Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.[Spaltenumbruch]
kel anbrach, und der Mond über die Dächer heraufstieg, seinen bleichen Berlin, 19 März. Mittag. Das Eigenthum ist überall verschont -- Berlin, 19 März. Abends 6 Uhr. Unsere Revolution * Berlin, 19 März, Abends 9 Uhr. Seit Nachmittag ist alles aus Berlin erhielten. Zwar sagt die obige Leipziger Correspondenz vom 20 März, die Waffenruhe sey wieder gebrochen worden, und der Hr. Correspondent fügte die Notiz bei, ein Gerücht sey verbreitet der König sey auf der Flucht erschossen worden, aber er bemerkte zugleich das Gerücht finde keinen Glauben. Leipz. Blätter hatten dasselbe Gerücht erwähnt, ihre Daten aber sind nicht so neu als unsere Berliner Berichte -- mindestens um 12 bis 15 Stunden älter -- daher wir sie als ent- schieden salsch betrachten können. Sollte die heute Nachmittag ein- treffende neue Berliner Post etwas von Bedeutung bringen, so werden wir es unsern Lesern durch ein Extrablatt mittheilen; erscheint keines, so dürfen sie dieß als glückliche Bestätigung betrachten daß jene Un- glückskunde eine irrige ist, wie wir schon jetzt mit Sicherheit annehmen. Breslau, 17 März. Gestern haben hier abermals, ohne weitere Die Hamb. Börsenh. meldet: "Einer uns so eben zugehenden * Posen, 16 März. Der gestrige Tag war für uns von der Oesterreich. Sun Innsbruck, 20 März. Das kais. Patent über Preß- [Spaltenumbruch]
kel anbrach, und der Mond über die Dächer heraufſtieg, ſeinen bleichen ⁑ Berlin, 19 März. Mittag. Das Eigenthum iſt überall verſchont — Berlin, 19 März. Abends 6 Uhr. Unſere Revolution * Berlin, 19 März, Abends 9 Uhr. Seit Nachmittag iſt alles aus Berlin erhielten. Zwar ſagt die obige Leipziger Correſpondenz vom 20 März, die Waffenruhe ſey wieder gebrochen worden, und der Hr. Correſpondent fügte die Notiz bei, ein Gerücht ſey verbreitet der König ſey auf der Flucht erſchoſſen worden, aber er bemerkte zugleich das Gerücht finde keinen Glauben. Leipz. Blätter hatten dasſelbe Gerücht erwähnt, ihre Daten aber ſind nicht ſo neu als unſere Berliner Berichte — mindeſtens um 12 bis 15 Stunden älter — daher wir ſie als ent- ſchieden ſalſch betrachten können. Sollte die heute Nachmittag ein- treffende neue Berliner Poſt etwas von Bedeutung bringen, ſo werden wir es unſern Leſern durch ein Extrablatt mittheilen; erſcheint keines, ſo dürfen ſie dieß als glückliche Beſtätigung betrachten daß jene Un- glückskunde eine irrige iſt, wie wir ſchon jetzt mit Sicherheit annehmen. Breslau, 17 März. Geſtern haben hier abermals, ohne weitere Die Hamb. Börſenh. meldet: „Einer uns ſo eben zugehenden * Poſen, 16 März. Der geſtrige Tag war für uns von der Oeſterreich. ☉ Innsbruck, 20 März. Das kaiſ. Patent über Preß- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="1318"/><cb/> kel anbrach, und der Mond über die Dächer heraufſtieg, ſeinen bleichen<lb/> Schein auf die Kämpfer werfend. Am hartnäckigſten ſcheint die Schlacht<lb/> auf der Friedrichsſtadt, und in der breiten Straße getobt zu haben. Von<lb/> der letztern war ich Augenzeuge. Von 7 Uhr bis nach Mitternacht rück-<lb/> ten abwechſelnd Infanteriebataillone und Artillerie vor, um die Barri-<lb/> cade am Schluß der Straße zu erobern. Sie wurde mit unglaublicher<lb/> Beharrlichkeit vertheidigt. Die Bürger trugen den Kämpfern Munition<lb/> und Eßwaaren zu, brachten ihnen Wein und andere Getränke. Düſter<lb/> war dagegen die Haltung der Truppen, die mit männlicher Tapferkeit,<lb/> aber mit tiefem innern Schmerz ihre bittere Beſtimmung erfüllten! Ge-<lb/> gen dreißig Barricaden hatten ſie erſtürmt. Doch das Volk war uner-<lb/> müdlich. Endlich nach der ſchreckenvollen Nacht brach der blaße Morgen<lb/> an. Die Ermattung hatte einen Waffenſtillſtand herbeigeführt, man<lb/> verkehrte wieder in den Straßen und ſah die Kämpfer beider Parteien.