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Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Händen haben und sie kraftlos fühlen zu verhindern daß das Werk seines
Lebens in Trümmer ging, er sollte die neuen Ideen in den Vatican ein-
gedrungen, den Sonderbund und die Jesuiten vernichtet, die dritte
französische Revolution und endlich die Erhebung Deutschlands sehen.
Und welche Erhebung! In allen Gauen, in Städten und Dörfern, in
Süd und Nord, in Wien selbst, der treuen Kaiserstadt, vor den Fen-
stern seines Palastes, eine laute, einmüthige, unwiderstehliche Pro-
testation gegen sein Werk! Wohl hatten wir in Deutschland weit gerech-
tere Ursache mit den Satzungen von 1815 unzufrieden zu seyn als die Fran-
zosen, sie hatten aus ihrer Niederlage noch einen Theil ihrer alten Er-
oberungen gerettet -- Eroberungen von Deutschland -- sie waren als
freie Nation, als Rechtsstaat in die Restauration übergegangen. Aber
was hatten die Sieger gewonnen? Ein einseitiges Fürstenrecht, un-
erfüllte Verheißungen, Patriotenverfolgungen, die Quälerei unfrucht-
barer Verfassungsformen, eine hohe Staatspolizei als Nationalband!
Konnte es einen grausameren Hohn geben als diese Scheinsouveränetä-
ten, einen unberechtigteren Einfluß als den einer unsichtbaren Ober-
regierung durch geheime Noten und Protokolle, die, ohne Theilnahme
an dem Wohl und Wehe der deutschen Völker, bloß bemüht war sie
künstlich auseinanderzuhalten, ihr Gesammtbewußtseyn zu unterdrücken,
ihren Aufschwung zuhemmen, sie auf einer Stufe festzubannen wo sie bald
hinter allen Culturvölkern hätten zurückstehen müssen, wenn der Geist und
die ureigene Kraft, der Nation nicht stärker gewesen wären als diese blind
egoistische Staatskunst? Sie ist jetzt auch in Wien besiegt, Oesterreich
schwört zur großen Nationalsache, und damit hat die Wiedergeburt
Deutschlands erst ihre eigentliche Weihe erhalten. Vorher hatte die
Furcht vor einer Reaction überall wie ein unheimliches Gespenst herein-
geragt. Nie ist auch in dieser Beziehung die Unhaltbarkeit des jetzigen
Bundessystems auffallender zu Tag gekommen. Unter allen seinen Ein-
richtungen ward seine Kriegsverfassung als die verhältnißmäßig gelun-
genste gepriesen. Während die politische Thätigkeit der Bundesversamm-
lung eine rein negative blieb, waren wenigstens die Arbeiten ihrer Militär-
commission nicht erfolglos; wenn es schon auch hier nicht an sehr ge-
gründeten Beschwerden fehlt. Hat man doch den Bau der Bundes-
festungen zum Schutz von Oberdeutschland auf unverantwortliche Art
verspätet, und es nicht einmal zu einer Uebereinstimmung der Waffen,
des Commando und der Feldzeichen, der Gesetzgebung über Aushebung,
Beurlaubung, Landwehr und Volksbewaffnung gebracht! Wer zählt
die Hunderte von Millionen Gulden welche die deutsche Nation für
ihr Heerwesen und die landesherrlichen Soldatenliebhabereien geopfert
hat, und würde sie ein auswärtiger Krieg jetzt in Bereitschaft finden? Ja,
aber nur unter der Bedingung daß Deutschland als Ganzes und in seinen
einzelnen Gliedern so constituirt ist daß künftig Besorgnisse wie sie kürzlich
bei der Nachricht vom Anzug der Oesterreicher nach Ulm laut wurden,
unmöglich sind. Solange ein Theil des Bundesheeres als Vorhut der
Russen erscheinen, ein Bündniß mit dem Feinde der europäischen Civili-
sation Deutschland aufgedrungen werden konnte, war auch das Bundes-
heer mehr ein theures Spielzeug als eine wahrhaft schützende National-
macht. Alle diese Uebelstände können nun schnell gehoben werden nach-
dem auch Oesterreich die Fesseln des alten Systems abgestreift hat, dem
es im stillen geistigen Heranreifen entwachsen war. Oesterreich war
nicht nur der Träger desselben für sich, sondern auch der feste Anhalts-
punkt für die in allen deutschen Landen noch vorhandene rückwärts bli-
ckende Partei die sich um die Wiener Staatskanzlei wie um eine heilige
Caaba gelagert hatte, namentlich auch direct und indirect das Hin-
derniß für Preußens Fortschreiten auf der nationalen Bahn, einer der
Erklärungs- und Entschuldigungsgründe so mancher beklagenswerthen
Unentschiedenheiten und Halbheiten der preußischen Politik. Jn je schönerer
Einhelligkeit sich die deutsche Nation in diesen Tagen ausgesprochen hat, je
lebendiger die Gemüther von der Wahrheit ergriffen sind daß die Zeit des
Zauderns vorbei ist, desto mehr müssen auch unsere kältesten Staatsmänner
zu der Einsicht gelangen daß jede Politik die nicht ihren Mittelpunkt
in Deutschland hat, fortan ein Unding sey, daß es sich hier um keine Idea-
litäten überspannter Schwärmer mehr handle, sondern um Verwirk-
lichung des durch verhängnißschwere Thatsachen geoffenbarten Willens
einer großen Nation. Die Bauernbewegung im Süden, wie sehr sie
auch die gesetzlichen Schranken durchbricht, ist ein sprechender Beweis
daß nicht bloß die sogenannte gebildete Classe, daß auch die Masse und
der Kern des Volks sich der Wiedergeburt des Vaterlandes beigesellt.
