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Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.

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[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 20 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Das deutsche Parlament.

Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut-
schen Volksstämme durch eine in der Bundesverfassung aufzunehmende
Volksvertretung diese Stämme mit einer Begeisterungskraft durchdrun-
gen hat, welche -- zumal bei dem hochherzigen Vorgang mehrerer deut-
schen Fürsten -- die sichere Aussicht gewährt daß demnächst an dieses
für das Wohl Deutschlands und aller einzelnen deutschen Länder und
Völkerschaften entscheidende, zur Heilung vielhundertjähriger Schäden
und Gebrechen bestimmte Werk die Hand werde gelegt werden, so
kommt es nun darauf an daß der Begeisterung für die Sache ein klares
Verständniß über die Bedingungen einer glücklichen Durchführung der-
selben sich beigeselle. Wenn wir in dieser Hinsicht den Blick derer die
an dem Werk zu arbeiten berufen sind, auf die Verfassung des nord-
amerikanischen Staatenbundes zu lenken suchen, so sind wir weit ent-
fernt ihn von unserer eigenen Geschichte und den aus. ihr entwickelten
Verhältnissen ablenken zu wollen. Vielmehr leitet uns hiebei gerade
eine Aehnlichkeit der Verhältnisse, in welcher bei allen sonstigen Ver-
schiedenheiten die beiden Nationen sich begegnen. Dort wie hier sehen
wir eine Mehrzahl selbständiger Staaten von außerordentlicher Ver-
schiedenheit des Umfangs, bei denen es sich davon handelt die provin-
zielle Selbständigkeit mit einer kräftigen Nationaleinheit zu vereinigen.
Dieses Problem, das Problem einer Staatseinrichtung welche eine
freie unabhängige Selbstthätigkeit in den Angelegenheiten des Orts
und der Provinz mit dem lebendigsten Bewußtseyn und der kräftigsten
Bethätigung der Nationaleinheit verbindet, ist in der amerikanischen
Union anerkanntermaßen auf eine bewunderungswürdige, durch die Er-
fahrungen eines Zeitraums von 60 bewegten Jahren glänzend erprobte
Weise gelöst worden. Bei dem was das Wesen dieses Problems aus-
macht, der Verbindung mehrerer selbständiger Staaten zu einer höhern
Staatseinheit, kommt es auf die monarchische oder republicanische Re-
gierungsform dieser Staaten nicht an. Sehen wir uns daher immer-
hin bei dem neuen Bau welchen wir zu entwerfen haben nach dem um
was die durch Erfahrung und kaltblütige Ueberlegung geläuterte Staats-
klugheit unserer Stammverwandten in Nordamerika mit einem weniger
als es bei uns der Fall ist der Irreleitung durch tausendfach sich kreu-
zende Verhältnisse und Rathschläge ausgesetzten Sinn geschaffen hat.
Eine kurze Darlegung der Grundprincipien der Unionsverfassung, auf
welche wir uns hier beschränkt sehen, wird das Bemerkte unterstützen.

Die Verfassung des nordamerikanischen Staatenvereins scheidet zu-
vörderst genau die Attributionen der Vereinsgewalt von denjenigen der ein-
zelnen Staaten nach dem Princip der allen Staaten oder der Nation gemein-
samen und der besonderen örtlichen und provinziellen Verhältnisse und In-
teressen. Zu den Attributionen des Staatenvereins (der Union) zählt sie
namentlich die Verhältnisse zum Auslande, die Wehreinrichtungen und
sonach die Land- und Seemacht, das Recht des Kriegs und Friedens,
die Zoll- und Handelsgesetzgebung, das Geldwesen, die Postanstalt,
das Recht der Strafgesetzgebung über Verbrechen gegen den Bund und
seine Einrichtungen. Für die Ausübung ihrer Attributionen gibt sie
der Vereinsregierung ihre eigenen Organe und Mittel, namentlich auch
das Recht der unmittelbaren Besteuerung, so daß dieselbe in der Ver-
kündigung und Vollziehung ihrer Beschlüsse nicht an die Vermittlung
der Regierungen der einzelnen Staaten und ihrer Behörden gebunden
ist, durch welche diese Verkündigung und Vollziehung so vielfach ge-
hemmt und entstellt werden kann, sondern daß die Vereinsregierung
innerhalb ihres Wirkungskreises in unmittelbarer Berührung mit der
Nation selbst steht.

