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Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

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[Spaltenumbruch] holtem Verlangen auf Zurücknahme jenes Decrets. Die Blousenmänner
suchten sich zwar in den Weg zu stellen, und schrien: es lebe Ledru-Rol-
lin! worauf die Nationalgardisten aber antworteten mit dem Rufe:
nieder mit Ledru-Rollin! Auch durch Spottrufe wie boutiquiers u. dgl.
ließen sich die Nationalgardisten nicht abwendig machen, und zogen in
vollkommenster Ruhe und Ordnung sämmtlich am Stadthause vorüber,
nachdem sie ihr Verlangen durch eine Deputation schriftlich abgegeben
hatten. Das schlimmste ist daß ein furchtbarer Zusammenstoß hier, ein
Bürgerkrieg als Folge davon im Lande jetzt fast als unausbleiblich er-
scheint. Die alte Nationalgarde ist, da sie steht daß es um die ganze
Gesellschaft sich handelt, zu entschiedener Thatkraft entschlossen, wäh-
rend die äußerste Partei die in Ledru-Rollin ihre Hauptstütze erblickt,
nicht minder entschlossen ist zum Angriff oder Widerstand, je nach Um-
ständen. Wir haben in diesem Augenblick buchstäblich Ochlokratie hier,
und ich wünschte nur daß unsere deutschen Landsleute welche so gern
alles im rosenfarbenen Lichte sehen möchten, nur einen Tag hier
wären um zu sehen und zu hören: ich bin überzeugt sie würden an-
ders urtheilen. Eben weil ich wünsche daß Deutschland seine wahr-
hafte Freiheit, die es jetzt auf dem Wege ist zu erringen, nicht wieder ver-
liere sondern bewahre, möchte ich es nicht in dieselben Fehler fallen
sehen die hier täglich mehr zu Tage treten mit allen ihren heillosen
Folgen.


Die Krists, die gleich am ersten Tage der
Republik zum erstenmal überstanden wurde, ist in ihr zweites Stadium
getreten. Das neue Blatt: La Voix des clubs sagt heute: "der
böse Wille scheint mit Schuld an gewissen Gerüchten zu seyn. Man be-
droht uns mit einer Reaction der Patricier gegen die Plebejer
der Barricaden. Man spricht uns von einer "Chouanerie" der Bour-
geois, von unklugen Weißen und Blauen, die auf die Zernichtung der
Republik hinarbeiten sollen." Die Voix des clubs ist nämlich roth.
Sie sehen es ist die alte Geschichte -- alt nicht drei Wochen -- von
der rothen und der dreifarbigen Fahne. Der Keim dieses Gegensatzes
liegt in den Verhältnissen, aber man hat sehr viel dafür gethan ihn so
rasch aufschießen zu machen. Ein Theil der alten Republicaner ist
aus hundert Gründen -- von denen der erste genügt, nämlich der daß
andere Leute als sie selbst das Steuerruder führen -- nicht mit der Re-
gierung zufrieden. Sie ist ihnen zu bourgeois, nicht Volk genug. Die-
ser Theil fürchtet daß überhaupt Frankreich nicht so recht von Herzen
republicanisch seyn möchte, und denkt daher daran Frankreich noch
ein wenig zu republicanistren, zu revolutioniren. Dazu sollen die
Commissäre der provisorischen Regierung ganz besonders dienen, und
da diese selbst erst kurze Zeit am Werke sind, so fürchten die Rothen
daß insbesondere die bevorstehenden Wahlen der Nationalgarde und der
Nationalversammlung vorerst noch zu blau und weiß ausfallen könnten.
Daher der Antrag auf Aussetzung der Wahlen. Lamartine ist natür-
lich "dreifarbig" gesinnt, aber ein Theil der provisorischen Regierung
denkt fast wie die Rothen. Hr. Ledru-Rollin insbesondere hat sich
sehr heftig im Geiste der äußersten Republicaner ausgesprochen.