Darum rasch aus Werk. Noch besteht der Bundestag, aber nur dem
Namen nach. Seine Gesetzgebung seit dreiunddreißig Jahren hat der
[Spaltenumbruch] Revolutionssturm in alle Winde geweht, und wer noch zweifeln könnte
daß die Uhr von 1815 abgelaufen sey, dem zeiget den Volksmann Karl
Welcker, vor dem sich der Bundespalast öffnet und der in den Bundes-
archiven nach den vergrabenen Protokollen forscht. Und wenn auch Lud-
wig Uhland in jene Hallen tritt, ist es nicht als ob des Sängers Wort
in Erfüllung gehe daß endlich ein Geist herniedergestiegen? Das ist
nicht der geringste Unsegen der nun auch in Oesterreich verurtheilten
Politik daß sie dieses Land dermaßen aus seinem natürlichen Zusam-
menhang mit den volkswirthschaftlichen Interessen des übrigen Deutsch-
lands herausriß, daß es jetzt, wo es die Constituirung der Nation auf
diesen Grundlagen gilt, kaum im Stande seyn dürfte so bald in die ihm
sonst zukommende Vorderstelle einzutreten. Oesterreich, durch Gesin-
nung deutsch und vorgeschobener Posten des Deutschthums gegen den
Orient, wird dem freigewordenen Zug seines Herzens folgen und sich
dem Mutterland, wenn dasselbe erst wieder Gestalt gewonnen hat, in-
niger einverleiben, aber die Frage wer sofort an die Spitze der Nation
zu stellen sey, müssen wir uns ohne Vorliebe und Abneigung beantworten.
Die Wahl ist nicht Geschmacksache, sie wird durch Nothwendigkeiten be-
stimmt. Die Deutsche Zeitung hat gemeldet daß in Stuttgart davon die
Rede gewesen sey Preußen die Hegemonie anzutragen. Von anderer
Seite wurde ein wechselndes Oberhaupt, von dritter ein Directorium,
zusammengesetzt aus zwei beständigen Mitgliedern der beiden deutschen
Großmächte und einem wählbaren auf Zeit, vorgeschlagen. Wenn man
vergessen kann daß hinter allen falschen Lösungen die Republik steht, wenn
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sprüche der Fürsten zu vermitteln, so sind diese beiden letzten Vorschläge
vortrefflich, und der erste noch besser als der zweite, weil er allen
Aussicht öffnet, und zwar Aussicht auf die Hauptrolle. Will aber die
Nation in kräftiger, achtunggebietender Einheit sich wieder aufbauen, so
verzichte man auf Subtilitäten und Künsteleien, appellire an den Pa-
triotismus der Dynastien und der Völker, und wähle einfach zwischen
Preußen oder Oesterreich. Denn wenn man den Machtverhältnissen
Rechnung trägt (und eine Politik welche dieß nicht thut, begeht eine
Sünde gegen die Natur), so kann nur zwischen diesen beiden die Wahl
seyn. Das Kleinere muß sich dem Größern beiordnen, nicht umgekehrt.
