Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 25. März 1900.München, Sonntag Allgemeine Zeitung 25. März 1900. Nr. 82. Umstand zweifelsohne mit dazu beigetragen, unsre Partei- Bei all diesen Kämpfen und Wirrnissen sind Regierte Deutsches Reich. Grelle Streiflichter auf unsre parlamentarischen Verhältnisse. Berlin, 23. März. Die letzte Woche ist für die Man muß gestehen, die Herausforderung an die "re- Den führenden Geistern des Centrums ist offenbar die Auswärtige Politik und Sensationspresse. * Es ist sehr erfreulich, daß die "Nordd. Allg. *Berlin, 24. März. Tel. Die "Nordd. Allg. Ztg." schreibt Generaldebatte über die Flottenvorlage in der Budgetkommission. * Ueber die Frage der Kostendeckung werden, "Gelegen mitten in Europa, an beiden Seiten die [Spaltenumbruch] Alten dafür. Andreas Oberhummer, ein Gütler droben Kastulus unterbricht den Gesang, denn eben fällt ihm Aus dem Unterholz tritt der Forstwart in Waffen und Kastl erwidert: "Freilich! Ich bin ja ..." "Halt! Ich weiß schon: Du bischt der Bub vom Heißen- Etwas betreten erwidert Kastl den derben Händedruck, In seiner geraden Bergnatur aber fragt der Wald- Jetzt glaubt Kastl doch seine junge Würde betonen Erstaunt guckt der rauhe Waldmann den Jungen an: "Die Praxis! Ich bin jetzt fertig mit 'm Studiren, ich "Fürs Viech?" "Aber nein! Ich werde kranke Menschen behandeln "So wohl?! Eine solche Neuigkeit! Rein zum Ofen Verstimmt setzt Kastl den Weg fort durch den Wald; Allmählich steigt das Sträßchen an und windet sich Gutmüthig spottet Kastl halblaut: "Schau, schau "Hü!" ruft der Sepp und streift mit der Peitsche die "Grüß Gott, Sepp! Allweil noch Posterer?" "Grüß Gott auch! Freilich, allweil noch bei der Post. (Fortsetzung folgt.) München, Sonntag Allgemeine Zeitung 25. März 1900. Nr. 82. Umſtand zweifelsohne mit dazu beigetragen, unſre Partei- Bei all dieſen Kämpfen und Wirrniſſen ſind Regierte Deutſches Reich. Grelle Streiflichter auf unſre parlamentariſchen Verhältniſſe. ☩ Berlin, 23. März. Die letzte Woche iſt für die Man muß geſtehen, die Herausforderung an die „re- Den führenden Geiſtern des Centrums iſt offenbar die Auswärtige Politik und Senſationspreſſe. * Es iſt ſehr erfreulich, daß die „Nordd. Allg. *Berlin, 24. März. Tel. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ ſchreibt Generaldebatte über die Flottenvorlage in der Budgetkommiſſion. * Ueber die Frage der Koſtendeckung werden, „Gelegen mitten in Europa, an beiden Seiten die [Spaltenumbruch] Alten dafür. Andreas Oberhummer, ein Gütler droben Kaſtulus unterbricht den Geſang, denn eben fällt ihm Aus dem Unterholz tritt der Forſtwart in Waffen und Kaſtl erwidert: „Freilich! Ich bin ja ...“ „Halt! Ich weiß ſchon: Du biſcht der Bub vom Heißen- Etwas betreten erwidert Kaſtl den derben Händedruck, In ſeiner geraden Bergnatur aber fragt der Wald- Jetzt glaubt Kaſtl doch ſeine junge Würde betonen Erſtaunt guckt der rauhe Waldmann den Jungen an: „Die Praxis! Ich bin jetzt fertig mit ’m Studiren, ich „Fürs Viech?“ „Aber nein! Ich werde kranke Menſchen behandeln „So wohl?! Eine ſolche Neuigkeit! Rein zum Ofen Verſtimmt ſetzt Kaſtl den Weg fort durch den Wald; Allmählich ſteigt das Sträßchen an und windet ſich Gutmüthig ſpottet Kaſtl halblaut: „Schau, ſchau „Hü!“ ruft der Sepp und ſtreift mit der Peitſche die „Grüß Gott, Sepp! Allweil noch Poſterer?“ „Grüß Gott auch! Freilich, allweil noch bei der Poſt. (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">München, Sonntag <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 25. März 1900. Nr. 82.</fw><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a1b" prev="#a1a" type="jComment" n="2"> <p>Umſtand zweifelsohne mit dazu beigetragen, unſre Partei-<lb/> verhältniſſe mehr noch zu verwirren und unſre inneren<lb/> Konflikte zu verſchärfen. In der Politik entſcheidet am<lb/> letzten Ende ſtets der Erfolg, und wenn der Monarch mit<lb/> ſeiner Perſon und mit ſeiner Autorität für eine Sache<lb/> eintritt, die ſchließlich ſiegreich bleibt, wie es hoffentlich<lb/> bei der Bewegung für die Verſtärkung unſrer Flotte der<lb/> Fall ſein wird, ſo wird ſein Eingreifen in den Kampf<lb/> durch die Ereigniſſe vollkommen ſanktionirt. Allein, mag<lb/> immer die Vernunft bei Wenigen nur geweſen ſein, und<lb/> mag es ſo ſich innerlich rechtfertigen laſſen, wenn der<lb/> Monarch dann und wann offen zur Minorität ſich bekennt,<lb/> ſo hat es für die erfolganbetende Menge doch leicht<lb/> etwas befremdliches, wenn im parlamentariſchen Kampf<lb/> nicht nur die Regierung, ſondern der Monarch ſelbſt<lb/> ſchließlich den Rückzug antreten muß.</p><lb/> <p>Bei all dieſen Kämpfen und Wirrniſſen ſind Regierte<lb/> und Regierende, Mehrheits- und Minderheitsparteien<lb/> nervös und unſicher geworden. An redlichen Bemühungen,<lb/> Beruhigung zu verbreiten und über ihre Ziele, ſowie über<lb/> die geſammte innere Lage Klarheit zu verſchaffen, hat es<lb/> die Regierung zwar nicht fehlen laſſen, aber ihr ſelbſt<lb/> war die erforderliche Ruhe abhanden gekommen und ein<lb/> erregter Arzt wird ſelten im Stande ſein, ſeinen nervöſen<lb/> Patienten zur Ruhe zu bringen. Wollen wir im Reiche<lb/> wieder zu normalen und geſunden Verhältniſſen gelangen,<lb/> ſo werden wir zunächſt beſtrebt ſein müſſen, allſeits zur Selbſt-<lb/> beſchränkung und zur Selbſtbeſcheidung uns zu zwingen.