Sein Circular an die Commissäre hat die milder gestimmte Mehrzahl
des Volkes in Angst gesetzt und zwei Bestimmungen seines Reglements
über die Wahlen der Nationalgarde diese empört. Die Elitencompag-
nien sollen nämlich aufgelöst und alle Officierwahlen der Prüfung ei-
ner Commission unterworfen werden. Diese letztern Bestimmungen
wurden die Veranlassung zum Ausbruche des Mißmuths der alten Na-
tionalgarde. Heute ziehen nun die Nationalgarden bataillonsweise
durch die Straßen nach dem Hotel-de-Ville um gegen dieselben zu pro-
testiren. Es ist das wie gesagt das zweite Stadium der Krists des
Kampfes zwischen der rothen und der dreifarbigen Fahne. Wir glau-
ben daß Hr. Lamartine noch einmal siegen wird. Es hängt das Ge-
schick der Republik von diesem Siege ab. Fällt er gegen die "Blauen
und Weißen" aus, so wird der Schrecken am Ende doch den Sieg
davon tragen, und finge er auch sein Regiment damit an daß er die
Guillotine auf dem Place de Greve verbrenne. Wir hoffen vieles von
Lamartine's großem Herzen -- und manches von dem Ernste der Mit-
telstände die entschlossen zu seyn scheinen Leib und Leben zu wagen um
die junge Republik auf der Bahn der Mäßigung und der Billig-
keit gegen alle Welt zu erhalten.


Paris ist in Aufregung seit zwei Tagen,
und die äußern Veranlassungen sind folgende: erstens das Rundschreiben
des Ministers des Innern, Ledru-Rollin, an die Commissarien in den
[Spaltenumbruch] Departementen; zweitens die Auflösung der bisherigen Eintheilung der
Nationalgarde in Grenadiere, Chasseurs und Voltigeurs. In dem Rund-
schreiben tadelte die Nationalgarde, und durch sie jener Theil der frü-
hern Abgeordnetenkammer der in den neuen Wahlen durchzufallen fürch-
tet, die Legitimisten, Conservativen und Thiers-Barrot, daß man den Com-
missarien unbeschränkte Gewalt ertheilt habe, und nur republicanische Ab-
geordnete verlange, worauf ihnen erwiedert wird daß die den Commissarien
verliehene Gewalt eine durch die Umstände gebotene revolutionäre Gewalt
sey wie jene der provisorischen Regierung selbst, deren Ausfluß sie ist, daß
aber der umständliche Inhalt des Rundschreibens jede Besorgniß des Miß-
brauches beseitige; was aber die Wahlen angehe, so könne der Regie-
rung nicht zugemuthet werden daß sie andere Abgeordnete wünsche als
solche die der Republik ergeben sind; der freie Wille der Wähler sey
durch diese Empfehlung auf keine Weise heeinträchtigt, und die proviso-
rische Regierung habe ebensowenig die Absicht als die Macht diesen freien
Willen anders als durch freie Berathung zu lenken. Die Verfügung in
Betreff der Nationalgarde ist eine Verordnung der Gesammtregierung
und keineswegs des Ministers des Innern allein, sie beruht auf dem
Grundsatz der Gleichheit, der allen Gliedern der Nationalgarde zu gut
kommen soll, sie hat zum Zweck die allgemeine Verschmelzung der Bür-
germiliz herbeizuführen und zu verhindern daß einzelne Compagnien,
wie die Grenadiercompagnien, sich als ein Corps d'elite absondern, was das
Volk der drei Tage fern halten, nothwendig aufreizen und früh oder
spät zur Bekämpfung der begünstigten Cameraden verleiten würde. Hof-
fentlich wird die Nationalgarde, die allzu schnell vergißt daß wir noch im
Revolutionszustand leben, diese ernsten Gründe beachten, denn wenn über
eine solche Frage ein neuer Kampf entbrennen sollte, so würde sie offen-
bar das bewaffnete gesammte Volk von Paris gegen sich haben. Heute
hat die Nationalgarde, einige tausend Mann, eine "Manisestation" auf
dem Stadthaus gemacht; wiederholt sie dieselbe morgen, so möchte sie
leicht 80,000 Mann bewaffneter Arbeiter begegnen. Dieß die wahre
Lage der Sache, sie ist wichtig genug um von allen gekannt und erkannt
zu werden.


Die Gesinnungsäußerung von gestern hat
den vorhergesagten Ausgang gehabt. Etwa 15 bis 1800 Nationalgar-
disten fanden sich auf dem Platze des Stadthauses ein, andere wurden
schon auf dem Weg dahin durch das andrängende Volk zurückgehalten.
