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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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Nr. 82.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 22 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Die Republik in Frankreich und die Monarchie in
Deutschland.
II.

*+* Seit unserem ersten Artikel haben die Begebenheiten ihre
Natur anders herausgestellt als es für den ersten Augenblick zu besorgen
schien. Die französische Republik hat nicht alsobald ihre Gränzmarken
mit den Waffen überschritten; Lamartine, für den Augenblick ihr
humanistisches Oberhaupt, verkündet sogar Friede und Freundschaft
aller Welt, und Louis Blanc sucht den neuen Oberherrn, das Volk der
Arbeiter, in den goldenen Sälen und sammetenen Stühlen der vertrie-
benen Pairs mit Hoffnungen zu speisen und mit schönen Empfindungen
zu beschwichtigen. Er scheint sogar abzustehen von seinem ersten Beginn
den Arbeitern Beschäftigung durch den Staat zu verschaffen, und stellt
die Association, d. i. den Verein der Arbeiter zu gemeinsamen Zwecken,
an die Stelle des Arbeitspatronats, das er eben erst seiner Republik
vorzubehalten schien. Aber man darf in allem diesem nicht ein Auf-
heben, sondern nur ein Verschieben der Gefahr wahrnehmen. Hebt doch
Lamartine selbst den Rechtsbestand der Verträge auf, und läßt sie als
Thatsachen nur so lange bestehen als sie der französischen Convenienz
und den Ansprüchen der Republik genügen, und wenn er von Gebiets-
erweiterungen durch Waffengewalt für den Augenblick absteht, so glaubt
er dagegen durch das was er Modification der Verträge nennt, mit Zu-
stimmung der betheiligten Staaten vorwärts zu kommen, was denn doch
wohl heißt daß Piemont, die Rheinstaaten und Belgien sich durch Er-
wägungen, die man noch zurückhält und nach Umständen vorrücken läßt,
bestimmt fühlen werden der französischen Republik, die nach Nord, Süd
und Ost sich zu eng umringt und bloßgestellt fühlt, die nöthigen Erwei-
terungen und Sicherheiten zu gestatten. Wird auf diese Weise die
französische Republik von den übrigen europäischen Staaten, die auf
jenen Verträgen als zu Recht bestehenden gebaut sind, isolirt und ihnen
gegenüber gleichsam auf das Piquet gestellt, so steht es nicht besser mit
der innern Politik von Louis Blanc. Die Unmöglichkeit die friedlichen
Grundsätze der Politik in dieser Gährung aufrechtzuerhalten, und die
Unmöglichkeit den Andrang der unteren Schichten mit ihrer wachsenden
Noth durch eitle Verheißungen zu beschwichtigen, gehen Hand in Hand,
und täuschen nicht alle Symptome, so hat das System Lamartine-Louis
Blanc kaum Lebensfähigkeit genug bis zum Eintritt der Nationalver-
sammlung aufrecht zu bleiben. Dann tritt die Periode von Lamoriciere
und die Angriffscolonne von 100,000 Mann in Thätigkeit, die er schon
jetzt zu rüsten begonnen hat, und neben ihr in weit schrofferen Formen
die Herrschaft der Massen, welche bis dahin erkannt haben daß es auch
mit der Association der Arbeiter nicht vorwärts geht, so lange sich die
großen Capitalien als die Grundlage jeder auf Tantiemen gebauten
Association von dieser zurückhalten.

Mit diesem allem ist nicht gesagt daß man die französische Republik
schon jetzt als eine feindselige Macht ansehen, wohl aber daß man gefaßt
seyn soll ihr als einer solchen zu begegnen, wenn sie ihre innere Natur
als eine gewaltthätige nach außen wie nach innen hervorwendet. Frank-
reich entfaltet in allen Umgestaltungen denselben Charakter den es schon
im Alterthum den Römern enthüllte. "Die Gallier", sagt der größte
der römischen Geschichtschreiber, "seyen ein Volk das weder die Freiheit
noch die Knechtschaft ertragen könne: die Freiheit nicht weil ihm das
Maß und die Besonnenheit abgeht die zum Bestehen der Kämpfe für sie
unerläßlich sind; und die Knechtschaft nicht weil das Volk zu lebhaft
und im Grunde zu edel ist um das Ungebührliche zu erdulden." Jede
Macht wird darum dort gebrochen sobald sie von der Meinung derer ver-
lassen wird auf welche sie gestützt war. Ludwig Philipp fiel weil sich
ihm die Mittelclassen, auf die sein Thron gebaut war, entzogen, und
Louis Blanc mit Lamartine wird fallen weil sie der Meinung der nie-
deren Schichten der Gesellschaft nicht entsprechen die obenauf gekommen
sind. Das ist der Ernst und die innere Nothwendigkeit der französischen
Zustände, und von ihnen Ernst und Nothwendigkeit der unsrigen
bedingt.

