[Spaltenumbruch]
und Osten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht fünf Cabinette haben den König von Preußen zur Hegemonie berufen; lehnt Preußen ab, zaudert es noch länger, so steht der Sonderbund da, und niemand darf die Cabinette die ihn dann schließen für dessen un- selige Folgen anklagen, die zum äußersten ein- und umschlagen werden, wenn und wo der, doch in sich verzweifelnde, störrische Eigensinn die Fortsetzung der Reaction versuchen sollte. Es ist ehrenwerth seine Exi- stenz an seine Ueberzeugung setzen, für und mit seinem Grundsatze unter- gehen, es ist aber ein Verbrechen sein Vaterland und sein Volk aufs Spiel setzen. Jndividuen können und sollen jenes; die Könige aber find nicht solche Jndividuen für sich, selbst von Gottes Gnaden find sie eins und untheilbar mit dem Volke, find in solchem Sinne das Höchste, eine Jdee. -- Damit aber Preußen, dessen fleckenloser König mit reiner Hand und reinem Leben, zu der persönlichen Achtung auch das feste Vertrauen der Nation gewinne, muß Preußen, damit es der starke Hort Deutsch- lands bleibe, rasch und entschlossen, ohne Arg und diplomatische Rück- sicht, in den Mittelpunkt treten; damit es diesen behaupten und die Be- wegung mit starker Hand bemeistern könne und dazu das Vertrauen der deutschen Nation gewinne, muß es in seinem Jnnern großartig das voll- enden was es minder so am 3 Febr. 1847 begonnen, die Repräsentativ- Verfassung geben, seine Kammern sofort berufen, ihnen die früher ver- sprochenen (wir glauben immer noch nicht eigentlich geweigerten, sondern nur, zu wenig vertrauend und die eigentlichen Verhältnisse verkennend, vielleicht kleinmüthigen oder persiden fremden Einflüssen zugänglich, zu- rückgehaltenen) Rechte -- es find alte gute Rechte, älter als die vorge- schützte Souveränetät -- eine breite Unterlage dem Wahlgesetze gewäh- ren, es muß dabei die Vertretung von der Scholle, an die sie, und höch- stens noch am Gelde, geknüpft war, lösen, auf der einen Seite das Ueber- gewicht der Aristokratie, auf der andern die Ausschließung der Jntelli- genz beseitigen. Dann aber muß es vor allem Deutschland und den Nachbarn gegenüber es in die Hand nehmen, die wahrhafte Vertretung der Nation, der ganzen deutschen Nation an und in dem deutschen Bunde, die Erfüllung dieser alten Forderung Deutschlands, ohne welche dieses als solches nicht mehr, nicht mehr Ordnung und Macht nach unten und oben, außen und innen bestehen kann, herzustellen. Daß dieß sein ehr- licher Wille, seine Aufgabe in großer schwerer Gegenwart sey, ehe alle Bande der Ordnung und des Rechts sich lösen und der Sturm der dann unbezwinglichen Verwirrung in den großen Massen, schon drohend am Horizont, hereinbricht, muß Preußen weltkundig und rasch aussprechen. Mit ihm ist so alles zu retten, ohne dasselbe für Deutschland und für Preußen alles verloren; denn der Sonderbund kann theilweise Wider- stand leisten, auf die Dauer nicht, er wird der Anfang vom Ende seyn. Nachschrift. Es verbreitet sich die Nachricht es würden sich auf Ein- ladung eines der größern Staaten Deutschlands die deutschen Fürsten noch im Laufe dieses Monats in Dresden zu einer persönlichen Bespre- chung versammeln. Wir freuen uns dessen aufrichtig, und mögen auch entfernt nicht den pessimistischen Befürchtungen unser Ohr, vielweniger unser Herz öffnen, als sey dort ein Congreß von Verona in Aussicht. So etwas läßt sich nicht zweimal thun, und unsere deutschen Fürsten find keine Bourbons die nichts lernen und nichts vergessen etc., das ist un- möglich! Aber rathsam ist es gewiß daß eine solche Zusammenkunft stattfinde; sie kann und wird in einem Tage mehr fördern und