Auf dem Platze des Stadthauses waren die Männer aus dem Volke
und der Arbeiterclasse in solcher Mehrheit daß sie nach und nach die Na-
tionalgarde in ihre Mitte nahmen, umschlangen und überflügelten. So
scheiterte die ganze Aeußerung und dem Volke blieb der Sieg. "Laßt
euern Weibern Müffe machen aus euren Bärenkappen", riefen die jun-
gen Leute den Patriciern in Uniform zu, und ringsum schallendes Ge-
lächter. Auf einmal öffnete sich die dichte Masse und die Nationalgarde
zog eilig davon. So gestern wo etwa 12 bis 15,000 Männer aus dem
Volke zugegen waren. Heute aber hat die Gegenäußerung des Volks
einen kolossalen Charakter angenommen. Vor dem Revolutionsplatze
und den elyseischen Feldern zog das Volk von 11 Uhr bis gegen 2 Uhr
vor das Stadthaus, der ganze Platz, die Nebenstraßen, die Kaie, die
Brücken waren dicht übersäet, Mann gegen Mann, wohl hunderttausend
an der Zahl, manche schätzen noch höher. Kein Lärm, keine Unord-
nung; Rufen und Singen, Schwenken der Fahnen und Hüte, das war
die Bewegung. Eine Deputation begab sich zu der provisorischen Re-
gierung hinauf und trug ihr den Wunsch vor daß die Wahlen der Na-
tionalgarde und der Nationalversammlung verschoben, auch die. Solda-
ten von Paris fern gehalten werden. Nachdem dieser Wunsch vorge-
tragen, der Regierung eine Huldigung dargebracht, zog die ganze
Menge friedlich und ordentlich in geschlossenen Reihen unter dem Ruf:
"Es lebe die Republik!" vor dem Stadthaus vorüber nach dem Ba-
stillenplatz. Diese Disciplin, diese Ordnung ist etwas neues, nieerleb-
tes in der Volksfreiheit.


Ein Theil der auf dem Re-
volutionsplatz versammelt gewesenen Arbeiter kommt vom Stadthause
eben zurück, und zieht die Marseillaise singend um die Börse herum.
Die materielle Ruhe ist übrigens nicht gestört worden. Die Haltung
der Nationalgarde flößt wieder einige Beruhigung ein gegenüber diesen
Kundgebungen der Arbeiter. Die Umwandlung der Schatzbons in
5procentige Rente zum Paricurse oder je nach Wahl des Inhabers und
Verlängerung auf 10 Monate hat ziemlich günstig gewirkt an der
Börse. Bankactien sind um 200 Fr. gestiegen.

[Spaltenumbruch] holtem Verlangen auf Zurücknahme jenes Decrets. Die Blouſenmänner
ſuchten ſich zwar in den Weg zu ſtellen, und ſchrien: es lebe Ledru-Rol-
lin! worauf die Nationalgardiſten aber antworteten mit dem Rufe:
nieder mit Ledru-Rollin! Auch durch Spottrufe wie boutiquiers u. dgl.
ließen ſich die Nationalgardiſten nicht abwendig machen, und zogen in
vollkommenſter Ruhe und Ordnung ſämmtlich am Stadthauſe vorüber,
nachdem ſie ihr Verlangen durch eine Deputation ſchriftlich abgegeben
hatten. Das ſchlimmſte iſt daß ein furchtbarer Zuſammenſtoß hier, ein
Bürgerkrieg als Folge davon im Lande jetzt faſt als unausbleiblich er-
ſcheint. Die alte Nationalgarde iſt, da ſie ſteht daß es um die ganze
Geſellſchaft ſich handelt, zu entſchiedener Thatkraft entſchloſſen, wäh-
rend die äußerſte Partei die in Ledru-Rollin ihre Hauptſtütze erblickt,
nicht minder entſchloſſen iſt zum Angriff oder Widerſtand, je nach Um-
ſtänden. Wir haben in dieſem Augenblick buchſtäblich Ochlokratie hier,
und ich wünſchte nur daß unſere deutſchen Landsleute welche ſo gern
alles im roſenfarbenen Lichte ſehen möchten, nur einen Tag hier
wären um zu ſehen und zu hören: ich bin überzeugt ſie würden an-
ders urtheilen. Eben weil ich wünſche daß Deutſchland ſeine wahr-
hafte Freiheit, die es jetzt auf dem Wege iſt zu erringen, nicht wieder ver-
liere ſondern bewahre, möchte ich es nicht in dieſelben Fehler fallen
ſehen die hier täglich mehr zu Tage treten mit allen ihren heilloſen
Folgen.