Diese erscheinen mit der Monarchie oder mit den zerstückelten Mon-
archien gegenüber von jenen unhaltbar, weil die Monarchie unter
uns auf ein falsches Princip gebaut war, falsch an sich, und gefähr-
lich noch mehr durch die Zerstückelung fürstlicher Gewalt in so vielen
[Spaltenumbruch] Staaten. Jenes Princip zeigt schon durch den fremden Namen der
Souveränetät den es trägt, seine dem Deutschen widerstrebende Fremd-
artigkeit. Souverän, sovrano, superaneus, ist an sich bloß: oberherr-
lich; man hat es aber zum Unbedingt- oder Absolut-Herrlichen, zum
Princip des Absolutismus gestempelt, zu dem es unter Ludwig XIV
entartete, dann durch Napoleon auf scheinbar demokratischer Grundlage
erneuert wurde. Dem Wiener Congreß wurde es als ein für Deutsch-
land fremdes Erbstück der zertrümmerten imperatorischen Macht des
Welteroberers zurückgelassen. In Folge davon wurden seine Könige
und Fürsten im genannten Sinne souverän. Sie vereinigten in sich alle
legislative, richterliche und administrative Gewalt, und erklärten sie in
den Schranken üben zu wollen die sie sich selbst gestellt hatten, vorbe-
haltlich der Befugniß in einem Fürstencongreß jene Schranken umzu-
stellen, und verbunden sich gegen widerstrebende Forderungen durch
Waffengewalt Hülfe zu leisten. Das Uebel stieg dadurch daß der Con-
greß der Abgeordneten der Souveräne, d. i. der deutsche Bundestag,
bald zu einem geheimen ward, daß die Instructionen für die Bundes-
tagsgesandten der öffentlichen Kunde ebenso entzogen blieben wie dem
Princip nach die Beschlüsse des Bundes, der durch die innere Nothwen-
digkeit des falschen Princips bald dahin gedrängt wurde die Beurthei-
lung seiner Thathandlungen zu verbieten, und selbst das Petitionsrecht,
insofern es Resormen betraf, aufzuheben. Dieser Zustand, weil un-
natürlich, trug den Keim des Todes in sich selbst, und wie schnell dieser
politische Tod eingetreten, wurde schon dadurch klar daß der Bund weder
privatrechtlichen Titel des Besitzes, wie bei den westfälischen Domänen-
käufern, noch wohlerworbenes politisches Recht, wie bei der hannöverischen
Verfassungsfrage, zu schirmen im Stande war. Nur wo es galt die
Besorgnisse der absoluten Gewalt gegen das Anstreben der öffentlichen
Macht zu bethätigen und zu ihrer Beschwichtigung die Regungen des
Nationalgefühls und Nationalbedürfnisses durch Specialcommissionen
zu schwächen oder zu brechen, entfaltete sich seine zweideutige Thätigkeit,
während er dreißig Jahre lang die zum Schutz des südwestlichen Deutsch-
lands nöthigen Vorkehrungen in Versäumniß und die dafür verfügbaren
Millionen in den Händen von Rothschild ließ. Die Nation war dadurch
auf sich selbst und auf die Eventualität politischer Katastrophen ange-
wiesen, die nun zwar spät, aber immer noch rascher als die Bethörten
wähnten, an die Pforten von Deutschland anschlagen und den haltlos
gewordenen Bestand erschüttern.

So schmerzlich es auch seyn mag, es gilt dieser Wahrheit entschlos-
sen in das Gesicht zu sehen, in ihre Folgen einzudringen, und zu ent-
decken was nun geschehen muß, was keinen Augenblick verschoben wer-
den darf, soll noch Rettung übrig seyn.