Oesterreich und Preußen, die Dioskuren Deutschlands, zwischen ihnen
schwankt die Wage. Alte glorreiche, wenn auch zum Theil schmerzliche
Erinnerungen und neue Ansprüche stehen einander gegenüber. Hier
das ehrwürdige Kaiserthum, jetzt wieder in frischer Jugendkraft erwacht
und den Entwicklungsproceß des lange gehemmten politischen Lebens nach-
holend, aber noch im Unklaren, und mit sich selbst, seinen besondern Zustän-
den und Interessen, den Conflicten der in seinem Schooß gährenden man-
nichfaltigen Volksthümer vollauf, vielleicht auf viele Jahre hinaus
beschäftigt. Dort das Königthum Friedrichs des Großen, schon an der
Spitze des Zollvereins, des Ausgangspunkts und der Grundlage unserer
deutschen Entwicklungen, sichern Schrittes, wenn auch zu langsam für die
ungeduldigen Geister, von der bureaukratischen Tradition zur nationalen
Politik vorschreitend, und auch in diesen sturmbewegten Zeiten in den Augen
Vieler die Burg an welche Fürsten und Völker sich mit Vertrauen anlehnen
können. Wird es aber noch bei den Völkern dieses Vertrauen bewahren
wenn es Petitionen mit Flintenschüssen beantwortet? Die Geschicke Deutsch-
lands sind dunkel. Wir entscheiden nicht, aber wir erinnern an deutsche Ge-
schichte, deutsche Vaterlandsliebe und deutsche Politik. Vor Alters, in einer
großen Vaterlandsgefahr, als nach dem Aussterben der Karolinger sichs
darum handelte ob das von den Normannen, Slaven und Ungarn be-
drängte Deutschland noch ein Reich und ein Volk seyn solle, ließen sich
die Franken nicht durch den Glanz der Krone blenden auf die sie die
erste Anwartschaft hatten, sondern willigten ein sie dem Würdigsten und
Mächtigsten zu übertragen. Diese hochherzige Selbstverläugnung hat
Deutschland die glänzende Reihe seiner sächsischen Könige und Kaiser ge-
geben. C. A. M.



Die neue Zeit in Deutschland.
III. Die Gegensätze.

Die Erschütterungen welche Deutschland in den letzten 14 Tagen
erfahren hat, müssen nothwendig die schneidendsten Gegensätze hervor-
rufen. Kein Zweifel daß an manchen Orten der Wunsch vorherrscht
den alten Stand der Dinge zurückzuführen, und es ist ganz unnöthig
diesen Wunsch verläugnen zu wollen, denn zu schroff war der Uebergang,
zu ungewiß und sturmverkündend ist die Zukunft. Dennoch nehmen wir
keinen Anstand diese Wünsche als durchaus thöricht zu bezeichnen, denn
es gibt einen Punkt an welchen sie durchaus scheitern müssen. Die Kraft

[Spaltenumbruch] Händen haben und ſie kraftlos fühlen zu verhindern daß das Werk ſeines
Lebens in Trümmer ging, er ſollte die neuen Ideen in den Vatican ein-
gedrungen, den Sonderbund und die Jeſuiten vernichtet, die dritte
franzöſiſche Revolution und endlich die Erhebung Deutſchlands ſehen.
Und welche Erhebung! In allen Gauen, in Städten und Dörfern, in
Süd und Nord, in Wien ſelbſt, der treuen Kaiſerſtadt, vor den Fen-
ſtern ſeines Palaſtes, eine laute, einmüthige, unwiderſtehliche Pro-
teſtation gegen ſein Werk! Wohl hatten wir in Deutſchland weit gerech-
tere Urſache mit den Satzungen von 1815 unzufrieden zu ſeyn als die Fran-
zoſen, ſie hatten aus ihrer Niederlage noch einen Theil ihrer alten Er-
oberungen gerettet — Eroberungen von Deutſchland — ſie waren als
freie Nation, als Rechtsſtaat in die Reſtauration übergegangen. Aber
was hatten die Sieger gewonnen? Ein einſeitiges Fürſtenrecht, un-
erfüllte Verheißungen, Patriotenverfolgungen, die Quälerei unfrucht-
barer Verfaſſungsformen, eine hohe Staatspolizei als Nationalband!
