Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.[Spaltenumbruch]
Bundes wenden müssen, welchem die Pflicht obli egt in einer so tief be- Jupiter Wien, 16 März. In Wien ist nur noch alles freudig Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien > Wien, 17 März Morgens 11 Uhr. Der gestrige Tag schloß, *)
Die Universität. [Spaltenumbruch]
Bundes wenden müſſen, welchem die Pflicht obli egt in einer ſo tief be- ♃ Wien, 16 März. In Wien iſt nur noch alles freudig Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien > Wien, 17 März Morgens 11 Uhr. Der geſtrige Tag ſchloß, *)
Die Univerſität. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="1285"/><cb/> Bundes wenden müſſen, welchem die Pflicht obli egt in einer ſo tief be-<lb/> wegten Zeit für den äußern Schutz Deutſchlands und deſſen innere<lb/> Wohlfahrt Sorge zu tragen. Wenn je, ſo bedarf es jetzt der ganzen<lb/> Weisheit der Regierungen und der ganzen Eintracht der Nation, um<lb/> die Gefahren abzuwenden mit denen das gemeinſame Vaterland be-<lb/> droht iſt. Oeſterreich und Preußen haben daher ihre deutſchen Bun-<lb/> desgenoſſen erſucht ſich mit ihnen ungeſäumt zu einer umfaſſenden Be-<lb/> rathung alles deſſen zu vereinigen was unter den gegebenen Umſtänden<lb/> das Wohl Deutſchlands erheiſcht. Dieſe Verſammlung wird am 25ſten<lb/> März zu <hi rendition="#g">Dresden</hi> eröffnet werden. Beide Regierungen hegen die<lb/> vertrauensvolle Erwartung daß es auf dieſem geordneten Wege gelin-<lb/> gen werde den wohlbegründeten nationalen Bedürfniſſen zu entſprechen<lb/> und diejenigen Inſtitutionen zu ſichern durch welche Deutſchland ge-<lb/> kräftigt und erhoben, dem Auslande gegenüber in der ihm gebührenden<lb/> Stellung unter den europäiſchen Nationen befeſtigt werde. Sie wer-<lb/> den aber auch im Vereine mit ihren deutſchen Bundesgenoſſen ebenſo<lb/> ernſt und nachdrücklich ſolchen Verſuchen entgegentreten die auf die<lb/> Vernichtung der rechtlichen Ordnung in Deutſchland hinausgehen und<lb/> im deutſchen Bunde einen Zuſtand von Zwietracht und Auflöſung er-<lb/> zeugen würden der ihn wehrlos in die Hände jedes Feindes gäbe. In-<lb/> dem die deutſchen Regierungen ſich zu dieſem Werke vereinigen, nehmen<lb/> ſie für dasſelbe den beſſern Geiſt der Nation in Anſpruch, die Einſicht<lb/> und den Willen aller welche es vermögen inmitten der Aufregun-<lb/> gen und Täuſchungen der Gegenwart auch die Zukunft ins Auge zu faſ-<lb/> ſen, und die Bedingungen zu erkennen unter welchen allein eine heil-<lb/> ſame Entwicklung des alle deutſchen Stämme umfaſſenden Bundes mög-<lb/> lich iſt.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>♃ <hi rendition="#b">Wien</hi>, 16 März.</dateline><lb/> <p>In Wien iſt nur noch alles freudig<lb/> aufgeregt. Auch dieſen Morgen ſuhr Se. Maj. der Kaiſer aus und be-<lb/> gab ſich zur Univerſität, wo die Studenten verſammelt waren. Aus<lb/> allen Häuſern flogen Kränze und roth und weiße Fähnchen auf den kai-<lb/> ſerlichen Wagen nieder, der ganz davon bedeckt war. Zwei Fahnen<lb/> flatterten am Kutſcherſitz. Se. Maj. war von den Anſtrengungen des<lb/> Tages zu angegriffen und ließ auch heute für den beabſichtigten Fackel-<lb/> zug danken. Im Carltheater wurde heute mit freiem Eintritt zum er-<lb/> ſtenmal wieder geſpielt. Die Nationalhymne wurde geſungen, das<lb/> Haus war überfüllt und alles ging, obgleich ohne Polizei, dennoch mit<lb/> großer Ordnung zu. Die freie Preſſe fängt an ſich zu äußern. Von<lb/> dem Dichter des „Habsburgliedes“ und des „Don Juan d’Auſtria,“ <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> L. A. 