<lb/> Was nur möglich war, wurde jetzt angewendet um den König dahin zu<lb/> beſtimmen die Truppen zurückzuziehen, und durch dieſen Beweis des Ver-<lb/> trauens das Volk zu beſtimmen auch ſeinerſeits die Barricaden niederzu-<lb/> reißen. Endlich gegen 11 Uhr Mittags entſchloß ſich der Monarch dazu.<lb/> Alle Truppen mußten den Kampfplatz verlaſſen, die fremden ſogar die<lb/> Stadt. Officiere, von Bürgerdeputirten begleitet, ritten durch die ganze<lb/> Stadt, und verkündeten den Frieden. Nun Jubel, gemiſcht mit Jammer<lb/> und Grauen! Die Leichen wurden durch die Stadt getragen, und ſämmt-<lb/> lich ins Schloß ſelbſt gebracht daß der König ſie <hi rendition="#g">ſehen</hi> ſollte! Jetzt folgte<lb/> aber auch Bewilligung auf Bewilligung, insbeſondere Bürgerbewaffnung<lb/> und verändertes Miniſterium (Graf Schwerin, Graf Arnim, Hr.<lb/> v. Auerswald ſind eingetreten, Beckerath und Camphauſen hofft man<lb/> noch). Schon Nachmittags zogen die Bürger, mit Gewehren aus dem<lb/> dem Zeughauſe, auf die Schloßwache. Jetzt iſt die Stadt erleuchtet,<lb/> alles jubelt! Möge kein Unfall dieſe Freude ſo ſtören wie die geſtrige.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">⁑ Berlin,</hi> 19 März. Mittag.</dateline> <p>Das Eigenthum iſt überall verſchont<lb/> worden, nur Wagen, Tonnen und Utenſtlien ähnlicher Art hat man<lb/> überall weggenommen zu den hohen aufs kunſtgerechteſte conſtruirten<lb/> und mit neuen tiefen Gräben verſehenen Barricaden. Auch fanden es<lb/> die Schenkwirthe für gut dem Volke unentgeltlich Getränke zu reichen.<lb/> Dagegen blieben die Laternen ſowie die Eiſenbahnen unangetaſtet. Zwei<lb/> Caſernen ſind in Brand geſteckt worden. Wir haben das heiterſte Wet-<lb/> ter. Die ganze Nacht war heller Mondſchein. Viele Menſchen ſind<lb/> geblieben. Aüs einem einzigen Hauſe in der Leipzigerſtraße trug man<lb/> dieſen Morgen 26 todte Soldaten, aus einem andern 20 Studenten, die<lb/> hier ſämmtlich von den eindringenden Soldaten niedergeſtochen worden<lb/> waren, nachdem ſie aus dem Hauſe auf die Soldaten lebhaft gefeuert<lb/> hatten. Die dreifarbige deutſche Cocarde iſt aufgetaucht, von Republik<lb/> aber nicht die Rede.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>— <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 19 März. Abends 6 Uhr.</dateline> <p>Unſere Revolution<lb/> ſcheint beendigt. Nach einem ſiebenſtündigen mörderiſchen Flinten-<lb/> und Kartätſchenfeuer, wodurch auf beiden Seiten ſchwere Verluſte her-<lb/> beigeführt und ein großer Schaden in den Straßen angerichtet ward, ha-<lb/> ben wir heute folgende Reſultate mitzutheilen: 1) Preßfreiheit, 2) Ein-<lb/> berufung des Vereinigten Landtags auf den 2 April, 3) Volksbewaffnung,<lb/> 4) neues Miniſterium, 5) Zurückziehung des Militärs aus den Stra-<lb/> ßen. Alle zum Theil ans Unglaubliche ſtreifenden Details morgen. Eine<lb/> ungeheure Menſchenſchaar wogt durch die Straßen, und eine proviſo-<lb/> riſche Bürgerwache bezieht gemeinſchaftlich mit dem Militär die Wach-<lb/> poſten. Die Schützengilde, welche ſich in der Revolutionsnacht am<lb/> tapferſten gehalten, genießt heute das Vertrauen das Schloß zu be-<lb/> hüten. Das neue Miniſterium enthält den Grafen v. Arnim als Mi-<lb/> niſter des Auswärtigen, den Landtagsabgeordneten Grafen v. Schwe-<lb/> rin als Miniſter des Cultus, den Abg. Landrath v. Auerswald als Mi-<lb/> niſter des Innern, ſo daß dafür Eichhorn, Bodelſchwingh und Canitz<lb/> ausſcheiden, die Juſtizminiſter Uhden und Savigny, ſo wie der Kriegs-<lb/> miniſter Roher bleiben vorläufig. 