sichern als Wochen und Monate der Beschickungen und Verhandlungen aus der Ferne. Wenn deutsche Männer tagen, dürfen ihre Fürsten nicht feiern; redlich und frei zusammentreten müssen alle deutschen Herzen, jedes für seine Aufgabe in den Tagen der gemeinsamen Gefahr. Nur, und das gestehen wir freimüthig, das wünschen wir daß um der im Vertrauen Schwachen und um der Bösen willen, die auch nicht feiern, nicht Dres- den gewählt werde. Nürnberg oder noch besser Frankfurt a. M. wäre der rechte Ort, um so mehr als auch geschichtlich in diesen, wie ehemals reichs- so jetzt verdachtfreien Städten der deutsche Königsstuhl schon oft stand. Selbst der am Rhein bei Rhense wieder aufgerichtete Königs- stuhl oder dessen unmittelbare Nähe, Stolzenfels, wäre uns lieber als Dresden. Handelt es sich doch nach langer, langer Zeit einmal wieder darum der deutschen Nation Einen Führer zu küren -- handelt es sich doch eine große deutsche Bewegung von einem Mittelpunkt aus in feste sichere Hand zu legen und zu nehmen; dazu mögen unsere Fürsten in den Mittelpunkt derselben Bewegung treten. Das ist Dresden nicht; das ist Frankfurt a. M. vor allem. Et -- audaces fortuna juvat.*)
[Spaltenumbruch]
Köln, 15 März.
Daß der Prinz von Preußen, auf dessen Empfang alles vorbereitet war, hier angekommen, beruht auf einem Mißverständniß; aus sicherer Quelle läuft die Nachricht ein daß seine Herkunft verschoben ist. Uebermorgen früh wird eine aus zwölf Mitgliedern bestehende Deputation des Stadtraths nach Berlin ab- gehen um dem König persönlich die Lage der Stadt und des Landes darzustellen. Sie werden Se. Maj. besonders auf die drohenden Folgen des allgemein erschütterten Zutrauens aufmerksam machen. Die Auf- träge hören auf, der Absatz steht still, große Häuser brechen, die Ar- beiter werden entlassen. Schon ziehen sie hier durch die Straßen, und verlangen auf dem Rathhause Beschäftigung. Die rheinischen Abgeord- neten haben sämmtliche Abgeordnete des Vereinigten preußischen Land- tags von ihrer Vorstellung an den König in Kenntniß gesetzt, und sie aufgefordert ihrem Beispiel zu folgen. Hier laufen eine Menge Auf- rufe ein gegen die Russen, gegen den deutschen Bund, für die Republik etc. Ein hiesiger Weinhändler hat die Nachricht erhalten daß sein Besitzthum am Johannisberg verschont, das Eigenthum des Fürsten Metternich dagegen verwüstet sey (also zusammentreffend mit dem Ausstand von Wien).
Berlin, 15 März.
Was wir gestern in einer Correspondenz über die Rede des Königs an die Adressedeputation des Magistrats und der Stadtverordneten von Berlin mittheilten, können wir heute aus der Allg. Pr. Z. berichtigen und ergänzen. Diese, nachdem sie die Adresse abgedruckt hat, fährt fort: Se. Majestät geruhten hierauf im wesentlichen folgendes zu äußern: "Se. Majestät fühlten die Be- deutung des Augenblicks; es sey die erste Adresse welche Sie in die- ser bewegten Zeit von Hand zu Hand entgegennehmen, und es sey Allerhöchstihnen ein angenehmes Gefühl daß Sie von ihrer lieben Vaterstadt komme, die sich auch in dieser Zeit der Bewegung in er- freulichster Weise bewährt habe. Wenn es ringsum koche, dürfe man freilich nicht erwarten daß hier allein die Stimmung unter dem Gefrierpunkte stehe, und erwäge man dieß, so sey es anerkennungs- werth daß in einer Stadt von solcher Größe, in der es an reichli- chen Elementen der Unruhe nicht fehle, die Ordnung nicht erheblich gestört sey. Selbst der gestrige Abend könne dieses Anerkenntniß nicht wesentlich trüben; denn bei allen denen auf deren Benehmen Se. Majestät Werth lege, wäre die ruhigste und besonnenste Haltung zu erkennen, und Sie seyen über die Haltung der Bürger erfreut