<lb/> Der Ruf zur Sammlung, zum Zuſammenſchließen der<lb/> innerlich verwandten Elemente, die auf weſentlich gleichen<lb/> Bahnen die gleichen großen Ziele erſtreben, muß bei<lb/> unſern Parteien laut werden. Es iſt höchſte Zeit, der<lb/> Parteimengerei und dem Parteiwirrwarr, dem großentheils<lb/> ſelbſtiſche oder unklare Beſtrebungen zugrunde liegen, ein<lb/> Ziel zu ſetzen. Aber auch auf Seiten der Regierung muß<lb/> man ſich ſagen, daß mit der nervöſen Vielgeſchäftigkeit,<lb/> ſo gut ſie gemeint ſein mag, wenig zu erreichen iſt. Der<lb/> zweite Reichskanzler, Graf Caprivi, hatte einſt erklärt,<lb/> daß unter ihm die Politik langweilig werden würde. Er<lb/> hat ſein Verſprechen bekanntlich nicht eingelöst; der<lb/> Gedanke aber, dem er. Ausdruck gab, war durch-<lb/> aus richtig. Auch jetzt muß die Politik — wir<lb/> ſprechen natürlich nur von der inneren — lang-<lb/> weilig werden. Die Regierung muß zu voller Klar-<lb/> heit darüber gelangen, was ſie mit den ihr zu Gebote<lb/> ſtehenden Mitteln auf gerader Bahn ohne gewagte parla-<lb/> mentariſche Experimente, die allzuleicht nur fehlſchlagen,<lb/> erreichen <hi rendition="#g">kann,</hi> und was ſie zu des Reiches Beſten unbe-<lb/> dingt erreichen <hi rendition="#g">muß.</hi> Nur an dieſes Mindeſtmaß von<lb/> legislatoriſcher Arbeit ſollte ſie thatſächlich herantreten,<lb/> an deſſen erfolgreiche Erledigung aber auch ihr ganzes<lb/> Wollen und ihr ganzes Können ſetzen. Es heißt das, ihr<lb/> keine kleine Aufgabe zumuthen, denn in der Beſchränkung<lb/> erſt zeigt ſich der Meiſter. Auf dem Wege weiſer Be-<lb/> ſchränkung aber werden wir auch zu der dringend nöthigen<lb/> Klärung unſrer inneren Verhältniſſe und zur Beſeitigung<lb/> jener Nervoſität gelangen, unter der Volk und Regierung<lb/> allzulange ſchon leiden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Grelle Streiflichter auf unſre parlamentariſchen Verhältniſſe.</hi> </head><lb/> <dateline>☩ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 23. März.</dateline> <p>Die letzte Woche iſt für die<lb/><hi rendition="#g">Zuſtände innerhalb unſres Reichsparla-<lb/> mentarismus</hi> noch lehrreicher geweſen als die voran-<lb/> gegangenen. So neu und verblüffend die ſkandalöſen<lb/> Scenen am Schluß der letzteren erſchienen, eigentlich mußte<lb/> man ſich doch wundern, daß wir derartiges nicht längſt<lb/> erlebt haben. Die Sozialdemokraten mit ihrem bürgerlich-<lb/> demokratiſchen Anhang haben den Anderen nur einmal ge-<lb/> zeigt, was man auch bei uns an <hi rendition="#g">Obſtruktion</hi> mit den<lb/> vorhandenen Mitteln leiſten kann, wenn man nur will.<lb/> Daß ſie von dieſen Mitteln bisher einen verhältnißmäßig<lb/> harmloſen Gebrauch gemacht haben, lag nur daran, daß<lb/> man auch ſie mit zartfühlendem Entgegenkommen be-<lb/> handelte. Es gibt gar keinen köſtlicheren Ausdruck für die<lb/> bisherige „Gemüthlichkeit“ im Reichstag als die Thatſache,<lb/> daß Hr. <hi rendition="#g">Singer</hi> nun ſchon in das ſiebente Jahr <hi rendition="#g">Vor-<lb/> ſitzender der Geſchäftsordnungskommiſ-<lb/> ſion</hi> iſt. Man kann ſich denken, wie aufreizend und komiſch<lb/> zugleich es auf die Sozialdemokraten wirken mußte, wenn<lb/> der Wortführer des Centrums, Hr. <hi rendition="#g">Gröber,</hi> den Ob-<lb/><cb/> ſtruktioniſten ſofort mit einer <hi rendition="#g">Aenderung der Ge-<lb/> ſchäftsordnung</hi> drohte. Hr. Singer erwiderte dem<lb/> Centrumsmann darauf im Ton des wohlwollenden Men-<lb/> tors, der den irrenden Freund zur Vernunft zurückruft.<lb/> Man ſah, das Obſtruktionsmanöver hatte gewiſſermaßen<lb/> die Bedeutung einer <hi rendition="#g">Mahnung an das Centrum,</hi><lb/> von dem Verſuch einer Vergewaltigung der radikalen<lb/> Linken mit Hülfe der Konſervativen Abſtand zu nehmen.<lb/> Deutlich genug wurde dem Centrum zu verſtehen gegeben,<lb/> es werde ſich den Gedanken von Einſchränkungsmaßregeln<lb/> gegen die Obſtruktionsfreiheit wohl noch zweimal über-<lb/> legen, wenn anders es <hi rendition="#g">die Freunde von ehedem<lb/> nicht noch gründlicherkennenlernen wolle.</hi></p><lb/> <p>Man muß geſtehen, die Herausforderung an die „re-<lb/> gierende“ Partei war ſtark genug. Wollte ſie ihre Auto-<lb/> rität behaupten, ſo gab es nur <hi rendition="#g">eine</hi> Antwort: die<lb/><hi rendition="#g">Niederzwingung</hi> der Obſtruktion um jeden Preis.<lb/> Das gleiche Intereſſe hatten mit ihr Alle, welche die <hi rendition="#aq">lex</hi><lb/> Heinze durchzuſetzen entſchloſſen waren. Eine Aenderung<lb/> der Geſchäftsordnung war gar nicht nöthig, die Majorität<lb/> brauchte nur <hi rendition="#g">vollzählig</hi> anweſend zu ſein. Der Ge-<lb/> danke des Präſidenten, zunächſt die Etatsberathung zu be-<lb/> endigen, war berechtigt. Aber die Majorität mußte nach<lb/> dem bis dahin unerhörten Erlebniß vom 17. März alles<lb/> aufbieten, daß ſie ſofort mit der neuen Woche in impoſanter<lb/> Zahl erfcheinen und ihren feſten Willen ankündigen konnte,<lb/> noch vor Oſtern die <hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze zur vollen Durchberathung<lb/> zu bringen. Was hat man ſtatt deſſen geſehen? Die Prä-<lb/> ſenz iſt die ganze Woche über troſtloſer als je geweſen, die<lb/> Verhandlungen ſind fortwährend den Sozialdemokraten<lb/> auf Gnade und Ungnade preisgegeben, und in den Majo-<lb/> ritätsparteien hat man nur den einen Gedanken, ſich dieſem<lb/> unwürdigen Zuſtand ſo bald wie nur irgend möglich durch<lb/> die Flucht in die Ferien zu entziehen. Ein paar Tage iſt<lb/> wohl noch in der Preſſe von Abänderung der Geſchäfts-<lb/> ordnung die Rede geweſen, auch einige Centrumsfedern<lb/> haben ſich daran betheiligt. Gerade in der Centrumspreſſe<lb/> aber ſind alle dieſe Ideen dann am ſchärfſten desavouirt<lb/> worden, und in der „Köln. Volksztg.