Konnte es einen grauſameren Hohn geben als dieſe Scheinſouveränetä-
ten, einen unberechtigteren Einfluß als den einer unſichtbaren Ober-
regierung durch geheime Noten und Protokolle, die, ohne Theilnahme
an dem Wohl und Wehe der deutſchen Völker, bloß bemüht war ſie
künſtlich auseinanderzuhalten, ihr Geſammtbewußtſeyn zu unterdrücken,
ihren Aufſchwung zuhemmen, ſie auf einer Stufe feſtzubannen wo ſie bald
hinter allen Culturvölkern hätten zurückſtehen müſſen, wenn der Geiſt und
die ureigene Kraft, der Nation nicht ſtärker geweſen wären als dieſe blind
egoiſtiſche Staatskunſt? Sie iſt jetzt auch in Wien beſiegt, Oeſterreich
ſchwört zur großen Nationalſache, und damit hat die Wiedergeburt
Deutſchlands erſt ihre eigentliche Weihe erhalten. Vorher hatte die
Furcht vor einer Reaction überall wie ein unheimliches Geſpenſt herein-
geragt. Nie iſt auch in dieſer Beziehung die Unhaltbarkeit des jetzigen
Bundesſyſtems auffallender zu Tag gekommen. Unter allen ſeinen Ein-
richtungen ward ſeine Kriegsverfaſſung als die verhältnißmäßig gelun-
genſte geprieſen. Während die politiſche Thätigkeit der Bundesverſamm-
lung eine rein negative blieb, waren wenigſtens die Arbeiten ihrer Militär-
commiſſion nicht erfolglos; wenn es ſchon auch hier nicht an ſehr ge-
gründeten Beſchwerden fehlt. Hat man doch den Bau der Bundes-
feſtungen zum Schutz von Oberdeutſchland auf unverantwortliche Art
verſpätet, und es nicht einmal zu einer Uebereinſtimmung der Waffen,
des Commando und der Feldzeichen, der Geſetzgebung über Aushebung,
Beurlaubung, Landwehr und Volksbewaffnung gebracht! Wer zählt
die Hunderte von Millionen Gulden welche die deutſche Nation für
ihr Heerweſen und die landesherrlichen Soldatenliebhabereien geopfert
hat, und würde ſie ein auswärtiger Krieg jetzt in Bereitſchaft finden? Ja,
aber nur unter der Bedingung daß Deutſchland als Ganzes und in ſeinen
einzelnen Gliedern ſo conſtituirt iſt daß künftig Beſorgniſſe wie ſie kürzlich
bei der Nachricht vom Anzug der Oeſterreicher nach Ulm laut wurden,
unmöglich ſind. Solange ein Theil des Bundesheeres als Vorhut der
Ruſſen erſcheinen, ein Bündniß mit dem Feinde der europäiſchen Civili-
ſation Deutſchland aufgedrungen werden konnte, war auch das Bundes-
heer mehr ein theures Spielzeug als eine wahrhaft ſchützende National-
macht. Alle dieſe Uebelſtände können nun ſchnell gehoben werden nach-
dem auch Oeſterreich die Feſſeln des alten Syſtems abgeſtreift hat, dem
es im ſtillen geiſtigen Heranreifen entwachſen war. Oeſterreich war
nicht nur der Träger desſelben für ſich, ſondern auch der feſte Anhalts-
punkt für die in allen deutſchen Landen noch vorhandene rückwärts bli-
ckende Partei die ſich um die Wiener Staatskanzlei wie um eine heilige
Caaba gelagert hatte, namentlich auch direct und indirect das Hin-
derniß für Preußens Fortſchreiten auf der nationalen Bahn, einer der
Erklärungs- und Entſchuldigungsgründe ſo mancher beklagenswerthen
Unentſchiedenheiten und Halbheiten der preußiſchen Politik. Jn je ſchönerer
Einhelligkeit ſich die deutſche Nation in dieſen Tagen ausgeſprochen hat, je
lebendiger die Gemüther von der Wahrheit ergriffen ſind daß die Zeit des
Zauderns vorbei iſt, deſto mehr müſſen auch unſere kälteſten Staatsmänner
zu der Einſicht gelangen daß jede Politik die nicht ihren Mittelpunkt
in Deutſchland hat, fortan ein Unding ſey, daß es ſich hier um keine Idea-
litäten überſpannter Schwärmer mehr handle, ſondern um Verwirk-
lichung des durch verhängnißſchwere Thatſachen geoffenbarten Willens
einer großen Nation. Die Bauernbewegung im Süden, wie ſehr ſie
auch die geſetzlichen Schranken durchbricht, iſt ein ſprechender Beweis
daß nicht bloß die ſogenannte gebildete Claſſe, daß auch die Maſſe und
der Kern des Volks ſich der Wiedergeburt des Vaterlandes beigeſellt.