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Wenige Momente nachher<lb/> las man ſeine Abdankung, und der Bürger Bergmüller iſt an ſeine<lb/> Stelle getreten. Wo Czapka geblieben weiß man ebenſowenig als den<lb/> Aufenthalt des noch verhaßteren Sedlnetzky. Ueber Fürſt Metternich kann<lb/> ich Jhnen aus guter Quelle folgendes mittheilen. In der Nacht vom 13<lb/> auf den 14 flüchtete er aus ſeinem Palaſt über die damals ganz vom Mi-<lb/> litär beſetzte Baſtei in den benachbarten Palaſt des Fürſten Liechtenſtein,<lb/> wo er bis in der Frühe blieb, und dann mit ſeiner Frau, verkleidet, je-<lb/> doch unter ſtarker Huſarenbedeckung durch das Kärnthnerthor abreiste;<lb/> er kam am 14 Abends in dem fürſtl. Liechtenſtein’ſchen Schloß Felskirch<lb/> an der Leitha an; ob er noch dort, iſt mir zu Zeit noch nicht bekannt;<lb/> daß aber auch dort ſein Leben nicht ſicher, ſcheint gewiß. <hi rendition="#g">Abends<lb/> 8 Uhr</hi>. Ein ungeheurer Zug von Bewaffneten, in mehr als 200 gro-<lb/> ßen Abtheilungen, der Männergeſangverein mit Fackeln an der Spitze,<lb/> durchzieht von der Univerſität aus die Stadt. Die Beleuchtung iſt noch<lb/> glänzender als geſtern; zahlreiche Inſchriften, künſtliche Illuminationen,<lb/> Büſten und Bilder des Kaiſers Ferdinand, ſymboliſche Darſtellung der<lb/> Völkerfreiheit, der Preßfreiheit ꝛc. werden von den zahlreichen Maſſen<lb/> mit Jubel begrüßt. Bei allem dem die größte Ordnung und Ruhe; ja<lb/> eine Gemüthlichkeit in Wort und That, wie man ſie nur in Wien finden<lb/> kann. Auf dem Joſephsplatz, vor der mit der Fahne der Freiheit ge-<lb/> ſchmückten Statue des großen Kaiſers Joſeph, hält der Zug an und ſingt<lb/> das öſterreichiſche Nationallied; keine Trommel rührt ſich bei der Linie,<lb/> kein Geſchrei wird laut, denn es heißt: der Kaiſer ſey unwohl, weil zu<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1285/0005]
Bundes wenden müſſen, welchem die Pflicht obli egt in einer ſo tief be-
wegten Zeit für den äußern Schutz Deutſchlands und deſſen innere
Wohlfahrt Sorge zu tragen. Wenn je, ſo bedarf es jetzt der ganzen
Weisheit der Regierungen und der ganzen Eintracht der Nation, um
die Gefahren abzuwenden mit denen das gemeinſame Vaterland be-
droht iſt. Oeſterreich und Preußen haben daher ihre deutſchen Bun-
desgenoſſen erſucht ſich mit ihnen ungeſäumt zu einer umfaſſenden Be-
rathung alles deſſen zu vereinigen was unter den gegebenen Umſtänden
das Wohl Deutſchlands erheiſcht. Dieſe Verſammlung wird am 25ſten
März zu Dresden eröffnet werden. Beide Regierungen hegen die
vertrauensvolle Erwartung daß es auf dieſem geordneten Wege gelin-
gen werde den wohlbegründeten nationalen Bedürfniſſen zu entſprechen
und diejenigen Inſtitutionen zu ſichern durch welche Deutſchland ge-
kräftigt und erhoben, dem Auslande gegenüber in der ihm gebührenden
Stellung unter den europäiſchen Nationen befeſtigt werde. Sie wer-
den aber auch im Vereine mit ihren deutſchen Bundesgenoſſen ebenſo
ernſt und nachdrücklich ſolchen Verſuchen entgegentreten die auf die
Vernichtung der rechtlichen Ordnung in Deutſchland hinausgehen und
im deutſchen Bunde einen Zuſtand von Zwietracht und Auflöſung er-
zeugen würden der ihn wehrlos in die Hände jedes Feindes gäbe. In-
dem die deutſchen Regierungen ſich zu dieſem Werke vereinigen, nehmen
ſie für dasſelbe den beſſern Geiſt der Nation in Anſpruch, die Einſicht
und den Willen aller welche es vermögen inmitten der Aufregun-
gen und Täuſchungen der Gegenwart auch die Zukunft ins Auge zu faſ-
ſen, und die Bedingungen zu erkennen unter welchen allein eine heil-
ſame Entwicklung des alle deutſchen Stämme umfaſſenden Bundes mög-
lich iſt.“
♃ Wien, 16 März.