Die Kriſts, die gleich am erſten Tage der
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getreten. Das neue Blatt: La Voix des clubs ſagt heute: „der
böſe Wille ſcheint mit Schuld an gewiſſen Gerüchten zu ſeyn. Man be-
droht uns mit einer Reaction der Patricier gegen die Plebejer
der Barricaden. Man ſpricht uns von einer „Chouanerie“ der Bour-
geois, von unklugen Weißen und Blauen, die auf die Zernichtung der
Republik hinarbeiten ſollen.“ Die Voix des clubs iſt nämlich roth.
Sie ſehen es iſt die alte Geſchichte — alt nicht drei Wochen — von
der rothen und der dreifarbigen Fahne. Der Keim dieſes Gegenſatzes
liegt in den Verhältniſſen, aber man hat ſehr viel dafür gethan ihn ſo
raſch aufſchießen zu machen. Ein Theil der alten Republicaner iſt
aus hundert Gründen — von denen der erſte genügt, nämlich der daß
andere Leute als ſie ſelbſt das Steuerruder führen — nicht mit der Re-
gierung zufrieden. Sie iſt ihnen zu bourgeois, nicht Volk genug. Die-
ſer Theil fürchtet daß überhaupt Frankreich nicht ſo recht von Herzen
republicaniſch ſeyn möchte, und denkt daher daran Frankreich noch
ein wenig zu republicaniſtren, zu revolutioniren. Dazu ſollen die
Commiſſäre der proviſoriſchen Regierung ganz beſonders dienen, und
da dieſe ſelbſt erſt kurze Zeit am Werke ſind, ſo fürchten die Rothen
daß insbeſondere die bevorſtehenden Wahlen der Nationalgarde und der
Nationalverſammlung vorerſt noch zu blau und weiß ausfallen könnten.
Daher der Antrag auf Ausſetzung der Wahlen. Lamartine iſt natür-
lich „dreifarbig“ geſinnt, aber ein Theil der proviſoriſchen Regierung
denkt faſt wie die Rothen. Hr. Ledru-Rollin insbeſondere hat ſich
ſehr heftig im Geiſte der äußerſten Republicaner ausgeſprochen.
Sein Circular an die Commiſſäre hat die milder geſtimmte Mehrzahl
des Volkes in Angſt geſetzt und zwei Beſtimmungen ſeines Reglements
über die Wahlen der Nationalgarde dieſe empört. Die Elitencompag-
nien ſollen nämlich aufgelöst und alle Officierwahlen der Prüfung ei-
ner Commiſſion unterworfen werden. Dieſe letztern Beſtimmungen
wurden die Veranlaſſung zum Ausbruche des Mißmuths der alten Na-
tionalgarde. Heute ziehen nun die Nationalgarden bataillonsweiſe
durch die Straßen nach dem Hotel-de-Ville um gegen dieſelben zu pro-
teſtiren. Es iſt das wie geſagt das zweite Stadium der Kriſts des
Kampfes zwiſchen der rothen und der dreifarbigen Fahne. Wir glau-
ben daß Hr. Lamartine noch einmal ſiegen wird. Es hängt das Ge-
ſchick der Republik von dieſem Siege ab. Fällt er gegen die „Blauen
und Weißen“ aus, ſo wird der Schrecken am Ende doch den Sieg
davon tragen, und finge er auch ſein Regiment damit an daß er die
Guillotine auf dem Place de Greve verbrenne. Wir hoffen vieles von
Lamartine’s großem Herzen — und manches von dem Ernſte der Mit-
telſtände die entſchloſſen zu ſeyn ſcheinen Leib und Leben zu wagen um
die junge Republik auf der Bahn der Mäßigung und der Billig-
keit gegen alle Welt zu erhalten.


