; in den Behauſungen wurde alles hervorgeſucht was einer Waffe glich, Flinte, Säbel, Pike, Lanze; auf offener Straße ſtanden Scheerenſchleifer von Studenten um- geben die ſich ihre Rappiere und Hieber ſchärfen ließen. Um 7 Uhr war die geſammte Bürgerſchaft, viele der Schutzverwandten und die Studentenſchaft bewaffnet auf den Beinen, beſetzte die wichtigſten Punkte oder zog in ſtarken Colonnen durch alle Straßen der Stadt. Zur Aus- zeichnung trug man eine weiße Binde um den Arm, die meiſten hatten noch ein ſchwarz-roth-goldenes Band oder dergleichen Cocarde hinzuge- fügt. Um halb 9 Uhr verlangte ein ungeheurer Volkshaufe der vor dem Rathhauſe ſtand, die Freilaſſung der wegen ſchwerer Majeſtätsbeleidi- gung verhafteten Gebrüder Bürger Hoffmann. Man rückte in Maſſe vor das Inquiſitoriat, und würde dasſelbe ſicherlich geſtürmt und die Frei- laſſung aller Gefangenen bewirkt haben, hätte nicht eine Bürgerdeputa- tion den Freilaſſungsbefehl von dem Criminaldirector erhalten. Die Gebrüder Hoffmann wurden im Triumphe von dem Volke bis zum Rathhauſe getragen. Die Ruhe der Stadt wurde nun, ausgenommen einiges Geſchrei, nicht mehr geſtört; die Bewaffnung der Bürger hat das ſchönſte Reſultat gewährt. Nachſchrift. Kurz vor Abgang der Poſt. Es finden überall Verſammlungen ſtatt. Man will die Cenſoren zwin- gen ſchon mit dem heutigen Tage die Cenſur aufhören zu laſſen. So eben befinden ſich die drei Redacteure bei dem Oberpräſidenten. Oeſterreich. ✡ Wien, 20 März. 1 Uhr Nachmittags.Der ge- ſtrige Tag iſt in vollſter Ruhe zu Ende gegangen. Das Militär, welches die Baſtei, Stadtgräben und Glacis beſetzt hatte und rund um Wien ein großes Feldlager bildete, verläßt nach und nach ſeine Bivouaks, und auch die Burg, deren innere Höfe vier Tage hindurch von Soldaten vollgepfropft waren, iſt dem Publicum wieder geöffnet. Der Kaiſer ſelbſt hat ſich auf ſeiner letzten Fahrt durch die Stadt von der unbe- gränzten Anhänglichkeit und Treue des Volks überzeugt, und ſoll in bittern Ausdrücken ſeinen gerechten Unwillen gegen diejenigen Männer geäußert haben welche durch ſyſtematiſche Beſtrebungen das Vertrauen zwiſchen Volk und Thron zu untergraben ſuchten. Bor allem hat dieſer Unwille den Grafen Sedlnitzky getroffen, welcher Befehl erhielt Stadt und Land zu verlaſſen. Ueber die Bildung des neuen verantwort- chen Miniſteriums circuliren auch in den beſtunterrichten Kreiſen nur Gerüchte; jedoch gehören alle Männer welche genannt werden zu der entſchieden liberalen Partei; Pillersdorf — dieß ſteht feſt — iſt Mini- ſter des Innern. Kolowrat wird als Präſident des Miniſteriums be- zeichnet und ihm der Gouverneur in Galizien, Graf Stadion, beigegeben; Kübeck bleibt für die Finanzen; Graf Coloredo-Wallſee wird als Mini- ſter der auswärtigen Angelegenheiten genannt. Die Commiſſion der 24, beſtehend, wie ich Ihnen meldete, aus zwölf Mitgliedern der nie-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/5>, abgerufen am 24.11.2024.