Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.[Spaltenumbruch]
treue Kundmachung zu verbinden, was aber von vielen, namentlich den Oesterreichische Monarchie. Die Preßburger Ztg. berichtet über die Reichstagssitzung der * Pesth, 16 März. Seit gestern ist hier die Bewegung bedeutend Großbritannien. London, 18 März. Wie mißfällig die Einkommensteuer auch im ganzen Lande ange- *) Einer unserer Londoner Correspondenten schreibt uns daß diese De-
monstration von John O'Connell abbestellt worden. [Spaltenumbruch]
treue Kundmachung zu verbinden, was aber von vielen, namentlich den Oeſterreichiſche Monarchie. Die Preßburger Ztg. berichtet über die Reichstagsſitzung der * Peſth, 16 März. Seit geſtern iſt hier die Bewegung bedeutend Großbritannien. London, 18 März. Wie mißfällig die Einkommenſteuer auch im ganzen Lande ange- *) Einer unſerer Londoner Correſpondenten ſchreibt uns daß dieſe De-
monſtration von John O’Connell abbeſtellt worden. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0007" n="1319"/><cb/> treue Kundmachung zu verbinden, was aber von vielen, namentlich den<lb/> Studirenden unliebſam vermerkt wurde. Schon früher ſetzten ſich aber<lb/> Gerüchte von einer Adreſſe auf Trennung der Landeshauptmannſchaft<lb/> von der Stelle des Gouverneurs und Erneuerung der Wahlen der ſtän-<lb/> diſchen Vertreter von drei zu drei Jahren in Umlauf. Es iſt jetzt an<lb/> der Zeit die wahren Bedürfniſſe des Landes zu begreifen. Wir hatten<lb/> ſeit dem Jahre 1817 einen Landtag, der, aus Männern der entſchieden-<lb/> ſten conſervativen Farbe gewählt, bei verſchloſſenen Thüren rathſchlagte<lb/> und willig zu allem die Hand bot was von oben gewünſcht wurde.<lb/> Eine Conſtitution mit vorzüglicher Rückſicht auf die Vertretung des Bür-<lb/> gerſtandes eröffnet uns die Ausſicht auf neue und wirkſamere Vertreter,<lb/> intelligentere Bedingungen bei ihrer Wahl, auf eine höhere Stellung<lb/> mit Beſeitigung jedes provinziellen Localgeiſtes. Möchte man auch in<lb/> unſern Thälern ſich bewußt werden daß die Sonne auch über uns leuch-<lb/> tend emporſteigt, daß der Tag gekommen der uns einer großen deutſchen<lb/> Geſammtheit wieder vereinigt, und uns die Güter geiſtiger Entwicklung<lb/> und materiellen Wohlſeyns, ja das Höchſte und Edelſte geſetzlicher Frei-<lb/> heit zuführt. Nur Einigkeit und klares Verſtändniß geben dafür ſichere<lb/> Bürgſchaft. Mündlichkeit und Oeffentlichkeit und eine vorurtheilsvolle<lb/> Bildung unſrer Jugend mögen unſer Hauptaugenmerk werden, Beauf-<lb/> ſichtigung des Staatshaushalts, Vertrauen zu den Behörden, und jene<lb/> Schätze des Erkennens und Wiſſens welche die Freiheit der Lehre und<lb/> Preſſe aufſchließt, zählen zu ihrem Gefolge. Daß das Gymnaſium un-<lb/> ſerer Hauptſtadt in den Händen einer jedem geiſtigen Fortſchritt feind-<lb/> lichen Geſellſchaft und dieſe von unſern eigenen Ständen erbeten wurde,<lb/> iſt jetzt leider doppelt bedauernswerth.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die <hi rendition="#g">Preßburger Ztg.