In Wien iſt nur noch alles freudig
aufgeregt. Auch dieſen Morgen ſuhr Se. Maj. der Kaiſer aus und be-
gab ſich zur Univerſität, wo die Studenten verſammelt waren. Aus
allen Häuſern flogen Kränze und roth und weiße Fähnchen auf den kai-
ſerlichen Wagen nieder, der ganz davon bedeckt war. Zwei Fahnen
flatterten am Kutſcherſitz. Se. Maj. war von den Anſtrengungen des
Tages zu angegriffen und ließ auch heute für den beabſichtigten Fackel-
zug danken. Im Carltheater wurde heute mit freiem Eintritt zum er-
ſtenmal wieder geſpielt. Die Nationalhymne wurde geſungen, das
Haus war überfüllt und alles ging, obgleich ohne Polizei, dennoch mit
großer Ordnung zu. Die freie Preſſe fängt an ſich zu äußern. Von
dem Dichter des „Habsburgliedes“ und des „Don Juan d’Auſtria,“ Dr.
L. A. Frankl, erſchien ein Lied „An die Univerſität,“ *) das mit Jubel
aufgenommen wurde. Man trug den Dichter, nicht bloß bildlich, auf den
Armen. Das Lied trägt die Unterſchrift: „Erſtes cenſurfreies Blatt.“
Auch von Caſtelli iſt ein „Lied für die Nationalgarde“ erſchienen. Au-
ßerdem erſchienen noch Gedichte und Aufrufe, von mehr oder minder Be-
rufenen, doch alle wohlgemeint und wackerer Geſinnung entſtrömt.
Wenn Einem dieſe Sachen vor die Augen kommen, fragt man ſich ob
man noch in dem Wien lebe wo vor fünf Tagen ein Cenſor von den drei
Worten: „der ermordete Wallenſtein,“ das eine — „ermordete“ — ſtrich
und „der Wallenſtein“ ſtehen ließ.
Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien
gefallen.
Das ſchwarze Band, den ſchwarzen Flor
Laßt in den Lüften wallen,
Den Todten finget ein Klagelied
Die für die Freiheit gefallen.
Grabt auf der Freiung ein weites Grab,
Dort mögen die Braven liegen —
Und hinter den Särgen zieht Alle mit —
Laßt ferner uns friedlich fiegen.
Und wenn die Gruft die Todten birgt,
Erheb ſich über dem Grabe —
Ein Denkmal; daß an den Unglückstag
Die Nachwelt ein Zeichen habe.
Am Denkmal prange in leuchtender Schrift:
„Dieß gilt den Bürgern, Allen —
Die durch eines Einzigen unglücklich Wort
Für die gute Sache gefallen.“ Friedrich Uhl.
> Wien, 17 März Morgens 11 Uhr.
Der geſtrige Tag ſchloß,
wie er begonnen, mit unendlichem Jubel. Die Bataillone von Bewaffne-
ten, theils Nationalgarden, theils Studenten, eingetheilt in vier große
Legionen, theils Handwerker, Lehrburſchen und Volk aller Art, mehren
ſich von Stunde zu Stunde, und Wien, wo alle Provinzen und alle
Sprachſtämme Oeſterreichs ſo zahlreich vertreten ſind, hallt wieder von
einem wahrhaft babyloniſchen Sprachgewirr. Am wildeſten aber iſt der
Jubel und das Geſchrei der Ungarn, von denen immer neue Haufen aus
Preßburg und Peſth eintreffen. Weniger lärmend treten die hier ſo zahl-
reichen Böhmen auf, und ihr Slawa-Ruf dringt nicht durch; die Italie-
ner, welche anfangs ſo brauſend waren, ſcheinen ſich in der maſſenhaften
Entwicklung der übrigen Nationalitäten verloren zu haben. Dagegen
tritt der deutſche Charakter immer ſchärfer, immer kräftiger hervor, ohne
jedoch zu irgendeiner Reibung Veranlaſſung zu bieten. Verbrüderung
aller Nationen auf dem Boden der Freiheit, und befeſtigt durch das ge-
meinſame Band einer allgemein geliebten Herrſcherfamilie, iſt die Lo-
ſung des Tages, und wird überall auf Fahnen und in Reden gepredigt.
