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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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Preußen.

Die Bewegung in unserm Lande hat
Gegenbemühungen erhalten, die jetzt signalisirt werden können. Den
Volksadressen bekannten Inhalts gegenüber haben sich an verschiedenen
Orten Elemente erhoben, die ganz oder zu einem großen Theil den soge-
nannten "Feinen", den Pietisten angehören, in Westfalen zu Gütersloh
und Lippstadt, im Bergischen zu Elberfeld und Barmen, auf dem gegen-
überliegenden Rheinufer zu Rheydt und Cladbach: man ergeht sich in
Loyalitätsversicherungen, und bei dem gemeinen Manne heißt es daß das
Königthum und die Religion abgeschafft werden solle. Für diese Dinge
ist der Rheinische Beobachter ein getreues Archiv, wo sich alles zwischen
den Zeilen lesen läßt. Auf einer andern Seite haben wider die bekannte
Eingabe von 28 rheinischen Mitgliedern des Vereinigten Landtags die
Autonomen unter Führung des edlen Romantikers Frhrn. v. Nordeck dem
König erklärt, sich als Mauer um den Thron stellen zu wollen, und die
zur Mode gewordenen Bitten nur als Ergebnisse des tumultuarischen
Augenblicks ansehen zu können. Diese Ritter haben kein Organ in den
öffentlichen Blättern: sie wirken wie immer ohne allen Zusammenhang
mit dem Volke. Beide antithetische Demonstrationen sind für sich ohne
Macht, aber sie sind sehr beklagenswerth, weil sie nach oben falsche Vor-
stellungen und nach unten Ingrimm und Angriff veranlassen. Es
ist mit jedem Augenblick dringender den Kern und Schwerpunkt des
Constitutionalismus zu suchen und zu halten. Vielleicht ist die Ant-
wort des Königs an die zwölf Deputirten unsers Stadtraths entschei-
dend, und vielleicht befinden sich in diesem Augenblick die Deputirten vor
dem König. Der Oberpräfident der Provinz ist ihnen nachgereist und
wird, wie man hofft und sagt, nicht reagirend sich äußern.

Ich beeile mich Ihnen die Nachricht mit-
zutheilen daß der Kölnische Landtagsdeputirte Camphausen nach
Berlin berufen ist zur Bildung eines neuen Ministeriums.

Die Nachrichten aus Berlin haben hier eine lebhafte Aufregung hervor-
gerufen, um so mehr da sie lebendig an unsere August-Ereignisse er-
innern. Die obige Nachricht wirkt übrigens wie Oel auf das stür-
mische Meer der Aufregung des Volkes gegossen. Wir hoffen daß
nun wieder Vertrauen im Geschäftsleben zurückkehren wird. Unsere
Zustände drohten sehr gefährlich zu werden.

Während auf vielen Punkten in Rhein-
land-Westfalen die Landwehr sich weigert zu marschiren, hat man
allein in dem Militärbezirke Meschede (im Herzogthum Westfalen) d. h.
in den Kreisen Meschede, Arnsberg, Lippstadt und Bailon die Reserven
in der Weise eingezogen daß allein aus diesen vier Kreisen siebzig Schul-
lehrer mitmarschiren müssen, die ihre Schulen hinter sich lassen.

* Seit vorgestern früh hatten uns Briefe aus Berlin gefehlt; die
dadurch erregten Beforgnisse wurden durch die gestern Nachmittag hier
eingetroffene Leipziger Allg. Zeitung bestätigt. Wir theilten deren Be-
richte gestern Abend noch in einer außerordentlichen Beilage mit. Dar-
nach waren die ausgezeichnetsten Oppositionsmitglieder des Vereinigten
Landtags, v. Auerswald, Beckerath und Camphausen ins Ministerium
berufen worden; dennoch war es zwischen den Bürgern und den Trup-
pen zu einem blutigen Zusammenstoß gekommen, dessen Gründe aus
jenen Berichten nicht deutlich zu ersehen waren. Unmittelbar vor der
Schließung unsers Blattes gehen uns nun heute Berliner Mittheilungen
bis zum 19 Mittags zu. Folgendes ist das wesentliche derselben.

Auf die friedlichen
Bürger ist geschossen, als sie dem König für bewilligte Preßfreiheit
ein Hoch brachten. Berlin in Revolution.

