Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] sehr ergriffen von den erhebenden und erschütternden Ereignissen des Ta-
ges. Am St. Stephan wird gleichfalls Halt gemacht, und ein herrliches
deutsches Volkslied gesungen; von der Lesegesellschaft wird endlich unter
ungeheurem Bravo und Hurrahruf gesungen "Was ist des Deutschen Vater-
land." Tausendfache Hoch erschallen für Deutschland, Deutschlands Ein-
heit
und den ersten deutschen constitutionellen Kaiser. Die Nacht ist ganz ru-
hig vorübergegangen; nur aus den entfernteren Vorstädten werden noch im-
mer von der Nationalgarde und den Studenten zahlreiche Pöbelhaufen,
welche Brand und Plünderung versuchten, gefangen eingebracht. Heute
Morgen um 8 Uhr war in der Universitätskirche großes Tedeum, zur
Feier und zum Dank der errungenen Freiheit und der wiederhergestellten
Ruhe. Um 11 Uhr schon versammeln sich die sämmtlichen Corps der
Bewaffneten zum Leichenbegängniß der Gefallenen. Soviel ich bis jetzt
mit Bestimmtheit (da ich sie todt gesehen) angeben kann, sind es 46 bis
48; indessen dürften es wohl 10 bis 15 mehr seyn. Der Verwundeten
sind etwa 300 bis 500. Die Beschreibung der Leichenfeier, welche jetzt
vor sich geht, in meinem morgigen Brief. Nachschrift. In Böhmen
fürchtet man von Augenblick zu Augenblick den Ausbruch eines Bauern-
kriegs. Börse belebt; 5proc. stiegen auf 92, Ferdinands-Nordbahn so-
gar auf 104.


So eben kehre ich von
der Leichenfeier der gefallenen Freiheitskämpfer zurück; es war gewiß
eine der schönsten und imposantesten die Deutschland je erlebt, und sie
dürfte würdig der Juliustodtenfeier vom J. 1830 zur Seite gestellt wer-
den. Schon gegen 12 Uhr verließen unzählige Bataillone von Studen-
ten, Nationalgarden und andern bewaffneten Corps, gefolgt von dicht
gedrängten Menschenmassen, die Stadt um durch das Schottenthor zur
Alster-Vorstadt zu ziehen, wo die Leichen im allgemeinen Krankenhaus
abgeholt und zum Friedhofe gebracht werden sollten. Auf dem Glacis und
der Bastei standen die aus der Stadt gewichenen Truppen der Linien-
Jnfanterie und Cavallerie, und die weite Fläche, welche die Stadt von den
Vorstädten trennt, glich einem großen Kriegslager. Die Soldaten sahen
ermattet und zum Theil mißmuthig aus, denn seit drei Tagen stehen sie
unter Waffen. Große Strohlager, welche man ihnen auf der Erde aus-
gebreitet, dienten abwechselnd für die einzelnen Compagnien zur Ruhe-
stätte, wo sie schliefen oder zechten. Es dauerte 2--3 Stunden ehe alle
Züge der Nationalgarde, Bürgergarde und Studenten zum Thore hin-
auskamen. Mehrere hundert Fahnen, theils improvisirt aus Fenster-
vorhängen und Draperien, theils den Zeughäusern entnommen, theils
schön aufgeputzt -- ein Geschenk von patriotischen Damen -- wurden
unter dumpfem Trommelklang einhergetragen. Viele derselben trugen
bedeutsame Inschriften als: "Ihr Blut hat uns die Freiheit errungen;"
"Auf ihrem Grabe blühe unsere Freiheit;" "Standrecht gegen Raub und
Brandanlegung"; "Verbrüderung der Nationen Oesterreichs in Freiheit;"
"Slawa" (von den Böhmen getragen) u. a. Die meisten waren mit
Myrten- und Rosenkränzen umwunden. Eine Dame welche sich die
Mühe genommen sie von ihrem Wagen aus zu zählen, sagte mir, es seyen
392 Fahnen bei dem Zuge gewesen. Die Leichen, 11 an der Zahl, waren
in sieben Todtenwagen; die übrigen Gefallenen waren schon begraben,
oder gehörten den Vorstädten an. Die verschiedenen Abtheilungen der
Bewaffneten welche denselben vorangingen oder folgten bestanden aus:
1) der alten Bürgergarde in vielen Bataillonen; 2) den vier Legionen
der Studenten-, dem Juristen-, Mediciner-, Philosophen- und Techniker-
Corps, zusammen etwa 4000; 3) den Akademikern, Malern und sonsti-
gen Künstlern; 4) einem eigenen Corps der Böhmen; 5) einem 200 --
300 Köpfen starken Zuge von angehenden Geistlichen (Seminaristen)
mit langem Talar und dreieckigen Hüten; 6) den bewaffneten und unbe-
waffneten Mitgliedern des Lesevereins; 7) unzähligen Abtheilungen der
neuen Nationalgarde. Zusammen mochten es ohne Ueberschätzung 25--
30,000 Bewaffnete seyn. Am Grabe wurden einige treffliche Reden ge-
halten; die Namen der Redner werde ich Ihnen später mittheilen können.
So schloß diese denkwürdige Feier, die denkwürdigste Todtenfeier welche
je die Kaiserstadt erlebt. Für die Hinterlassenen der Gebliebenen und
für ein großartiges Denkmal welches man ihnen errichten will sammelt
man schon seit einigen Tagen; auch für die Dürftigen unter den Studen-
ten, welche allenfalls der Unterstützung in diesen heißen Tagen bedürfen,
wurden bedeutende Summen gesammelt; Rothschild, Sina, Stametz-
Meier und Arnstein und Eskeles allein gaben 15,000 fl. C.-M. Heute
Abend wird die Stadt abermals beleuchtet seyn, obschon fast keine Fabrik
und kein Laden mehr im Besitze von Vorräthen an Kerzen ist. Es sollen
in den vier Abenden gegen 3--400,000 Pfd. Lichter verbrannt seyn!
[Spaltenumbruch] So freut man sich hier der Schöpfungstage des neuen geistigen Lichts!
-- Beiliegend ein Paket mit Liedern und Gedichten, welche ich so eben
ohne Auswahl auf der Straße erkauft. Ich glaube sie werden für Sie
und Ihre Augsburger Freunde Interesse haben. (Wir haben oben zwei
der besten mitgetheilt.) Ueber die Organisation der neuen Verfassung
werde ich dieser Tage berichten, da die äußeren Begebenheiten mich so
sehr in Anspruch nahmen daß ich selbst das Wichtigste nicht mit hinrei-
chender Sicherheit und aus hinreichend verbürgter Quelle erfahren kann.