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Wenn wir die verſchiedenartigſten Umwälzungen ſeit Mittag<lb/> betrachten, ſo ſchwebt vieles wie ein Traum uns vor. Der als Pöbel ver-<lb/> ſchriene Theil der Berliner Bevölkerung focht heldenmäßig, die als zahm<lb/> verſchrienen Studenten waren entſchloſſene, kühne und geſchickte Anfüh-<lb/> rer, die junkerſchaftlichen Häuptlinge der Armee ſind gedemüthigt, und die<lb/> Wünſche des Volks ſind befriedigt, und das alles nachdem die Truppen eine<lb/> ganze Nacht hindurch gemetzelt und geſtegt haben! Die hartnäckigen<lb/> Rathgeber der Krone mögen es verantworten daß ſie noch vor dem Thor-<lb/> ſchluſſe des Abſolutismus, nachdem ſelbſt Oeſterreich ſoviel vorgerückt<lb/> war, mit dem Degen in der Hand einen Abgrund zwiſchen der Regierung<lb/> und dem Volke gruben, der aber noch rechtzeitig durch die Weisheit des<lb/> Königs ausgefüllt wird. Nächſt den Miniſtern gehen mehrere hohe<lb/> Beamte aus ihrem jetzigen Wirkungskreiſe, und auch der Polizeipräſident<lb/> v. Minutoli, der ſich unermüdlich gezeigt, und der nicht aufgehört haben<lb/> ſoll von Gewaltsmaßregeln abzurathen, will freiwillig ausſcheiden. Eine<lb/> weit weniger ruhmvolle Energie ſagt man unſerm Oberbürgermeiſter<lb/> Krausnick nach, und ſein Abtreten wird ſchwerlich umgangen werden<lb/> können.</p><lb/> <trailer>* Der vorſtehende Brief iſt der letzte den wir — heute früh 9 Uhr —<lb/> aus <hi rendition="#g">Berlin</hi> erhielten. Zwar ſagt die obige Leipziger Correſpondenz<lb/> vom 20 März, die Waffenruhe ſey wieder gebrochen worden, und<lb/> der Hr. Correſpondent fügte die Notiz bei, ein <hi rendition="#g">Gerücht</hi> ſey verbreitet<lb/> der König ſey auf der Flucht erſchoſſen worden, aber er bemerkte zugleich<lb/> das Gerücht finde keinen Glauben. Leipz. Blätter hatten dasſelbe Gerücht<lb/> erwähnt, ihre Daten aber ſind nicht ſo neu als unſere Berliner Berichte<lb/> — mindeſtens um 12 bis 15 Stunden älter — daher wir ſie als ent-<lb/> ſchieden ſalſch betrachten können. Sollte die heute Nachmittag ein-<lb/> treffende neue Berliner Poſt etwas von Bedeutung bringen, ſo werden<lb/> wir es unſern Leſern durch ein Extrablatt mittheilen; erſcheint keines,<lb/> ſo dürfen ſie dieß als glückliche Beſtätigung betrachten daß jene Un-<lb/> glückskunde eine irrige iſt, wie wir ſchon jetzt mit Sicherheit annehmen.</trailer> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Breslau,</hi> 17 März.</dateline> <p>Geſtern haben hier abermals, ohne weitere<lb/> Veranlaſſung, die Cuiraſſiere auf eine Schaar von Bürgern ſcharf ein-<lb/> gehauen und mehrere verwundet. Die Erbitterung iſt groß. Die Für-<lb/> ſtin v. Metternich iſt in Breslau am 15 d. angekommen. (D. Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Die <hi rendition="#g">Hamb. 