Dazu reicht nicht hin daß die Falschheit des Princips erkannt werde
auf dem die Monarchie in Deutschland gebaut war; es gilt dem Wahren
Anerkennung zu verschaffen, und es statt des Falschen dem neuen
Deutschland als die allein haltbare Basis unterzulegen. Deutsche Art
und Weise ist daß keine Gewalt, auch fürstliche und königliche nicht, eine
unbedingte sey. Im deutschen Reiche, ehe es verunstaltet und verdorben
wurde, hatten die einzelnen Stände, Städte und Landschaften ihr ver-
bürgtes Recht, und die oberste Gewalt ruhte allein in der Gesammtheit
des Reiches, dem die Fürsten als Vasallen gehörten, und in dem auch
das durch Wahl berufene Oberhaupt allein ein "kaiserliches Amt und
Würden" besaß. Dieses Recht, das dem absoluten als das parlamen-
tare entgegensteht, und das aus allen Mißgestaltungen des späteren
deutschen Reiches noch hervorleuchtet, gilt es aus dem Schutt der Zer-
störungen hervorzugraben, in seinem innern Wesen wieder anzuerkennen,
in seiner Bedeutsamkeit zu entfalten und als das Palladium der neuen
deutschen Monarchie in dem Heiligthum unserer Zukunft aufzustellen,
so lange es noch Zeit ist dieses Heiligthum zu erbauen und zu seinem
Schirm Meinung und Macht der Nation herbeizurufen. Wir übergehen
dabei was in den einzelnen Staaten geschehen muß um, sey es die ab-
solutistischen, sey es die ständischen oder constitutionellen, auf jeden Fall
die verkümmerten in wahrhaft verfassungsmäßige oder parlamentäre
zu verwandeln. Man weiß das allgemein; man verfährt darnach,
und selbst aus der bis dahin verschlossenen alten Kaiserburg von Wien
ist endlich das bedeutungsvolle Wort der Zugeständnisse zur Beschwich-
tigung des Sturmes vernommen worden. Dagegen wenden wir uns
auf das Einheitliche der deutschen Monarchien, das, wie im alten

Nr. 82.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 22 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Die Republik in Frankreich und die Monarchie in
Deutſchland.
II.

*†* Seit unſerem erſten Artikel haben die Begebenheiten ihre
Natur anders herausgeſtellt als es für den erſten Augenblick zu beſorgen
ſchien. Die franzöſiſche Republik hat nicht alſobald ihre Gränzmarken
mit den Waffen überſchritten; Lamartine, für den Augenblick ihr
humaniſtiſches Oberhaupt, verkündet ſogar Friede und Freundſchaft
aller Welt, und Louis Blanc ſucht den neuen Oberherrn, das Volk der
Arbeiter, in den goldenen Sälen und ſammetenen Stühlen der vertrie-
benen Pairs mit Hoffnungen zu ſpeiſen und mit ſchönen Empfindungen
zu beſchwichtigen. Er ſcheint ſogar abzuſtehen von ſeinem erſten Beginn
den Arbeitern Beſchäftigung durch den Staat zu verſchaffen, und ſtellt
die Aſſociation, d. i. den Verein der Arbeiter zu gemeinſamen Zwecken,
an die Stelle des Arbeitspatronats, das er eben erſt ſeiner Republik
vorzubehalten ſchien. Aber man darf in allem dieſem nicht ein Auf-
heben, ſondern nur ein Verſchieben der Gefahr wahrnehmen. Hebt doch
Lamartine ſelbſt den Rechtsbeſtand der Verträge auf, und läßt ſie als