“ erſchien die bedeut-<lb/> ſame Ermahnung, man ſolle doch über lauter <hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze<lb/> nicht das Andere vergeſſen. Kann man zweifeln, was das<lb/> heißt?</p><lb/> <p>Den führenden Geiſtern des Centrums iſt offenbar die<lb/> Erkenntniß gekommen, daß man durch eine energiſche Auf-<lb/> nahme und Durchführung des Kampfes gegen die Obſtruk-<lb/> tioniſten ſich die <hi rendition="#g">„Abwehrmehrheit“ verderben<lb/> könnte,</hi> die Zwickmühle, auf welcher die parlamenta-<lb/> riſche Machtſtellung des Centrums beruht. Alſo galt es<lb/> ſchleunigſt zurückhufen. Und wie graziös man das auszu-<lb/> führen verſteht, davon hat man in der Donnerſtagsſitzung<lb/> des Reichstags ein allerliebſtes Beiſpiel gehabt. Zu der<lb/> Vorlage über die <hi rendition="#g">Patentanwälte</hi> beliebte es dem<lb/> Sozialdemokraten Heine einen Antrag zu ſtellen, nach<lb/> welchem Niemand wegen <hi rendition="#g">politiſcher, wiſſen-<lb/> ſchaftlicher, künſtleriſcher oder religiöſer<lb/> Anſichten</hi> von der Patentanwaltliſte ſollte ausge-<lb/> ſchloſſen werden können. Nach dem ganzen Inhalt des Ge-<lb/> ſetzes hatte eine derartige Beſtimmung in ihm gar keinen<lb/> Sinn. Es kam dem Antragſteller nur darauf an, eine<lb/> große Rede zu halten, in der er allerlei boshafte Bemer-<lb/> kungen über den Fall Arons, die bekannten Maßrege-<lb/> lungen in Preußen und ſogar über die <hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze vor-<lb/> bringen konnte. Er ſelbſt wird wohl am wenigſten darüber<lb/> im Zweifel geweſen ſein, daß dieſer Einſchmuggelungs-<lb/> verſuch zum mindeſten ein gelinder Unſug war. Aber ſiehe<lb/> da, Hr. Schmidt-Warburg nahm den ſozialdemokratiſchen<lb/> Antrag unter ſeine Fittiche, indem er das Wörtchen „künſt-<lb/> leriſche“ daraus ſtrich, und ſo wurde er unter Führung des<lb/> Centrums gegen die Konſervativen und Nationalliberalen<lb/> angenommen. Iſt das nicht <hi rendition="#g">eine wahrhaft rüh-<lb/> rende Pflege der „Abwehrmehrheit“?</hi> Dieſe<lb/> hatte übrigens ſchon vorher derſelben Sitzung an be-<lb/> deutungsvollerer Stelle, wenn auch nur ſchweigſam, ſo aber<lb/> um ſo nachdrücklicher ihren Stempel aufgedrückt. Die Re-<lb/> gierung hatte vorgeſchlagen, die <hi rendition="#g">Ueberſchüſſe des<lb/> Etatsjahres</hi> 1900 nicht, wie in den letzten Jahren, zur<lb/> Schuldentilgung, ſondern zur Verſtärkung des <hi rendition="#g">Be-<lb/> triebsfonds der Reichskaſſe</hi> zu verwenden, um<lb/> dadurch die Vorſchüſſe der Einzelſtaaten an die Reichskaſſe<lb/> unnöthig zu machen und ſo den Finanzen der Einzelſtaaten<lb/> eine werthvolle Erleichterung zu gewähren. Es iſt eine<lb/><cb/> Forderung der Gerechtigkeit, im Intereſſe namentlich der<lb/> kleineren Staaten. Die „Abwehrmehrheit“ aber hat ſie <hi rendition="#g">ab-<lb/> gelehnt,</hi> und zwar in erſter Linie, wie man in der Kom-<lb/> miſſion ziemlich unverblümt erklärt hat, um die Einzel-<lb/> ſtaaten für ihre Zuſtimmung zur Flottenvorlage zu be-<lb/> ſtrafen. <hi rendition="#g">Das iſt der malen unſer Reichsparla-<lb/> mentarismus!</hi></p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Auswärtige Politik und Senſationspreſſe.</hi> </head><lb/> <p>* Es iſt ſehr erfreulich, daß die <hi rendition="#g">„Nordd. Allg.<lb/> Ztg.“</hi> die falſchen Ausſtrenungen des <hi rendition="#g">„Kleinen<lb/> Journals“</hi> über angebliche deutſch-engliſch-amerika-<lb/> niſche Verhandlungen wegen Südafrika, mit derſelben<lb/> Schärfe dementirt, wie die wiederholte Behauptung des<lb/> genannten Blattes, daß <hi rendition="#g">die Quelle jener Mel-<lb/> dungen im Auswärtigen Amte ſelbſt zu<lb/> ſuchen ſei.</hi> Wenn die „Nordd. Allg. Ztg.“ heute vont<lb/> „Kleinen Journal“ die unzweideutige Bezeichnung ſeines<lb/> Gewährsmannes verlangt, es für eine Ausflucht erklärt,<lb/> ſich unter derartigen Umſtänden hinter der Pflicht journa-<lb/> liſtiſcher Diskretion zu verſchanzen, und ſeſtſtellt, daß<lb/> keinerlei öffentliches Intereſſe beſtehe, hier irgend etwas zu<lb/> verſchweigen, ſo iſt das vollkommen richtig. Wohl aber be-<lb/> ſteht ein öffentliches Intereſſe daran, daß jener Sorte von<lb/> Zeitungen die Luſt zur Verbreitung von Erfindungen ge-<lb/> nommen wird, die den Anſchein erwecken, als ob im Aus-<lb/> wärtigen Amte verſchiedene Strömungen öffentlich mitein-<lb/> ander ringen könnten. Ein ſolcher Zuſtand wäre in keinem<lb/> Miniſterium ſo unerträglich, wie im Miniſterium des<lb/> Aeußern. <hi rendition="#g">Daher müſſen mit der größten<lb/> Befriedigung die unverkennbaren An-<lb/> zeichen dafür begrüßt werden, daß das<lb/> Auswärtige Amt ſchlechterdings kein<lb/> Gebahren duldet, das es im Lichte der<lb/> Desorganiſation erſcheinen läßt.</hi></p> </div><lb/> <div n="3"> <head>*</head> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 24. März.</dateline><lb/> <p>Tel. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ ſchreibt<lb/> heute: Das „Kleine Journal“ weiß zur Vertheidigung ſeiner<lb/> wahrheitswidrigen Behauptungen gegen das Auswärtige Amt<lb/> keinen anderen Rath, als unter Ausfällen gegen die hier nicht<lb/> in Betracht kommende Redaktion der „Nordd. Allg. Ztg.“<lb/> hiuter der „journaliſtiſchen Anſtandspflicht“ Deckung zu ſuchen.