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Es war näm-<lb/> lich im Publicum bekannt geworden daß in der Stadtverordnetenver-<lb/> ſammlung der Antrag geſtellt werden ſolle: eine Adreſſe mit den Wün-<lb/> ſchen der Stadt Poſen an Se. Maj. den König zu richten. Ein überaus<lb/> zahlreiches Auditorium hatte ſich in Folge deſſen eingefunden. Der Vor-<lb/> ſteher, von ſeiner Befugniß Gebrauch machend, verwandelte die Sitzung<lb/> bald in eine geheime. Nach einſtündiger Discuſſion, die mit großer<lb/> Lebhaftigkeit geführt worden ſeyn ſoll, ſtellte ſich das gewiß den meiſten<lb/> unerwartete Reſultat heraus daß unter 24 Anweſenden nur 3 ſich für,<lb/> 21 dagegen gegen eine Adreſſe erklärten. — Weil ſich noch immer eine<lb/> Menge fremde Emiſſäre unter dem Titel von Privatlehrern in unſerm<lb/> Großherzogthum aufhalten und hier böſe Saat ausſtreuen, ſo hat unſere<lb/> Regierung ſich veranlaßt geſehen heute eine Bekanntmachung zu er-<lb/> laſſen, wonach alle Privatlehrer, Erzieher, Erzieherinnen ꝛc. einer be-<lb/> ſondern Erlaubniß bedürfen.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">☉ Innsbruck,</hi> 20 März.</dateline> <p>Das kaiſ. Patent über Preß-<lb/> freiheit mit der Verkündung einer Conſtitution für die geſammte Mon-<lb/> archie hat hier die freudigſte Bewegung hervorgerufen. 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kel anbrach, und der Mond über die Dächer heraufſtieg, ſeinen bleichen
Schein auf die Kämpfer werfend. Am hartnäckigſten ſcheint die Schlacht
auf der Friedrichsſtadt, und in der breiten Straße getobt zu haben. Von
der letztern war ich Augenzeuge. Von 7 Uhr bis nach Mitternacht rück-
ten abwechſelnd Infanteriebataillone und Artillerie vor, um die Barri-
cade am Schluß der Straße zu erobern. Sie wurde mit unglaublicher
Beharrlichkeit vertheidigt. Die Bürger trugen den Kämpfern Munition
und Eßwaaren zu, brachten ihnen Wein und andere Getränke. Düſter
war dagegen die Haltung der Truppen, die mit männlicher Tapferkeit,
aber mit tiefem innern Schmerz ihre bittere Beſtimmung erfüllten! Ge-
gen dreißig Barricaden hatten ſie erſtürmt. Doch das Volk war uner-
müdlich. Endlich nach der ſchreckenvollen Nacht brach der blaße Morgen
an. Die Ermattung hatte einen Waffenſtillſtand herbeigeführt, man
verkehrte wieder in den Straßen und ſah die Kämpfer beider Parteien.
Was nur möglich war, wurde jetzt angewendet um den König dahin zu
beſtimmen die Truppen zurückzuziehen, und durch dieſen Beweis des Ver-
trauens das Volk zu beſtimmen auch ſeinerſeits die Barricaden niederzu-
reißen. Endlich gegen 11 Uhr Mittags entſchloß ſich der Monarch dazu.
Alle Truppen mußten den Kampfplatz verlaſſen, die fremden ſogar die
Stadt. Officiere, von Bürgerdeputirten begleitet, ritten durch die ganze
Stadt, und verkündeten den Frieden. Nun Jubel, gemiſcht mit Jammer
und Grauen! Die Leichen wurden durch die Stadt getragen, und ſämmt-
lich ins Schloß ſelbſt gebracht daß der König ſie ſehen ſollte! Jetzt folgte
aber auch Bewilligung auf Bewilligung, insbeſondere Bürgerbewaffnung
und verändertes Miniſterium (Graf Schwerin, Graf Arnim, Hr.
v. Auerswald ſind eingetreten, Beckerath und Camphauſen hofft man
noch). Schon Nachmittags zogen die Bürger, mit Gewehren aus dem
dem Zeughauſe, auf die Schloßwache. Jetzt iſt die Stadt erleuchtet,
alles jubelt! Möge kein Unfall dieſe Freude ſo ſtören wie die geſtrige.
⁑ Berlin, 19 März. Mittag.Das Eigenthum iſt überall verſchont
worden, nur Wagen, Tonnen und Utenſtlien ähnlicher Art hat man
überall weggenommen zu den hohen aufs kunſtgerechteſte conſtruirten
und mit neuen tiefen Gräben verſehenen Barricaden. Auch fanden es
die Schenkwirthe für gut dem Volke unentgeltlich Getränke zu reichen.