Darum raſch aus Werk. Noch beſteht der Bundestag, aber nur dem
Namen nach. Seine Geſetzgebung ſeit dreiunddreißig Jahren hat der
[Spaltenumbruch] Revolutionsſturm in alle Winde geweht, und wer noch zweifeln könnte
daß die Uhr von 1815 abgelaufen ſey, dem zeiget den Volksmann Karl
Welcker, vor dem ſich der Bundespalaſt öffnet und der in den Bundes-
archiven nach den vergrabenen Protokollen forſcht. Und wenn auch Lud-
wig Uhland in jene Hallen tritt, iſt es nicht als ob des Sängers Wort
in Erfüllung gehe daß endlich ein Geiſt herniedergeſtiegen? Das iſt
nicht der geringſte Unſegen der nun auch in Oeſterreich verurtheilten
Politik daß ſie dieſes Land dermaßen aus ſeinem natürlichen Zuſam-
menhang mit den volkswirthſchaftlichen Intereſſen des übrigen Deutſch-
lands herausriß, daß es jetzt, wo es die Conſtituirung der Nation auf
dieſen Grundlagen gilt, kaum im Stande ſeyn dürfte ſo bald in die ihm
ſonſt zukommende Vorderſtelle einzutreten. Oeſterreich, durch Geſin-
nung deutſch und vorgeſchobener Poſten des Deutſchthums gegen den
Orient, wird dem freigewordenen Zug ſeines Herzens folgen und ſich
dem Mutterland, wenn dasſelbe erſt wieder Geſtalt gewonnen hat, in-
niger einverleiben, aber die Frage wer ſofort an die Spitze der Nation
zu ſtellen ſey, müſſen wir uns ohne Vorliebe und Abneigung beantworten.
Die Wahl iſt nicht Geſchmackſache, ſie wird durch Nothwendigkeiten be-
ſtimmt. Die Deutſche Zeitung hat gemeldet daß in Stuttgart davon die
Rede geweſen ſey Preußen die Hegemonie anzutragen. Von anderer
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zuſammengeſetzt aus zwei beſtändigen Mitgliedern der beiden deutſchen
Großmächte und einem wählbaren auf Zeit, vorgeſchlagen. Wenn man
vergeſſen kann daß hinter allen falſchen Löſungen die Republik ſteht, wenn
man nichts höheres im Auge hat als die auf Gleichheit eiferſüchtigen An-
ſprüche der Fürſten zu vermitteln, ſo ſind dieſe beiden letzten Vorſchläge
vortrefflich, und der erſte noch beſſer als der zweite, weil er allen
Ausſicht öffnet, und zwar Ausſicht auf die Hauptrolle. Will aber die
Nation in kräftiger, achtunggebietender Einheit ſich wieder aufbauen, ſo
verzichte man auf Subtilitäten und Künſteleien, appellire an den Pa-
triotismus der Dynaſtien und der Völker, und wähle einfach zwiſchen
Preußen oder Oeſterreich. Denn wenn man den Machtverhältniſſen
Rechnung trägt (und eine Politik welche dieß nicht thut, begeht eine
Sünde gegen die Natur), ſo kann nur zwiſchen dieſen beiden die Wahl
ſeyn. Das Kleinere muß ſich dem Größern beiordnen, nicht umgekehrt.
Oeſterreich und Preußen, die Dioskuren Deutſchlands, zwiſchen ihnen
ſchwankt die Wage. Alte glorreiche, wenn auch zum Theil ſchmerzliche
Erinnerungen und neue Anſprüche ſtehen einander gegenüber. Hier
das ehrwürdige Kaiſerthum, jetzt wieder in friſcher Jugendkraft erwacht
und den Entwicklungsproceß des lange gehemmten politiſchen Lebens nach-
holend, aber noch im Unklaren, und mit ſich ſelbſt, ſeinen beſondern Zuſtän-
den und Intereſſen, den Conflicten der in ſeinem Schooß gährenden man-
nichfaltigen Volksthümer vollauf, vielleicht auf viele Jahre hinaus
beſchäftigt. Dort das Königthum Friedrichs des Großen, ſchon an der
Spitze des Zollvereins, des Ausgangspunkts und der Grundlage unſerer
deutſchen Entwicklungen, ſichern Schrittes, wenn auch zu langſam für die
ungeduldigen Geiſter, von der bureaukratiſchen Tradition zur nationalen
Politik vorſchreitend, und auch in dieſen ſturmbewegten Zeiten in den Augen
Vieler die Burg an welche Fürſten und Völker ſich mit Vertrauen anlehnen
können. Wird es aber noch bei den Völkern dieſes Vertrauen bewahren
wenn es Petitionen mit Flintenſchüſſen beantwortet? Die Geſchicke Deutſch-
lands ſind dunkel. Wir entſcheiden nicht, aber wir erinnern an deutſche Ge-
ſchichte, deutſche Vaterlandsliebe und deutſche Politik. Vor Alters, in einer
großen Vaterlandsgefahr, als nach dem Ausſterben der Karolinger ſichs
darum handelte ob das von den Normannen, Slaven und Ungarn be-
drängte Deutſchland noch ein Reich und ein Volk ſeyn ſolle, ließen ſich
die Franken nicht durch den Glanz der Krone blenden auf die ſie die
erſte Anwartſchaft hatten, ſondern willigten ein ſie dem Würdigſten und
Mächtigſten zu übertragen. Dieſe hochherzige Selbſtverläugnung hat
Deutſchland die glänzende Reihe ſeiner ſächſiſchen Könige und Kaiſer ge-
geben. C. A. M.