Die neueste Wiener Zeitung vom 18 März bringt unter ihren
amtlichen Nachrichten die Meldung daß ein verantwortlicher Mi-
nisterrath
gebildet worden. Sollte dieser Vorgang nicht da, wo
noch Widerstreben gegen verantwortliche Minister besteht -- namentlich
in München und Berlin -- alle Zweifel besiegen? Der Artikel lautet:
"Se. k. k. apostol. Majestät haben mit allerhöchster Entschließung vom
17 d. M. die Bildung eines für die Vollziehung und Durchführung der
in dem allerhöchsten Patente vom 15 März l. J. ausgesprochenen Grund-
sätze verantwortlichen Ministerrathes zu beschließen geruht. Dieser
Ministerrath wird bestehen: aus dem Minister der auswärtigen Ange-
legenheiten und des Hauses, dem Minister des Innern, dem Minister
der Justiz, dem Minister der Finanzen und dem Minister des Krieges.
In dem Ministerrathe wird ein von Sr. Majestät zu bestimmender Mi-
nisterpräsident den Vorsitz führen." Ueber die Zusammensetzung dieses
Cabinets lauten die Angaben verschieden. Der folgende Brief läßt den
Grafen Ficquelmont an der Spitze desselben stehen. Nach einem an-
dern Schreiben übernahm am 16 Graf Kollowrat das Portefeuille des
Auswärtigen, Hr. v. Pillersdorf, längst die Hoffnung der Freisinni-
gen, das Ministerium des Innern. Einer unserer gestrigen Briefe be-
zeichnete den Grafen Colloredo als künftigen Minister des Aeußern.
Bei diesem Schwanken der Angaben scheinen uns die Meldungen der
nachfolgenden Correspondenz, nach der Quelle aus der diese kommt,
als die wahrscheinlicheren.


Se. Maj. der Kaiser hat zu Vollziehung
und Durchführung der in dem allerhöchsten Patent vom 15 d. angeord-
neten Reichsverfassung u. s. w. einen verantwortlichen Mini-
sterrath errichtet
. Graf Fiquelmont (der seine Stelle als Hof-
kriegsrathspräsident niedergelegt) soll mit der Bildung desselben beauf-
tragt seyn. Außerdem werden als Mitglieder genannt: Graf Colloredo
für das Aeußere, Baron Kübeck für die Finanzen, Baron Pillersdorf
für das Innere, Graf Fiquelmont mit dem Präsidium auch das Porte-
feuille des Kriegs, Graf --*), nach andern aber Staatsrath Som-
ruga für die Justiz, Baron Josika soll Präsident des ungarisch-sieben-
bürgischen Bureau werden.

Oesterreichische Monarchie.

Soeben komme ich aus einer stürmischen
Versammlung die von einer Masse von Bürgern in Verein mit der
hiesigen Jugend im Locale des Oppositionsclubs abgehalten wurde. Man
ist hier sehr unzufrieden mit der Adresse die von der Ständetafel
einstimmig angenommen wurde, da in derselben gar wichtige Punkte
als: Preßfreiheit, Gleichheit vor den Gesetzen u. s. w. gar nicht
berührt sind. Man wollte daher von hier aus eine Petition aus 12
Punkten (die im Pillwax öffentlich angeschlagen sind) bestehend höhern
Orts einreichen. In dem Anschlag wird erwähnt: 1) Ein verant-
wortliches Ministerium; 2) allgemeine Besteuerung; 3)
Preßfreiheit; 4) vollkommene Regelung der Urbarialver-
hältnisse; 5) Volksrepräsentation; 6) Gleichheit vor den
Gesetzen auch in religiöser Hinsicht; 7) Oeffentlichkeit und
Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens; 8) Volksbewaffnung;
9) die Armee soll den Schwur auf die Constitution leisten;
10) die ungarische Armee soll außerhalb der Gränzen des
Reichs nicht verwendet werden dürfen; 11) die fremden Trup-
pen sollen aus dem Lande gerufen werden; 12) die Union
.
Das waren die 12 Punkte die man in der heutigen Sitzung einer reif-
lichen Discussion unterwerfen wollte, um im Falle einer einstimmigen
Annahme dieselben in eine förmliche Petition gekleidet mit etlichen
tausend Unterschriften versehen an den König gelangen zu lassen. Leider
stand keine sogenannte Autorität an der Spitze dieser ganzen Motior:
dieselbe ging nur von einigen Schriftstellern aus -- und so wurde sie
denn um so schneller zu nichte als sich gerade ein paar Autoritäten

*) Der Name ist sehr unleserlich geschrieben, es scheint aber Graf Taaffe,
der bisherige Präsident der obersten Justizstelle gemeint zu seyn.

[Spaltenumbruch] ſehr ergriffen von den erhebenden und erſchütternden Ereigniſſen des Ta-
ges. Am St. Stephan wird gleichfalls Halt gemacht, und ein herrliches
deutſches Volkslied geſungen; von der Leſegeſellſchaft wird endlich unter
ungeheurem Bravo und Hurrahruf geſungen „Was iſt des Deutſchen Vater-
land.“ Tauſendfache Hoch erſchallen für Deutſchland, Deutſchlands Ein-
heit
und den erſten deutſchen conſtitutionellen Kaiſer. Die Nacht iſt ganz ru-
hig vorübergegangen; nur aus den entfernteren Vorſtädten werden noch im-
mer von der Nationalgarde und den Studenten zahlreiche Pöbelhaufen,
welche Brand und Plünderung verſuchten, gefangen eingebracht. Heute
Morgen um 8 Uhr war in der Univerſitätskirche großes Tedeum, zur
Feier und zum Dank der errungenen Freiheit und der wiederhergeſtellten
Ruhe. Um 11 Uhr ſchon verſammeln ſich die ſämmtlichen Corps der
Bewaffneten zum Leichenbegängniß der Gefallenen. Soviel ich bis jetzt
mit Beſtimmtheit (da ich ſie todt geſehen) angeben kann, ſind es 46 bis
48; indeſſen dürften es wohl 10 bis 15 mehr ſeyn. Der Verwundeten
ſind etwa 300 bis 500. Die Beſchreibung der Leichenfeier, welche jetzt
vor ſich geht, in meinem morgigen Brief. Nachſchrift. In Böhmen
fürchtet man von Augenblick zu Augenblick den Ausbruch eines Bauern-
kriegs. Börſe belebt; 5proc. ſtiegen auf 92, Ferdinands-Nordbahn ſo-
gar auf 104.