Mir fehlt der Muth
und fast die physische Kraft Ihnen zu schreiben. Also nur weniges.
Am 16 Abends fiel nur eine Salve vor der neuen Wache dem Palast
des Prinzen von Preußen gegenüber, in Folge deren drei Personen getödtet
und einige verwundet wurden. Am 17 war alles ruhig. Die Schutz-
commissionen welche am Tage vorher spärlicher errichtet waren, orga-
nisirten sich allgemein. Gleichzeitig drang aber eine große politische Be-
wegung in die bis jetzt theilnamloseren Bürger, zahlreiche politische
Clubs organisirten sich in allen Stadttheilen, und man beabsichtigte am
Morgen des 18 dem König eine große friedliche Manifestation der Ge-
sinnung der Stadt zu geben. Es sollte ihm um 2 Uhr Nachm. auf
dem Schloßplatz von möglichst vielen Schutzcommissionen eine Petition
überreicht werden, worin um 1) Zurückziehung des Militärs, 2) sofor-
tige Organisirung einer Bürgerwehr, 3) sofortige Preßsreiheit und 4) so-
fortige Einberufung des Landtags gebeten ward. Dieser Manifestation
scheint die Regierung haben zuvorkommen zu wollen, und am 18 Vor-
[Spaltenumbruch] mittags erschienen bereits große Placate, worin mitgetheilt ward: 1)
es solle Preßfreiheit gewährt werden (das Gesetz wurde eine Stunde
später erlassen, und ist in der That sehr freisinnig); 2) es solle der Landtag
zum 2 April berufen seyn. Dieß rief ein großes Gedrange nach dem
Schloßplatz hervor. Man verlangte den König zu sehen. Er zeigte sich
zweimal auf dem Schloßbalkon und nickte freundlich. Die Menge em-
pfing ihn mit ungeheurem Beifall, murrte jedoch als etwas später der
Minister v. Vodelschwingh vortrat und ermahnte nun möge jeder auch
ruhig nach Hause gehen. Die Menge verlangte statt dessen Zurückziehung
der im Schloßhof und der vor den Schloßportalen stationirten Militär-
macht, rückte dieser immer näher und drohte mit Fäusten und Stöcken.
Plötzlich legte ein Glied Grenadiere, nach erfolgten drei Trommelschlä-
gen, an, gab Feuer und streckte mehrere der Bürger nieder. Eine ra-
sende Aufregung folgte. Alles stäubte wie von einem elektrischen Fun-
ken getroffen auseinander, und Waffenruf durchtönte die Stadt. Im Nu
waren Hunderte von Barricaden in allen Straßen errichtet, und ein hef-
tiges Gewehr- und Kartätschenfeuer verbreitete sich bald in der Brüder-
und Königsstraße. Dieß hat die ganze Nacht bis gegen 1 Uhr gedauert.
Vor dem Brandenburger Thor erblickte man ein heftiges Feuer. Zum
Abend mußte allgemein illuminirt werden um den Kämpfenden Licht zu
gewähren. Heute Morgen um 5 Uhr erdröhnt schon wieder die Sturm-
glocke. Gerüchte vom Abfall einzelner Truppentheile verbreiten sich.
Gott helfe weiter!

Die Stadt ist nicht wieder zu erkennen.
Unser friedliches Berlin hat sich in eine Barricadenfestung verwandelt.
Der verhängnißvolle 18 März wird in den Annalen der Stadt, in
denen er seines Gleichen noch niemals gehabt, unvertilgbar seyn. Gebe
der Himmel daß er auch in der Zukunft nicht mehr seines Gleichen
finde, denn unsere belebten Straßen sind alle von Blut gefärbt, von
Bürger- und von Kriegerblut, das dem Vaterlande unersetzlich ist.
Wie der blutige Kampf entstanden, nachdem gestern Mittags die De-
putationen Berlins und des Rheinlandes vom Könige mit den be-
stimmtesten Zusagen und in einem Augenblicke entlassen worden wa-
ren wo die ersehnte Preßfreiheit und die Berufung des Landtages
auf den 2 April mit der Aussicht auf ein einiges constitutionelles
Deutschland verkündet wurde, das ist noch Allen ein Räthsel. War
es ein Mißverständniß das die Schuld trägt, so ist es das unseligste
das jemals vorgekommen. Den ganzen Nachmittag und die Nacht
hindurch wüthete der Aufruhr und der Bürgerkrieg. Das Volk hat
sich des Landwehrzeughauses in der Lindenstraße, welches tapfer ver-
theidigt wurde, mit vielen Opfern bemächtigt und die dort befindlich
gewesenen Waffen vertheilt. Ebenso hat man auch einer Abtheilung
der ehemaligen Neuchateller Schützen die Büchsen abgenommen und
damit auf die Truppen gefeuert. Heute früh ist die beiliegende Pro-
elamation des Königs erschienen (s. unten), die leider noch keinen be-
friedigenden Eindruck gemacht, so daß sich Militär und Volk immer
noch gegenüberstehen. Man hofft der König werde eine Bürgerwehr
organisiren und den Truppen noch vor Abtragung der Barricaden den
Befehl ertheilen sich zurückzuziehen. -- 11 Uhr Vormittags. So-
eben geht den Truppen der Befehl zu sich in ihre Standquartiere zu be-
geben. Das Volk jubelt, und die Barricaden werden bereits theilweise
abgetragen. Ich befand mich bisher in einer Art von Festung zwischen
zwei solchen Barricaden.