<lb/> Wir ſind deßhalb ermächtigt, gegenüber den Treibereien des<lb/> „Kleinen Journals“ in unbedingter Form die Erklärung zu<lb/> wiederholen, daß die ihm angeblich von einer Stelle des <hi rendition="#g">Aus-<lb/> wärtigen Amts</hi> bekannt gewordenen deutſch - engliſch-<lb/> amerikaniſchen Verhandlungen wegen Südafrikas einfach <hi rendition="#g">er-<lb/> logen</hi> ſind.</p> </div><lb/> <div xml:id="a3a" next="#a3b" type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Generaldebatte über die Flottenvorlage in der Budgetkommiſſion.</hi> </head><lb/> <p>* Ueber die Frage der <hi rendition="#g">Koſtendeckung</hi> werden,<lb/> ſo ſchreibt die <hi rendition="#g">„Berl. Korreſp.“,</hi> vorausſichtlich erheb-<lb/> liche Diskuſſionen in der Kommiſſion ſtattfinden. Es ſei<lb/> deßhalb nur betont, daß es, abgeſehen von den Vertretern<lb/> gewiſſer radikaler Parteien, die aber jede Ausgabe für die<lb/> Zwecke der Landesvertheidigung als unproduktiv be-<lb/> mängeln, Niemand in Deutſchland gibt, der ernſtlich die<lb/> finanzielle Leiſtungsfähigkeit des deutſchen Volkes in Be-<lb/> treff der Flottenvermehrung bezweifelt. Selbſt ein ſo vor-<lb/> ſichtiger Rechner, wie der preußiſche Finanzminiſter, hat am<lb/> 13. Dezember vorigen Jahres im Reichstag ausgeſprochen,<lb/> daß nach ſeiner Auffaſſung die Flottennovelle in keinem<lb/> Widerſpruch ſteht mit der Leiſtungsfähigkeit der Reichs-<lb/> ſinanzen, mit ihrer wahrſcheinlichen künftigen Entwicklung<lb/> und der inneren Kraft des deutſchen Volkes, deſſen Lei-<lb/> ſtungsfähigkeit noch erheblich gehoben wird durch den<lb/> größeren und ſicheren Schutz unſrer Küſten und Häfen,<lb/> unſres Handels und unſres Exports. Die wirthſchaftliche<lb/> Entwicklung hat es mit ſich gebracht, daß Deutſchlands<lb/> Wohl und Wehe täglich mehr von ſeiner Stellung im<lb/> großen Weltverkehr abhängig wird. Die Aufgabe Deutſch-<lb/> lands iſt dadurch, wie der Finanzminiſter ausführte, eine<lb/> ſehr ſchwierige geworden.</p><lb/> <cit> <quote>„Gelegen mitten in Europa, an beiden Seiten die<lb/> größten Militärmächte, andrerſeits ſo ſtark bevölkert, daß die<lb/> innere Produktion nothwendig unſre Grenze überſchreiten<lb/> muß, daß die Beſchäftigung eines großen Theils unſres<lb/> Volkes ſonſt unmöglich iſt, werden wir nothgedrungen auf<lb/> den großen Weltmarkt verwieſen, und wir müſſen daraus die<lb/> Konſequenzen ziehen. Wenn die Nation das nicht will, wenn<lb/> ſie dieſe Opfer nicht bringen will, dann wird nicht Forlgang<lb/> und Fortſchritt, ſondern Nückgang und Verkümmerung das<lb/> Loos des deutſchen Volkes ſein.“</quote> </cit><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a2b" prev="#a2a" type="jArticle" n="2"> <p>Alten dafür. Andreas Oberhummer, ein Gütler droben<lb/> im Seegebirg, war nämlich der Anſicht, daß ſein Vub<lb/> Kaſtulus, gemeiniglich Kaſtl genannt, entſchieden zu dumm<lb/> zur Bauernarbeit war, zu wenig anſtellig und völlig be-<lb/> griffsſtützig für landwirthſchaftliche Dinge, und deßhalb<lb/> beſtand der Alte darauf: der Vub ſei zu dumm, daher müſſe<lb/> er ſtudieren und ein Herr werden! Mit dem „Herrn“ war<lb/> urſprünglich nach Sitte und Brauch im Hochland der Seel-<lb/> ſorger gemeint, aber Kaſtl ging nach der Gymnaſialmatura<lb/> der Theologie aus dem Wege und erklärte dem Vater in<lb/> einem Briefe, daß er Medizin ſtudiren werde und zwar mit<lb/> oder ohne Geld und Erlaubniß. Der alte Oberhummer<lb/> fluchte wohl, aber da der eigenſinnige Bub kein Geld zum<lb/> Studiren will, läßt er ihn gewähren. Und ſo wurde Kaſtl<lb/> Bettelſtudent und nährte ſich vom Stundengeben. Was<lb/> während der Studienzeit an Viktualien ins Kämmerlein<lb/> des Studenten in der Univerſitätsſtadt wanderte, Speck<lb/> und Bauernbrot, Küchel und Geld, das war Mütterchens<lb/> und Kaſtls Geheimniß.</p><lb/> <p>Kaſtulus unterbricht den Geſang, denn eben fällt ihm<lb/> Vaters Spruch wieder ein, und ſeine Lippen kräuſeln ſich<lb/> zum vergnügten Schmunzeln. „Zu dumm zur Bauern-<lb/> arbeit war ich, und drum bin ich <hi rendition="#aq">Doctor medicinae</hi> ge-<lb/> worden!“ flüſtert der junge Gebirgler ſeelenfroh vor ſich<lb/> hin. „Ich lobe mir ſolche Dummheit!“ ruft Kaſtl unwill-<lb/> kürlich laut in den Wald, doch läßt ihn ein Raſcheln ſofort<lb/> verſtummen.</p><lb/> <p>Aus dem Unterholz tritt der Forſtwart in Waffen und<lb/> bedeutet dem Wanderer, daß das Spektakelmachen im Wald<lb/> verboten ſei. Kaſtl grüßt und der Waldbeamte beſieht den<lb/> jungen Mann genauer. „Wie iſt mir denn, ich mein,<lb/> Ihnen ſollt ich kennen!“ ſetzt er dazu.</p><lb/> <p>Kaſtl erwidert: „Freilich! Ich bin ja ...“</p><lb/> <p>„Halt! Ich weiß ſchon: Du biſcht der Bub vom Heißen-<lb/> bauern oben!“ lacht der Forſtwart und reicht dem Wan-<lb/> derer treubieder die Hand.</p><lb/> <p>Etwas betreten erwidert Kaſtl den derben Händedruck,<lb/> ein klein wenig wurmt ihn dieſe reſpektloſe Anrede doch.</p><lb/> <cb/> <p>In ſeiner geraden Bergnatur aber fragt der Wald-<lb/> menſch weiter: „Kommſt wohl in die Vakanz heim, Heißen-<lb/> bub, was? Iſcht recht, freut mich! Nur mach mir mein<lb/> Wild nicht durch dein unſinniges G’ſangel rebelliſch. Und<lb/> wenn du ſpäter jagen willſt, ein Gamſerl erlaub ich dir<lb/> ſchon, das heißt in meiner Begleitung. Weißt ja Bub,<lb/> ich hab dich immer gern gehabt! Warſt ja der netteſte<lb/> von den Krebskönigkindern.