Dagegen blieben die Laternen ſowie die Eiſenbahnen unangetaſtet. Zwei
Caſernen ſind in Brand geſteckt worden. Wir haben das heiterſte Wet-
ter. Die ganze Nacht war heller Mondſchein. Viele Menſchen ſind
geblieben. Aüs einem einzigen Hauſe in der Leipzigerſtraße trug man
dieſen Morgen 26 todte Soldaten, aus einem andern 20 Studenten, die
hier ſämmtlich von den eindringenden Soldaten niedergeſtochen worden
waren, nachdem ſie aus dem Hauſe auf die Soldaten lebhaft gefeuert
hatten. Die dreifarbige deutſche Cocarde iſt aufgetaucht, von Republik
aber nicht die Rede.
— Berlin, 19 März. Abends 6 Uhr.Unſere Revolution
ſcheint beendigt. Nach einem ſiebenſtündigen mörderiſchen Flinten-
und Kartätſchenfeuer, wodurch auf beiden Seiten ſchwere Verluſte her-
beigeführt und ein großer Schaden in den Straßen angerichtet ward, ha-
ben wir heute folgende Reſultate mitzutheilen: 1) Preßfreiheit, 2) Ein-
berufung des Vereinigten Landtags auf den 2 April, 3) Volksbewaffnung,
4) neues Miniſterium, 5) Zurückziehung des Militärs aus den Stra-
ßen. Alle zum Theil ans Unglaubliche ſtreifenden Details morgen. Eine
ungeheure Menſchenſchaar wogt durch die Straßen, und eine proviſo-
riſche Bürgerwache bezieht gemeinſchaftlich mit dem Militär die Wach-
poſten. Die Schützengilde, welche ſich in der Revolutionsnacht am
tapferſten gehalten, genießt heute das Vertrauen das Schloß zu be-
hüten. Das neue Miniſterium enthält den Grafen v. Arnim als Mi-
niſter des Auswärtigen, den Landtagsabgeordneten Grafen v. Schwe-
rin als Miniſter des Cultus, den Abg. Landrath v. Auerswald als Mi-
niſter des Innern, ſo daß dafür Eichhorn, Bodelſchwingh und Canitz
ausſcheiden, die Juſtizminiſter Uhden und Savigny, ſo wie der Kriegs-
miniſter Roher bleiben vorläufig. Alles genauere morgen; die furcht-
bare Erſchöpfung dieſes Tags übt auch auf Ihren Referenten ihr Recht.
Es wird allgemein illuminirt.
* Berlin, 19 März, Abends 9 Uhr.Seit Nachmittag iſt alles
vom Grunde aus zu Gunſten der Volkswünſche geändert! Das Miniſte-
rium iſt entlaſſen. Auch die Bürgerbewaffnung iſt Nachmittags be-
willigt und ſofort zur Ausführung geſchritten worden. Das Schloß,
die Hauptwache, die Paläſte der Prinzen ſind von Bürgern bewacht,
und eben ſolche machen zur Sicherheit die Runde durch die Stadt!
Welche Veränderung ſeit einigen Stunden! Die Mittagsſonne be-
leuchtete noch die Bajonnette einer Armee von Soldaten, und jetzt ſind
die Soldaten wie verſchwunden. Nur hie und da ſteht man noch
einen neben den Bürgerwachen, gleichſam als eine Antiquität im Hauſe der
Fürſten. Wenn wir die verſchiedenartigſten Umwälzungen ſeit Mittag
betrachten, ſo ſchwebt vieles wie ein Traum uns vor. Der als Pöbel ver-
ſchriene Theil der Berliner Bevölkerung focht heldenmäßig, die als zahm
verſchrienen Studenten waren entſchloſſene, kühne und geſchickte Anfüh-
rer, die junkerſchaftlichen Häuptlinge der Armee ſind gedemüthigt, und die
Wünſche des Volks ſind befriedigt, und das alles nachdem die Truppen eine
ganze Nacht hindurch gemetzelt und geſtegt haben! Die hartnäckigen
Rathgeber der Krone mögen es verantworten daß ſie noch vor dem Thor-
ſchluſſe des Abſolutismus, nachdem ſelbſt Oeſterreich ſoviel vorgerückt
war, mit dem Degen in der Hand einen Abgrund zwiſchen der Regierung
und dem Volke gruben, der aber noch rechtzeitig durch die Weisheit des
Königs ausgefüllt wird. Nächſt den Miniſtern gehen mehrere hohe
Beamte aus ihrem jetzigen Wirkungskreiſe, und auch der Polizeipräſident
v. Minutoli, der ſich unermüdlich gezeigt, und der nicht aufgehört haben
ſoll von Gewaltsmaßregeln abzurathen, will freiwillig ausſcheiden. Eine
weit weniger ruhmvolle Energie ſagt man unſerm Oberbürgermeiſter
Krausnick nach, und ſein Abtreten wird ſchwerlich umgangen werden
können.