In Bezug auf die Entstehung
des Kampfes hört man jetzt von anderer Seite, das Militär vor dem
Schlosse sey durch ungestümes Andrängen zur Nothwehr genöthigt
worden, während fast überall das Gerücht verbreitet ist das Militär
habe ohne Noth gefeuert. Es ist diesen Morgen nicht weiter gefochten
worden, nur vereinzelte Excesse haben stattgefunden. Der König hat
beifolgende Proclamation erlassen. (Siehe unten.) Aber man ist dadurch
nicht beruhigt. Der König will die Truppen nicht eher zurückziehen
bis die Barricaden planirt, das Volk will die Barricaden nicht auf-
geben bis die Truppen entfernt sind. Eine Bürgerdeputation ist auf dem
Schloß, allein der Magistrat wird kaum im Stande seyn die furchtbar
aufgeregten und jetzt bewaffneten Massen zu zähmen. (Nach einem an-
dern Briefe hatte der König nachgegeben, und wurde der Friede her-
gestellt.)

An meine lieben Berliner! Durch mein Einberufungspatent
vom heutigen Tage habt Ihr das Pfand der treuen Gesinnung Eures
Königs zu Euch und zum gesammten deutschen Vaterlande empfangen.
Noch war der Jubel mit dem unzählige treue Herzen mich begrüßt hatten

[Spaltenumbruch]
Preußen.

Die Bewegung in unſerm Lande hat
Gegenbemühungen erhalten, die jetzt ſignaliſirt werden können. Den
Volksadreſſen bekannten Inhalts gegenüber haben ſich an verſchiedenen
Orten Elemente erhoben, die ganz oder zu einem großen Theil den ſoge-
nannten „Feinen“, den Pietiſten angehören, in Weſtfalen zu Gütersloh
und Lippſtadt, im Bergiſchen zu Elberfeld und Barmen, auf dem gegen-
überliegenden Rheinufer zu Rheydt und Cladbach: man ergeht ſich in
Loyalitätsverſicherungen, und bei dem gemeinen Manne heißt es daß das
Königthum und die Religion abgeſchafft werden ſolle. Für dieſe Dinge
iſt der Rheiniſche Beobachter ein getreues Archiv, wo ſich alles zwiſchen
den Zeilen leſen läßt. Auf einer andern Seite haben wider die bekannte
Eingabe von 28 rheiniſchen Mitgliedern des Vereinigten Landtags die
Autonomen unter Führung des edlen Romantikers Frhrn. v. Nordeck dem
König erklärt, ſich als Mauer um den Thron ſtellen zu wollen, und die
zur Mode gewordenen Bitten nur als Ergebniſſe des tumultuariſchen
Augenblicks anſehen zu können. Dieſe Ritter haben kein Organ in den
öffentlichen Blättern: ſie wirken wie immer ohne allen Zuſammenhang
mit dem Volke. Beide antithetiſche Demonſtrationen ſind für ſich ohne
Macht, aber ſie ſind ſehr beklagenswerth, weil ſie nach oben falſche Vor-
ſtellungen und nach unten Ingrimm und Angriff veranlaſſen. Es
iſt mit jedem Augenblick dringender den Kern und Schwerpunkt des
Conſtitutionalismus zu ſuchen und zu halten. Vielleicht iſt die Ant-
wort des Königs an die zwölf Deputirten unſers Stadtraths entſchei-
dend, und vielleicht befinden ſich in dieſem Augenblick die Deputirten vor
dem König. Der Oberpräfident der Provinz iſt ihnen nachgereist und
wird, wie man hofft und ſagt, nicht reagirend ſich äußern.