“</p><lb/> <p>Jetzt glaubt Kaſtl doch ſeine junge Würde betonen<lb/> zu ſollen: „Ich dank, Herr Forſtwart! Wird mir nicht viel<lb/> Zeit bleiben zum Jagen. Ein, zwei Tag’ will ich ja aus-<lb/> ſchnaufen, dann aber beginne ich die Praxis.“</p><lb/> <p>Erſtaunt guckt der rauhe Waldmann den Jungen an:<lb/> „Mit Verlaub! Was willſt anfangen, Heißenbub?“</p><lb/> <p>„Die Praxis! Ich bin jetzt fertig mit ’m Studiren, ich<lb/> bin jetzt Doktor.“</p><lb/> <p>„Fürs Viech?“</p><lb/> <p>„Aber nein! Ich werde kranke Menſchen behandeln<lb/> und kuriren.“</p><lb/> <p>„So wohl?! Eine ſolche Neuigkeit! Rein zum Ofen<lb/> einſchlagen! Ein Dokter willſt jetzt ſein?! Ja warſt du<lb/> denn nicht zu dumm für die Bauernarbeit? Und jetzt<lb/> biſcht ein G’ſtudirter! Na, da wünſch ich viel Glück! Recht<lb/> viel wirſt nicht zu kuriren kriegen, Herr Dokter! Hat ja<lb/> der alte Dokter nicht genug zum Beißen! Na der alte<lb/> Medizinhafen wird eine Freud’ haben! Behüt Gott, Heißen-<lb/> bub! Wenns bei mir mal zum Einrücken Zeit wird, laß ich<lb/> dir meine Kundſchaſt zukommen, früher aber nicht. Ich<lb/> kurir alles ſelber mit Hirſchunſchlitt. Wennſt eines brauchſt,<lb/> ich ſteh zu Dienſten, ſo viel du willſt. Adjes!“</p><lb/> <p>Verſtimmt ſetzt Kaſtl den Weg fort durch den Wald;<lb/> die Sangesluſt iſt weg und der Humor auch. Den Ein-<lb/> tritt in die Heimath mit der neuen Würde hat Doktor<lb/> Oberhummer ſich doch etwas anders vorgeſtellt; wenn die<lb/> Bauern alle ſo denken wie der Förſter, dann wird die<lb/> Praxisausübung in der Heimath, auf welche ſich Kaſtl die<lb/> langen Jahre hindurch ſo ſehr gefreut, ihre „Mucken“<lb/> haben. Doch die Forſtleute find immer eigen, ganz anders<lb/><cb/> als die Bauern, das bringt der Veruf und das Einſiedler-<lb/> leben mit ſich. Solche Gedanken tröſten Kaſtl in etwas,<lb/> die Hoffnung ſchwillt wieder in der jungen Bruſt im Be-<lb/> wußtſein deſſen, was auf der Univerſität alles gelernt<lb/> wurde. Hat er doch fleißig die Kollegien beſucht, die neu-<lb/> eſten Werke gründlich ſtudirt, ſich die neueſten Forſchungen<lb/> und Entdeckungen zu eigen gemacht, ſo daß er geradezu<lb/><hi rendition="#aq">summa cum laude</hi> abſolvirte. Was bedeutet da das Ge-<lb/> ſchwätz eines verwilderten Förſters! Ein Lufthieb mit<lb/> dem Stock zeigt an, das Doktor Oberhummer nicht den<lb/> Pfifferling darauf hält.</p><lb/> <p>Allmählich ſteigt das Sträßchen an und windet ſich<lb/> aus dem Fichtenwald dem Hügelterrain zu. Das Knarren<lb/> eines hinterdrein humpelnden Wagens veranlaßt Kaſtl,<lb/> umzublicken, und mit ſpöttiſchem Lächeln begrüßt er den<lb/> ſchneckengleich heraufkriechenden alten Karren, neben wel-<lb/> chem der Poſtſepp ſchreitet und durch Zurufe den Gaul<lb/> zeitweilig ermahnt, doch nicht auf der Landſtraße das<lb/> Sterben zu beginnen.</p><lb/> <p>Gutmüthig ſpottet Kaſtl halblaut: „Schau, ſchau<lb/> der Sepp lebt auch noch! Und in dem alten Marterkaſten<lb/> haben ſie mich damals hinaus zur Lateinſchule verfrachtet.<lb/> Widerſtandsfähig iſcht der alte Kälberwagen, das damalige<lb/> Thränemmeer hat ihn nicht aus den Fugen gebracht!“</p><lb/> <p>„Hü!“ ruft der Sepp und ſtreift mit der Peitſche die<lb/> blutgierigen Bremſen vom Pferderücken ab. Kaſtl hat ge-<lb/> wartet, bis das Vehikel die Höhe heraufgekommen iſt, und<lb/> grüßt nun leutſelig, mit einer gewiſſen Herablaſſung den<lb/> alten Knecht.</p><lb/> <p>„Grüß Gott, Sepp! Allweil noch Poſterer?“</p><lb/> <p>„Grüß Gott auch! Freilich, allweil noch bei der Poſt.<lb/> Sind Sie vielleicht müd? Wollen S’ aufſitzen? Ich ver-<lb/> laub es ſchon, nur vorm Dorf müſſen S’ halt abſteigen;<lb/> die Poſtmeiſterin leidet keinen blinden Paſſagier, aber ich<lb/> hab halt ein ſo viel gutes Herz und bin immer ſo viel höf-<lb/> lich mit die Leut! Das bringt die Poſt mit ſich! Allweil ſo<lb/> viel höflich!“</p><lb/> <p>(Fortſetzung folgt.)</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
München, Sonntag Allgemeine Zeitung 25. März 1900. Nr. 82.
Umſtand zweifelsohne mit dazu beigetragen, unſre Partei-
verhältniſſe mehr noch zu verwirren und unſre inneren
Konflikte zu verſchärfen. In der Politik entſcheidet am
letzten Ende ſtets der Erfolg, und wenn der Monarch mit
ſeiner Perſon und mit ſeiner Autorität für eine Sache
eintritt, die ſchließlich ſiegreich bleibt, wie es hoffentlich
bei der Bewegung für die Verſtärkung unſrer Flotte der
Fall ſein wird, ſo wird ſein Eingreifen in den Kampf
durch die Ereigniſſe vollkommen ſanktionirt. Allein, mag
immer die Vernunft bei Wenigen nur geweſen ſein, und
mag es ſo ſich innerlich rechtfertigen laſſen, wenn der
Monarch dann und wann offen zur Minorität ſich bekennt,
ſo hat es für die erfolganbetende Menge doch leicht
etwas befremdliches, wenn im parlamentariſchen Kampf
nicht nur die Regierung, ſondern der Monarch ſelbſt
ſchließlich den Rückzug antreten muß.
Bei all dieſen Kämpfen und Wirrniſſen ſind Regierte
und Regierende, Mehrheits- und Minderheitsparteien
nervös und unſicher geworden. An redlichen Bemühungen,
Beruhigung zu verbreiten und über ihre Ziele, ſowie über
die geſammte innere Lage Klarheit zu verſchaffen, hat es
die Regierung zwar nicht fehlen laſſen, aber ihr ſelbſt
war die erforderliche Ruhe abhanden gekommen und ein
erregter Arzt wird ſelten im Stande ſein, ſeinen nervöſen
Patienten zur Ruhe zu bringen. Wollen wir im Reiche
wieder zu normalen und geſunden Verhältniſſen gelangen,
ſo werden wir zunächſt beſtrebt ſein müſſen, allſeits zur Selbſt-
beſchränkung und zur Selbſtbeſcheidung uns zu zwingen.