Das oberste Organ der Vereinsgewalt ist aus dem Hause der Reprä-
sentanten, dem Senat und dem Präsidenten zusammengesetzt. Dem
Präsidenten kommt zunächst die vollziehende, den beiden Häusern der
Repräsentanten und des Senats die gesetzgebende Gewalt zu. Aber
diese beiderlei Gewalten sind nicht in absolutem Sinn in ihren Organen
von einander gesondert, vielmehr ist eine Ausgleichung der Gegensätze
durch Wechselwirkung und Zusammenhandeln vielfach vorgesehen. Der
Präsident nimmt an der Gesetzgebung theil, insofern er die beiden
Häuser zur Entwerfung von Gesetzen in bestimmter Richtung auffor-
dern und gegen die von ihnen angenommenen Gesetze ein Veto ausüben
kann, das erst unwirksam wird wenn nach zweimaliger Ausübung des-
[Spaltenumbruch] selben dasselbe Gesetz nochmals von den Häusern angenommen wird.
Die Häuser üben mancherlei Attributionen aus welche, streng genom-
men, zum Gebiet der vollziehenden Gewalt gehören, so ist z. B. die
Verwilligung von Erfindungspatenten zunächst Sache des Repräsen-
tantenhauses, und der Senat nimmt an sehr vielen wichtigen Acten der
Vollziehungsgewalt, z. B. an der Besetzung der diplomatischen Posten
und anderer Aemter, an der Abschließung von Staatsverträgen etc. in
der Art theil daß die deßhalb von dem Präsidenten zu machenden Vor-
schläge seiner Genehmigung unterliegen.

Merkwürdig für die vorzugsweise Bedeutung welche den einzelnen
Organen der obersten Bundesgewalt in dem Gesammtorganismus der-
selben zukommt, und zunächst auch für die jetzt in Deutschland vorlie-
gende Frage ist die Art ihrer Bestellung. Die Mitglieder des. Reprä-
sentantenhauses werden durch unmittelbare Volkswahl berufen, ihre
Erwählung ist unter die Bevölkerung des Gesammtgebiets der Ver-
einigten Staaten nach einem von dieser Bevölkerung hergenommenen
Maßstab vertheilt. Jn dem gedachten Hause stellt sich also zunächst die
Einheit der Gesammtnation dar. Der Senat wird zusammengesetzt,
indem das oberste Regierungsorgan eines jeden der in dem Verein be-
griffenen Einzelnstaaten, unabhängig von der Gebietsgröße und Be-
völkerung der letztern, die gleiche Zahl, nämlich zwei Mitglieder, in
denselben abordnet. Der Organismus der Einzelstaaten, in welche
die Nation sich theilt, ist es daher zunächst der in dem Senat sich dar-
stellt. Bei der Wahl des Präsidenten vereinigen sich die beiden in der
Bestellung der gesetzgebenden Körper getrennten Principien, jeder Einzel-
staat stellt eine der Zahl der ihm angehörigen Mitglieder der beiden ge-
setzgebenden Häuser gleiche Zahl von Wählern. Ergibt sich unter diesen
keine absolute Stimmenmehrheit für einen Candidaten, so wählt das
Haus der Repräsentanten aus den Candidaten zwischen welchen die
Stimmen sich theilten den Präsidenten, indem seine Mitglieder hiebei
nach Staaten abstimmen. Einen dritten wesentlichen Bestandtheil der
Unionsverfassung bildet das oberste Bundesgericht, das neben den ihm
als Appellationsinstanz bei Rechtsstreiten innerhalb der Sphäre der
Attributionen der Bundesgewalt zukommenden Befugnissen über Con-
flicte zwischen den obersten Organen dieser Gewalt untereinander oder
zwischen der Bundesgewalt und derjenigen der Einzelstaaten zu ent-
scheiden hat.