gewe- sen. Was die Adresse selbst betreffe, so könne Se. Majestät nicht, wie es in andern Ländern Sitte sey, darauf in wohlstylisirter Rede antworten; nur im Conversationston wollten Sie einige Worte er- wiedern. Zunächst freuten Sie Sich auf die Hauptbitte erwiedern zu können daß sie bereits gewährt sey. Die Einberufung des Ver- einigten Landtags sey seit mehreren Tagen beschlossen, und das Be- rufungspatent bereits vollzogen. Mit Zuversicht sehe der König des- sen naher Versammlung entgegen, da ächtpreußische Gesinnung in Tagen der Gefahr am wenigsten fehlen werde. Mit vollster Offen- heit und vollstem Vertrauen würden Se. Majestät dem Landtage ent- gegentreten. Ihre Losung sey: "freie Völker" "freie Fürsten;" nur wenn beide frei wären, könne die wahre Wohlfahrt gedeihen! Die andern Bitten könnten nur durch den Landtag ihre Lösung erhalten; ein nähe- res Eingehen darauf sey daher nicht nöthig. Doch eines Ausdrucks der Adresse müßten Se. Majestät erwähnen, desjenigen nämlich welcher gegen die allmähliche Entwicklung der Verfassung gerichtet sey; die- sem könnten Sie nicht unbedingt beitreten. Es gebe gewisse Dinge die sich nicht übereilen ließen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle sie auf den Kopf zu stellen. Das lehre ja auch die Geschichte des Nachbarlandes, wo sich innerhalb Menschengedenken fünfzehn beschworene Verfassungen einander verdrängt hätten, wo erst neuerdings das selbst- geschaffene Gebäude zusammengefallen sey. Nicht in sechs Wochen dürfe man z. B. ein Haus bauen, welches zu bauen anderthalb Jahre erfordere: auch nicht auf Sand dürfe man es bauen wenn es bestehen solle! -- Kühn und bedächtig, das seyen die Losungsworte je- des guten Feldherrn; ungestraft dürften sie nicht getrennt, nicht das eine über dem andern vergessen werden! Das wollten auch Se. Majestät nicht vergessen. Die gute alte deutsche Ordnung dürfe nicht unbeachtet bleiben; auch die Gliederung der Stände sei deutsch; wer dagegen anstrebe, der setze sich Gefahren aus. Auch dafür fehle es nicht an Beispielen; ebenso der Besitz als althergebrachte Grundlage der Standschaft komme in Betracht. Doch alles dieses könne nur mit dem Landtag erledigt werden; wie Se. Majestät ihm
*) Der Verfasser obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er diese trüben Betrachtungen niederschrieb, der Umschwung der Dinge in Wien vollendet war.
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und Oſten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht fünf Cabinette haben den König von Preußen zur Hegemonie berufen; lehnt Preußen ab, zaudert es noch länger, ſo ſteht der Sonderbund da, und niemand darf die Cabinette die ihn dann ſchließen für deſſen un- ſelige Folgen anklagen, die zum äußerſten ein- und umſchlagen werden, wenn und wo der, doch in ſich verzweifelnde, ſtörriſche Eigenſinn die Fortſetzung der Reaction verſuchen ſollte. Es iſt ehrenwerth ſeine Exi- ſtenz an ſeine Ueberzeugung ſetzen, für und mit ſeinem Grundſatze unter- gehen, es iſt aber ein Verbrechen ſein Vaterland und ſein Volk aufs Spiel ſetzen. Jndividuen können und ſollen jenes; die Könige aber find nicht ſolche Jndividuen für ſich, ſelbſt von Gottes Gnaden find ſie eins und untheilbar mit dem Volke, find in ſolchem Sinne das Höchſte, eine Jdee. — Damit aber Preußen, deſſen fleckenloſer König mit reiner Hand und reinem Leben, zu der perſönlichen Achtung auch das feſte Vertrauen der Nation gewinne, muß Preußen, damit es der ſtarke Hort Deutſch- lands bleibe, raſch und entſchloſſen, ohne Arg und diplomatiſche Rück- ſicht, in den Mittelpunkt treten; damit es dieſen behaupten und die Be- wegung mit ſtarker Hand