So eben kehre ich von
der Leichenfeier der gefallenen Freiheitskämpfer zurück; es war gewiß
eine der ſchönſten und impoſanteſten die Deutſchland je erlebt, und ſie
dürfte würdig der Juliustodtenfeier vom J. 1830 zur Seite geſtellt wer-
den. Schon gegen 12 Uhr verließen unzählige Bataillone von Studen-
ten, Nationalgarden und andern bewaffneten Corps, gefolgt von dicht
gedrängten Menſchenmaſſen, die Stadt um durch das Schottenthor zur
Alſter-Vorſtadt zu ziehen, wo die Leichen im allgemeinen Krankenhaus
abgeholt und zum Friedhofe gebracht werden ſollten. Auf dem Glacis und
der Baſtei ſtanden die aus der Stadt gewichenen Truppen der Linien-
Jnfanterie und Cavallerie, und die weite Fläche, welche die Stadt von den
Vorſtädten trennt, glich einem großen Kriegslager. Die Soldaten ſahen
ermattet und zum Theil mißmuthig aus, denn ſeit drei Tagen ſtehen ſie
unter Waffen. Große Strohlager, welche man ihnen auf der Erde aus-
gebreitet, dienten abwechſelnd für die einzelnen Compagnien zur Ruhe-
ſtätte, wo ſie ſchliefen oder zechten. Es dauerte 2—3 Stunden ehe alle
Züge der Nationalgarde, Bürgergarde und Studenten zum Thore hin-
auskamen. Mehrere hundert Fahnen, theils improviſirt aus Fenſter-
vorhängen und Draperien, theils den Zeughäuſern entnommen, theils
ſchön aufgeputzt — ein Geſchenk von patriotiſchen Damen — wurden
unter dumpfem Trommelklang einhergetragen. Viele derſelben trugen
bedeutſame Inſchriften als: „Ihr Blut hat uns die Freiheit errungen;“
„Auf ihrem Grabe blühe unſere Freiheit;“ „Standrecht gegen Raub und
Brandanlegung“; „Verbrüderung der Nationen Oeſterreichs in Freiheit;“
„Slawa“ (von den Böhmen getragen) u. a. Die meiſten waren mit
Myrten- und Roſenkränzen umwunden. Eine Dame welche ſich die
Mühe genommen ſie von ihrem Wagen aus zu zählen, ſagte mir, es ſeyen
392 Fahnen bei dem Zuge geweſen. Die Leichen, 11 an der Zahl, waren
in ſieben Todtenwagen; die übrigen Gefallenen waren ſchon begraben,
oder gehörten den Vorſtädten an. Die verſchiedenen Abtheilungen der
Bewaffneten welche denſelben vorangingen oder folgten beſtanden aus:
1) der alten Bürgergarde in vielen Bataillonen; 2) den vier Legionen
der Studenten-, dem Juriſten-, Mediciner-, Philoſophen- und Techniker-
Corps, zuſammen etwa 4000; 3) den Akademikern, Malern und ſonſti-
gen Künſtlern; 4) einem eigenen Corps der Böhmen; 5) einem 200 —
300 Köpfen ſtarken Zuge von angehenden Geiſtlichen (Seminariſten)
mit langem Talar und dreieckigen Hüten; 6) den bewaffneten und unbe-
waffneten Mitgliedern des Leſevereins; 7) unzähligen Abtheilungen der
neuen Nationalgarde. Zuſammen mochten es ohne Ueberſchätzung 25—
30,000 Bewaffnete ſeyn. Am Grabe wurden einige treffliche Reden ge-
halten; die Namen der Redner werde ich Ihnen ſpäter mittheilen können.
So ſchloß dieſe denkwürdige Feier, die denkwürdigſte Todtenfeier welche
je die Kaiſerſtadt erlebt. Für die Hinterlaſſenen der Gebliebenen und
für ein großartiges Denkmal welches man ihnen errichten will ſammelt
man ſchon ſeit einigen Tagen; auch für die Dürftigen unter den Studen-
ten, welche allenfalls der Unterſtützung in dieſen heißen Tagen bedürfen,
wurden bedeutende Summen geſammelt; Rothſchild, Sina, Stametz-
Meier und Arnſtein und Eskeles allein gaben 15,000 fl. C.-M. Heute
Abend wird die Stadt abermals beleuchtet ſeyn, obſchon faſt keine Fabrik
und kein Laden mehr im Beſitze von Vorräthen an Kerzen iſt. Es ſollen
in den vier Abenden gegen 3—400,000 Pfd. Lichter verbrannt ſeyn!
[Spaltenumbruch] So freut man ſich hier der Schöpfungstage des neuen geiſtigen Lichts!
— Beiliegend ein Paket mit Liedern und Gedichten, welche ich ſo eben
ohne Auswahl auf der Straße erkauft. Ich glaube ſie werden für Sie
und Ihre Augsburger Freunde Intereſſe haben. (Wir haben oben zwei
der beſten mitgetheilt.) Ueber die Organiſation der neuen Verfaſſung
werde ich dieſer Tage berichten, da die äußeren Begebenheiten mich ſo
ſehr in Anſpruch nahmen daß ich ſelbſt das Wichtigſte nicht mit hinrei-
chender Sicherheit und aus hinreichend verbürgter Quelle erfahren kann.

Die neueſte Wiener Zeitung vom 18 März bringt unter ihren
amtlichen Nachrichten die Meldung daß ein verantwortlicher Mi-
niſterrath
gebildet worden. Sollte dieſer Vorgang nicht da, wo
noch Widerſtreben gegen verantwortliche Miniſter beſteht — namentlich
in München und Berlin — alle Zweifel beſiegen? Der Artikel lautet:
„Se. k. k. apoſtol. Majeſtät haben mit allerhöchſter Entſchließung vom
17 d. M. die Bildung eines für die Vollziehung und Durchführung der
in dem allerhöchſten Patente vom 15 März l. J. ausgeſprochenen Grund-
ſätze verantwortlichen Miniſterrathes zu beſchließen geruht. Dieſer
Miniſterrath wird beſtehen: aus dem Miniſter der auswärtigen Ange-
legenheiten und des Hauſes, dem Miniſter des Innern, dem Miniſter
der Juſtiz, dem Miniſter der Finanzen und dem Miniſter des Krieges.
In dem Miniſterrathe wird ein von Sr. Majeſtät zu beſtimmender Mi-
niſterpräſident den Vorſitz führen.“ Ueber die Zuſammenſetzung dieſes
Cabinets lauten die Angaben verſchieden. Der folgende Brief läßt den
Grafen Ficquelmont an der Spitze desſelben ſtehen. Nach einem an-
dern Schreiben übernahm am 16 Graf Kollowrat das Portefeuille des
Auswärtigen, Hr. v. Pillersdorf, längſt die Hoffnung der Freiſinni-
gen, das Miniſterium des Innern. Einer unſerer geſtrigen Briefe be-
zeichnete den Grafen Colloredo als künftigen Miniſter des Aeußern.