</hi> berichtet über die Reichstagsſitzung der<lb/> Magnaten vom 14 März: „Der Eintritt des Erzherzogs Reichspalatins<lb/> verurſachte einen unbeſchreiblichen Beifallsſturm. Er ſprach: „Hohe<lb/> Magnaten! Aus der Verzögerung der vor mir liegenden und eben ver-<lb/> leſenen Repräſentation (der bekannten die wir mitgetheilt) wage ich die<lb/> Hoffnung zu ſchöpfen daß die hohen Magnaten dieſe ihrem ganzen Um-<lb/> fange nach anzunehmen belieben (Beifallsſturm. Ja wir nehmen ſie an<lb/> — nachhallender Freudenruf von dem Auditorium, welches beinahe nach<lb/> jeder Pauſe des hohen Redners ſich anhaltend ſtürmiſch wiederholte). In-<lb/> dem ich ſehe daß die hohen Magnaten dieſe Petition einſtimmig — an-<lb/> nehmen, kann ich meinen Wunſch nicht unterdrücken, in Folge deſſen<lb/> meine heißeſte Sehnſucht dahin ſtrebt daß dieſer Reichstag erfolgreich<lb/> ſey (lebhafte Freudenbezeugung), zugleich verſichere ich Sie daß ich in<lb/> dieſer Beziehung allen meinen perſönlichen und ſelbſtändigen Einfluß<lb/> anwenden werde, und daß ich es für meine Pflicht halte zur Entwicke-<lb/> lung unſerer Verfaſſungsmäßigkeit in jener Richtung welche die löbli-<lb/> chen Stände eingeſchlagen haben, mit Ihnen Hand in Hand zu gehen.<lb/> Zur Erreichung deſſen kenne ich aber nur ein Mittel, nämlich: ſtren-<lb/> ges Einverſtändniß und Zuſammenhalten in dieſen ſchweren Zeiten,<lb/> wozu ich die hohen Magnaten auch bei dieſer Gelegenheit vertrauensvoll<lb/> auffordere.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Peſth,</hi> 16 März.</dateline> <p>Seit geſtern iſt hier die Bewegung bedeutend<lb/> vorgeſchritten. 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Man kehrte zurück, und der Graf berichtete daß der Reichstag<lb/> die Beſchlüſſe der Ständetafel: Preßfreiheit, verantwortliches Miniſte-<lb/> rium ꝛc. angenommen habe, was mit endloſem Jubel aufgenommen<lb/> wurde. Hierauf zogen viele Tauſende nach Ofen, um den in der dorti-<lb/> gen Feſtung ſeit zwei Jahren wegen einer im Ausland gedruckten revo-<lb/> lutionären Broſchüre in Haft ſitzenden Advocaten Stanſcits durch Güte<lb/> oder Gewalt zu befreien; der Gefangene wurde von Seite des comman-<lb/> direnden Baron Lederer ohne allen Widerſtand ausgeliefert. Stanſeits<lb/><cb/> wurde hierauf in einem von Menſchen gezogenen Wagen im Triumphe<lb/> nach Peſth geführt, und im Nationaltheater dem jubelnden Publicum<lb/> gezeigt. Abends verſahen die Bürger die Wachen, und patrouillirten<lb/> des Nachts durch die Stadt. Heute verſieht wieder Militär die Wachen.<lb/><hi rendition="#g">Alle angeſtellten Cenſoren gaben noch geſtern ihre Ent-<lb/> laſſung;</hi> die Cenſur exiſtirt alſo factiſch nicht mehr, und morgen wer-<lb/> den alle Blätter ohne dieſelbe erſcheinen. Heute ziehen Maſſen Refor-<lb/> mer (meiſt Studenten) mit Fahnen und Nationalcocarden durch die<lb/> Stadt. Soeben erſchien ein gedruckter Aufruf an alle „Patrioten“ in<lb/> ungariſcher und deutſcher Sprache, unterzeichnet von einem aus 13 Mit-<lb/> gliedern (der zweite Bürgermeiſter an der Spitze) beſtehenden Sicher-<lb/> heitsausſchuſſe. Die Bürgergarde wird demnach um 1500 Mann ver-<lb/> mehrt. Jeder „Biedermann“ erhält unentgeltlich Waffen und eine Co-<lb/> carde. Sonſt geht alles friedlich her, und die Ruhe iſt nicht ſonderlich<lb/> geſtört worden; das Militär miſchte ſich bis jetzt durchaus nicht ein —<lb/> jedoch ſcheint man jetzt, bei Abgang der Poſt, in der Feſtung Ofen<lb/> militäriſche Vorſichtsmaßregeln zu treffen; beim Zeughaus ſind Kano-<lb/> nen aufgepflanzt.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 18 März.