Paris iſt in Aufregung ſeit zwei Tagen,
und die äußern Veranlaſſungen ſind folgende: erſtens das Rundſchreiben
des Miniſters des Innern, Ledru-Rollin, an die Commiſſarien in den
[Spaltenumbruch] Departementen; zweitens die Auflöſung der bisherigen Eintheilung der
Nationalgarde in Grenadiere, Chaſſeurs und Voltigeurs. In dem Rund-
ſchreiben tadelte die Nationalgarde, und durch ſie jener Theil der frü-
hern Abgeordnetenkammer der in den neuen Wahlen durchzufallen fürch-
tet, die Legitimiſten, Conſervativen und Thiers-Barrot, daß man den Com-
miſſarien unbeſchränkte Gewalt ertheilt habe, und nur republicaniſche Ab-
geordnete verlange, worauf ihnen erwiedert wird daß die den Commiſſarien
verliehene Gewalt eine durch die Umſtände gebotene revolutionäre Gewalt
ſey wie jene der proviſoriſchen Regierung ſelbſt, deren Ausfluß ſie iſt, daß
aber der umſtändliche Inhalt des Rundſchreibens jede Beſorgniß des Miß-
brauches beſeitige; was aber die Wahlen angehe, ſo könne der Regie-
rung nicht zugemuthet werden daß ſie andere Abgeordnete wünſche als
ſolche die der Republik ergeben ſind; der freie Wille der Wähler ſey
durch dieſe Empfehlung auf keine Weiſe heeinträchtigt, und die proviſo-
riſche Regierung habe ebenſowenig die Abſicht als die Macht dieſen freien
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und keineswegs des Miniſters des Innern allein, ſie beruht auf dem
Grundſatz der Gleichheit, der allen Gliedern der Nationalgarde zu gut
kommen ſoll, ſie hat zum Zweck die allgemeine Verſchmelzung der Bür-
germiliz herbeizuführen und zu verhindern daß einzelne Compagnien,
wie die Grenadiercompagnien, ſich als ein Corps d’élite abſondern, was das
Volk der drei Tage fern halten, nothwendig aufreizen und früh oder
ſpät zur Bekämpfung der begünſtigten Cameraden verleiten würde. Hof-
fentlich wird die Nationalgarde, die allzu ſchnell vergißt daß wir noch im
Revolutionszuſtand leben, dieſe ernſten Gründe beachten, denn wenn über
eine ſolche Frage ein neuer Kampf entbrennen ſollte, ſo würde ſie offen-
bar das bewaffnete geſammte Volk von Paris gegen ſich haben. Heute
hat die Nationalgarde, einige tauſend Mann, eine „Maniſeſtation“ auf
dem Stadthaus gemacht; wiederholt ſie dieſelbe morgen, ſo möchte ſie
leicht 80,000 Mann bewaffneter Arbeiter begegnen. Dieß die wahre
Lage der Sache, ſie iſt wichtig genug um von allen gekannt und erkannt
zu werden.


Die Geſinnungsäußerung von geſtern hat
den vorhergeſagten Ausgang gehabt. Etwa 15 bis 1800 Nationalgar-
diſten fanden ſich auf dem Platze des Stadthauſes ein, andere wurden
ſchon auf dem Weg dahin durch das andrängende Volk zurückgehalten.
Auf dem Platze des Stadthauſes waren die Männer aus dem Volke
und der Arbeiterclaſſe in ſolcher Mehrheit daß ſie nach und nach die Na-
tionalgarde in ihre Mitte nahmen, umſchlangen und überflügelten. So
ſcheiterte die ganze Aeußerung und dem Volke blieb der Sieg. „Laßt
euern Weibern Müffe machen aus euren Bärenkappen“, riefen die jun-
gen Leute den Patriciern in Uniform zu, und ringsum ſchallendes Ge-
lächter. Auf einmal öffnete ſich die dichte Maſſe und die Nationalgarde
zog eilig davon. So geſtern wo etwa 12 bis 15,000 Männer aus dem
Volke zugegen waren. Heute aber hat die Gegenäußerung des Volks
einen koloſſalen Charakter angenommen. Vor dem Revolutionsplatze
und den elyſeiſchen Feldern zog das Volk von 11 Uhr bis gegen 2 Uhr
vor das Stadthaus, der ganze Platz, die Nebenſtraßen, die Kaie, die
Brücken waren dicht überſäet, Mann gegen Mann, wohl hunderttauſend
an der Zahl, manche ſchätzen noch höher. Kein Lärm, keine Unord-
nung; Rufen und Singen, Schwenken der Fahnen und Hüte, das war
die Bewegung. Eine Deputation begab ſich zu der proviſoriſchen Re-
gierung hinauf und trug ihr den Wunſch vor daß die Wahlen der Na-
tionalgarde und der Nationalverſammlung verſchoben, auch die. Solda-
ten von Paris fern gehalten werden. Nachdem dieſer Wunſch vorge-
tragen, der Regierung eine Huldigung dargebracht, zog die ganze
Menge friedlich und ordentlich in geſchloſſenen Reihen unter dem Ruf:
„Es lebe die Republik!“ vor dem Stadthaus vorüber nach dem Ba-
ſtillenplatz. Dieſe Disciplin, dieſe Ordnung iſt etwas neues, nieerleb-
tes in der Volksfreiheit.