Bei dieſem Schwanken der Angaben ſcheinen uns die Meldungen der
nachfolgenden Correſpondenz, nach der Quelle aus der dieſe kommt,
als die wahrſcheinlicheren.


Se. Maj. der Kaiſer hat zu Vollziehung
und Durchführung der in dem allerhöchſten Patent vom 15 d. angeord-
neten Reichsverfaſſung u. ſ. w. einen verantwortlichen Mini-
ſterrath errichtet
. Graf Fiquelmont (der ſeine Stelle als Hof-
kriegsrathspräſident niedergelegt) ſoll mit der Bildung desſelben beauf-
tragt ſeyn. Außerdem werden als Mitglieder genannt: Graf Colloredo
für das Aeußere, Baron Kübeck für die Finanzen, Baron Pillersdorf
für das Innere, Graf Fiquelmont mit dem Präſidium auch das Porte-
feuille des Kriegs, Graf —*), nach andern aber Staatsrath Som-
ruga für die Juſtiz, Baron Joſika ſoll Präſident des ungariſch-ſieben-
bürgiſchen Bureau werden.

Oeſterreichiſche Monarchie.

Soeben komme ich aus einer ſtürmiſchen
Verſammlung die von einer Maſſe von Bürgern in Verein mit der
hieſigen Jugend im Locale des Oppoſitionsclubs abgehalten wurde. Man
iſt hier ſehr unzufrieden mit der Adreſſe die von der Ständetafel
einſtimmig angenommen wurde, da in derſelben gar wichtige Punkte
als: Preßfreiheit, Gleichheit vor den Geſetzen u. ſ. w. gar nicht
berührt ſind. Man wollte daher von hier aus eine Petition aus 12
Punkten (die im Pillwax öffentlich angeſchlagen ſind) beſtehend höhern
Orts einreichen. In dem Anſchlag wird erwähnt: 1) Ein verant-
wortliches Miniſterium; 2) allgemeine Beſteuerung; 3)
Preßfreiheit; 4) vollkommene Regelung der Urbarialver-
hältniſſe; 5) Volksrepräſentation; 6) Gleichheit vor den
Geſetzen auch in religiöſer Hinſicht; 7) Oeffentlichkeit und
Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens; 8) Volksbewaffnung;
9) die Armee ſoll den Schwur auf die Conſtitution leiſten;
10) die ungariſche Armee ſoll außerhalb der Gränzen des
Reichs nicht verwendet werden dürfen; 11) die fremden Trup-
pen ſollen aus dem Lande gerufen werden; 12) die Union
.
Das waren die 12 Punkte die man in der heutigen Sitzung einer reif-
lichen Discuſſion unterwerfen wollte, um im Falle einer einſtimmigen
Annahme dieſelben in eine förmliche Petition gekleidet mit etlichen
tauſend Unterſchriften verſehen an den König gelangen zu laſſen. Leider
ſtand keine ſogenannte Autorität an der Spitze dieſer ganzen Motior:
dieſelbe ging nur von einigen Schriftſtellern aus — und ſo wurde ſie
denn um ſo ſchneller zu nichte als ſich gerade ein paar Autoritäten

*) Der Name iſt ſehr unleſerlich geſchrieben, es ſcheint aber Graf Taaffe,
der bisherige Präſident der oberſten Juſtizſtelle gemeint zu ſeyn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div type="jArticle" n="4">
              <p><pb facs="#f0006"/><cb/>
&#x017F;ehr ergriffen von den erhebenden und er&#x017F;chütternden Ereigni&#x017F;&#x017F;en des Ta-<lb/>
ges. Am St. Stephan wird gleichfalls Halt gemacht, und ein herrliches<lb/>
deut&#x017F;ches Volkslied ge&#x017F;ungen; von der Le&#x017F;ege&#x017F;ell&#x017F;chaft wird endlich unter<lb/>
ungeheurem Bravo und Hurrahruf ge&#x017F;ungen &#x201E;Was i&#x017F;t des Deut&#x017F;chen Vater-<lb/>
land.&#x201C; Tau&#x017F;endfache Hoch er&#x017F;challen für Deut&#x017F;chland, <hi rendition="#g">Deut&#x017F;chlands Ein-<lb/>
heit</hi> und den er&#x017F;ten deut&#x017F;chen con&#x017F;titutionellen Kai&#x017F;er. Die Nacht i&#x017F;t ganz ru-<lb/>
hig vorübergegangen; nur aus den entfernteren Vor&#x017F;tädten werden noch im-<lb/>
mer von der Nationalgarde und den Studenten zahlreiche Pöbelhaufen,<lb/>
welche Brand und Plünderung ver&#x017F;uchten, gefangen eingebracht. Heute<lb/>
Morgen um 8 Uhr war in der Univer&#x017F;itätskirche großes Tedeum, zur<lb/>
Feier und zum Dank der errungenen Freiheit und der wiederherge&#x017F;tellten<lb/>
Ruhe. Um 11 Uhr &#x017F;chon ver&#x017F;ammeln &#x017F;ich die &#x017F;ämmtlichen Corps der<lb/>
Bewaffneten zum Leichenbegängniß der Gefallenen. Soviel ich bis jetzt<lb/>
mit Be&#x017F;timmtheit (da ich &#x017F;ie todt ge&#x017F;ehen) angeben kann, &#x017F;ind es 46 bis<lb/>
48; inde&#x017F;&#x017F;en dürften es wohl 10 bis 15 mehr &#x017F;eyn. Der Verwundeten<lb/>
&#x017F;ind etwa 300 bis 500. Die Be&#x017F;chreibung der Leichenfeier, welche jetzt<lb/>
vor &#x017F;ich geht, in meinem morgigen Brief. <hi rendition="#g">Nach&#x017F;chrift</hi>. In Böhmen<lb/>
fürchtet man von Augenblick zu Augenblick den Ausbruch eines Bauern-<lb/>
kriegs. Bör&#x017F;e belebt; 5proc. &#x017F;tiegen auf 92, Ferdinands-Nordbahn &#x017F;o-<lb/>
gar auf 104.</p>
            </div><lb/>
            <div type="jArticle" n="4">
              <dateline>&gt; <hi rendition="#b">Wien</hi>, 17 März, Nachmittags 3 Uhr.</dateline><lb/>
              <p>So eben kehre ich von<lb/>
der Leichenfeier der gefallenen Freiheitskämpfer zurück; es war gewiß<lb/>
eine der &#x017F;chön&#x017F;ten und impo&#x017F;ante&#x017F;ten die Deut&#x017F;chland je erlebt, und &#x017F;ie<lb/>
dürfte würdig der Juliustodtenfeier vom J. 1830 zur Seite ge&#x017F;tellt wer-<lb/>