Thatſachen nur ſo lange beſtehen als ſie der franzöſiſchen Convenienz
und den Anſprüchen der Republik genügen, und wenn er von Gebiets-
erweiterungen durch Waffengewalt für den Augenblick abſteht, ſo glaubt
er dagegen durch das was er Modification der Verträge nennt, mit Zu-
ſtimmung der betheiligten Staaten vorwärts zu kommen, was denn doch
wohl heißt daß Piemont, die Rheinſtaaten und Belgien ſich durch Er-
wägungen, die man noch zurückhält und nach Umſtänden vorrücken läßt,
beſtimmt fühlen werden der franzöſiſchen Republik, die nach Nord, Süd
und Oſt ſich zu eng umringt und bloßgeſtellt fühlt, die nöthigen Erwei-
terungen und Sicherheiten zu geſtatten. Wird auf dieſe Weiſe die
franzöſiſche Republik von den übrigen europäiſchen Staaten, die auf
jenen Verträgen als zu Recht beſtehenden gebaut ſind, iſolirt und ihnen
gegenüber gleichſam auf das Piquet geſtellt, ſo ſteht es nicht beſſer mit
der innern Politik von Louis Blanc. Die Unmöglichkeit die friedlichen
Grundſätze der Politik in dieſer Gährung aufrechtzuerhalten, und die
Unmöglichkeit den Andrang der unteren Schichten mit ihrer wachſenden
Noth durch eitle Verheißungen zu beſchwichtigen, gehen Hand in Hand,
und täuſchen nicht alle Symptome, ſo hat das Syſtem Lamartine-Louis
Blanc kaum Lebensfähigkeit genug bis zum Eintritt der Nationalver-
ſammlung aufrecht zu bleiben. Dann tritt die Periode von Lamoricière
und die Angriffscolonne von 100,000 Mann in Thätigkeit, die er ſchon
jetzt zu rüſten begonnen hat, und neben ihr in weit ſchrofferen Formen
die Herrſchaft der Maſſen, welche bis dahin erkannt haben daß es auch
mit der Aſſociation der Arbeiter nicht vorwärts geht, ſo lange ſich die
großen Capitalien als die Grundlage jeder auf Tantièmen gebauten
Aſſociation von dieſer zurückhalten.

Mit dieſem allem iſt nicht geſagt daß man die franzöſiſche Republik
ſchon jetzt als eine feindſelige Macht anſehen, wohl aber daß man gefaßt
ſeyn ſoll ihr als einer ſolchen zu begegnen, wenn ſie ihre innere Natur
als eine gewaltthätige nach außen wie nach innen hervorwendet. Frank-
reich entfaltet in allen Umgeſtaltungen denſelben Charakter den es ſchon
im Alterthum den Römern enthüllte. „Die Gallier“, ſagt der größte
der römiſchen Geſchichtſchreiber, „ſeyen ein Volk das weder die Freiheit
noch die Knechtſchaft ertragen könne: die Freiheit nicht weil ihm das
Maß und die Beſonnenheit abgeht die zum Beſtehen der Kämpfe für ſie
unerläßlich ſind; und die Knechtſchaft nicht weil das Volk zu lebhaft
und im Grunde zu edel iſt um das Ungebührliche zu erdulden.“ Jede
Macht wird darum dort gebrochen ſobald ſie von der Meinung derer ver-
laſſen wird auf welche ſie geſtützt war. Ludwig Philipp fiel weil ſich
ihm die Mittelclaſſen, auf die ſein Thron gebaut war, entzogen, und
Louis Blanc mit Lamartine wird fallen weil ſie der Meinung der nie-
deren Schichten der Geſellſchaft nicht entſprechen die obenauf gekommen
ſind. Das iſt der Ernſt und die innere Nothwendigkeit der franzöſiſchen
Zuſtände, und von ihnen Ernſt und Nothwendigkeit der unſrigen
bedingt.