Die neue Zeit in Deutſchland.
III. Die Gegenſätze.

Die Erſchütterungen welche Deutſchland in den letzten 14 Tagen
erfahren hat, müſſen nothwendig die ſchneidendſten Gegenſätze hervor-
rufen. Kein Zweifel daß an manchen Orten der Wunſch vorherrſcht
den alten Stand der Dinge zurückzuführen, und es iſt ganz unnöthig
dieſen Wunſch verläugnen zu wollen, denn zu ſchroff war der Uebergang,
zu ungewiß und ſturmverkündend iſt die Zukunft. Dennoch nehmen wir
keinen Anſtand dieſe Wünſche als durchaus thöricht zu bezeichnen, denn
es gibt einen Punkt an welchen ſie durchaus ſcheitern müſſen. Die Kraft

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[1275/0011] Händen haben und ſie kraftlos fühlen zu verhindern daß das Werk ſeines Lebens in Trümmer ging, er ſollte die neuen Ideen in den Vatican ein- gedrungen, den Sonderbund und die Jeſuiten vernichtet, die dritte franzöſiſche Revolution und endlich die Erhebung Deutſchlands ſehen. Und welche Erhebung! In allen Gauen, in Städten und Dörfern, in Süd und Nord, in Wien ſelbſt, der treuen Kaiſerſtadt, vor den Fen- ſtern ſeines Palaſtes, eine laute, einmüthige, unwiderſtehliche Pro- teſtation gegen ſein Werk! Wohl hatten wir in Deutſchland weit gerech- tere Urſache mit den Satzungen von 1815 unzufrieden zu ſeyn als die Fran- zoſen, ſie hatten aus ihrer Niederlage noch einen Theil ihrer alten Er- oberungen gerettet — Eroberungen von Deutſchland — ſie waren als freie Nation, als Rechtsſtaat in die Reſtauration übergegangen. Aber was hatten die Sieger gewonnen? Ein einſeitiges Fürſtenrecht, un- erfüllte Verheißungen, Patriotenverfolgungen, die Quälerei unfrucht- barer Verfaſſungsformen, eine hohe Staatspolizei als Nationalband! Konnte es einen grauſameren Hohn geben als dieſe Scheinſouveränetä- ten, einen unberechtigteren Einfluß als den einer unſichtbaren Ober- regierung durch geheime Noten und Protokolle, die, ohne Theilnahme an dem Wohl und Wehe der deutſchen Völker, bloß bemüht war ſie künſtlich auseinanderzuhalten, ihr Geſammtbewußtſeyn zu unterdrücken, ihren Aufſchwung zuhemmen, ſie auf einer Stufe feſtzubannen wo ſie bald hinter allen Culturvölkern hätten zurückſtehen müſſen, wenn der Geiſt und die ureigene Kraft, der Nation nicht ſtärker geweſen wären als dieſe blind egoiſtiſche Staatskunſt? Sie iſt jetzt auch in Wien beſiegt, Oeſterreich ſchwört zur großen Nationalſache, und damit hat die Wiedergeburt Deutſchlands erſt ihre eigentliche Weihe erhalten. Vorher hatte die Furcht vor einer Reaction überall wie ein unheimliches Geſpenſt herein- geragt. Nie iſt auch in dieſer Beziehung die Unhaltbarkeit des jetzigen Bundesſyſtems auffallender zu Tag gekommen. Unter allen ſeinen Ein- richtungen ward ſeine Kriegsverfaſſung als die verhältnißmäßig gelun- genſte geprieſen. Während die politiſche Thätigkeit der Bundesverſamm- lung eine rein negative blieb, waren wenigſtens die Arbeiten ihrer Militär- commiſſion nicht erfolglos; wenn es ſchon auch hier nicht an ſehr ge- gründeten Beſchwerden fehlt. Hat man doch den Bau der Bundes- feſtungen zum Schutz von Oberdeutſchland auf unverantwortliche Art verſpätet, und es nicht einmal zu einer Uebereinſtimmung der Waffen, des Commando und der Feldzeichen, der Geſetzgebung über Aushebung, Beurlaubung, Landwehr und Volksbewaffnung gebracht! Wer zählt die Hunderte von Millionen Gulden welche die deutſche Nation für ihr Heerweſen und die landesherrlichen Soldatenliebhabereien geopfert hat, und würde ſie ein auswärtiger Krieg jetzt in Bereitſchaft finden? Ja, aber nur unter der Bedingung