den. Schon gegen 12 Uhr verließen unzählige Bataillone von Studen-<lb/>
ten, Nationalgarden und andern bewaffneten Corps, gefolgt von dicht<lb/>
gedrängten Men&#x017F;chenma&#x017F;&#x017F;en, die Stadt um durch das Schottenthor zur<lb/>
Al&#x017F;ter-Vor&#x017F;tadt zu ziehen, wo die Leichen im allgemeinen Krankenhaus<lb/>
abgeholt und zum Friedhofe gebracht werden &#x017F;ollten. Auf dem Glacis und<lb/>
der Ba&#x017F;tei &#x017F;tanden die aus der Stadt gewichenen Truppen der Linien-<lb/>
Jnfanterie und Cavallerie, und die weite Fläche, welche die Stadt von den<lb/>
Vor&#x017F;tädten trennt, glich einem großen Kriegslager. Die Soldaten &#x017F;ahen<lb/>
ermattet und zum Theil mißmuthig aus, denn &#x017F;eit drei Tagen &#x017F;tehen &#x017F;ie<lb/>
unter Waffen. Große Strohlager, welche man ihnen auf der Erde aus-<lb/>
gebreitet, dienten abwech&#x017F;elnd für die einzelnen Compagnien zur Ruhe-<lb/>
&#x017F;tätte, wo &#x017F;ie &#x017F;chliefen oder zechten. Es dauerte 2&#x2014;3 Stunden ehe alle<lb/>
Züge der Nationalgarde, Bürgergarde und Studenten zum Thore hin-<lb/>
auskamen. Mehrere hundert Fahnen, theils improvi&#x017F;irt aus Fen&#x017F;ter-<lb/>
vorhängen und Draperien, theils den Zeughäu&#x017F;ern entnommen, theils<lb/>
&#x017F;chön aufgeputzt &#x2014; ein Ge&#x017F;chenk von patrioti&#x017F;chen Damen &#x2014; wurden<lb/>
unter dumpfem Trommelklang einhergetragen. Viele der&#x017F;elben trugen<lb/>
bedeut&#x017F;ame In&#x017F;chriften als: &#x201E;Ihr Blut hat uns die Freiheit errungen;&#x201C;<lb/>
&#x201E;Auf ihrem Grabe blühe un&#x017F;ere Freiheit;&#x201C; &#x201E;Standrecht gegen Raub und<lb/>
Brandanlegung&#x201C;; &#x201E;Verbrüderung der Nationen Oe&#x017F;terreichs in Freiheit;&#x201C;<lb/>
&#x201E;Slawa&#x201C; (von den Böhmen getragen) u. a. Die mei&#x017F;ten waren mit<lb/>
Myrten- und Ro&#x017F;enkränzen umwunden. Eine Dame welche &#x017F;ich die<lb/>
Mühe genommen &#x017F;ie von ihrem Wagen aus zu zählen, &#x017F;agte mir, es &#x017F;eyen<lb/>
392 Fahnen bei dem Zuge gewe&#x017F;en. Die Leichen, 11 an der Zahl, waren<lb/>
in &#x017F;ieben Todtenwagen; die übrigen Gefallenen waren &#x017F;chon begraben,<lb/>
oder gehörten den Vor&#x017F;tädten an. Die ver&#x017F;chiedenen Abtheilungen der<lb/>
Bewaffneten welche den&#x017F;elben vorangingen oder folgten be&#x017F;tanden aus:<lb/>
1) der alten Bürgergarde in vielen Bataillonen; 2) den vier Legionen<lb/>
der Studenten-, dem Juri&#x017F;ten-, Mediciner-, Philo&#x017F;ophen- und Techniker-<lb/>
Corps, zu&#x017F;ammen etwa 4000; 3) den Akademikern, Malern und &#x017F;on&#x017F;ti-<lb/>
gen Kün&#x017F;tlern; 4) einem eigenen Corps der Böhmen; 5) einem 200 &#x2014;<lb/>
300 Köpfen &#x017F;tarken Zuge von angehenden Gei&#x017F;tlichen (Seminari&#x017F;ten)<lb/>
mit langem Talar und dreieckigen Hüten; 6) den bewaffneten und unbe-<lb/>
waffneten Mitgliedern des Le&#x017F;evereins; 7) unzähligen Abtheilungen der<lb/>
neuen Nationalgarde. Zu&#x017F;ammen mochten es ohne Ueber&#x017F;chätzung 25&#x2014;<lb/>
30,000 Bewaffnete &#x017F;eyn. Am Grabe wurden einige treffliche Reden ge-<lb/>
halten; die Namen der Redner werde ich Ihnen &#x017F;päter mittheilen können.<lb/>
So &#x017F;chloß die&#x017F;e denkwürdige Feier, die denkwürdig&#x017F;te Todtenfeier welche<lb/>
je die Kai&#x017F;er&#x017F;tadt erlebt. Für die Hinterla&#x017F;&#x017F;enen der Gebliebenen und<lb/>
für ein großartiges Denkmal welches man ihnen errichten will &#x017F;ammelt<lb/>
man &#x017F;chon &#x017F;eit einigen Tagen; auch für die Dürftigen unter den Studen-<lb/>
ten, welche allenfalls der Unter&#x017F;tützung in die&#x017F;en heißen Tagen bedürfen,<lb/>
wurden bedeutende Summen ge&#x017F;ammelt; Roth&#x017F;child, Sina, Stametz-<lb/>
Meier und Arn&#x017F;tein und Eskeles allein gaben 15,000 fl. C.-M. Heute<lb/>
Abend wird die Stadt abermals beleuchtet &#x017F;eyn, ob&#x017F;chon fa&#x017F;t keine Fabrik<lb/>
und kein Laden mehr im Be&#x017F;itze von Vorräthen an Kerzen i&#x017F;t. Es &#x017F;ollen<lb/>
in den vier Abenden gegen 3&#x2014;400,000 Pfd. Lichter verbrannt &#x017F;eyn!<lb/><cb/>
So freut man &#x017F;ich hier der Schöpfungstage des neuen gei&#x017F;tigen Lichts!<lb/>
&#x2014; Beiliegend ein Paket mit Liedern und Gedichten, welche ich &#x017F;o eben<lb/>
ohne Auswahl auf der Straße erkauft. Ich glaube &#x017F;ie werden für Sie<lb/>
und Ihre Augsburger Freunde Intere&#x017F;&#x017F;e haben. (Wir haben oben zwei<lb/>
der be&#x017F;ten mitgetheilt.) Ueber die Organi&#x017F;ation der neuen Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
werde ich die&#x017F;er Tage berichten, da die äußeren Begebenheiten mich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr in An&#x017F;pruch nahmen daß ich &#x017F;elb&#x017F;t das Wichtig&#x017F;te nicht mit hinrei-<lb/>
chender Sicherheit und aus hinreichend verbürgter Quelle erfahren kann.</p><lb/>
              <p>Die neue&#x017F;te <hi rendition="#g">Wiener Zeitung</hi> vom 18 März bringt unter ihren<lb/>
amtlichen Nachrichten die Meldung daß ein <hi rendition="#g">verantwortlicher Mi-<lb/>