Der Ruf zur Sammlung, zum Zuſammenſchließen der
innerlich verwandten Elemente, die auf weſentlich gleichen
Bahnen die gleichen großen Ziele erſtreben, muß bei
unſern Parteien laut werden. Es iſt höchſte Zeit, der
Parteimengerei und dem Parteiwirrwarr, dem großentheils
ſelbſtiſche oder unklare Beſtrebungen zugrunde liegen, ein
Ziel zu ſetzen. Aber auch auf Seiten der Regierung muß
man ſich ſagen, daß mit der nervöſen Vielgeſchäftigkeit,
ſo gut ſie gemeint ſein mag, wenig zu erreichen iſt. Der
zweite Reichskanzler, Graf Caprivi, hatte einſt erklärt,
daß unter ihm die Politik langweilig werden würde. Er
hat ſein Verſprechen bekanntlich nicht eingelöst; der
Gedanke aber, dem er. Ausdruck gab, war durch-
aus richtig. Auch jetzt muß die Politik — wir
ſprechen natürlich nur von der inneren — lang-
weilig werden. Die Regierung muß zu voller Klar-
heit darüber gelangen, was ſie mit den ihr zu Gebote
ſtehenden Mitteln auf gerader Bahn ohne gewagte parla-
mentariſche Experimente, die allzuleicht nur fehlſchlagen,
erreichen kann, und was ſie zu des Reiches Beſten unbe-
dingt erreichen muß. Nur an dieſes Mindeſtmaß von
legislatoriſcher Arbeit ſollte ſie thatſächlich herantreten,
an deſſen erfolgreiche Erledigung aber auch ihr ganzes
Wollen und ihr ganzes Können ſetzen. Es heißt das, ihr
keine kleine Aufgabe zumuthen, denn in der Beſchränkung
erſt zeigt ſich der Meiſter. Auf dem Wege weiſer Be-
ſchränkung aber werden wir auch zu der dringend nöthigen
Klärung unſrer inneren Verhältniſſe und zur Beſeitigung
jener Nervoſität gelangen, unter der Volk und Regierung
allzulange ſchon leiden.
Deutſches Reich.
Grelle Streiflichter auf unſre parlamentariſchen Verhältniſſe.
☩ Berlin, 23. März. Die letzte Woche iſt für die
Zuſtände innerhalb unſres Reichsparla-
mentarismus noch lehrreicher geweſen als die voran-
gegangenen. So neu und verblüffend die ſkandalöſen
Scenen am Schluß der letzteren erſchienen, eigentlich mußte
man ſich doch wundern, daß wir derartiges nicht längſt
erlebt haben. Die Sozialdemokraten mit ihrem bürgerlich-
demokratiſchen Anhang haben den Anderen nur einmal ge-
zeigt, was man auch bei uns an Obſtruktion mit den
vorhandenen Mitteln leiſten kann, wenn man nur will.
Daß ſie von dieſen Mitteln bisher einen verhältnißmäßig
harmloſen Gebrauch gemacht haben, lag nur daran, daß
man auch ſie mit zartfühlendem Entgegenkommen be-
handelte. Es gibt gar keinen köſtlicheren Ausdruck für die
bisherige „Gemüthlichkeit“ im Reichstag als die Thatſache,
daß Hr. Singer nun ſchon in das ſiebente Jahr Vor-
ſitzender der Geſchäftsordnungskommiſ-
ſion iſt. Man kann ſich denken, wie aufreizend und komiſch
zugleich es auf die Sozialdemokraten wirken mußte, wenn
der Wortführer des Centrums, Hr. Gröber, den Ob-
ſtruktioniſten ſofort mit einer Aenderung der Ge-
ſchäftsordnung drohte. Hr. Singer erwiderte dem
Centrumsmann darauf im Ton des wohlwollenden Men-
tors, der den irrenden Freund zur Vernunft zurückruft.
Man ſah, das Obſtruktionsmanöver hatte gewiſſermaßen
die Bedeutung einer Mahnung an das Centrum,
von dem Verſuch einer Vergewaltigung der radikalen
Linken mit Hülfe der Konſervativen Abſtand zu nehmen.
Deutlich genug wurde dem Centrum zu verſtehen gegeben,
es werde ſich den Gedanken von Einſchränkungsmaßregeln
gegen die Obſtruktionsfreiheit wohl noch zweimal über-
legen, wenn anders es die Freunde von ehedem
nicht noch gründlicherkennenlernen wolle.
Man muß geſtehen, die Herausforderung an die „re-
gierende“ Partei war ſtark genug. Wollte ſie ihre Auto-
rität behaupten, ſo gab es nur eine Antwort: die
Niederzwingung der Obſtruktion um jeden Preis.
Das gleiche Intereſſe hatten mit ihr Alle, welche die lex
Heinze durchzuſetzen entſchloſſen waren. Eine Aenderung
der Geſchäftsordnung war gar nicht nöthig, die Majorität
brauchte nur vollzählig anweſend zu ſein. Der Ge-
danke des Präſidenten, zunächſt die Etatsberathung zu be-
endigen, war berechtigt. Aber die Majorität mußte nach
dem bis dahin unerhörten Erlebniß vom 17. März alles
aufbieten, daß ſie ſofort mit der neuen Woche in impoſanter
Zahl erfcheinen und ihren feſten Willen ankündigen konnte,
noch vor Oſtern die lex Heinze zur vollen Durchberathung
zu bringen. Was hat man ſtatt deſſen geſehen? Die Prä-
ſenz iſt die ganze Woche über troſtloſer als je geweſen, die
Verhandlungen ſind fortwährend den Sozialdemokraten
auf Gnade und Ungnade preisgegeben, und in den Majo-
ritätsparteien hat man nur den einen Gedanken, ſich dieſem
unwürdigen Zuſtand ſo bald wie nur irgend möglich durch
die Flucht in die Ferien zu entziehen. Ein paar Tage iſt
wohl noch in der Preſſe von Abänderung der Geſchäfts-
ordnung die Rede geweſen, auch einige Centrumsfedern
haben ſich daran betheiligt. Gerade in der Centrumspreſſe
aber ſind alle dieſe Ideen dann am ſchärfſten desavouirt
worden, und in der „Köln. Volksztg.“ erſchien die bedeut-
ſame Ermahnung, man ſolle doch über lauter lex Heinze
nicht das Andere vergeſſen. Kann man zweifeln, was das
heißt?