</dateline><lb/> <p>Wie mißfällig die Einkommenſteuer auch im ganzen Lande ange-<lb/> ſehen iſt, das Gefühl ihrer Nothwendigkeit unterſtützt die Regierung,<lb/> und ſie hat nun dieſelbe gegen alle Einreden durchgeſetzt. In der <hi rendition="#g">Unter-<lb/> hausſitzung</hi> am 17 März ſtellte nämlich Sir Benjamin <hi rendition="#g">Hall</hi> ein<lb/> drittes Amendement: die Steuer ſey auf Irland auszudehnen. 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Er erin-<lb/> nerte daran welche Noth in Irland herrſche und wie ſehr die dortigen<lb/> Landeigenthümer durch die neue Armenſteuer belaſtet ſeyen. Dabei<lb/> bat er nicht zu vergeſſen daß heute der St. Patrickstag ſey, an wel-<lb/> chem die große Repealdemonſtration in ganz Irland ſtattfinde. <note place="foot" n="*)">Einer unſerer Londoner Correſpondenten ſchreibt uns daß dieſe De-<lb/> monſtration von John O’Connell abbeſtellt worden.</note> Be-<lb/> reits habe Irland mit der franzöſiſchen Revolution Bruderſchaft ge-<lb/> ſchloſſen, und das heutige Monſter-Meeting in Irland werde die Regie-<lb/> rung nöthigenfalls zur Vernunft bringen. Kurz, Sir H. Winſton<lb/> Barron ſchwang, nach dem Ausdrucke der <hi rendition="#g">Times,</hi> in der St.<lb/> Stephanscapelle die Brandfackel der Empörung. Das Haus ließ ſich<lb/> aber dadurch nicht einſchüchtern, ſondern antwortete mit einem kalten<lb/> „Oh, oh!“ Indeſſen trat Sir Charles <hi rendition="#g">Wood,</hi> der Schatzkanzler, dem Hall’-<lb/> ſchen Antrag mit der Bemerkung entgegen. theoretiſch betrachtet ſey der-<lb/> ſelbe zwar gerecht, aber er ſey nicht praktiſch, nicht paſſend für die gege-<lb/> benen Umſtände. Auch in anderer Beziehung habe man, bei dem großen<lb/> Unterſchiede zwiſchen England und Irland in Bezug auf Nationalwohl-<lb/> ſtand, nöthig gefunden die Beſteuerung des einen und des andern Landes<lb/> nach verſchiedenen Grundſätzen zu behandeln. Nachdem man nun Ir-<lb/> land fünf Jahre lang, während einer vergleichsweiſe glücklichen Periode<lb/> desſelben, mit der Einkommenſteuer verſchont habe, würde es grauſam<lb/> ſeyn ſie ihm jetzt nach zweijähriger Hungersnoth aufzulegen. Allerdings<lb/> ſey das iriſche Eigenthum verpflichtet die iriſche Armuth zu ernähren,<lb/> aber das Haus möge bedenken daß eben zu dieſem Ende dem iriſchen Be-<lb/> ſitzſtande jetzt eine Taxe aufgelegt ſey welche jährlich 2 Mill. Pfd. St.<lb/> betrage. Hr. <hi rendition="#g">Hume</hi> bemerkte: die ſchottiſchen Hochlande ſeyen ſo arm<lb/> wie Irland, und doch werde dort die Einkommenſteuer mit Strenge bei-<lb/> getrieben. Man ſchritt zur Abſtimmung und das Amendement wurde<lb/> mit 218 gegen 138 Stimmen <hi rendition="#g">verworfen;</hi> miniſterielle Mehrheit 80.<lb/> — Im <hi rendition="#g">Oberhaus</hi> wurde die Eiſenbahn-Paſſagiers-Bill zum dritten-<lb/> mal geleſen und angenommen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1319/0007]
treue Kundmachung zu verbinden, was aber von vielen, namentlich den
Studirenden unliebſam vermerkt wurde. Schon früher ſetzten ſich aber
Gerüchte von einer Adreſſe auf Trennung der Landeshauptmannſchaft
von der Stelle des Gouverneurs und Erneuerung der Wahlen der ſtän-
diſchen Vertreter von drei zu drei Jahren in Umlauf. Es iſt jetzt an
der Zeit die wahren Bedürfniſſe des Landes zu begreifen. Wir hatten
ſeit dem Jahre 1817 einen Landtag, der, aus Männern der entſchieden-
ſten conſervativen Farbe gewählt, bei verſchloſſenen Thüren rathſchlagte
und willig zu allem die Hand bot was von oben gewünſcht wurde.