Ein Theil der auf dem Re-
volutionsplatz verſammelt geweſenen Arbeiter kommt vom Stadthauſe
eben zurück, und zieht die Marſeillaiſe ſingend um die Börſe herum.
Die materielle Ruhe iſt übrigens nicht geſtört worden. Die Haltung
der Nationalgarde flößt wieder einige Beruhigung ein gegenüber dieſen
Kundgebungen der Arbeiter. Die Umwandlung der Schatzbons in
5procentige Rente zum Paricurſe oder je nach Wahl des Inhabers und
Verlängerung auf 10 Monate hat ziemlich günſtig gewirkt an der
Börſe. Bankactien ſind um 200 Fr. geſtiegen.

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[0018] holtem Verlangen auf Zurücknahme jenes Decrets. Die Blouſenmänner ſuchten ſich zwar in den Weg zu ſtellen, und ſchrien: es lebe Ledru-Rol- lin! worauf die Nationalgardiſten aber antworteten mit dem Rufe: nieder mit Ledru-Rollin! Auch durch Spottrufe wie boutiquiers u. dgl. ließen ſich die Nationalgardiſten nicht abwendig machen, und zogen in vollkommenſter Ruhe und Ordnung ſämmtlich am Stadthauſe vorüber, nachdem ſie ihr Verlangen durch eine Deputation ſchriftlich abgegeben hatten. Das ſchlimmſte iſt daß ein furchtbarer Zuſammenſtoß hier, ein Bürgerkrieg als Folge davon im Lande jetzt faſt als unausbleiblich er- ſcheint. Die alte Nationalgarde iſt, da ſie ſteht daß es um die ganze Geſellſchaft ſich handelt, zu entſchiedener Thatkraft entſchloſſen, wäh- rend die äußerſte Partei die in Ledru-Rollin ihre Hauptſtütze erblickt, nicht minder entſchloſſen iſt zum Angriff oder Widerſtand, je nach Um- ſtänden. Wir haben in dieſem Augenblick buchſtäblich Ochlokratie hier, und ich wünſchte nur daß unſere deutſchen Landsleute welche ſo gern alles im roſenfarbenen Lichte ſehen möchten, nur einen Tag hier wären um zu ſehen und zu hören: ich bin überzeugt ſie würden an- ders urtheilen. Eben weil ich wünſche daß Deutſchland ſeine wahr- hafte Freiheit, die es jetzt auf dem Wege iſt zu erringen, nicht wieder ver- liere ſondern bewahre, möchte ich es nicht in dieſelben Fehler fallen ſehen die hier täglich mehr zu Tage treten mit allen ihren heilloſen Folgen. △ Paris, 16 März. Die Kriſts, die gleich am erſten Tage der Republik zum erſtenmal überſtanden wurde, iſt in ihr zweites Stadium getreten. Das neue Blatt: La Voix des clubs ſagt heute: „der böſe Wille ſcheint mit Schuld an gewiſſen Gerüchten zu ſeyn. Man be- droht uns mit einer Reaction der Patricier gegen die Plebejer der Barricaden. Man ſpricht uns von einer „Chouanerie“ der Bour- geois, von unklugen Weißen und Blauen, die auf die Zernichtung der Republik hinarbeiten ſollen.“ Die Voix des clubs iſt nämlich roth. Sie ſehen es iſt die alte Geſchichte — alt nicht drei Wochen — von der rothen und der dreifarbigen Fahne. Der Keim dieſes Gegenſatzes liegt in den Verhältniſſen, aber man hat ſehr viel dafür gethan ihn ſo raſch aufſchießen zu machen. Ein Theil der alten Republicaner iſt aus hundert Gründen — von denen der erſte genügt, nämlich der daß andere Leute als ſie ſelbſt das Steuerruder führen — nicht mit der Re- gierung zufrieden. Sie iſt ihnen zu bourgeois, nicht Volk genug. Die- ſer Theil fürchtet daß überhaupt Frankreich nicht ſo recht von Herzen republicaniſch ſeyn möchte, und denkt daher daran Frankreich noch ein wenig zu republicaniſtren, zu revolutioniren. Dazu ſollen die Commiſſäre der proviſoriſchen Regierung ganz beſonders