Ich beeile mich Ihnen die Nachricht mit-
zutheilen daß der Kölniſche Landtagsdeputirte Camphauſen nach
Berlin berufen iſt zur Bildung eines neuen Miniſteriums.

Die Nachrichten aus Berlin haben hier eine lebhafte Aufregung hervor-
gerufen, um ſo mehr da ſie lebendig an unſere Auguſt-Ereigniſſe er-
innern. Die obige Nachricht wirkt übrigens wie Oel auf das ſtür-
miſche Meer der Aufregung des Volkes gegoſſen. Wir hoffen daß
nun wieder Vertrauen im Geſchäftsleben zurückkehren wird. Unſere
Zuſtände drohten ſehr gefährlich zu werden.

Während auf vielen Punkten in Rhein-
land-Weſtfalen die Landwehr ſich weigert zu marſchiren, hat man
allein in dem Militärbezirke Meſchede (im Herzogthum Weſtfalen) d. h.
in den Kreiſen Meſchede, Arnsberg, Lippſtadt und Bailon die Reſerven
in der Weiſe eingezogen daß allein aus dieſen vier Kreiſen ſiebzig Schul-
lehrer mitmarſchiren müſſen, die ihre Schulen hinter ſich laſſen.

* Seit vorgeſtern früh hatten uns Briefe aus Berlin gefehlt; die
dadurch erregten Beforgniſſe wurden durch die geſtern Nachmittag hier
eingetroffene Leipziger Allg. Zeitung beſtätigt. Wir theilten deren Be-
richte geſtern Abend noch in einer außerordentlichen Beilage mit. Dar-
nach waren die ausgezeichnetſten Oppoſitionsmitglieder des Vereinigten
Landtags, v. Auerswald, Beckerath und Camphauſen ins Miniſterium
berufen worden; dennoch war es zwiſchen den Bürgern und den Trup-
pen zu einem blutigen Zuſammenſtoß gekommen, deſſen Gründe aus
jenen Berichten nicht deutlich zu erſehen waren. Unmittelbar vor der
Schließung unſers Blattes gehen uns nun heute Berliner Mittheilungen
bis zum 19 Mittags zu. Folgendes iſt das weſentliche derſelben.

Auf die friedlichen
Bürger iſt geſchoſſen, als ſie dem König für bewilligte Preßfreiheit
ein Hoch brachten. Berlin in Revolution.