Wenden wir uns nun zu unsern deutschen Verhältnissen zurück, so
finden wir ein Analogon des Senats der Vereinigten Staaten in der
bestehenden Bundesversammlung, und zunächst dem engern Rath der-
selben bereits gegeben. Das Seitenstück des Repräsentantenhauses ist
dasjenige was unserer Bundesverfassung fehlt und dessen Hervorbildung
als allgemeines Bedürfniß gefühlt wird. Die Staaten sind in der von
den Regierungen besetzten Bundesversammlung vertreten, die Einheit
der Nation soll in der neuen Schöpfung repräsentirt werden. Ist hie-
durch über die Art und Weise wie die Mitglieder des deutschen Unter-
hauses bestellt werden sollen nicht in der Hauptsache bereits entschieden?
Seine Mitglieder können nicht wieder Abgeordnete der Staaten wie die
Mitglieder des Oberhauses, sie müssen Abgeordnete des Volkes seyn.
Das letztere sind sie nicht wenn sie, wie manche wohlmeinende, aber
offenbar nicht gehörig aufgeklärte Stimmen verlangen, von den Stände-
versammlungen der einzelnen Staaten gewählt werden.

Darf man annehmen daß in constitutionellen Staaten das Ministe-
rium und die Mehrheit der Ständeversammlung derselben politischen Rich-
tung angehören, so besteht zwischen der Wahl der Unterhausmitglieder,
wenn diese der Ständeversammlung zukommt, und der Ernennung der
Repräsentanten der Staatsregierungen im Oberhaus kein principieller
Unterschied, und während das Unterhaus die Einheit der Nation reprä-
sentiren soll, findet in der Bildung der Wahlcollegien für seine Mitglieder
alle die Verschiedenheit statt welche die Einrichtung der Ständeversamm-
lung in den einzelnen Bundesstaaten zuläßt. Es ist klar daß die Abge-
ordneten des Unterhauses, wenn dieses seiner Bestimmung entsprechen
soll, aus Wahlcollegien hervorgehen müssen die in allen deutschen Staaten
nach demselben Gesetz formirt sind, und denen ein quantitativ gleicher
Antheil an der Bildung der Nationalvertretung zukommt. Würde auf
60,000 Einwohner ein Wahlcollegium für einen Abgeordneten gerechnet,
so erhielte man bei einer Bundesbevölkerung von dreißig Millionen ein
Unterhaus von fünfhundert Mitgliedern. Uebrigens verlangen wir keine

Nr. 80.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 20 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Das deutſche Parlament.

ꖌ Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut-
ſchen Volksſtämme durch eine in der Bundesverfaſſung aufzunehmende
Volksvertretung dieſe Stämme mit einer Begeiſterungskraft durchdrun-
gen hat, welche — zumal bei dem hochherzigen Vorgang mehrerer deut-
ſchen Fürſten — die ſichere Ausſicht gewährt daß demnächſt an dieſes
für das Wohl Deutſchlands und aller einzelnen deutſchen Länder und
Völkerſchaften entſcheidende, zur Heilung vielhundertjähriger Schäden
und Gebrechen beſtimmte Werk die Hand werde gelegt werden, ſo
kommt es nun darauf an daß der Begeiſterung für die Sache ein klares
Verſtändniß über die Bedingungen einer glücklichen Durchführung der-
ſelben ſich beigeſelle. Wenn wir in dieſer Hinſicht den Blick derer die
an dem Werk zu arbeiten berufen ſind, auf die Verfaſſung des nord-
amerikaniſchen Staatenbundes zu lenken ſuchen, ſo ſind wir weit ent-
fernt ihn von unſerer eigenen Geſchichte und den aus. ihr entwickelten
Verhältniſſen ablenken zu wollen. Vielmehr leitet uns hiebei gerade
eine Aehnlichkeit der Verhältniſſe, in welcher bei allen ſonſtigen Ver-
ſchiedenheiten die beiden Nationen ſich begegnen. Dort wie hier ſehen
wir eine Mehrzahl ſelbſtändiger Staaten von außerordentlicher Ver-
ſchiedenheit des Umfangs, bei denen es ſich davon handelt die provin-
zielle Selbſtändigkeit mit einer kräftigen Nationaleinheit zu vereinigen.
Dieſes Problem, das Problem einer Staatseinrichtung welche eine
freie unabhängige Selbſtthätigkeit in den Angelegenheiten des Orts
und der Provinz mit dem lebendigſten Bewußtſeyn und der kräftigſten
Bethätigung der Nationaleinheit verbindet, iſt in der amerikaniſchen
Union anerkanntermaßen auf eine bewunderungswürdige, durch die Er-
fahrungen eines Zeitraums von 60 bewegten Jahren glänzend erprobte
Weiſe gelöst worden. Bei dem was das Weſen dieſes Problems aus-
macht, der Verbindung mehrerer ſelbſtändiger Staaten zu einer höhern
Staatseinheit, kommt es auf die monarchiſche oder republicaniſche Re-
gierungsform dieſer Staaten nicht an. Sehen wir uns daher immer-
hin bei dem neuen Bau welchen wir zu entwerfen haben nach dem um
was die durch Erfahrung und kaltblütige Ueberlegung geläuterte Staats-
klugheit unſerer Stammverwandten in Nordamerika mit einem weniger
als es bei uns der Fall iſt der Irreleitung durch tauſendfach ſich kreu-
zende Verhältniſſe und Rathſchläge ausgeſetzten Sinn geſchaffen hat.
Eine kurze Darlegung der Grundprincipien der Unionsverfaſſung, auf
welche wir uns hier beſchränkt ſehen, wird das Bemerkte unterſtützen.