ni&#x017F;terrath</hi> gebildet worden. Sollte die&#x017F;er Vorgang nicht da, wo<lb/>
noch Wider&#x017F;treben gegen verantwortliche Mini&#x017F;ter be&#x017F;teht &#x2014; namentlich<lb/>
in München und Berlin &#x2014; alle Zweifel be&#x017F;iegen? Der Artikel lautet:<lb/>
&#x201E;Se. k. k. apo&#x017F;tol. Maje&#x017F;tät haben mit allerhöch&#x017F;ter Ent&#x017F;chließung vom<lb/>
17 d. M. die Bildung eines für die Vollziehung und Durchführung der<lb/>
in dem allerhöch&#x017F;ten Patente vom 15 März l. J. ausge&#x017F;prochenen Grund-<lb/>
&#x017F;ätze verantwortlichen Mini&#x017F;terrathes zu be&#x017F;chließen geruht. Die&#x017F;er<lb/>
Mini&#x017F;terrath wird be&#x017F;tehen: aus dem Mini&#x017F;ter der auswärtigen Ange-<lb/>
legenheiten und des Hau&#x017F;es, dem Mini&#x017F;ter des Innern, dem Mini&#x017F;ter<lb/>
der Ju&#x017F;tiz, dem Mini&#x017F;ter der Finanzen und dem Mini&#x017F;ter des Krieges.<lb/>
In dem Mini&#x017F;terrathe wird ein von Sr. Maje&#x017F;tät zu be&#x017F;timmender Mi-<lb/>
ni&#x017F;terprä&#x017F;ident den Vor&#x017F;itz führen.&#x201C; Ueber die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung die&#x017F;es<lb/>
Cabinets lauten die Angaben ver&#x017F;chieden. Der folgende Brief läßt den<lb/>
Grafen Ficquelmont an der Spitze des&#x017F;elben &#x017F;tehen. Nach einem an-<lb/>
dern Schreiben übernahm am 16 Graf Kollowrat das Portefeuille des<lb/>
Auswärtigen, Hr. v. Pillersdorf, läng&#x017F;t die Hoffnung der Frei&#x017F;inni-<lb/>
gen, das Mini&#x017F;terium des Innern. Einer un&#x017F;erer ge&#x017F;trigen Briefe be-<lb/>
zeichnete den Grafen Colloredo als künftigen Mini&#x017F;ter des Aeußern.<lb/>
Bei die&#x017F;em Schwanken der Angaben &#x017F;cheinen uns die Meldungen der<lb/>
nachfolgenden Corre&#x017F;pondenz, nach der Quelle aus der die&#x017F;e kommt,<lb/>
als die wahr&#x017F;cheinlicheren.</p>
            </div><lb/>
            <div type="jArticle" n="4">
              <dateline>&#x25B3; <hi rendition="#b">Wien</hi>, 18 März.</dateline><lb/>
              <p>Se. Maj. der Kai&#x017F;er hat zu Vollziehung<lb/>
und Durchführung der in dem allerhöch&#x017F;ten Patent vom 15 d. angeord-<lb/>
neten Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung u. &#x017F;. w. <hi rendition="#g">einen verantwortlichen Mini-<lb/>
&#x017F;terrath errichtet</hi>. Graf Fiquelmont (der &#x017F;eine Stelle als Hof-<lb/>
kriegsrathsprä&#x017F;ident niedergelegt) &#x017F;oll mit der Bildung des&#x017F;elben beauf-<lb/>
tragt &#x017F;eyn. Außerdem werden als Mitglieder genannt: Graf Colloredo<lb/>
für das Aeußere, Baron Kübeck für die Finanzen, Baron Pillersdorf<lb/>
für das Innere, Graf Fiquelmont mit dem Prä&#x017F;idium auch das Porte-<lb/>
feuille des Kriegs, Graf &#x2014;<note place="foot" n="*)">Der Name i&#x017F;t &#x017F;ehr unle&#x017F;erlich ge&#x017F;chrieben, es &#x017F;cheint aber Graf Taaffe,<lb/>
der bisherige Prä&#x017F;ident der ober&#x017F;ten Ju&#x017F;tiz&#x017F;telle gemeint zu &#x017F;eyn.</note>, nach andern aber Staatsrath Som-<lb/>
ruga für die Ju&#x017F;tiz, Baron Jo&#x017F;ika &#x017F;oll Prä&#x017F;ident des ungari&#x017F;ch-&#x017F;ieben-<lb/>
bürgi&#x017F;chen Bureau werden.</p>
            </div>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Oe&#x017F;terreichi&#x017F;che Monarchie.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>*** <hi rendition="#b">Pe&#x017F;th,</hi> 14 März.</dateline><lb/>
            <p>Soeben komme ich aus einer &#x017F;türmi&#x017F;chen<lb/>
Ver&#x017F;ammlung die von einer Ma&#x017F;&#x017F;e von Bürgern in Verein mit der<lb/>
hie&#x017F;igen Jugend im Locale des Oppo&#x017F;itionsclubs abgehalten wurde. Man<lb/>
i&#x017F;t hier &#x017F;ehr <hi rendition="#g">unzufrieden</hi> mit der Adre&#x017F;&#x017F;e die von der Ständetafel<lb/>
ein&#x017F;timmig angenommen wurde, da in der&#x017F;elben gar wichtige Punkte<lb/>
als: <hi rendition="#g">Preßfreiheit, Gleichheit vor den Ge&#x017F;etzen</hi> u. &#x017F;. w. gar nicht<lb/>
berührt &#x017F;ind. Man wollte daher von hier aus eine Petition aus 12<lb/>
Punkten (die im Pillwax öffentlich ange&#x017F;chlagen &#x017F;ind) be&#x017F;tehend höhern<lb/>
Orts einreichen. In dem An&#x017F;chlag wird erwähnt: 1) <hi rendition="#g">Ein verant-<lb/>
wortliches Mini&#x017F;terium; 2) allgemeine Be&#x017F;teuerung; 3)<lb/>
Preßfreiheit; 4) vollkommene Regelung der Urbarialver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e; 5) Volksreprä&#x017F;entation; 6) Gleichheit vor den<lb/>
Ge&#x017F;etzen auch in religiö&#x017F;er Hin&#x017F;icht; 7) Oeffentlichkeit und<lb/>
Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens; 8) Volksbewaffnung;<lb/>
9) die Armee &#x017F;oll den Schwur auf die Con&#x017F;titution lei&#x017F;ten;<lb/>
10) die ungari&#x017F;che Armee &#x017F;oll außerhalb der Gränzen des<lb/>
Reichs nicht verwendet werden dürfen; 11) die fremden Trup-<lb/>
pen &#x017F;ollen aus dem Lande gerufen werden; 12) die Union</hi>.<lb/>
Das waren die 12 Punkte die man in der heutigen Sitzung einer reif-<lb/>