Dieſe erſcheinen mit der Monarchie oder mit den zerſtückelten Mon-
archien gegenüber von jenen unhaltbar, weil die Monarchie unter
uns auf ein falſches Princip gebaut war, falſch an ſich, und gefähr-
lich noch mehr durch die Zerſtückelung fürſtlicher Gewalt in ſo vielen
[Spaltenumbruch] Staaten. Jenes Princip zeigt ſchon durch den fremden Namen der
Souveränetät den es trägt, ſeine dem Deutſchen widerſtrebende Fremd-
artigkeit. Souverän, sovrano, superaneus, iſt an ſich bloß: oberherr-
lich; man hat es aber zum Unbedingt- oder Abſolut-Herrlichen, zum
Princip des Abſolutismus geſtempelt, zu dem es unter Ludwig XIV
entartete, dann durch Napoleon auf ſcheinbar demokratiſcher Grundlage
erneuert wurde. Dem Wiener Congreß wurde es als ein für Deutſch-
land fremdes Erbſtück der zertrümmerten imperatoriſchen Macht des
Welteroberers zurückgelaſſen. In Folge davon wurden ſeine Könige
und Fürſten im genannten Sinne ſouverän. Sie vereinigten in ſich alle
legislative, richterliche und adminiſtrative Gewalt, und erklärten ſie in
den Schranken üben zu wollen die ſie ſich ſelbſt geſtellt hatten, vorbe-
haltlich der Befugniß in einem Fürſtencongreß jene Schranken umzu-
ſtellen, und verbunden ſich gegen widerſtrebende Forderungen durch
Waffengewalt Hülfe zu leiſten. Das Uebel ſtieg dadurch daß der Con-
greß der Abgeordneten der Souveräne, d. i. der deutſche Bundestag,
bald zu einem geheimen ward, daß die Inſtructionen für die Bundes-
tagsgeſandten der öffentlichen Kunde ebenſo entzogen blieben wie dem
Princip nach die Beſchlüſſe des Bundes, der durch die innere Nothwen-
digkeit des falſchen Princips bald dahin gedrängt wurde die Beurthei-
lung ſeiner Thathandlungen zu verbieten, und ſelbſt das Petitionsrecht,
inſofern es Reſormen betraf, aufzuheben. Dieſer Zuſtand, weil un-
natürlich, trug den Keim des Todes in ſich ſelbſt, und wie ſchnell dieſer
politiſche Tod eingetreten, wurde ſchon dadurch klar daß der Bund weder
privatrechtlichen Titel des Beſitzes, wie bei den weſtfäliſchen Domänen-
käufern, noch wohlerworbenes politiſches Recht, wie bei der hannöveriſchen
Verfaſſungsfrage, zu ſchirmen im Stande war. Nur wo es galt die
Beſorgniſſe der abſoluten Gewalt gegen das Anſtreben der öffentlichen
Macht zu bethätigen und zu ihrer Beſchwichtigung die Regungen des
Nationalgefühls und Nationalbedürfniſſes durch Specialcommiſſionen
zu ſchwächen oder zu brechen, entfaltete ſich ſeine zweideutige Thätigkeit,
während er dreißig Jahre lang die zum Schutz des ſüdweſtlichen Deutſch-
lands nöthigen Vorkehrungen in Verſäumniß und die dafür verfügbaren
Millionen in den Händen von Rothſchild ließ. Die Nation war dadurch
auf ſich ſelbſt und auf die Eventualität politiſcher Kataſtrophen ange-
wieſen, die nun zwar ſpät, aber immer noch raſcher als die Bethörten
wähnten, an die Pforten von Deutſchland anſchlagen und den haltlos
gewordenen Beſtand erſchüttern.

So ſchmerzlich es auch ſeyn mag, es gilt dieſer Wahrheit entſchloſ-
ſen in das Geſicht zu ſehen, in ihre Folgen einzudringen, und zu ent-
decken was nun geſchehen muß, was keinen Augenblick verſchoben wer-
den darf, ſoll noch Rettung übrig ſeyn.