Die Verfaſſung des nordamerikaniſchen Staatenvereins ſcheidet zu-
vörderſt genau die Attributionen der Vereinsgewalt von denjenigen der ein-
zelnen Staaten nach dem Princip der allen Staaten oder der Nation gemein-
ſamen und der beſonderen örtlichen und provinziellen Verhältniſſe und In-
tereſſen. Zu den Attributionen des Staatenvereins (der Union) zählt ſie
namentlich die Verhältniſſe zum Auslande, die Wehreinrichtungen und
ſonach die Land- und Seemacht, das Recht des Kriegs und Friedens,
die Zoll- und Handelsgeſetzgebung, das Geldweſen, die Poſtanſtalt,
das Recht der Strafgeſetzgebung über Verbrechen gegen den Bund und
ſeine Einrichtungen. Für die Ausübung ihrer Attributionen gibt ſie
der Vereinsregierung ihre eigenen Organe und Mittel, namentlich auch
das Recht der unmittelbaren Beſteuerung, ſo daß dieſelbe in der Ver-
kündigung und Vollziehung ihrer Beſchlüſſe nicht an die Vermittlung
der Regierungen der einzelnen Staaten und ihrer Behörden gebunden
iſt, durch welche dieſe Verkündigung und Vollziehung ſo vielfach ge-
hemmt und entſtellt werden kann, ſondern daß die Vereinsregierung
innerhalb ihres Wirkungskreiſes in unmittelbarer Berührung mit der
Nation ſelbſt ſteht.

Das oberſte Organ der Vereinsgewalt iſt aus dem Hauſe der Reprä-
ſentanten, dem Senat und dem Präſidenten zuſammengeſetzt. Dem
Präſidenten kommt zunächſt die vollziehende, den beiden Häuſern der
Repräſentanten und des Senats die geſetzgebende Gewalt zu. Aber
dieſe beiderlei Gewalten ſind nicht in abſolutem Sinn in ihren Organen
von einander geſondert, vielmehr iſt eine Ausgleichung der Gegenſätze
durch Wechſelwirkung und Zuſammenhandeln vielfach vorgeſehen. Der
Präſident nimmt an der Geſetzgebung theil, inſofern er die beiden
Häuſer zur Entwerfung von Geſetzen in beſtimmter Richtung auffor-
dern und gegen die von ihnen angenommenen Geſetze ein Veto ausüben
kann, das erſt unwirkſam wird wenn nach zweimaliger Ausübung des-
[Spaltenumbruch] ſelben dasſelbe Geſetz nochmals von den Häuſern angenommen wird.
Die Häuſer üben mancherlei Attributionen aus welche, ſtreng genom-
men, zum Gebiet der vollziehenden Gewalt gehören, ſo iſt z. B. die
Verwilligung von Erfindungspatenten zunächſt Sache des Repräſen-
tantenhauſes, und der Senat nimmt an ſehr vielen wichtigen Acten der
Vollziehungsgewalt, z. B. an der Beſetzung der diplomatiſchen Poſten
und anderer Aemter, an der Abſchließung von Staatsverträgen ꝛc. in
der Art theil daß die deßhalb von dem Präſidenten zu machenden Vor-
ſchläge ſeiner Genehmigung unterliegen.