Dabei kommt oft vorzügliches Rednertalent zum Vorſchein. So hörte
ich als Antwort auf meine kurze Anrede an die in der Nacht vom 16 an-
gekommenen Stände und Juraten aus Preßburg eine ganz vorzügliche
Rede des Hrn. Andorft, welcher, da ich Oeſterreichs neue Stellung
in der Weltgeſchichte berührt hatte, mir die Anſichten eines Ungarn
über Ungarns Stellung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft,
mit ebenſoviel Klarheit als Ruhe und tiefer Kenntniß entwickelte. Gegen
3 Uhr verſammelten ſich zahlreiche Haufen von Bewaffneten und zogen
zum Hauſe des verhaßten Bürgermeiſter Czapka; man drang mit Ge-
walt in ſein Zimmer, fand ihn aber nicht. Wenige Momente nachher
las man ſeine Abdankung, und der Bürger Bergmüller iſt an ſeine
Stelle getreten. Wo Czapka geblieben weiß man ebenſowenig als den
Aufenthalt des noch verhaßteren Sedlnetzky. Ueber Fürſt Metternich kann
ich Jhnen aus guter Quelle folgendes mittheilen. In der Nacht vom 13
auf den 14 flüchtete er aus ſeinem Palaſt über die damals ganz vom Mi-
litär beſetzte Baſtei in den benachbarten Palaſt des Fürſten Liechtenſtein,
wo er bis in der Frühe blieb, und dann mit ſeiner Frau, verkleidet, je-
doch unter ſtarker Huſarenbedeckung durch das Kärnthnerthor abreiste;
er kam am 14 Abends in dem fürſtl. Liechtenſtein’ſchen Schloß Felskirch
an der Leitha an; ob er noch dort, iſt mir zu Zeit noch nicht bekannt;
daß aber auch dort ſein Leben nicht ſicher, ſcheint gewiß. Abends
8 Uhr. Ein ungeheurer Zug von Bewaffneten, in mehr als 200 gro-
ßen Abtheilungen, der Männergeſangverein mit Fackeln an der Spitze,
durchzieht von der Univerſität aus die Stadt. Die Beleuchtung iſt noch
glänzender als geſtern; zahlreiche Inſchriften, künſtliche Illuminationen,
Büſten und Bilder des Kaiſers Ferdinand, ſymboliſche Darſtellung der
Völkerfreiheit, der Preßfreiheit ꝛc. werden von den zahlreichen Maſſen
mit Jubel begrüßt. Bei allem dem die größte Ordnung und Ruhe; ja
eine Gemüthlichkeit in Wort und That, wie man ſie nur in Wien finden
kann. Auf dem Joſephsplatz, vor der mit der Fahne der Freiheit ge-
ſchmückten Statue des großen Kaiſers Joſeph, hält der Zug an und ſingt
das öſterreichiſche Nationallied; keine Trommel rührt ſich bei der Linie,
kein Geſchrei wird laut, denn es heißt: der Kaiſer ſey unwohl, weil zu
*) Die Univerſität.
Was kommt heran mit kühnem Gange?
Die Waffe blinkt, die Fahne weht,
Es naht mit hellem Trommelklange
Die Univerſität.
Die Stunde iſt des Lichts gekommen:
Was wir erſehnt, umſonſt erſteht,
Im jungen Herzen iſt’s entglommen
Der Univerſität.
Das freie Wort, das ſie gefangen
Seit Joſeph arg verhöhnt, geſchmäht,
Vorkämpfend ſprengte ſeine Spangen
Die Univerſität.
Zugleich erwacht’s mit Lerchenliedern,
Horcht, wie es dithyrambiſch geht!
Und wie die Herzen ſich erwiedern:
Hoch die Univerſität!
Und wendet ihr euch zu den bleichen
Gefallen Freiheitsopfern, ſeht:
Bezahlt hat mit den erſten Leichen
Die Univerſität.
Doch wird dereinſt die Nachwelt blättern,
Im Buche der Geſchichte ſteht
Die lichte That, mit goldnen Lettern:
Die Univerſität.
Während des Wachſtehens geſchrieben von
Lud. Aug. Frankl.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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