Den führenden Geiſtern des Centrums iſt offenbar die
Erkenntniß gekommen, daß man durch eine energiſche Auf-
nahme und Durchführung des Kampfes gegen die Obſtruk-
tioniſten ſich die „Abwehrmehrheit“ verderben
könnte, die Zwickmühle, auf welcher die parlamenta-
riſche Machtſtellung des Centrums beruht. Alſo galt es
ſchleunigſt zurückhufen. Und wie graziös man das auszu-
führen verſteht, davon hat man in der Donnerſtagsſitzung
des Reichstags ein allerliebſtes Beiſpiel gehabt. Zu der
Vorlage über die Patentanwälte beliebte es dem
Sozialdemokraten Heine einen Antrag zu ſtellen, nach
welchem Niemand wegen politiſcher, wiſſen-
ſchaftlicher, künſtleriſcher oder religiöſer
Anſichten von der Patentanwaltliſte ſollte ausge-
ſchloſſen werden können. Nach dem ganzen Inhalt des Ge-
ſetzes hatte eine derartige Beſtimmung in ihm gar keinen
Sinn. Es kam dem Antragſteller nur darauf an, eine
große Rede zu halten, in der er allerlei boshafte Bemer-
kungen über den Fall Arons, die bekannten Maßrege-
lungen in Preußen und ſogar über die lex Heinze vor-
bringen konnte. Er ſelbſt wird wohl am wenigſten darüber
im Zweifel geweſen ſein, daß dieſer Einſchmuggelungs-
verſuch zum mindeſten ein gelinder Unſug war. Aber ſiehe
da, Hr. Schmidt-Warburg nahm den ſozialdemokratiſchen
Antrag unter ſeine Fittiche, indem er das Wörtchen „künſt-
leriſche“ daraus ſtrich, und ſo wurde er unter Führung des
Centrums gegen die Konſervativen und Nationalliberalen
angenommen. Iſt das nicht eine wahrhaft rüh-
rende Pflege der „Abwehrmehrheit“? Dieſe
hatte übrigens ſchon vorher derſelben Sitzung an be-
deutungsvollerer Stelle, wenn auch nur ſchweigſam, ſo aber
um ſo nachdrücklicher ihren Stempel aufgedrückt. Die Re-
gierung hatte vorgeſchlagen, die Ueberſchüſſe des
Etatsjahres 1900 nicht, wie in den letzten Jahren, zur
Schuldentilgung, ſondern zur Verſtärkung des Be-
triebsfonds der Reichskaſſe zu verwenden, um
dadurch die Vorſchüſſe der Einzelſtaaten an die Reichskaſſe
unnöthig zu machen und ſo den Finanzen der Einzelſtaaten
eine werthvolle Erleichterung zu gewähren. Es iſt eine
Forderung der Gerechtigkeit, im Intereſſe namentlich der
kleineren Staaten. Die „Abwehrmehrheit“ aber hat ſie ab-
gelehnt, und zwar in erſter Linie, wie man in der Kom-
miſſion ziemlich unverblümt erklärt hat, um die Einzel-
ſtaaten für ihre Zuſtimmung zur Flottenvorlage zu be-
ſtrafen. Das iſt der malen unſer Reichsparla-
mentarismus!
Auswärtige Politik und Senſationspreſſe.
* Es iſt ſehr erfreulich, daß die „Nordd. Allg.
Ztg.“ die falſchen Ausſtrenungen des „Kleinen
Journals“ über angebliche deutſch-engliſch-amerika-
niſche Verhandlungen wegen Südafrika, mit derſelben
Schärfe dementirt, wie die wiederholte Behauptung des
genannten Blattes, daß die Quelle jener Mel-
dungen im Auswärtigen Amte ſelbſt zu
ſuchen ſei. Wenn die „Nordd. Allg. Ztg.“ heute vont
„Kleinen Journal“ die unzweideutige Bezeichnung ſeines
Gewährsmannes verlangt, es für eine Ausflucht erklärt,
ſich unter derartigen Umſtänden hinter der Pflicht journa-
liſtiſcher Diskretion zu verſchanzen, und ſeſtſtellt, daß
keinerlei öffentliches Intereſſe beſtehe, hier irgend etwas zu
verſchweigen, ſo iſt das vollkommen richtig. Wohl aber be-
ſteht ein öffentliches Intereſſe daran, daß jener Sorte von
Zeitungen die Luſt zur Verbreitung von Erfindungen ge-
nommen wird, die den Anſchein erwecken, als ob im Aus-
wärtigen Amte verſchiedene Strömungen öffentlich mitein-
ander ringen könnten. Ein ſolcher Zuſtand wäre in keinem
Miniſterium ſo unerträglich, wie im Miniſterium des
Aeußern. Daher müſſen mit der größten
Befriedigung die unverkennbaren An-
zeichen dafür begrüßt werden, daß das
Auswärtige Amt ſchlechterdings kein
Gebahren duldet, das es im Lichte der
Desorganiſation erſcheinen läßt.
*Berlin, 24. März.
Tel. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ ſchreibt
heute: Das „Kleine Journal“ weiß zur Vertheidigung ſeiner
wahrheitswidrigen Behauptungen gegen das Auswärtige Amt
keinen anderen Rath, als unter Ausfällen gegen die hier nicht
in Betracht kommende Redaktion der „Nordd. Allg. Ztg.“
hiuter der „journaliſtiſchen Anſtandspflicht“ Deckung zu ſuchen.
Wir ſind deßhalb ermächtigt, gegenüber den Treibereien des
„Kleinen Journals“ in unbedingter Form die Erklärung zu
wiederholen, daß die ihm angeblich von einer Stelle des Aus-
wärtigen Amts bekannt gewordenen deutſch - engliſch-
amerikaniſchen Verhandlungen wegen Südafrikas einfach er-
logen ſind.
Generaldebatte über die Flottenvorlage in der Budgetkommiſſion.
* Ueber die Frage der Koſtendeckung werden,
ſo ſchreibt die „Berl. Korreſp.“, vorausſichtlich erheb-
liche Diskuſſionen in der Kommiſſion ſtattfinden. Es ſei
deßhalb nur betont, daß es, abgeſehen von den Vertretern
gewiſſer radikaler Parteien, die aber jede Ausgabe für die
Zwecke der Landesvertheidigung als unproduktiv be-
mängeln, Niemand in Deutſchland gibt, der ernſtlich die
finanzielle Leiſtungsfähigkeit des deutſchen Volkes in Be-
treff der Flottenvermehrung bezweifelt. Selbſt ein ſo vor-
ſichtiger Rechner, wie der preußiſche Finanzminiſter, hat am
13. Dezember vorigen Jahres im Reichstag ausgeſprochen,
daß nach ſeiner Auffaſſung die Flottennovelle in keinem
Widerſpruch ſteht mit der Leiſtungsfähigkeit der Reichs-
ſinanzen, mit ihrer wahrſcheinlichen künftigen Entwicklung
und der inneren Kraft des deutſchen Volkes, deſſen Lei-
ſtungsfähigkeit noch erheblich gehoben wird durch den
größeren und ſicheren Schutz unſrer Küſten und Häfen,
unſres Handels und unſres Exports. Die wirthſchaftliche
Entwicklung hat es mit ſich gebracht, daß Deutſchlands
Wohl und Wehe täglich mehr von ſeiner Stellung im
großen Weltverkehr abhängig wird. Die Aufgabe Deutſch-
lands iſt dadurch, wie der Finanzminiſter ausführte, eine
ſehr ſchwierige geworden.
„Gelegen mitten in Europa, an beiden Seiten die
größten Militärmächte, andrerſeits ſo ſtark bevölkert, daß die
innere Produktion nothwendig unſre Grenze überſchreiten
muß, daß die Beſchäftigung eines großen Theils unſres
Volkes ſonſt unmöglich iſt, werden wir nothgedrungen auf
den großen Weltmarkt verwieſen, und wir müſſen daraus die
Konſequenzen ziehen. Wenn die Nation das nicht will, wenn
ſie dieſe Opfer nicht bringen will, dann wird nicht Forlgang
und Fortſchritt, ſondern Nückgang und Verkümmerung das
Loos des deutſchen Volkes ſein.“
Alten dafür. Andreas Oberhummer, ein Gütler droben
im Seegebirg, war nämlich der Anſicht, daß ſein Vub
Kaſtulus, gemeiniglich Kaſtl genannt, entſchieden zu dumm
zur Bauernarbeit war, zu wenig anſtellig und völlig be-
griffsſtützig für landwirthſchaftliche Dinge, und deßhalb
beſtand der Alte darauf: der Vub ſei zu dumm, daher müſſe
er ſtudieren und ein Herr werden! Mit dem „Herrn“ war
urſprünglich nach Sitte und Brauch im Hochland der Seel-
ſorger gemeint, aber Kaſtl ging nach der Gymnaſialmatura
der Theologie aus dem Wege und erklärte dem Vater in
einem Briefe, daß er Medizin ſtudiren werde und zwar mit
oder ohne Geld und Erlaubniß. Der alte Oberhummer
fluchte wohl, aber da der eigenſinnige Bub kein Geld zum
Studiren will, läßt er ihn gewähren. Und ſo wurde Kaſtl
Bettelſtudent und nährte ſich vom Stundengeben. Was
während der Studienzeit an Viktualien ins Kämmerlein
des Studenten in der Univerſitätsſtadt wanderte, Speck
und Bauernbrot, Küchel und Geld, das war Mütterchens
und Kaſtls Geheimniß.