Merkwürdig für die vorzugsweiſe Bedeutung welche den einzelnen
Organen der oberſten Bundesgewalt in dem Geſammtorganismus der-
ſelben zukommt, und zunächſt auch für die jetzt in Deutſchland vorlie-
gende Frage iſt die Art ihrer Beſtellung. Die Mitglieder des. Reprä-
ſentantenhauſes werden durch unmittelbare Volkswahl berufen, ihre
Erwählung iſt unter die Bevölkerung des Geſammtgebiets der Ver-
einigten Staaten nach einem von dieſer Bevölkerung hergenommenen
Maßſtab vertheilt. Jn dem gedachten Hauſe ſtellt ſich alſo zunächſt die
Einheit der Geſammtnation dar. Der Senat wird zuſammengeſetzt,
indem das oberſte Regierungsorgan eines jeden der in dem Verein be-
griffenen Einzelnſtaaten, unabhängig von der Gebietsgröße und Be-
völkerung der letztern, die gleiche Zahl, nämlich zwei Mitglieder, in
denſelben abordnet. Der Organismus der Einzelſtaaten, in welche
die Nation ſich theilt, iſt es daher zunächſt der in dem Senat ſich dar-
ſtellt. Bei der Wahl des Präſidenten vereinigen ſich die beiden in der
Beſtellung der geſetzgebenden Körper getrennten Principien, jeder Einzel-
ſtaat ſtellt eine der Zahl der ihm angehörigen Mitglieder der beiden ge-
ſetzgebenden Häuſer gleiche Zahl von Wählern. Ergibt ſich unter dieſen
keine abſolute Stimmenmehrheit für einen Candidaten, ſo wählt das
Haus der Repräſentanten aus den Candidaten zwiſchen welchen die
Stimmen ſich theilten den Präſidenten, indem ſeine Mitglieder hiebei
nach Staaten abſtimmen. Einen dritten weſentlichen Beſtandtheil der
Unionsverfaſſung bildet das oberſte Bundesgericht, das neben den ihm
als Appellationsinſtanz bei Rechtsſtreiten innerhalb der Sphäre der
Attributionen der Bundesgewalt zukommenden Befugniſſen über Con-
flicte zwiſchen den oberſten Organen dieſer Gewalt untereinander oder
zwiſchen der Bundesgewalt und derjenigen der Einzelſtaaten zu ent-
ſcheiden hat.

Wenden wir uns nun zu unſern deutſchen Verhältniſſen zurück, ſo
finden wir ein Analogon des Senats der Vereinigten Staaten in der
beſtehenden Bundesverſammlung, und zunächſt dem engern Rath der-
ſelben bereits gegeben. Das Seitenſtück des Repräſentantenhauſes iſt
dasjenige was unſerer Bundesverfaſſung fehlt und deſſen Hervorbildung
als allgemeines Bedürfniß gefühlt wird. Die Staaten ſind in der von
den Regierungen beſetzten Bundesverſammlung vertreten, die Einheit
der Nation ſoll in der neuen Schöpfung repräſentirt werden. Iſt hie-
durch über die Art und Weiſe wie die Mitglieder des deutſchen Unter-
hauſes beſtellt werden ſollen nicht in der Hauptſache bereits entſchieden?
Seine Mitglieder können nicht wieder Abgeordnete der Staaten wie die
Mitglieder des Oberhauſes, ſie müſſen Abgeordnete des Volkes ſeyn.
Das letztere ſind ſie nicht wenn ſie, wie manche wohlmeinende, aber
offenbar nicht gehörig aufgeklärte Stimmen verlangen, von den Stände-
verſammlungen der einzelnen Staaten gewählt werden.