Mir fehlt der Muth
und faſt die phyſiſche Kraft Ihnen zu ſchreiben. Alſo nur weniges.
Am 16 Abends fiel nur eine Salve vor der neuen Wache dem Palaſt
des Prinzen von Preußen gegenüber, in Folge deren drei Perſonen getödtet
und einige verwundet wurden. Am 17 war alles ruhig. Die Schutz-
commiſſionen welche am Tage vorher ſpärlicher errichtet waren, orga-
niſirten ſich allgemein. Gleichzeitig drang aber eine große politiſche Be-
wegung in die bis jetzt theilnamloſeren Bürger, zahlreiche politiſche
Clubs organiſirten ſich in allen Stadttheilen, und man beabſichtigte am
Morgen des 18 dem König eine große friedliche Manifeſtation der Ge-
ſinnung der Stadt zu geben. Es ſollte ihm um 2 Uhr Nachm. auf
dem Schloßplatz von möglichſt vielen Schutzcommiſſionen eine Petition
überreicht werden, worin um 1) Zurückziehung des Militärs, 2) ſofor-
tige Organiſirung einer Bürgerwehr, 3) ſofortige Preßſreiheit und 4) ſo-
fortige Einberufung des Landtags gebeten ward. Dieſer Manifeſtation
ſcheint die Regierung haben zuvorkommen zu wollen, und am 18 Vor-
[Spaltenumbruch] mittags erſchienen bereits große Placate, worin mitgetheilt ward: 1)
es ſolle Preßfreiheit gewährt werden (das Geſetz wurde eine Stunde
ſpäter erlaſſen, und iſt in der That ſehr freiſinnig); 2) es ſolle der Landtag
zum 2 April berufen ſeyn. Dieß rief ein großes Gedrange nach dem
Schloßplatz hervor. Man verlangte den König zu ſehen. Er zeigte ſich
zweimal auf dem Schloßbalkon und nickte freundlich. Die Menge em-
pfing ihn mit ungeheurem Beifall, murrte jedoch als etwas ſpäter der
Miniſter v. Vodelſchwingh vortrat und ermahnte nun möge jeder auch
ruhig nach Hauſe gehen. Die Menge verlangte ſtatt deſſen Zurückziehung
der im Schloßhof und der vor den Schloßportalen ſtationirten Militär-
macht, rückte dieſer immer näher und drohte mit Fäuſten und Stöcken.
Plötzlich legte ein Glied Grenadiere, nach erfolgten drei Trommelſchlä-
gen, an, gab Feuer und ſtreckte mehrere der Bürger nieder. Eine ra-
ſende Aufregung folgte. Alles ſtäubte wie von einem elektriſchen Fun-
ken getroffen auseinander, und Waffenruf durchtönte die Stadt. Im Nu
waren Hunderte von Barricaden in allen Straßen errichtet, und ein hef-
tiges Gewehr- und Kartätſchenfeuer verbreitete ſich bald in der Brüder-
und Königsſtraße. Dieß hat die ganze Nacht bis gegen 1 Uhr gedauert.
Vor dem Brandenburger Thor erblickte man ein heftiges Feuer. Zum
Abend mußte allgemein illuminirt werden um den Kämpfenden Licht zu
gewähren. Heute Morgen um 5 Uhr erdröhnt ſchon wieder die Sturm-
glocke. Gerüchte vom Abfall einzelner Truppentheile verbreiten ſich.
Gott helfe weiter!

Die Stadt iſt nicht wieder zu erkennen.
Unſer friedliches Berlin hat ſich in eine Barricadenfeſtung verwandelt.
Der verhängnißvolle 18 März wird in den Annalen der Stadt, in
denen er ſeines Gleichen noch niemals gehabt, unvertilgbar ſeyn. Gebe
der Himmel daß er auch in der Zukunft nicht mehr ſeines Gleichen
finde, denn unſere belebten Straßen ſind alle von Blut gefärbt, von
Bürger- und von Kriegerblut, das dem Vaterlande unerſetzlich iſt.
Wie der blutige Kampf entſtanden, nachdem geſtern Mittags die De-
putationen Berlins und des Rheinlandes vom Könige mit den be-
ſtimmteſten Zuſagen und in einem Augenblicke entlaſſen worden wa-
ren wo die erſehnte Preßfreiheit und die Berufung des Landtages
auf den 2 April mit der Ausſicht auf ein einiges conſtitutionelles
Deutſchland verkündet wurde, das iſt noch Allen ein Räthſel. War
es ein Mißverſtändniß das die Schuld trägt, ſo iſt es das unſeligſte
das jemals vorgekommen. Den ganzen Nachmittag und die Nacht
hindurch wüthete der Aufruhr und der Bürgerkrieg. Das Volk hat
ſich des Landwehrzeughauſes in der Lindenſtraße, welches tapfer ver-
theidigt wurde, mit vielen Opfern bemächtigt und die dort befindlich
geweſenen Waffen vertheilt. Ebenſo hat man auch einer Abtheilung
der ehemaligen Neuchateller Schützen die Büchſen abgenommen und
damit auf die Truppen gefeuert. Heute früh iſt die beiliegende Pro-
elamation des Königs erſchienen (ſ. unten), die leider noch keinen be-
friedigenden Eindruck gemacht, ſo daß ſich Militär und Volk immer
noch gegenüberſtehen. Man hofft der König werde eine Bürgerwehr
organiſiren und den Truppen noch vor Abtragung der Barricaden den
Befehl ertheilen ſich zurückzuziehen. — 11 Uhr Vormittags. So-
eben geht den Truppen der Befehl zu ſich in ihre Standquartiere zu be-
geben. Das Volk jubelt, und die Barricaden werden bereits theilweiſe
abgetragen. Ich befand mich bisher in einer Art von Feſtung zwiſchen
zwei ſolchen Barricaden.