lichen Discu&#x017F;&#x017F;ion unterwerfen wollte, um im Falle einer ein&#x017F;timmigen<lb/>
Annahme die&#x017F;elben in eine förmliche Petition gekleidet mit etlichen<lb/>
tau&#x017F;end Unter&#x017F;chriften ver&#x017F;ehen an den König gelangen zu la&#x017F;&#x017F;en. Leider<lb/>
&#x017F;tand keine &#x017F;ogenannte Autorität an der Spitze die&#x017F;er ganzen Motior:<lb/>
die&#x017F;elbe ging nur von einigen Schrift&#x017F;tellern aus &#x2014; und &#x017F;o wurde &#x017F;ie<lb/>
denn um &#x017F;o &#x017F;chneller zu nichte als &#x017F;ich gerade ein paar Autoritäten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0006] ſehr ergriffen von den erhebenden und erſchütternden Ereigniſſen des Ta- ges. Am St. Stephan wird gleichfalls Halt gemacht, und ein herrliches deutſches Volkslied geſungen; von der Leſegeſellſchaft wird endlich unter ungeheurem Bravo und Hurrahruf geſungen „Was iſt des Deutſchen Vater- land.“ Tauſendfache Hoch erſchallen für Deutſchland, Deutſchlands Ein- heit und den erſten deutſchen conſtitutionellen Kaiſer. Die Nacht iſt ganz ru- hig vorübergegangen; nur aus den entfernteren Vorſtädten werden noch im- mer von der Nationalgarde und den Studenten zahlreiche Pöbelhaufen, welche Brand und Plünderung verſuchten, gefangen eingebracht. Heute Morgen um 8 Uhr war in der Univerſitätskirche großes Tedeum, zur Feier und zum Dank der errungenen Freiheit und der wiederhergeſtellten Ruhe. Um 11 Uhr ſchon verſammeln ſich die ſämmtlichen Corps der Bewaffneten zum Leichenbegängniß der Gefallenen. Soviel ich bis jetzt mit Beſtimmtheit (da ich ſie todt geſehen) angeben kann, ſind es 46 bis 48; indeſſen dürften es wohl 10 bis 15 mehr ſeyn. Der Verwundeten ſind etwa 300 bis 500. Die Beſchreibung der Leichenfeier, welche jetzt vor ſich geht, in meinem morgigen Brief. Nachſchrift. In Böhmen fürchtet man von Augenblick zu Augenblick den Ausbruch eines Bauern- kriegs. Börſe belebt; 5proc. ſtiegen auf 92, Ferdinands-Nordbahn ſo- gar auf 104. > Wien, 17 März, Nachmittags 3 Uhr. So eben kehre ich von der Leichenfeier der gefallenen Freiheitskämpfer zurück; es war gewiß eine der ſchönſten und impoſanteſten die Deutſchland je erlebt, und ſie dürfte würdig der Juliustodtenfeier vom J. 1830 zur Seite geſtellt wer- den. Schon gegen 12 Uhr verließen unzählige Bataillone von Studen- ten, Nationalgarden und andern bewaffneten Corps, gefolgt von dicht gedrängten Menſchenmaſſen, die Stadt um durch das Schottenthor zur Alſter-Vorſtadt zu ziehen, wo die Leichen im allgemeinen Krankenhaus abgeholt und zum Friedhofe gebracht werden ſollten. Auf dem Glacis und der Baſtei ſtanden die aus der Stadt gewichenen Truppen der Linien- Jnfanterie und Cavallerie, und die weite Fläche, welche die Stadt von den Vorſtädten trennt, glich einem großen Kriegslager. Die Soldaten ſahen ermattet und zum Theil mißmuthig aus, denn ſeit drei Tagen ſtehen ſie unter Waffen. Große Strohlager, welche man ihnen auf der Erde aus- gebreitet, dienten abwechſelnd für die einzelnen Compagnien zur Ruhe- ſtätte, wo ſie ſchliefen oder zechten. Es dauerte 2—3 Stunden ehe alle Züge der Nationalgarde, Bürgergarde und Studenten zum Thore hin- auskamen. Mehrere hundert Fahnen, theils improviſirt aus Fenſter- vorhängen und Draperien, theils den Zeughäuſern entnommen, theils ſchön aufgeputzt — ein Geſchenk von patriotiſchen Damen — wurden unter dumpfem Trommelklang einhergetragen. Viele derſelben trugen bedeutſame Inſchriften als: „Ihr Blut hat uns die Freiheit errungen;“ „Auf ihrem Grabe blühe unſere Freiheit;“ „Standrecht gegen Raub und Brandanlegung“; „Verbrüderung der Nationen Oeſterreichs in Freiheit;“ „Slawa“ (von den Böhmen getragen) u. a. Die meiſten waren mit Myrten- und Roſenkränzen umwunden. Eine Dame welche ſich die Mühe genommen ſie von ihrem Wagen aus zu zählen, ſagte mir, es ſeyen 392 Fahnen bei dem Zuge geweſen. Die Leichen, 11 an der Zahl, waren in ſieben Todtenwagen; die übrigen Gefallenen waren ſchon begraben, oder gehörten den Vorſtädten an. Die verſchiedenen Abtheilungen der Bewaffneten welche denſelben vorangingen oder folgten beſtanden aus: 1) der alten Bürgergarde in vielen Bataillonen; 2) den vier Legionen der Studenten-, dem Juriſten-, Mediciner-, Philoſophen- und Techniker- Corps, zuſammen etwa 4000; 3) den Akademikern, Malern und ſonſti- gen Künſtlern; 4) einem eigenen Corps der Böhmen; 5) einem 200 — 300 Köpfen ſtarken Zuge von angehenden Geiſtlichen (Seminariſten) mit langem Talar und dreieckigen Hüten; 6) den bewaffneten und unbe- waffneten Mitgliedern des Leſevereins; 7) unzähligen Abtheilungen der neuen Nationalgarde. Zuſammen mochten es ohne Ueberſchätzung 25— 30,000 Bewaffnete ſeyn. Am Grabe wurden einige treffliche Reden ge- halten; die Namen der Redner werde ich Ihnen ſpäter mittheilen können. So ſchloß dieſe denkwürdige Feier, die denkwürdigſte Todtenfeier welche je die Kaiſerſtadt erlebt. Für die Hinterlaſſenen der Gebliebenen und für ein großartiges Denkmal welches man ihnen errichten will ſammelt man ſchon ſeit einigen Tagen; auch für die Dürftigen unter den Studen- ten, welche allenfalls der Unterſtützung in dieſen heißen Tagen bedürfen, wurden bedeutende Summen geſammelt; Rothſchild, Sina, Stametz- Meier und Arnſtein und Eskeles allein gaben 15,000 fl. C.