Darf man annehmen daß in conſtitutionellen Staaten das Miniſte-
rium und die Mehrheit der Ständeverſammlung derſelben politiſchen Rich-
tung angehören, ſo beſteht zwiſchen der Wahl der Unterhausmitglieder,
wenn dieſe der Ständeverſammlung zukommt, und der Ernennung der
Repräſentanten der Staatsregierungen im Oberhaus kein principieller
Unterſchied, und während das Unterhaus die Einheit der Nation reprä-
ſentiren ſoll, findet in der Bildung der Wahlcollegien für ſeine Mitglieder
alle die Verſchiedenheit ſtatt welche die Einrichtung der Ständeverſamm-
lung in den einzelnen Bundesſtaaten zuläßt. Es iſt klar daß die Abge-
ordneten des Unterhauſes, wenn dieſes ſeiner Beſtimmung entſprechen
ſoll, aus Wahlcollegien hervorgehen müſſen die in allen deutſchen Staaten
nach demſelben Geſetz formirt ſind, und denen ein quantitativ gleicher
Antheil an der Bildung der Nationalvertretung zukommt. Würde auf
60,000 Einwohner ein Wahlcollegium für einen Abgeordneten gerechnet,
ſo erhielte man bei einer Bundesbevölkerung von dreißig Millionen ein
Unterhaus von fünfhundert Mitgliedern. Uebrigens verlangen wir keine