In Bezug auf die Entſtehung
des Kampfes hört man jetzt von anderer Seite, das Militär vor dem
Schloſſe ſey durch ungeſtümes Andrängen zur Nothwehr genöthigt
worden, während faſt überall das Gerücht verbreitet iſt das Militär
habe ohne Noth gefeuert. Es iſt dieſen Morgen nicht weiter gefochten
worden, nur vereinzelte Exceſſe haben ſtattgefunden. Der König hat
beifolgende Proclamation erlaſſen. (Siehe unten.) Aber man iſt dadurch
nicht beruhigt. Der König will die Truppen nicht eher zurückziehen
bis die Barricaden planirt, das Volk will die Barricaden nicht auf-
geben bis die Truppen entfernt ſind. Eine Bürgerdeputation iſt auf dem
Schloß, allein der Magiſtrat wird kaum im Stande ſeyn die furchtbar
aufgeregten und jetzt bewaffneten Maſſen zu zähmen. (Nach einem an-
dern Briefe hatte der König nachgegeben, und wurde der Friede her-
geſtellt.)

An meine lieben Berliner! Durch mein Einberufungspatent
vom heutigen Tage habt Ihr das Pfand der treuen Geſinnung Eures
Königs zu Euch und zum geſammten deutſchen Vaterlande empfangen.
Noch war der Jubel mit dem unzählige treue Herzen mich begrüßt hatten