Eine Conſtitution mit vorzüglicher Rückſicht auf die Vertretung des Bür-
gerſtandes eröffnet uns die Ausſicht auf neue und wirkſamere Vertreter,
intelligentere Bedingungen bei ihrer Wahl, auf eine höhere Stellung
mit Beſeitigung jedes provinziellen Localgeiſtes. Möchte man auch in
unſern Thälern ſich bewußt werden daß die Sonne auch über uns leuch-
tend emporſteigt, daß der Tag gekommen der uns einer großen deutſchen
Geſammtheit wieder vereinigt, und uns die Güter geiſtiger Entwicklung
und materiellen Wohlſeyns, ja das Höchſte und Edelſte geſetzlicher Frei-
heit zuführt. Nur Einigkeit und klares Verſtändniß geben dafür ſichere
Bürgſchaft. Mündlichkeit und Oeffentlichkeit und eine vorurtheilsvolle
Bildung unſrer Jugend mögen unſer Hauptaugenmerk werden, Beauf-
ſichtigung des Staatshaushalts, Vertrauen zu den Behörden, und jene
Schätze des Erkennens und Wiſſens welche die Freiheit der Lehre und
Preſſe aufſchließt, zählen zu ihrem Gefolge. Daß das Gymnaſium un-
ſerer Hauptſtadt in den Händen einer jedem geiſtigen Fortſchritt feind-
lichen Geſellſchaft und dieſe von unſern eigenen Ständen erbeten wurde,
iſt jetzt leider doppelt bedauernswerth.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Die Preßburger Ztg. berichtet über die Reichstagsſitzung der
Magnaten vom 14 März: „Der Eintritt des Erzherzogs Reichspalatins
verurſachte einen unbeſchreiblichen Beifallsſturm. Er ſprach: „Hohe
Magnaten! Aus der Verzögerung der vor mir liegenden und eben ver-
leſenen Repräſentation (der bekannten die wir mitgetheilt) wage ich die
Hoffnung zu ſchöpfen daß die hohen Magnaten dieſe ihrem ganzen Um-
fange nach anzunehmen belieben (Beifallsſturm. Ja wir nehmen ſie an
— nachhallender Freudenruf von dem Auditorium, welches beinahe nach
jeder Pauſe des hohen Redners ſich anhaltend ſtürmiſch wiederholte). In-
dem ich ſehe daß die hohen Magnaten dieſe Petition einſtimmig — an-
nehmen, kann ich meinen Wunſch nicht unterdrücken, in Folge deſſen
meine heißeſte Sehnſucht dahin ſtrebt daß dieſer Reichstag erfolgreich
ſey (lebhafte Freudenbezeugung), zugleich verſichere ich Sie daß ich in
dieſer Beziehung allen meinen perſönlichen und ſelbſtändigen Einfluß
anwenden werde, und daß ich es für meine Pflicht halte zur Entwicke-
lung unſerer Verfaſſungsmäßigkeit in jener Richtung welche die löbli-
chen Stände eingeſchlagen haben, mit Ihnen Hand in Hand zu gehen.