bemeiſtern könne und dazu das Vertrauen der deutſchen Nation gewinne, muß es in ſeinem Jnnern großartig das voll- enden was es minder ſo am 3 Febr. 1847 begonnen, die Repräſentativ- Verfaſſung geben, ſeine Kammern ſofort berufen, ihnen die früher ver- ſprochenen (wir glauben immer noch nicht eigentlich geweigerten, ſondern nur, zu wenig vertrauend und die eigentlichen Verhältniſſe verkennend, vielleicht kleinmüthigen oder perſiden fremden Einflüſſen zugänglich, zu- rückgehaltenen) Rechte — es find alte gute Rechte, älter als die vorge- ſchützte Souveränetät — eine breite Unterlage dem Wahlgeſetze gewäh- ren, es muß dabei die Vertretung von der Scholle, an die ſie, und höch- ſtens noch am Gelde, geknüpft war, löſen, auf der einen Seite das Ueber- gewicht der Ariſtokratie, auf der andern die Ausſchließung der Jntelli- genz beſeitigen. Dann aber muß es vor allem Deutſchland und den Nachbarn gegenüber es in die Hand nehmen, die wahrhafte Vertretung der Nation, der ganzen deutſchen Nation an und in dem deutſchen Bunde, die Erfüllung dieſer alten Forderung Deutſchlands, ohne welche dieſes als ſolches nicht mehr, nicht mehr Ordnung und Macht nach unten und oben, außen und innen beſtehen kann, herzuſtellen. Daß dieß ſein ehr- licher Wille, ſeine Aufgabe in großer ſchwerer Gegenwart ſey, ehe alle Bande der Ordnung und des Rechts ſich löſen und der Sturm der dann unbezwinglichen Verwirrung in den großen Maſſen, ſchon drohend am Horizont, hereinbricht, muß Preußen weltkundig und raſch ausſprechen. Mit ihm iſt ſo alles zu retten, ohne dasſelbe für Deutſchland und für Preußen alles verloren; denn der Sonderbund kann theilweiſe Wider- ſtand leiſten, auf die Dauer nicht, er wird der Anfang vom Ende ſeyn. Nachſchrift. Es verbreitet ſich die Nachricht es würden ſich auf Ein- ladung eines der größern Staaten Deutſchlands die deutſchen Fürſten noch im Laufe dieſes Monats in Dresden zu einer perſönlichen Beſpre- chung verſammeln. Wir freuen uns deſſen aufrichtig, und mögen auch entfernt nicht den peſſimiſtiſchen Befürchtungen unſer Ohr, vielweniger unſer Herz öffnen, als ſey dort ein Congreß von Verona in Ausſicht. So etwas läßt ſich nicht zweimal thun, und unſere deutſchen Fürſten find keine Bourbons die nichts lernen und nichts vergeſſen ꝛc., das iſt un- möglich! Aber rathſam iſt es gewiß daß eine ſolche Zuſammenkunft ſtattfinde; ſie kann und wird in einem Tage mehr fördern und ſichern als Wochen und Monate der Beſchickungen und Verhandlungen aus der Ferne. Wenn deutſche Männer tagen, dürfen ihre Fürſten nicht feiern; redlich und frei zuſammentreten müſſen alle deutſchen Herzen, jedes für ſeine Aufgabe in den Tagen der gemeinſamen Gefahr. Nur, und das geſtehen wir freimüthig, das wünſchen wir daß um der im Vertrauen Schwachen und um der Böſen willen, die auch nicht feiern, nicht Dres- den gewählt werde. Nürnberg oder noch beſſer Frankfurt a. M. wäre der rechte Ort, um ſo mehr als auch geſchichtlich in dieſen, wie ehemals reichs- ſo jetzt verdachtfreien Städten der deutſche Königsſtuhl ſchon oft ſtand. Selbſt der am Rhein bei Rhenſe wieder aufgerichtete Königs- ſtuhl oder deſſen unmittelbare Nähe, Stolzenfels, wäre uns lieber als Dresden. Handelt es ſich doch nach langer, langer Zeit einmal wieder darum der deutſchen Nation Einen Führer zu küren — handelt es ſich doch eine große deutſche Bewegung von einem Mittelpunkt aus in feſte ſichere Hand zu legen und zu nehmen; dazu mögen unſere Fürſten in den Mittelpunkt derſelben Bewegung treten. Das iſt Dresden nicht; das iſt Frankfurt a. M. vor allem. Et — audaces fortuna juvat.*)
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⊙ Köln, 15 März.