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[0009] Nr. 80. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 20 März 1848. Das deutſche Parlament. ꖌ Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut- ſchen Volksſtämme durch eine in der Bundesverfaſſung aufzunehmende Volksvertretung dieſe Stämme mit einer Begeiſterungskraft durchdrun- gen hat, welche — zumal bei dem hochherzigen Vorgang mehrerer deut- ſchen Fürſten — die ſichere Ausſicht gewährt daß demnächſt an dieſes für das Wohl Deutſchlands und aller einzelnen deutſchen Länder und Völkerſchaften entſcheidende, zur Heilung vielhundertjähriger Schäden und Gebrechen beſtimmte Werk die Hand werde gelegt werden, ſo kommt es nun darauf an daß der Begeiſterung für die Sache ein klares Verſtändniß über die Bedingungen einer glücklichen Durchführung der- ſelben ſich beigeſelle. Wenn wir in dieſer Hinſicht den Blick derer die an dem Werk zu arbeiten berufen ſind, auf die Verfaſſung des nord- amerikaniſchen Staatenbundes zu lenken ſuchen, ſo ſind wir weit ent- fernt ihn von unſerer eigenen Geſchichte und den aus. ihr entwickelten Verhältniſſen ablenken zu wollen. Vielmehr leitet uns hiebei gerade eine Aehnlichkeit der Verhältniſſe, in welcher bei allen ſonſtigen Ver- ſchiedenheiten die beiden Nationen ſich begegnen. Dort wie hier ſehen wir eine Mehrzahl ſelbſtändiger Staaten von außerordentlicher Ver- ſchiedenheit des Umfangs, bei denen es ſich davon handelt die provin- zielle Selbſtändigkeit mit einer kräftigen Nationaleinheit zu vereinigen. Dieſes Problem, das Problem einer Staatseinrichtung welche eine freie unabhängige Selbſtthätigkeit in den Angelegenheiten des Orts und der Provinz mit dem lebendigſten Bewußtſeyn und der kräftigſten Bethätigung der Nationaleinheit verbindet, iſt in der amerikaniſchen Union anerkanntermaßen auf eine bewunderungswürdige, durch die Er- fahrungen eines Zeitraums von 60 bewegten Jahren glänzend erprobte Weiſe gelöst worden. Bei dem was das Weſen dieſes Problems aus- macht, der Verbindung mehrerer ſelbſtändiger Staaten zu einer höhern Staatseinheit, kommt es auf die monarchiſche oder republicaniſche Re- gierungsform dieſer Staaten nicht an. Sehen wir uns daher immer- hin bei dem neuen Bau welchen wir zu entwerfen haben nach dem um was die durch Erfahrung und kaltblütige Ueberlegung geläuterte Staats- klugheit unſerer Stammverwandten in Nordamerika mit einem weniger als es bei uns der Fall iſt der Irreleitung durch tauſendfach ſich kreu- zende Verhältniſſe und Rathſchläge ausgeſetzten Sinn geſchaffen hat. Eine kurze Darlegung der Grundprincipien der Unionsverfaſſung, auf welche wir uns hier beſchränkt ſehen, wird das Bemerkte unterſtützen. Die Verfaſſung des nordamerikaniſchen Staatenvereins ſcheidet zu- vörderſt genau die Attributionen der Vereinsgewalt von denjenigen der ein- zelnen Staaten nach dem Princip der allen Staaten oder der Nation gemein- ſamen und der beſonderen örtlichen und provinziellen Verhältniſſe und In- tereſſen. Zu den Attributionen des Staatenvereins (der Union) zählt ſie namentlich die Verhältniſſe zum Auslande, die Wehreinrichtungen und ſonach die Land- und Seemacht, das Recht des Kriegs und Friedens, die Zoll- und Handelsgeſetzgebung, das Geldweſen, die Poſtanſtalt, das Recht der Strafgeſetzgebung über Verbrechen gegen den Bund und ſeine Einrichtungen. Für die Ausübung ihrer Attributionen gibt ſie der Vereinsregierung ihre eigenen Organe und Mittel, namentlich auch das Recht der unmittelbaren Beſteuerung, ſo daß dieſelbe in der Ver- kündigung und Vollziehung ihrer Beſchlüſſe nicht an die Vermittlung der Regierungen der einzelnen Staaten und ihrer Behörden gebunden iſt, durch welche dieſe Verkündigung und Vollziehung ſo vielfach ge- hemmt und entſtellt werden kann, ſondern daß die Vereinsregierung innerhalb ihres Wirkungskreiſes in unmittelbarer Berührung mit der Nation ſelbſt ſteht. Das oberſte Organ der Vereinsgewalt iſt aus dem Hauſe der Reprä- ſentanten, dem Senat und dem Präſidenten zuſammengeſetzt. Dem Präſidenten kommt zunächſt die vollziehende, den beiden Häuſern der Repräſentanten und des Senats die geſetzgebende Gewalt zu. Aber dieſe beiderlei Gewalten ſind nicht in abſolutem Sinn in ihren Organen von einander geſondert, vielmehr iſt eine Ausgleichung der Gegenſätze durch Wechſelwirkung und Zuſammenhandeln vielfach vorgeſehen. Der Präſident nimmt an der Geſetzgebung theil, inſofern er die beiden Häuſer zur Entwerfung von Geſetzen in beſtimmter Richtung auffor- dern und gegen die von ihnen angenommenen Geſetze ein Veto ausüben kann, das erſt unwirkſam wird wenn nach zweimaliger Ausübung des- ſelben dasſelbe