* Der vorſtehende Brief iſt der letzte den wir — heute früh 9 Uhr —
aus Berlin erhielten. Zwar ſagt die obige Leipziger Correſpondenz
vom 20 März, die Waffenruhe ſey wieder gebrochen worden, und
der Hr. Correſpondent fügte die Notiz bei, ein Gerücht ſey verbreitet
der König ſey auf der Flucht erſchoſſen worden, aber er bemerkte zugleich
das Gerücht finde keinen Glauben. Leipz. Blätter hatten dasſelbe Gerücht
erwähnt, ihre Daten aber ſind nicht ſo neu als unſere Berliner Berichte
— mindeſtens um 12 bis 15 Stunden älter — daher wir ſie als ent-
ſchieden ſalſch betrachten können. Sollte die heute Nachmittag ein-
treffende neue Berliner Poſt etwas von Bedeutung bringen, ſo werden
wir es unſern Leſern durch ein Extrablatt mittheilen; erſcheint keines,
ſo dürfen ſie dieß als glückliche Beſtätigung betrachten daß jene Un-
glückskunde eine irrige iſt, wie wir ſchon jetzt mit Sicherheit annehmen.
Breslau, 17 März.Geſtern haben hier abermals, ohne weitere
Veranlaſſung, die Cuiraſſiere auf eine Schaar von Bürgern ſcharf ein-
gehauen und mehrere verwundet. Die Erbitterung iſt groß. Die Für-
ſtin v. Metternich iſt in Breslau am 15 d. angekommen. (D. Z.)
Die Hamb. Börſenh. meldet: „Einer uns ſo eben zugehenden
Mittheilung aus Königsberg vom 14 März zufolge hat dort am 13
Abends ein Angriff des Volkes auf das Polizeigebäude ſtattgehabt, wel-
ches demolirt worden iſt. Die Menge wurde endlich durch eine heran-
ſprengende Cuiraſſterabtheilung auseinandergetrieben, wobei mehrere
vom Volke Verwundungen erhielten. Einer der Verwundeten iſt ge-
ſtorben. Die Aufregung in der Stadt war ſehr groß und ließ noch ern-
ſteres befürchten.“
* Poſen, 16 März.Der geſtrige Tag war für uns von der
höchſten Wichtigkeit und hätte leicht bedenkliche Folgen nach ſich ziehen
können wenn unſere Bürgerſchaft, die polniſche ſowohl wie die deutſche,
nicht eine durchaus beſonnene Haltung behauptet hätte. Es war näm-
lich im Publicum bekannt geworden daß in der Stadtverordnetenver-
ſammlung der Antrag geſtellt werden ſolle: eine Adreſſe mit den Wün-
ſchen der Stadt Poſen an Se. Maj. den König zu richten. Ein überaus
zahlreiches Auditorium hatte ſich in Folge deſſen eingefunden. Der Vor-
ſteher, von ſeiner Befugniß Gebrauch machend, verwandelte die Sitzung
bald in eine geheime. Nach einſtündiger Discuſſion, die mit großer
Lebhaftigkeit geführt worden ſeyn ſoll, ſtellte ſich das gewiß den meiſten
unerwartete Reſultat heraus daß unter 24 Anweſenden nur 3 ſich für,
21 dagegen gegen eine Adreſſe erklärten. — Weil ſich noch immer eine
Menge fremde Emiſſäre unter dem Titel von Privatlehrern in unſerm
Großherzogthum aufhalten und hier böſe Saat ausſtreuen, ſo hat unſere
Regierung ſich veranlaßt geſehen heute eine Bekanntmachung zu er-
laſſen, wonach alle Privatlehrer, Erzieher, Erzieherinnen ꝛc. einer be-
ſondern Erlaubniß bedürfen.
Oeſterreich.
☉ Innsbruck, 20 März.Das kaiſ. Patent über Preß-
freiheit mit der Verkündung einer Conſtitution für die geſammte Mon-
archie hat hier die freudigſte Bewegung hervorgerufen. Man ſchien ſie uns
anfänglich auf eine Weile vorenthalten zu wollen, wahrſcheinlich um damit
von Seite des Präſidiums der Landesſtelle eine anerkennende und pflichtge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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