Daß der Prinz von Preußen, auf deſſen Empfang alles vorbereitet war, hier angekommen, beruht auf einem Mißverſtändniß; aus ſicherer Quelle läuft die Nachricht ein daß ſeine Herkunft verſchoben iſt. Uebermorgen früh wird eine aus zwölf Mitgliedern beſtehende Deputation des Stadtraths nach Berlin ab- gehen um dem König perſönlich die Lage der Stadt und des Landes darzuſtellen. Sie werden Se. Maj. beſonders auf die drohenden Folgen des allgemein erſchütterten Zutrauens aufmerkſam machen. Die Auf- träge hören auf, der Abſatz ſteht ſtill, große Häuſer brechen, die Ar- beiter werden entlaſſen. Schon ziehen ſie hier durch die Straßen, und verlangen auf dem Rathhauſe Beſchäftigung. Die rheiniſchen Abgeord- neten haben ſämmtliche Abgeordnete des Vereinigten preußiſchen Land- tags von ihrer Vorſtellung an den König in Kenntniß geſetzt, und ſie aufgefordert ihrem Beiſpiel zu folgen. Hier laufen eine Menge Auf- rufe ein gegen die Ruſſen, gegen den deutſchen Bund, für die Republik ꝛc. Ein hieſiger Weinhändler hat die Nachricht erhalten daß ſein Beſitzthum am Johannisberg verſchont, das Eigenthum des Fürſten Metternich dagegen verwüſtet ſey (alſo zuſammentreffend mit dem Auſſtand von Wien).
Berlin, 15 März.
Was wir geſtern in einer Correſpondenz über die Rede des Königs an die Adreſſedeputation des Magiſtrats und der Stadtverordneten von Berlin mittheilten, können wir heute aus der Allg. Pr. Z. berichtigen und ergänzen. Dieſe, nachdem ſie die Adreſſe abgedruckt hat, fährt fort: Se. Majeſtät geruhten hierauf im weſentlichen folgendes zu äußern: „Se. Majeſtät fühlten die Be- deutung des Augenblicks; es ſey die erſte Adreſſe welche Sie in die- ſer bewegten Zeit von Hand zu Hand entgegennehmen, und es ſey Allerhöchſtihnen ein angenehmes Gefühl daß Sie von ihrer lieben Vaterſtadt komme, die ſich auch in dieſer Zeit der Bewegung in er- freulichſter Weiſe bewährt habe. Wenn es ringsum koche, dürfe man freilich nicht erwarten daß hier allein die Stimmung unter dem Gefrierpunkte ſtehe, und erwäge man dieß, ſo ſey es anerkennungs- werth daß in einer Stadt von ſolcher Größe, in der es an reichli- chen Elementen der Unruhe nicht fehle, die Ordnung nicht erheblich geſtört ſey. Selbſt der geſtrige Abend könne dieſes Anerkenntniß nicht weſentlich trüben; denn bei allen denen auf deren Benehmen Se. Majeſtät Werth lege, wäre die ruhigſte und beſonnenſte Haltung zu erkennen, und Sie ſeyen über die Haltung der Bürger erfreut gewe- ſen. Was die Adreſſe ſelbſt betreffe, ſo könne Se. Majeſtät nicht, wie es in andern Ländern Sitte ſey, darauf in wohlſtyliſirter Rede antworten; nur im Converſationston wollten Sie einige Worte er- wiedern. Zunächſt freuten Sie Sich auf die Hauptbitte erwiedern zu können daß ſie bereits gewährt ſey. Die Einberufung des Ver- einigten Landtags ſey ſeit mehreren Tagen beſchloſſen, und das Be- rufungspatent bereits vollzogen. Mit Zuverſicht ſehe der König deſ- ſen naher Verſammlung entgegen, da ächtpreußiſche Geſinnung in Tagen der Gefahr am wenigſten fehlen werde. Mit vollſter Offen- heit und vollſtem Vertrauen würden Se. Majeſtät dem Landtage ent- gegentreten. Ihre Loſung ſey: „freie Völker“ „freie Fürſten;“ nur wenn beide frei wären, könne die wahre Wohlfahrt gedeihen! Die andern Bitten könnten nur durch den Landtag ihre Löſung erhalten; ein