Zur Erreichung deſſen kenne ich aber nur ein Mittel, nämlich: ſtren-
ges Einverſtändniß und Zuſammenhalten in dieſen ſchweren Zeiten,
wozu ich die hohen Magnaten auch bei dieſer Gelegenheit vertrauensvoll
auffordere.“
* Peſth, 16 März.Seit geſtern iſt hier die Bewegung bedeutend
vorgeſchritten. Geſtern Nachmittags zogen die Reformmänner in Maſſe
auf das Rathhaus, woſelbſt der Magiſtrat und der Bürgerausſchuß ver-
ſammelt waren, bemächtigten ſich des ganzen Hauſes, pflanzten auf die
Thurmſpitze die Nationalfahne, und nach manchen gehaltenen Reden
wurde dem Magiſtrat die 12 Punkte enthaltende Reformpetition zur
Unterzeichnung vorgelegt. Der ganze Magiſtrat konnte ſolchem drin-
genden Verlangen nicht widerſtehen, unterzeichnete die Petition, und
verſprach ſchon am andern Tag ſeine Amtsverhandlungen öffentlich
zu halten (was heute wirklich geſchah). Schon wollte die Maſſe nach
Ofen ziehen um bei der Statthalterei die Eingabe zu bewerkſtelligen, als
Graf Almaſy, Vicepräſident der Hofkammer, erſchien mit der Meldung
er habe wichtige Nachrichten aus Preßburg ſoeben erhalten und mitzu-
theilen. Man kehrte zurück, und der Graf berichtete daß der Reichstag
die Beſchlüſſe der Ständetafel: Preßfreiheit, verantwortliches Miniſte-
rium ꝛc. angenommen habe, was mit endloſem Jubel aufgenommen
wurde. Hierauf zogen viele Tauſende nach Ofen, um den in der dorti-
gen Feſtung ſeit zwei Jahren wegen einer im Ausland gedruckten revo-
lutionären Broſchüre in Haft ſitzenden Advocaten Stanſcits durch Güte
oder Gewalt zu befreien; der Gefangene wurde von Seite des comman-
direnden Baron Lederer ohne allen Widerſtand ausgeliefert. Stanſeits
wurde hierauf in einem von Menſchen gezogenen Wagen im Triumphe
nach Peſth geführt, und im Nationaltheater dem jubelnden Publicum
gezeigt. Abends verſahen die Bürger die Wachen, und patrouillirten
des Nachts durch die Stadt. Heute verſieht wieder Militär die Wachen.
Alle angeſtellten Cenſoren gaben noch geſtern ihre Ent-
laſſung; die Cenſur exiſtirt alſo factiſch nicht mehr, und morgen wer-
den alle Blätter ohne dieſelbe erſcheinen. Heute ziehen Maſſen Refor-
mer (meiſt Studenten) mit Fahnen und Nationalcocarden durch die
Stadt. Soeben erſchien ein gedruckter Aufruf an alle „Patrioten“ in
ungariſcher und deutſcher Sprache, unterzeichnet von einem aus 13 Mit-
gliedern (der zweite Bürgermeiſter an der Spitze) beſtehenden Sicher-
heitsausſchuſſe. Die Bürgergarde wird demnach um 1500 Mann ver-
mehrt. Jeder „Biedermann“ erhält unentgeltlich Waffen und eine Co-
carde. Sonſt geht alles friedlich her, und die Ruhe iſt nicht ſonderlich
geſtört worden; das Militär miſchte ſich bis jetzt durchaus nicht ein —
jedoch ſcheint man jetzt, bei Abgang der Poſt, in der Feſtung Ofen
militäriſche Vorſichtsmaßregeln zu treffen; beim Zeughaus ſind Kano-
nen aufgepflanzt.
Großbritannien.
London, 18 März.