-M. Heute Abend wird die Stadt abermals beleuchtet ſeyn, obſchon faſt keine Fabrik und kein Laden mehr im Beſitze von Vorräthen an Kerzen iſt. Es ſollen in den vier Abenden gegen 3—400,000 Pfd. Lichter verbrannt ſeyn! So freut man ſich hier der Schöpfungstage des neuen geiſtigen Lichts! — Beiliegend ein Paket mit Liedern und Gedichten, welche ich ſo eben ohne Auswahl auf der Straße erkauft. Ich glaube ſie werden für Sie und Ihre Augsburger Freunde Intereſſe haben. (Wir haben oben zwei der beſten mitgetheilt.) Ueber die Organiſation der neuen Verfaſſung werde ich dieſer Tage berichten, da die äußeren Begebenheiten mich ſo ſehr in Anſpruch nahmen daß ich ſelbſt das Wichtigſte nicht mit hinrei- chender Sicherheit und aus hinreichend verbürgter Quelle erfahren kann. Die neueſte Wiener Zeitung vom 18 März bringt unter ihren amtlichen Nachrichten die Meldung daß ein verantwortlicher Mi- niſterrath gebildet worden. Sollte dieſer Vorgang nicht da, wo noch Widerſtreben gegen verantwortliche Miniſter beſteht — namentlich in München und Berlin — alle Zweifel beſiegen? Der Artikel lautet: „Se. k. k. apoſtol. Majeſtät haben mit allerhöchſter Entſchließung vom 17 d. M. die Bildung eines für die Vollziehung und Durchführung der in dem allerhöchſten Patente vom 15 März l. J. ausgeſprochenen Grund- ſätze verantwortlichen Miniſterrathes zu beſchließen geruht. Dieſer Miniſterrath wird beſtehen: aus dem Miniſter der auswärtigen Ange- legenheiten und des Hauſes, dem Miniſter des Innern, dem Miniſter der Juſtiz, dem Miniſter der Finanzen und dem Miniſter des Krieges. In dem Miniſterrathe wird ein von Sr. Majeſtät zu beſtimmender Mi- niſterpräſident den Vorſitz führen.“ Ueber die Zuſammenſetzung dieſes Cabinets lauten die Angaben verſchieden. Der folgende Brief läßt den Grafen Ficquelmont an der Spitze desſelben ſtehen. Nach einem an- dern Schreiben übernahm am 16 Graf Kollowrat das Portefeuille des Auswärtigen, Hr. v. Pillersdorf, längſt die Hoffnung der Freiſinni- gen, das Miniſterium des Innern. Einer unſerer geſtrigen Briefe be- zeichnete den Grafen Colloredo als künftigen Miniſter des Aeußern. Bei dieſem Schwanken der Angaben ſcheinen uns die Meldungen der nachfolgenden Correſpondenz, nach der Quelle aus der dieſe kommt, als die wahrſcheinlicheren. △ Wien, 18 März. Se. Maj. der Kaiſer hat zu Vollziehung und Durchführung der in dem allerhöchſten Patent vom 15 d. angeord- neten Reichsverfaſſung u. ſ. w. einen verantwortlichen Mini- ſterrath errichtet. Graf Fiquelmont (der ſeine Stelle als Hof- kriegsrathspräſident niedergelegt) ſoll mit der Bildung desſelben beauf- tragt ſeyn. Außerdem werden als Mitglieder genannt: Graf Colloredo für das Aeußere, Baron Kübeck für die Finanzen, Baron Pillersdorf für das Innere, Graf Fiquelmont mit dem Präſidium auch das Porte- feuille des Kriegs, Graf — *), nach andern aber Staatsrath Som- ruga für die Juſtiz, Baron Joſika ſoll Präſident des ungariſch-ſieben- bürgiſchen Bureau werden. Oeſterreichiſche Monarchie. *** Peſth, 14 März. Soeben komme ich aus einer ſtürmiſchen Verſammlung die von einer Maſſe von Bürgern in Verein mit der hieſigen Jugend im Locale des Oppoſitionsclubs abgehalten wurde. Man iſt hier ſehr unzufrieden mit der Adreſſe die von der Ständetafel einſtimmig angenommen wurde, da in derſelben gar wichtige Punkte als: Preßfreiheit, Gleichheit vor den Geſetzen u. ſ. w. gar nicht berührt ſind. Man wollte daher von hier aus eine Petition aus 12 Punkten (die im Pillwax öffentlich angeſchlagen ſind) beſtehend höhern Orts einreichen. In dem Anſchlag wird erwähnt: 1) Ein verant- wortliches Miniſterium; 2) allgemeine Beſteuerung; 3) Preßfreiheit; 4) vollkommene Regelung der Urbarialver- hältniſſe; 5) Volksrepräſentation; 6) Gleichheit vor den Geſetzen auch in religiöſer Hinſicht; 7) Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens; 8) Volksbewaffnung; 9) die Armee ſoll den Schwur auf die Conſtitution leiſten; 10) die ungariſche Armee ſoll außerhalb der Gränzen des Reichs nicht verwendet werden dürfen; 11) die fremden Trup- pen ſollen aus dem Lande gerufen werden; 12) die Union. Das waren die 12 Punkte die man in der heutigen Sitzung einer reif- lichen Discuſſion unterwerfen wollte, um im Falle einer einſtimmigen Annahme dieſelben in eine förmliche Petition gekleidet mit etlichen tauſend Unterſchriften verſehen an den König gelangen zu laſſen. Leider ſtand keine ſogenannte Autorität an der Spitze dieſer ganzen Motior: dieſelbe ging nur von einigen Schriftſtellern aus — und ſo wurde ſie denn um ſo ſchneller zu nichte als ſich gerade ein paar Autoritäten *) Der Name iſt ſehr unleſerlich geſchrieben, es ſcheint aber Graf Taaffe, der bisherige Präſident der oberſten Juſtizſtelle gemeint zu ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/6>, abgerufen am 23.11.2024.