Dazu reicht nicht hin daß die Falſchheit des Princips erkannt werde
auf dem die Monarchie in Deutſchland gebaut war; es gilt dem Wahren
Anerkennung zu verſchaffen, und es ſtatt des Falſchen dem neuen
Deutſchland als die allein haltbare Baſis unterzulegen. Deutſche Art
und Weiſe iſt daß keine Gewalt, auch fürſtliche und königliche nicht, eine
unbedingte ſey. Im deutſchen Reiche, ehe es verunſtaltet und verdorben
wurde, hatten die einzelnen Stände, Städte und Landſchaften ihr ver-
bürgtes Recht, und die oberſte Gewalt ruhte allein in der Geſammtheit
des Reiches, dem die Fürſten als Vaſallen gehörten, und in dem auch
das durch Wahl berufene Oberhaupt allein ein „kaiſerliches Amt und
Würden“ beſaß. Dieſes Recht, das dem abſoluten als das parlamen-
tare entgegenſteht, und das aus allen Mißgeſtaltungen des ſpäteren
deutſchen Reiches noch hervorleuchtet, gilt es aus dem Schutt der Zer-
ſtörungen hervorzugraben, in ſeinem innern Weſen wieder anzuerkennen,
in ſeiner Bedeutſamkeit zu entfalten und als das Palladium der neuen
deutſchen Monarchie in dem Heiligthum unſerer Zukunft aufzuſtellen,
ſo lange es noch Zeit iſt dieſes Heiligthum zu erbauen und zu ſeinem
Schirm Meinung und Macht der Nation herbeizurufen. Wir übergehen
dabei was in den einzelnen Staaten geſchehen muß um, ſey es die ab-
ſolutiſtiſchen, ſey es die ſtändiſchen oder conſtitutionellen, auf jeden Fall
die verkümmerten in wahrhaft verfaſſungsmäßige oder parlamentäre
zu verwandeln. Man weiß das allgemein; man verfährt darnach,
und ſelbſt aus der bis dahin verſchloſſenen alten Kaiſerburg von Wien
iſt endlich das bedeutungsvolle Wort der Zugeſtändniſſe zur Beſchwich-
tigung des Sturmes vernommen worden. Dagegen wenden wir uns
auf das Einheitliche der deutſchen Monarchien, das, wie im alten

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[0009] Nr. 82. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 22 März 1848. Die Republik in Frankreich und die Monarchie in Deutſchland. II. *†* Seit unſerem erſten Artikel haben die Begebenheiten ihre Natur anders herausgeſtellt als es für den erſten Augenblick zu beſorgen ſchien. Die franzöſiſche Republik hat nicht alſobald ihre Gränzmarken mit den Waffen überſchritten; Lamartine, für den Augenblick ihr humaniſtiſches Oberhaupt, verkündet ſogar Friede und Freundſchaft aller Welt, und Louis Blanc ſucht den neuen Oberherrn, das Volk der Arbeiter, in den goldenen Sälen und ſammetenen Stühlen der vertrie- benen Pairs mit Hoffnungen zu ſpeiſen und mit ſchönen Empfindungen zu beſchwichtigen. Er ſcheint ſogar abzuſtehen von ſeinem erſten Beginn den Arbeitern Beſchäftigung durch den Staat zu verſchaffen, und ſtellt die Aſſociation, d. i. den Verein der Arbeiter zu gemeinſamen Zwecken, an die Stelle des Arbeitspatronats, das er eben erſt ſeiner Republik vorzubehalten ſchien. Aber man darf in allem dieſem nicht ein Auf- heben, ſondern nur ein Verſchieben der Gefahr wahrnehmen. Hebt doch Lamartine ſelbſt den Rechtsbeſtand der Verträge auf, und läßt ſie als Thatſachen nur ſo lange beſtehen als ſie der franzöſiſchen Convenienz und den Anſprüchen der Republik genügen, und wenn er von Gebiets- erweiterungen durch Waffengewalt für den Augenblick abſteht, ſo glaubt er dagegen durch das was er Modification der Verträge nennt, mit Zu- ſtimmung der betheiligten Staaten vorwärts zu kommen, was denn doch wohl heißt daß Piemont, die Rheinſtaaten und Belgien ſich durch Er- wägungen, die man noch zurückhält und nach Umſtänden vorrücken läßt, beſtimmt fühlen werden der franzöſiſchen Republik, die nach Nord, Süd und Oſt ſich zu eng umringt und bloßgeſtellt fühlt, die nöthigen Erwei- terungen und Sicherheiten zu geſtatten. Wird