daß Deutſchland als Ganzes und in ſeinen einzelnen Gliedern ſo conſtituirt iſt daß künftig Beſorgniſſe wie ſie kürzlich bei der Nachricht vom Anzug der Oeſterreicher nach Ulm laut wurden, unmöglich ſind. Solange ein Theil des Bundesheeres als Vorhut der Ruſſen erſcheinen, ein Bündniß mit dem Feinde der europäiſchen Civili- ſation Deutſchland aufgedrungen werden konnte, war auch das Bundes- heer mehr ein theures Spielzeug als eine wahrhaft ſchützende National- macht. Alle dieſe Uebelſtände können nun ſchnell gehoben werden nach- dem auch Oeſterreich die Feſſeln des alten Syſtems abgeſtreift hat, dem es im ſtillen geiſtigen Heranreifen entwachſen war. Oeſterreich war nicht nur der Träger desſelben für ſich, ſondern auch der feſte Anhalts- punkt für die in allen deutſchen Landen noch vorhandene rückwärts bli- ckende Partei die ſich um die Wiener Staatskanzlei wie um eine heilige Caaba gelagert hatte, namentlich auch direct und indirect das Hin- derniß für Preußens Fortſchreiten auf der nationalen Bahn, einer der Erklärungs- und Entſchuldigungsgründe ſo mancher beklagenswerthen Unentſchiedenheiten und Halbheiten der preußiſchen Politik. Jn je ſchönerer Einhelligkeit ſich die deutſche Nation in dieſen Tagen ausgeſprochen hat, je lebendiger die Gemüther von der Wahrheit ergriffen ſind daß die Zeit des Zauderns vorbei iſt, deſto mehr müſſen auch unſere kälteſten Staatsmänner zu der Einſicht gelangen daß jede Politik die nicht ihren Mittelpunkt in Deutſchland hat, fortan ein Unding ſey, daß es ſich hier um keine Idea- litäten überſpannter Schwärmer mehr handle, ſondern um Verwirk- lichung des durch verhängnißſchwere Thatſachen geoffenbarten Willens einer großen Nation. Die Bauernbewegung im Süden, wie ſehr ſie auch die geſetzlichen Schranken durchbricht, iſt ein ſprechender Beweis daß nicht bloß die ſogenannte gebildete Claſſe, daß auch die Maſſe und der Kern des Volks ſich der Wiedergeburt des Vaterlandes beigeſellt. Darum raſch aus Werk. Noch beſteht der Bundestag, aber nur dem Namen nach. Seine Geſetzgebung ſeit dreiunddreißig Jahren hat der Revolutionsſturm in alle Winde geweht, und wer noch zweifeln könnte daß die Uhr von 1815 abgelaufen ſey, dem zeiget den Volksmann Karl Welcker, vor dem ſich der Bundespalaſt öffnet und der in den Bundes- archiven nach den vergrabenen Protokollen forſcht. Und wenn auch Lud- wig Uhland in jene Hallen tritt, iſt es nicht als ob des Sängers Wort in Erfüllung gehe daß endlich ein Geiſt herniedergeſtiegen? Das iſt nicht der geringſte Unſegen der nun auch in Oeſterreich verurtheilten Politik daß ſie dieſes Land dermaßen aus ſeinem natürlichen Zuſam- menhang mit den volkswirthſchaftlichen Intereſſen des übrigen Deutſch- lands herausriß, daß es jetzt, wo es die Conſtituirung der Nation auf dieſen Grundlagen gilt, kaum im Stande ſeyn dürfte ſo bald in die ihm ſonſt zukommende Vorderſtelle einzutreten. Oeſterreich, durch Geſin- nung deutſch und vorgeſchobener Poſten des Deutſchthums gegen den Orient, wird dem freigewordenen Zug ſeines Herzens folgen und ſich dem Mutterland, wenn dasſelbe erſt wieder Geſtalt gewonnen hat, in- niger einverleiben, aber die Frage wer ſofort an die Spitze der Nation zu ſtellen ſey, müſſen wir uns ohne Vorliebe und Abneigung beantworten. Die Wahl iſt nicht Geſchmackſache, ſie wird durch Nothwendigkeiten be- ſtimmt. Die Deutſche Zeitung hat gemeldet daß in Stuttgart davon die Rede geweſen ſey Preußen die Hegemonie anzutragen. Von anderer Seite wurde ein wechſelndes Oberhaupt, von dritter ein