Geſetz nochmals von den Häuſern angenommen wird. Die Häuſer üben mancherlei Attributionen aus welche, ſtreng genom- men, zum Gebiet der vollziehenden Gewalt gehören, ſo iſt z. B. die Verwilligung von Erfindungspatenten zunächſt Sache des Repräſen- tantenhauſes, und der Senat nimmt an ſehr vielen wichtigen Acten der Vollziehungsgewalt, z. B. an der Beſetzung der diplomatiſchen Poſten und anderer Aemter, an der Abſchließung von Staatsverträgen ꝛc. in der Art theil daß die deßhalb von dem Präſidenten zu machenden Vor- ſchläge ſeiner Genehmigung unterliegen. Merkwürdig für die vorzugsweiſe Bedeutung welche den einzelnen Organen der oberſten Bundesgewalt in dem Geſammtorganismus der- ſelben zukommt, und zunächſt auch für die jetzt in Deutſchland vorlie- gende Frage iſt die Art ihrer Beſtellung. Die Mitglieder des. Reprä- ſentantenhauſes werden durch unmittelbare Volkswahl berufen, ihre Erwählung iſt unter die Bevölkerung des Geſammtgebiets der Ver- einigten Staaten nach einem von dieſer Bevölkerung hergenommenen Maßſtab vertheilt. Jn dem gedachten Hauſe ſtellt ſich alſo zunächſt die Einheit der Geſammtnation dar. Der Senat wird zuſammengeſetzt, indem das oberſte Regierungsorgan eines jeden der in dem Verein be- griffenen Einzelnſtaaten, unabhängig von der Gebietsgröße und Be- völkerung der letztern, die gleiche Zahl, nämlich zwei Mitglieder, in denſelben abordnet. Der Organismus der Einzelſtaaten, in welche die Nation ſich theilt, iſt es daher zunächſt der in dem Senat ſich dar- ſtellt. Bei der Wahl des Präſidenten vereinigen ſich die beiden in der Beſtellung der geſetzgebenden Körper getrennten Principien, jeder Einzel- ſtaat ſtellt eine der Zahl der ihm angehörigen Mitglieder der beiden ge- ſetzgebenden Häuſer gleiche Zahl von Wählern. Ergibt ſich unter dieſen keine abſolute Stimmenmehrheit für einen Candidaten, ſo wählt das Haus der Repräſentanten aus den Candidaten zwiſchen welchen die Stimmen ſich theilten den Präſidenten, indem ſeine Mitglieder hiebei nach Staaten abſtimmen. Einen dritten weſentlichen Beſtandtheil der Unionsverfaſſung bildet das oberſte Bundesgericht, das neben den ihm als Appellationsinſtanz bei Rechtsſtreiten innerhalb der Sphäre der Attributionen der Bundesgewalt zukommenden Befugniſſen über Con- flicte zwiſchen den oberſten Organen dieſer Gewalt untereinander oder zwiſchen der Bundesgewalt und derjenigen der Einzelſtaaten zu ent- ſcheiden hat. Wenden wir uns nun zu unſern deutſchen Verhältniſſen zurück, ſo finden wir ein Analogon des Senats der Vereinigten Staaten in der beſtehenden Bundesverſammlung, und zunächſt dem engern Rath der- ſelben bereits gegeben. Das Seitenſtück des Repräſentantenhauſes iſt dasjenige was unſerer Bundesverfaſſung fehlt und deſſen Hervorbildung als allgemeines Bedürfniß gefühlt wird. Die Staaten ſind in der von den Regierungen beſetzten Bundesverſammlung vertreten, die Einheit der Nation ſoll in der neuen Schöpfung repräſentirt werden. Iſt hie- durch über die Art und Weiſe wie die Mitglieder des deutſchen Unter- hauſes beſtellt werden ſollen nicht in der Hauptſache bereits entſchieden? Seine Mitglieder können nicht wieder Abgeordnete der Staaten wie die Mitglieder des Oberhauſes, ſie müſſen Abgeordnete des Volkes ſeyn. Das letztere ſind ſie nicht wenn ſie, wie manche wohlmeinende, aber offenbar nicht gehörig aufgeklärte Stimmen verlangen, von den Stände- verſammlungen der einzelnen Staaten gewählt werden. Darf man annehmen daß in conſtitutionellen Staaten das Miniſte- rium und die Mehrheit der Ständeverſammlung derſelben politiſchen Rich- tung angehören, ſo beſteht zwiſchen der Wahl der Unterhausmitglieder, wenn dieſe der Ständeverſammlung zukommt, und der Ernennung der Repräſentanten der Staatsregierungen im Oberhaus kein principieller Unterſchied, und während das Unterhaus die Einheit der Nation reprä- ſentiren ſoll, findet in der Bildung der Wahlcollegien für ſeine Mitglieder alle die Verſchiedenheit ſtatt welche die Einrichtung der Ständeverſamm- lung in den einzelnen Bundesſtaaten zuläßt. Es iſt klar daß die Abge- ordneten des Unterhauſes, wenn dieſes ſeiner Beſtimmung entſprechen ſoll, aus Wahlcollegien hervorgehen müſſen die in allen deutſchen Staaten nach demſelben Geſetz formirt ſind, und denen ein quantitativ gleicher Antheil an der Bildung der Nationalvertretung zukommt. Würde auf 60,000 Einwohner ein Wahlcollegium für einen Abgeordneten gerechnet, ſo erhielte man bei einer Bundesbevölkerung von dreißig Millionen ein Unterhaus von fünfhundert Mitgliedern. Uebrigens verlangen wir keine

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine80_1848/9>, abgerufen am 25.11.2024.