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[1301/0005] Preußen. 0 Köln, 17 März.Die Bewegung in unſerm Lande hat Gegenbemühungen erhalten, die jetzt ſignaliſirt werden können. Den Volksadreſſen bekannten Inhalts gegenüber haben ſich an verſchiedenen Orten Elemente erhoben, die ganz oder zu einem großen Theil den ſoge- nannten „Feinen“, den Pietiſten angehören, in Weſtfalen zu Gütersloh und Lippſtadt, im Bergiſchen zu Elberfeld und Barmen, auf dem gegen- überliegenden Rheinufer zu Rheydt und Cladbach: man ergeht ſich in Loyalitätsverſicherungen, und bei dem gemeinen Manne heißt es daß das Königthum und die Religion abgeſchafft werden ſolle. Für dieſe Dinge iſt der Rheiniſche Beobachter ein getreues Archiv, wo ſich alles zwiſchen den Zeilen leſen läßt. Auf einer andern Seite haben wider die bekannte Eingabe von 28 rheiniſchen Mitgliedern des Vereinigten Landtags die Autonomen unter Führung des edlen Romantikers Frhrn. v. Nordeck dem König erklärt, ſich als Mauer um den Thron ſtellen zu wollen, und die zur Mode gewordenen Bitten nur als Ergebniſſe des tumultuariſchen Augenblicks anſehen zu können. Dieſe Ritter haben kein Organ in den öffentlichen Blättern: ſie wirken wie immer ohne allen Zuſammenhang mit dem Volke. Beide antithetiſche Demonſtrationen ſind für ſich ohne Macht, aber ſie ſind ſehr beklagenswerth, weil ſie nach oben falſche Vor- ſtellungen und nach unten Ingrimm und Angriff veranlaſſen. Es iſt mit jedem Augenblick dringender den Kern und Schwerpunkt des Conſtitutionalismus zu ſuchen und zu halten. Vielleicht iſt die Ant- wort des Königs an die zwölf Deputirten unſers Stadtraths entſchei- dend, und vielleicht befinden ſich in dieſem Augenblick die Deputirten vor dem König. Der Oberpräfident der Provinz iſt ihnen nachgereist und wird, wie man hofft und ſagt, nicht reagirend ſich äußern. * Köln, 18 März.Ich beeile mich Ihnen die Nachricht mit- zutheilen daß der Kölniſche Landtagsdeputirte Camphauſen nach Berlin berufen iſt zur Bildung eines neuen Miniſteriums. Die Nachrichten aus Berlin haben hier eine lebhafte Aufregung hervor- gerufen, um ſo mehr da ſie lebendig an unſere Auguſt-Ereigniſſe er- innern. Die obige Nachricht wirkt übrigens wie Oel auf das ſtür- miſche Meer der Aufregung des Volkes gegoſſen. Wir hoffen daß nun wieder Vertrauen im Geſchäftsleben zurückkehren wird. Unſere Zuſtände drohten ſehr gefährlich zu werden. = Koblenz, 17 März.Während auf vielen Punkten in Rhein- land-Weſtfalen die Landwehr ſich weigert zu marſchiren, hat man allein in dem Militärbezirke Meſchede (im Herzogthum Weſtfalen) d. h. in den Kreiſen Meſchede, Arnsberg, Lippſtadt und Bailon die Reſerven in der Weiſe eingezogen daß allein aus dieſen vier Kreiſen ſiebzig Schul- lehrer mitmarſchiren müſſen, die ihre Schulen hinter ſich laſſen. * Seit vorgeſtern früh hatten uns Briefe aus Berlin gefehlt; die dadurch erregten Beforgniſſe wurden durch die geſtern Nachmittag hier eingetroffene Leipziger Allg. Zeitung beſtätigt. Wir theilten deren Be- richte geſtern Abend noch in einer außerordentlichen Beilage mit. Dar- nach waren die ausgezeichnetſten Oppoſitionsmitglieder des Vereinigten Landtags, v. Auerswald, Beckerath und Camphauſen ins Miniſterium berufen worden; dennoch war es zwiſchen den Bürgern und den Trup- pen zu einem blutigen Zuſammenſtoß gekommen, deſſen Gründe aus jenen Berichten nicht deutlich zu erſehen waren. Unmittelbar vor der Schließung unſers Blattes gehen uns nun heute Berliner Mittheilungen bis zum 19 Mittags zu. Folgendes iſt das weſentliche derſelben. — Berlin, 18 März, Nachmittags 3 Uhr.Auf die friedlichen Bürger iſt geſchoſſen, als ſie dem König für bewilligte Preßfreiheit ein Hoch brachten. Berlin in Revolution. — Berlin, 19 März. Morgens 5 Uhr.Mir fehlt der Muth und faſt die phyſiſche Kraft Ihnen zu ſchreiben. Alſo nur weniges. Am 16 Abends fiel nur eine Salve vor der neuen Wache dem Palaſt des Prinzen von Preußen gegenüber, in Folge deren drei Perſonen getödtet und einige verwundet wurden. Am 17 war alles ruhig. Die Schutz- commiſſionen welche am Tage vorher ſpärlicher errichtet waren, orga- niſirten ſich allgemein. Gleichzeitig drang aber eine große politiſche Be- wegung in die bis jetzt theilnamloſeren Bürger, zahlreiche politiſche Clubs organiſirten ſich in allen Stadttheilen, und man beabſichtigte am Morgen des 18 dem König eine große friedliche Manifeſtation der Ge- ſinnung der Stadt zu geben. Es ſollte ihm um 2 Uhr Nachm. auf dem Schloßplatz von möglichſt vielen Schutzcommiſſionen eine Petition überreicht werden, worin um 1) Zurückziehung des Militärs, 2) ſofor- tige Organiſirung einer Bürgerwehr, 3) ſofortige Preßſreiheit und 4) ſo- fortige Einberufung des Landtags gebeten ward. Dieſer Manifeſtation ſcheint die Regierung haben zuvorkommen zu wollen, und am 