Directorium, zuſammengeſetzt aus zwei beſtändigen Mitgliedern der beiden deutſchen Großmächte und einem wählbaren auf Zeit, vorgeſchlagen. Wenn man vergeſſen kann daß hinter allen falſchen Löſungen die Republik ſteht, wenn man nichts höheres im Auge hat als die auf Gleichheit eiferſüchtigen An- ſprüche der Fürſten zu vermitteln, ſo ſind dieſe beiden letzten Vorſchläge vortrefflich, und der erſte noch beſſer als der zweite, weil er allen Ausſicht öffnet, und zwar Ausſicht auf die Hauptrolle. Will aber die Nation in kräftiger, achtunggebietender Einheit ſich wieder aufbauen, ſo verzichte man auf Subtilitäten und Künſteleien, appellire an den Pa- triotismus der Dynaſtien und der Völker, und wähle einfach zwiſchen Preußen oder Oeſterreich. Denn wenn man den Machtverhältniſſen Rechnung trägt (und eine Politik welche dieß nicht thut, begeht eine Sünde gegen die Natur), ſo kann nur zwiſchen dieſen beiden die Wahl ſeyn. Das Kleinere muß ſich dem Größern beiordnen, nicht umgekehrt. Oeſterreich und Preußen, die Dioskuren Deutſchlands, zwiſchen ihnen ſchwankt die Wage. Alte glorreiche, wenn auch zum Theil ſchmerzliche Erinnerungen und neue Anſprüche ſtehen einander gegenüber. Hier das ehrwürdige Kaiſerthum, jetzt wieder in friſcher Jugendkraft erwacht und den Entwicklungsproceß des lange gehemmten politiſchen Lebens nach- holend, aber noch im Unklaren, und mit ſich ſelbſt, ſeinen beſondern Zuſtän- den und Intereſſen, den Conflicten der in ſeinem Schooß gährenden man- nichfaltigen Volksthümer vollauf, vielleicht auf viele Jahre hinaus beſchäftigt. Dort das Königthum Friedrichs des Großen, ſchon an der Spitze des Zollvereins, des Ausgangspunkts und der Grundlage unſerer deutſchen Entwicklungen, ſichern Schrittes, wenn auch zu langſam für die ungeduldigen Geiſter, von der bureaukratiſchen Tradition zur nationalen Politik vorſchreitend, und auch in dieſen ſturmbewegten Zeiten in den Augen Vieler die Burg an welche Fürſten und Völker ſich mit Vertrauen anlehnen können. Wird es aber noch bei den Völkern dieſes Vertrauen bewahren wenn es Petitionen mit Flintenſchüſſen beantwortet? Die Geſchicke Deutſch- lands ſind dunkel. Wir entſcheiden nicht, aber wir erinnern an deutſche Ge- ſchichte, deutſche Vaterlandsliebe und deutſche Politik. Vor Alters, in einer großen Vaterlandsgefahr, als nach dem Ausſterben der Karolinger ſichs darum handelte ob das von den Normannen, Slaven und Ungarn be- drängte Deutſchland noch ein Reich und ein Volk ſeyn ſolle, ließen ſich die Franken nicht durch den Glanz der Krone blenden auf die ſie die erſte Anwartſchaft hatten, ſondern willigten ein ſie dem Würdigſten und Mächtigſten zu übertragen. Dieſe hochherzige Selbſtverläugnung hat Deutſchland die glänzende Reihe ſeiner ſächſiſchen Könige und Kaiſer ge- geben. C. A. M. Die neue Zeit in Deutſchland. III. Die Gegenſätze. Die Erſchütterungen welche Deutſchland in den letzten 14 Tagen erfahren hat, müſſen nothwendig die ſchneidendſten Gegenſätze hervor- rufen. Kein Zweifel daß an manchen Orten der Wunſch vorherrſcht den alten Stand der Dinge zurückzuführen, und es iſt ganz unnöthig dieſen Wunſch verläugnen zu wollen, denn zu ſchroff war der Uebergang, zu ungewiß und ſturmverkündend iſt die Zukunft. Dennoch nehmen wir keinen Anſtand dieſe Wünſche als durchaus thöricht zu bezeichnen, denn es gibt einen Punkt an welchen ſie durchaus ſcheitern müſſen. Die Kraft

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848, S. 1275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine80_1848/11>, abgerufen am 24.11.2024.