auf dieſe Weiſe die franzöſiſche Republik von den übrigen europäiſchen Staaten, die auf jenen Verträgen als zu Recht beſtehenden gebaut ſind, iſolirt und ihnen gegenüber gleichſam auf das Piquet geſtellt, ſo ſteht es nicht beſſer mit der innern Politik von Louis Blanc. Die Unmöglichkeit die friedlichen Grundſätze der Politik in dieſer Gährung aufrechtzuerhalten, und die Unmöglichkeit den Andrang der unteren Schichten mit ihrer wachſenden Noth durch eitle Verheißungen zu beſchwichtigen, gehen Hand in Hand, und täuſchen nicht alle Symptome, ſo hat das Syſtem Lamartine-Louis Blanc kaum Lebensfähigkeit genug bis zum Eintritt der Nationalver- ſammlung aufrecht zu bleiben. Dann tritt die Periode von Lamoricière und die Angriffscolonne von 100,000 Mann in Thätigkeit, die er ſchon jetzt zu rüſten begonnen hat, und neben ihr in weit ſchrofferen Formen die Herrſchaft der Maſſen, welche bis dahin erkannt haben daß es auch mit der Aſſociation der Arbeiter nicht vorwärts geht, ſo lange ſich die großen Capitalien als die Grundlage jeder auf Tantièmen gebauten Aſſociation von dieſer zurückhalten. Mit dieſem allem iſt nicht geſagt daß man die franzöſiſche Republik ſchon jetzt als eine feindſelige Macht anſehen, wohl aber daß man gefaßt ſeyn ſoll ihr als einer ſolchen zu begegnen, wenn ſie ihre innere Natur als eine gewaltthätige nach außen wie nach innen hervorwendet. Frank- reich entfaltet in allen Umgeſtaltungen denſelben Charakter den es ſchon im Alterthum den Römern enthüllte. „Die Gallier“, ſagt der größte der römiſchen Geſchichtſchreiber, „ſeyen ein Volk das weder die Freiheit noch die Knechtſchaft ertragen könne: die Freiheit nicht weil ihm das Maß und die Beſonnenheit abgeht die zum Beſtehen der Kämpfe für ſie unerläßlich ſind; und die Knechtſchaft nicht weil das Volk zu lebhaft und im Grunde zu edel iſt um das Ungebührliche zu erdulden.“ Jede Macht wird darum dort gebrochen ſobald ſie von der Meinung derer ver- laſſen wird auf welche ſie geſtützt war. Ludwig Philipp fiel weil ſich ihm die Mittelclaſſen, auf die ſein Thron gebaut war, entzogen, und Louis Blanc mit Lamartine wird fallen weil ſie der Meinung der nie- deren Schichten der Geſellſchaft nicht entſprechen die obenauf gekommen ſind. Das iſt der Ernſt und die innere Nothwendigkeit der franzöſiſchen Zuſtände, und von ihnen Ernſt und Nothwendigkeit der unſrigen bedingt. Dieſe erſcheinen mit der Monarchie oder mit den zerſtückelten Mon- archien gegenüber von jenen unhaltbar, weil die Monarchie unter uns auf ein falſches Princip gebaut war, falſch an ſich, und gefähr- lich noch mehr durch die Zerſtückelung fürſtlicher Gewalt in ſo vielen Staaten. Jenes Princip zeigt ſchon durch den fremden Namen der Souveränetät den es trägt, ſeine dem Deutſchen widerſtrebende Fremd- artigkeit. Souverän, sovrano, superaneus, iſt an ſich bloß: oberherr- lich; man hat es aber zum Unbedingt- oder Abſolut-Herrlichen, zum Princip des Abſolutismus geſtempelt, zu dem es unter Ludwig XIV entartete, dann durch Napoleon auf ſcheinbar demokratiſcher Grundlage erneuert wurde. Dem Wiener Congreß wurde es als ein für Deutſch- land fremdes Erbſtück der zertrümmerten imperatoriſchen Macht des Welteroberers zurückgelaſſen. In Folge davon wurden ſeine Könige und Fürſten im genannten Sinne ſouverän. Sie vereinigten in ſich alle legislative, richterliche und adminiſtrative Gewalt, und erklärten ſie in den Schranken üben zu wollen die ſie ſich ſelbſt geſtellt hatten, vorbe- haltlich der Befugniß in einem Fürſtencongreß jene Schranken umzu- ſtellen, und verbunden ſich gegen widerſtrebende Forderungen durch Waffengewalt Hülfe zu leiſten. Das Uebel ſtieg dadurch daß der Con- greß