18 Vor- mittags erſchienen bereits große Placate, worin mitgetheilt ward: 1) es ſolle Preßfreiheit gewährt werden (das Geſetz wurde eine Stunde ſpäter erlaſſen, und iſt in der That ſehr freiſinnig); 2) es ſolle der Landtag zum 2 April berufen ſeyn. Dieß rief ein großes Gedrange nach dem Schloßplatz hervor. Man verlangte den König zu ſehen. Er zeigte ſich zweimal auf dem Schloßbalkon und nickte freundlich. Die Menge em- pfing ihn mit ungeheurem Beifall, murrte jedoch als etwas ſpäter der Miniſter v. Vodelſchwingh vortrat und ermahnte nun möge jeder auch ruhig nach Hauſe gehen. Die Menge verlangte ſtatt deſſen Zurückziehung der im Schloßhof und der vor den Schloßportalen ſtationirten Militär- macht, rückte dieſer immer näher und drohte mit Fäuſten und Stöcken. Plötzlich legte ein Glied Grenadiere, nach erfolgten drei Trommelſchlä- gen, an, gab Feuer und ſtreckte mehrere der Bürger nieder. Eine ra- ſende Aufregung folgte. Alles ſtäubte wie von einem elektriſchen Fun- ken getroffen auseinander, und Waffenruf durchtönte die Stadt. Im Nu waren Hunderte von Barricaden in allen Straßen errichtet, und ein hef- tiges Gewehr- und Kartätſchenfeuer verbreitete ſich bald in der Brüder- und Königsſtraße. Dieß hat die ganze Nacht bis gegen 1 Uhr gedauert. Vor dem Brandenburger Thor erblickte man ein heftiges Feuer. Zum Abend mußte allgemein illuminirt werden um den Kämpfenden Licht zu gewähren. Heute Morgen um 5 Uhr erdröhnt ſchon wieder die Sturm- glocke. Gerüchte vom Abfall einzelner Truppentheile verbreiten ſich. Gott helfe weiter! &#x1D6E4; Berlin, 19 März.Die Stadt iſt nicht wieder zu erkennen. Unſer friedliches Berlin hat ſich in eine Barricadenfeſtung verwandelt. Der verhängnißvolle 18 März wird in den Annalen der Stadt, in denen er ſeines Gleichen noch niemals gehabt, unvertilgbar ſeyn. Gebe der Himmel daß er auch in der Zukunft nicht mehr ſeines Gleichen finde, denn unſere belebten Straßen ſind alle von Blut gefärbt, von Bürger- und von Kriegerblut, das dem Vaterlande unerſetzlich iſt. Wie der blutige Kampf entſtanden, nachdem geſtern Mittags die De- putationen Berlins und des Rheinlandes vom Könige mit den be- ſtimmteſten Zuſagen und in einem Augenblicke entlaſſen worden wa- ren wo die erſehnte Preßfreiheit und die Berufung des Landtages auf den 2 April mit der Ausſicht auf ein einiges conſtitutionelles Deutſchland verkündet wurde, das iſt noch Allen ein Räthſel. War es ein Mißverſtändniß das die Schuld trägt, ſo iſt es das unſeligſte das jemals vorgekommen. Den ganzen Nachmittag und die Nacht hindurch wüthete der Aufruhr und der Bürgerkrieg. Das Volk hat ſich des Landwehrzeughauſes in der Lindenſtraße, welches tapfer ver- theidigt wurde, mit vielen Opfern bemächtigt und die dort befindlich geweſenen Waffen vertheilt. Ebenſo hat man auch einer Abtheilung der ehemaligen Neuchateller Schützen die Büchſen abgenommen und damit auf die Truppen gefeuert. Heute früh iſt die beiliegende Pro- elamation des Königs erſchienen (ſ. unten), die leider noch keinen be- friedigenden Eindruck gemacht, ſo daß ſich Militär und Volk immer noch gegenüberſtehen. Man hofft der König werde eine Bürgerwehr organiſiren und den Truppen noch vor Abtragung der Barricaden den Befehl ertheilen ſich zurückzuziehen. — 11 Uhr Vormittags. So- eben geht den Truppen der Befehl zu ſich in ihre Standquartiere zu be- geben. Das Volk jubelt, und die Barricaden werden bereits theilweiſe abgetragen. Ich befand mich bisher in einer Art von Feſtung zwiſchen zwei ſolchen Barricaden. ✴ Berlin, 19 März, Mittag.In Bezug auf die Entſtehung des Kampfes hört man jetzt von anderer Seite, das Militär vor dem Schloſſe ſey durch ungeſtümes Andrängen zur Nothwehr genöthigt worden, während faſt überall das Gerücht verbreitet iſt das Militär habe ohne Noth gefeuert. Es iſt dieſen Morgen nicht weiter gefochten worden, nur vereinzelte Exceſſe haben ſtattgefunden. Der König hat beifolgende Proclamation erlaſſen. (Siehe unten.) Aber man iſt dadurch nicht beruhigt. Der König will die Truppen nicht eher zurückziehen bis die Barricaden planirt, das Volk will die Barricaden nicht auf- geben bis die Truppen entfernt ſind. Eine Bürgerdeputation iſt auf dem Schloß, allein der Magiſtrat wird kaum im Stande ſeyn die furchtbar aufgeregten und jetzt bewaffneten Maſſen zu zähmen. (Nach einem an- dern Briefe hatte der König nachgegeben, und wurde der Friede her- geſtellt.) An meine lieben Berliner! Durch mein Einberufungspatent vom heutigen Tage habt Ihr das Pfand der treuen Geſinnung Eures Königs zu Euch und zum geſammten deutſchen Vaterlande empfangen. Noch war der Jubel mit dem unzählige treue Herzen mich begrüßt hatten

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. 1301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/5>, abgerufen am 21.11.2024.