dienen, und da dieſe ſelbſt erſt kurze Zeit am Werke ſind, ſo fürchten die Rothen daß insbeſondere die bevorſtehenden Wahlen der Nationalgarde und der Nationalverſammlung vorerſt noch zu blau und weiß ausfallen könnten. Daher der Antrag auf Ausſetzung der Wahlen. Lamartine iſt natür- lich „dreifarbig“ geſinnt, aber ein Theil der proviſoriſchen Regierung denkt faſt wie die Rothen. Hr. Ledru-Rollin insbeſondere hat ſich ſehr heftig im Geiſte der äußerſten Republicaner ausgeſprochen. Sein Circular an die Commiſſäre hat die milder geſtimmte Mehrzahl des Volkes in Angſt geſetzt und zwei Beſtimmungen ſeines Reglements über die Wahlen der Nationalgarde dieſe empört. Die Elitencompag- nien ſollen nämlich aufgelöst und alle Officierwahlen der Prüfung ei- ner Commiſſion unterworfen werden. Dieſe letztern Beſtimmungen wurden die Veranlaſſung zum Ausbruche des Mißmuths der alten Na- tionalgarde. Heute ziehen nun die Nationalgarden bataillonsweiſe durch die Straßen nach dem Hotel-de-Ville um gegen dieſelben zu pro- teſtiren. Es iſt das wie geſagt das zweite Stadium der Kriſts des Kampfes zwiſchen der rothen und der dreifarbigen Fahne. Wir glau- ben daß Hr. Lamartine noch einmal ſiegen wird. Es hängt das Ge- ſchick der Republik von dieſem Siege ab. Fällt er gegen die „Blauen und Weißen“ aus, ſo wird der Schrecken am Ende doch den Sieg davon tragen, und finge er auch ſein Regiment damit an daß er die Guillotine auf dem Place de Greve verbrenne. Wir hoffen vieles von Lamartine’s großem Herzen — und manches von dem Ernſte der Mit- telſtände die entſchloſſen zu ſeyn ſcheinen Leib und Leben zu wagen um die junge Republik auf der Bahn der Mäßigung und der Billig- keit gegen alle Welt zu erhalten. ═ Paris, 16 März. Paris iſt in Aufregung ſeit zwei Tagen, und die äußern Veranlaſſungen ſind folgende: erſtens das Rundſchreiben des Miniſters des Innern, Ledru-Rollin, an die Commiſſarien in den Departementen; zweitens die Auflöſung der bisherigen Eintheilung der Nationalgarde in Grenadiere, Chaſſeurs und Voltigeurs. In dem Rund- ſchreiben tadelte die Nationalgarde, und durch ſie jener Theil der frü- hern Abgeordnetenkammer der in den neuen Wahlen durchzufallen fürch- tet, die Legitimiſten, Conſervativen und Thiers-Barrot, daß man den Com- miſſarien unbeſchränkte Gewalt ertheilt habe, und nur republicaniſche Ab- geordnete verlange, worauf ihnen erwiedert wird daß die den Commiſſarien verliehene Gewalt eine durch die Umſtände gebotene revolutionäre Gewalt ſey wie jene der proviſoriſchen Regierung ſelbſt, deren Ausfluß ſie iſt, daß aber der umſtändliche Inhalt des Rundſchreibens jede Beſorgniß des Miß- brauches beſeitige; was aber die Wahlen angehe, ſo könne der Regie- rung nicht zugemuthet werden daß ſie andere Abgeordnete wünſche als ſolche die der Republik ergeben ſind; der freie Wille der Wähler ſey durch dieſe Empfehlung auf keine Weiſe heeinträchtigt, und die proviſo- riſche Regierung habe ebenſowenig die Abſicht als die Macht dieſen freien Willen anders als durch freie Berathung zu lenken. Die Verfügung in Betreff der Nationalgarde iſt eine Verordnung der Geſammtregierung und keineswegs des Miniſters des Innern allein, ſie beruht auf dem Grundſatz der Gleichheit, der allen Gliedern der Nationalgarde zu gut kommen ſoll, ſie hat zum Zweck die allgemeine Verſchmelzung der Bür- germiliz