Kaſtulus unterbricht den Geſang, denn eben fällt ihm
Vaters Spruch wieder ein, und ſeine Lippen kräuſeln ſich
zum vergnügten Schmunzeln. „Zu dumm zur Bauern-
arbeit war ich, und drum bin ich Doctor medicinae ge-
worden!“ flüſtert der junge Gebirgler ſeelenfroh vor ſich
hin. „Ich lobe mir ſolche Dummheit!“ ruft Kaſtl unwill-
kürlich laut in den Wald, doch läßt ihn ein Raſcheln ſofort
verſtummen.
Aus dem Unterholz tritt der Forſtwart in Waffen und
bedeutet dem Wanderer, daß das Spektakelmachen im Wald
verboten ſei. Kaſtl grüßt und der Waldbeamte beſieht den
jungen Mann genauer. „Wie iſt mir denn, ich mein,
Ihnen ſollt ich kennen!“ ſetzt er dazu.
Kaſtl erwidert: „Freilich! Ich bin ja ...“
„Halt! Ich weiß ſchon: Du biſcht der Bub vom Heißen-
bauern oben!“ lacht der Forſtwart und reicht dem Wan-
derer treubieder die Hand.
Etwas betreten erwidert Kaſtl den derben Händedruck,
ein klein wenig wurmt ihn dieſe reſpektloſe Anrede doch.
In ſeiner geraden Bergnatur aber fragt der Wald-
menſch weiter: „Kommſt wohl in die Vakanz heim, Heißen-
bub, was? Iſcht recht, freut mich! Nur mach mir mein
Wild nicht durch dein unſinniges G’ſangel rebelliſch. Und
wenn du ſpäter jagen willſt, ein Gamſerl erlaub ich dir
ſchon, das heißt in meiner Begleitung. Weißt ja Bub,
ich hab dich immer gern gehabt! Warſt ja der netteſte
von den Krebskönigkindern.“
Jetzt glaubt Kaſtl doch ſeine junge Würde betonen
zu ſollen: „Ich dank, Herr Forſtwart! Wird mir nicht viel
Zeit bleiben zum Jagen. Ein, zwei Tag’ will ich ja aus-
ſchnaufen, dann aber beginne ich die Praxis.“
Erſtaunt guckt der rauhe Waldmann den Jungen an:
„Mit Verlaub! Was willſt anfangen, Heißenbub?“
„Die Praxis! Ich bin jetzt fertig mit ’m Studiren, ich
bin jetzt Doktor.“
„Fürs Viech?“
„Aber nein! Ich werde kranke Menſchen behandeln
und kuriren.“
„So wohl?! Eine ſolche Neuigkeit! Rein zum Ofen
einſchlagen! Ein Dokter willſt jetzt ſein?! Ja warſt du
denn nicht zu dumm für die Bauernarbeit? Und jetzt
biſcht ein G’ſtudirter! Na, da wünſch ich viel Glück! Recht
viel wirſt nicht zu kuriren kriegen, Herr Dokter! Hat ja
der alte Dokter nicht genug zum Beißen! Na der alte
Medizinhafen wird eine Freud’ haben! Behüt Gott, Heißen-
bub! Wenns bei mir mal zum Einrücken Zeit wird, laß ich
dir meine Kundſchaſt zukommen, früher aber nicht. Ich
kurir alles ſelber mit Hirſchunſchlitt. Wennſt eines brauchſt,
ich ſteh zu Dienſten, ſo viel du willſt. Adjes!“
Verſtimmt ſetzt Kaſtl den Weg fort durch den Wald;
die Sangesluſt iſt weg und der Humor auch. Den Ein-
tritt in die Heimath mit der neuen Würde hat Doktor
Oberhummer ſich doch etwas anders vorgeſtellt; wenn die
Bauern alle ſo denken wie der Förſter, dann wird die
Praxisausübung in der Heimath, auf welche ſich Kaſtl die
langen Jahre hindurch ſo ſehr gefreut, ihre „Mucken“
haben. Doch die Forſtleute find immer eigen, ganz anders
als die Bauern, das bringt der Veruf und das Einſiedler-
leben mit ſich. Solche Gedanken tröſten Kaſtl in etwas,
die Hoffnung ſchwillt wieder in der jungen Bruſt im Be-
wußtſein deſſen, was auf der Univerſität alles gelernt
wurde. Hat er doch fleißig die Kollegien beſucht, die neu-
eſten Werke gründlich ſtudirt, ſich die neueſten Forſchungen
und Entdeckungen zu eigen gemacht, ſo daß er geradezu
summa cum laude abſolvirte. Was bedeutet da das Ge-
ſchwätz eines verwilderten Förſters! Ein Lufthieb mit
dem Stock zeigt an, das Doktor Oberhummer nicht den
Pfifferling darauf hält.
Allmählich ſteigt das Sträßchen an und windet ſich
aus dem Fichtenwald dem Hügelterrain zu. Das Knarren
eines hinterdrein humpelnden Wagens veranlaßt Kaſtl,
umzublicken, und mit ſpöttiſchem Lächeln begrüßt er den
ſchneckengleich heraufkriechenden alten Karren, neben wel-
chem der Poſtſepp ſchreitet und durch Zurufe den Gaul
zeitweilig ermahnt, doch nicht auf der Landſtraße das
Sterben zu beginnen.
Gutmüthig ſpottet Kaſtl halblaut: „Schau, ſchau
der Sepp lebt auch noch! Und in dem alten Marterkaſten
haben ſie mich damals hinaus zur Lateinſchule verfrachtet.
Widerſtandsfähig iſcht der alte Kälberwagen, das damalige
Thränemmeer hat ihn nicht aus den Fugen gebracht!“
„Hü!“ ruft der Sepp und ſtreift mit der Peitſche die
blutgierigen Bremſen vom Pferderücken ab. Kaſtl hat ge-
wartet, bis das Vehikel die Höhe heraufgekommen iſt, und
grüßt nun leutſelig, mit einer gewiſſen Herablaſſung den
alten Knecht.
„Grüß Gott, Sepp! Allweil noch Poſterer?“
„Grüß Gott auch! Freilich, allweil noch bei der Poſt.
Sind Sie vielleicht müd? Wollen S’ aufſitzen? Ich ver-
laub es ſchon, nur vorm Dorf müſſen S’ halt abſteigen;
die Poſtmeiſterin leidet keinen blinden Paſſagier, aber ich
hab halt ein ſo viel gutes Herz und bin immer ſo viel höf-
lich mit die Leut! Das bringt die Poſt mit ſich! Allweil ſo
viel höflich!“
(Fortſetzung folgt.)
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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