Wie mißfällig die Einkommenſteuer auch im ganzen Lande ange-
ſehen iſt, das Gefühl ihrer Nothwendigkeit unterſtützt die Regierung,
und ſie hat nun dieſelbe gegen alle Einreden durchgeſetzt. In der Unter-
hausſitzung am 17 März ſtellte nämlich Sir Benjamin Hall ein
drittes Amendement: die Steuer ſey auf Irland auszudehnen. Denn
da die Permanenz der Einkommentaxe nachgerade keinem Zweifel mehr
unterliege, ſo ſey der Zeitpunkt eingetreten wo, nach Sir R. Peels eige-
nem Ausſpruch bei der urſprünglichen Einführung dieſer Steuer, dieſelbe
auf das ganze Vereinigte Königreich zu erſtrecken ſey. Nach allem dem
was in den letzten zwei Jahren das brittiſche Volk für Irland gethan
habe, ſeyen die Beſitzenden in Irland umſomehr verbunden an dieſer Laſt
mitzutragen. Eine Anzahl Mitglieder unterſtützte dieſen Gegenantrag
mit Eifer, darauf hinweiſend daß bei der neulichen Abſtimmung über
den Hume’ſchen Antrag, die Steuer auf ein Jahr zu beſchränken, 67 iri-
ſche Mitglieder für deren längere Dauer in Großbritannien, und nur 9
für die Beſchränkung votirt. Der Irländer Sir H. W. Barron, ein
iriſcher Grundherr, aber trat dem Vorſchlag hitzig entgegen. Er erin-
nerte daran welche Noth in Irland herrſche und wie ſehr die dortigen
Landeigenthümer durch die neue Armenſteuer belaſtet ſeyen. Dabei
bat er nicht zu vergeſſen daß heute der St. Patrickstag ſey, an wel-
chem die große Repealdemonſtration in ganz Irland ſtattfinde. *) Be-
reits habe Irland mit der franzöſiſchen Revolution Bruderſchaft ge-
ſchloſſen, und das heutige Monſter-Meeting in Irland werde die Regie-
rung nöthigenfalls zur Vernunft bringen. Kurz, Sir H. Winſton
Barron ſchwang, nach dem Ausdrucke der Times, in der St.
Stephanscapelle die Brandfackel der Empörung. Das Haus ließ ſich
aber dadurch nicht einſchüchtern, ſondern antwortete mit einem kalten
„Oh, oh!“ Indeſſen trat Sir Charles Wood, der Schatzkanzler, dem Hall’-
ſchen Antrag mit der Bemerkung entgegen. theoretiſch betrachtet ſey der-
ſelbe zwar gerecht, aber er ſey nicht praktiſch, nicht paſſend für die gege-
benen Umſtände. Auch in anderer Beziehung habe man, bei dem großen
Unterſchiede zwiſchen England und Irland in Bezug auf Nationalwohl-
ſtand, nöthig gefunden die Beſteuerung des einen und des andern Landes
nach verſchiedenen Grundſätzen zu behandeln. Nachdem man nun Ir-
land fünf Jahre lang, während einer vergleichsweiſe glücklichen Periode
desſelben, mit der Einkommenſteuer verſchont habe, würde es grauſam
ſeyn ſie ihm jetzt nach zweijähriger Hungersnoth aufzulegen. Allerdings
ſey das iriſche Eigenthum verpflichtet die iriſche Armuth zu ernähren,
aber das Haus möge bedenken daß eben zu dieſem Ende dem iriſchen Be-
ſitzſtande jetzt eine Taxe aufgelegt ſey welche jährlich 2 Mill. Pfd. St.
betrage. Hr. Hume bemerkte: die ſchottiſchen Hochlande ſeyen ſo arm
wie Irland, und doch werde dort die Einkommenſteuer mit Strenge bei-
getrieben. Man ſchritt zur Abſtimmung und das Amendement wurde
mit 218 gegen 138 Stimmen verworfen; miniſterielle Mehrheit 80.
— Im Oberhaus wurde die Eiſenbahn-Paſſagiers-Bill zum dritten-
mal geleſen und angenommen.
*) Einer unſerer Londoner Correſpondenten ſchreibt uns daß dieſe De-
monſtration von John O’Connell abbeſtellt worden.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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