der Abgeordneten der Souveräne, d. i. der deutſche Bundestag, bald zu einem geheimen ward, daß die Inſtructionen für die Bundes- tagsgeſandten der öffentlichen Kunde ebenſo entzogen blieben wie dem Princip nach die Beſchlüſſe des Bundes, der durch die innere Nothwen- digkeit des falſchen Princips bald dahin gedrängt wurde die Beurthei- lung ſeiner Thathandlungen zu verbieten, und ſelbſt das Petitionsrecht, inſofern es Reſormen betraf, aufzuheben. Dieſer Zuſtand, weil un- natürlich, trug den Keim des Todes in ſich ſelbſt, und wie ſchnell dieſer politiſche Tod eingetreten, wurde ſchon dadurch klar daß der Bund weder privatrechtlichen Titel des Beſitzes, wie bei den weſtfäliſchen Domänen- käufern, noch wohlerworbenes politiſches Recht, wie bei der hannöveriſchen Verfaſſungsfrage, zu ſchirmen im Stande war. Nur wo es galt die Beſorgniſſe der abſoluten Gewalt gegen das Anſtreben der öffentlichen Macht zu bethätigen und zu ihrer Beſchwichtigung die Regungen des Nationalgefühls und Nationalbedürfniſſes durch Specialcommiſſionen zu ſchwächen oder zu brechen, entfaltete ſich ſeine zweideutige Thätigkeit, während er dreißig Jahre lang die zum Schutz des ſüdweſtlichen Deutſch- lands nöthigen Vorkehrungen in Verſäumniß und die dafür verfügbaren Millionen in den Händen von Rothſchild ließ. Die Nation war dadurch auf ſich ſelbſt und auf die Eventualität politiſcher Kataſtrophen ange- wieſen, die nun zwar ſpät, aber immer noch raſcher als die Bethörten wähnten, an die Pforten von Deutſchland anſchlagen und den haltlos gewordenen Beſtand erſchüttern. So ſchmerzlich es auch ſeyn mag, es gilt dieſer Wahrheit entſchloſ- ſen in das Geſicht zu ſehen, in ihre Folgen einzudringen, und zu ent- decken was nun geſchehen muß, was keinen Augenblick verſchoben wer- den darf, ſoll noch Rettung übrig ſeyn. Dazu reicht nicht hin daß die Falſchheit des Princips erkannt werde auf dem die Monarchie in Deutſchland gebaut war; es gilt dem Wahren Anerkennung zu verſchaffen, und es ſtatt des Falſchen dem neuen Deutſchland als die allein haltbare Baſis unterzulegen. Deutſche Art und Weiſe iſt daß keine Gewalt, auch fürſtliche und königliche nicht, eine unbedingte ſey. Im deutſchen Reiche, ehe es verunſtaltet und verdorben wurde, hatten die einzelnen Stände, Städte und Landſchaften ihr ver- bürgtes Recht, und die oberſte Gewalt ruhte allein in der Geſammtheit des Reiches, dem die Fürſten als Vaſallen gehörten, und in dem auch das durch Wahl berufene Oberhaupt allein ein „kaiſerliches Amt und Würden“ beſaß. Dieſes Recht, das dem abſoluten als das parlamen- tare entgegenſteht, und das aus allen Mißgeſtaltungen des ſpäteren deutſchen Reiches noch hervorleuchtet, gilt es aus dem Schutt der Zer- ſtörungen hervorzugraben, in ſeinem innern Weſen wieder anzuerkennen, in ſeiner Bedeutſamkeit zu entfalten und als das Palladium der neuen deutſchen Monarchie in dem Heiligthum unſerer Zukunft aufzuſtellen, ſo lange es noch Zeit iſt dieſes Heiligthum zu erbauen und zu ſeinem Schirm Meinung und Macht der Nation herbeizurufen. Wir übergehen dabei was in den einzelnen Staaten geſchehen muß um, ſey es die ab- ſolutiſtiſchen, ſey es die ſtändiſchen oder conſtitutionellen, auf jeden Fall die verkümmerten in wahrhaft verfaſſungsmäßige oder parlamentäre zu verwandeln. Man weiß das allgemein; man verfährt darnach, und ſelbſt aus der bis dahin verſchloſſenen alten Kaiſerburg von Wien iſt endlich das bedeutungsvolle Wort der Zugeſtändniſſe zur Beſchwich- tigung des Sturmes vernommen worden. Dagegen wenden wir uns auf das Einheitliche der deutſchen Monarchien, das, wie im alten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/9>, abgerufen am 11.12.2024.