herbeizuführen und zu verhindern daß einzelne Compagnien, wie die Grenadiercompagnien, ſich als ein Corps d’élite abſondern, was das Volk der drei Tage fern halten, nothwendig aufreizen und früh oder ſpät zur Bekämpfung der begünſtigten Cameraden verleiten würde. Hof- fentlich wird die Nationalgarde, die allzu ſchnell vergißt daß wir noch im Revolutionszuſtand leben, dieſe ernſten Gründe beachten, denn wenn über eine ſolche Frage ein neuer Kampf entbrennen ſollte, ſo würde ſie offen- bar das bewaffnete geſammte Volk von Paris gegen ſich haben. Heute hat die Nationalgarde, einige tauſend Mann, eine „Maniſeſtation“ auf dem Stadthaus gemacht; wiederholt ſie dieſelbe morgen, ſo möchte ſie leicht 80,000 Mann bewaffneter Arbeiter begegnen. Dieß die wahre Lage der Sache, ſie iſt wichtig genug um von allen gekannt und erkannt zu werden. ═ Paris, 17 März. Die Geſinnungsäußerung von geſtern hat den vorhergeſagten Ausgang gehabt. Etwa 15 bis 1800 Nationalgar- diſten fanden ſich auf dem Platze des Stadthauſes ein, andere wurden ſchon auf dem Weg dahin durch das andrängende Volk zurückgehalten. Auf dem Platze des Stadthauſes waren die Männer aus dem Volke und der Arbeiterclaſſe in ſolcher Mehrheit daß ſie nach und nach die Na- tionalgarde in ihre Mitte nahmen, umſchlangen und überflügelten. So ſcheiterte die ganze Aeußerung und dem Volke blieb der Sieg. „Laßt euern Weibern Müffe machen aus euren Bärenkappen“, riefen die jun- gen Leute den Patriciern in Uniform zu, und ringsum ſchallendes Ge- lächter. Auf einmal öffnete ſich die dichte Maſſe und die Nationalgarde zog eilig davon. So geſtern wo etwa 12 bis 15,000 Männer aus dem Volke zugegen waren. Heute aber hat die Gegenäußerung des Volks einen koloſſalen Charakter angenommen. Vor dem Revolutionsplatze und den elyſeiſchen Feldern zog das Volk von 11 Uhr bis gegen 2 Uhr vor das Stadthaus, der ganze Platz, die Nebenſtraßen, die Kaie, die Brücken waren dicht überſäet, Mann gegen Mann, wohl hunderttauſend an der Zahl, manche ſchätzen noch höher. Kein Lärm, keine Unord- nung; Rufen und Singen, Schwenken der Fahnen und Hüte, das war die Bewegung. Eine Deputation begab ſich zu der proviſoriſchen Re- gierung hinauf und trug ihr den Wunſch vor daß die Wahlen der Na- tionalgarde und der Nationalverſammlung verſchoben, auch die. Solda- ten von Paris fern gehalten werden. Nachdem dieſer Wunſch vorge- tragen, der Regierung eine Huldigung dargebracht, zog die ganze Menge friedlich und ordentlich in geſchloſſenen Reihen unter dem Ruf: „Es lebe die Republik!“ vor dem Stadthaus vorüber nach dem Ba- ſtillenplatz. Dieſe Disciplin, dieſe Ordnung iſt etwas neues, nieerleb- tes in der Volksfreiheit. ♯ Paris, 17 März Abends 5 Uhr. Ein Theil der auf dem Re- volutionsplatz verſammelt geweſenen Arbeiter kommt vom Stadthauſe eben zurück, und zieht die Marſeillaiſe ſingend um die Börſe herum. Die materielle Ruhe iſt übrigens nicht geſtört worden. Die Haltung der Nationalgarde flößt wieder einige Beruhigung ein gegenüber dieſen Kundgebungen der Arbeiter. Die Umwandlung der Schatzbons in 5procentige Rente zum Paricurſe oder je nach Wahl des Inhabers und Verlängerung auf 10 Monate hat ziemlich günſtig gewirkt an der Börſe. Bankactien ſind um 200 Fr. geſtiegen.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/18>, abgerufen am 21.11.2024.