nähe- res Eingehen darauf ſey daher nicht nöthig. Doch eines Ausdrucks der Adreſſe müßten Se. Majeſtät erwähnen, desjenigen nämlich welcher gegen die allmähliche Entwicklung der Verfaſſung gerichtet ſey; die- ſem könnten Sie nicht unbedingt beitreten. Es gebe gewiſſe Dinge die ſich nicht übereilen ließen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle ſie auf den Kopf zu ſtellen. Das lehre ja auch die Geſchichte des Nachbarlandes, wo ſich innerhalb Menſchengedenken fünfzehn beſchworene Verfaſſungen einander verdrängt hätten, wo erſt neuerdings das ſelbſt- geſchaffene Gebäude zuſammengefallen ſey. Nicht in ſechs Wochen dürfe man z. B. ein Haus bauen, welches zu bauen anderthalb Jahre erfordere: auch nicht auf Sand dürfe man es bauen wenn es beſtehen ſolle! — Kühn und bedächtig, das ſeyen die Loſungsworte je- des guten Feldherrn; ungeſtraft dürften ſie nicht getrennt, nicht das eine über dem andern vergeſſen werden! Das wollten auch Se. Majeſtät nicht vergeſſen. Die gute alte deutſche Ordnung dürfe nicht unbeachtet bleiben; auch die Gliederung der Stände ſei deutſch; wer dagegen anſtrebe, der ſetze ſich Gefahren aus. Auch dafür fehle es nicht an Beiſpielen; ebenſo der Beſitz als althergebrachte Grundlage der Standſchaft komme in Betracht. Doch alles dieſes könne nur mit dem Landtag erledigt werden; wie Se. Majeſtät ihm
*) Der Verfaſſer obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er dieſe trüben Betrachtungen niederſchrieb, der Umſchwung der Dinge in Wien vollendet war.
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[1253/0005]
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wegung mit ſtarker Hand bemeiſtern könne und dazu das Vertrauen der
deutſchen Nation gewinne, muß es in ſeinem Jnnern großartig das voll-
enden was es minder ſo am 3 Febr. 1847 begonnen, die Repräſentativ-
Verfaſſung geben, ſeine Kammern ſofort berufen, ihnen die früher ver-
ſprochenen (wir glauben immer noch nicht eigentlich geweigerten, ſondern
nur, zu wenig vertrauend und die eigentlichen Verhältniſſe verkennend,
vielleicht kleinmüthigen oder perſiden fremden Einflüſſen zugänglich, zu-
rückgehaltenen) Rechte — es find alte gute Rechte, älter als die vorge-
ſchützte Souveränetät — eine breite Unterlage dem Wahlgeſetze gewäh-
ren, es muß dabei die Vertretung von der Scholle, an die ſie, und höch-
ſtens noch am Gelde, geknüpft war, löſen, auf der einen Seite das Ueber-
gewicht der Ariſtokratie, auf der andern die Ausſchließung der Jntelli-
genz beſeitigen. Dann aber muß es vor allem Deutſchland und den
Nachbarn gegenüber es in die Hand nehmen, die wahrhafte Vertretung
der Nation, der ganzen deutſchen Nation an und in dem deutſchen Bunde,
die Erfüllung dieſer alten Forderung Deutſchlands, ohne welche dieſes
als ſolches nicht mehr, nicht mehr Ordnung und Macht nach unten und
oben, außen und innen beſtehen kann, herzuſtellen. Daß dieß ſein ehr-
licher Wille, ſeine Aufgabe in großer ſchwerer Gegenwart ſey, ehe alle
Bande der Ordnung und des Rechts ſich löſen und der Sturm der dann
unbezwinglichen Verwirrung in den großen Maſſen, ſchon drohend am
Horizont, hereinbricht, muß Preußen weltkundig und raſch ausſprechen.
Mit ihm iſt ſo alles zu retten, ohne dasſelbe für Deutſchland und für
Preußen alles verloren; denn der Sonderbund kann theilweiſe Wider-
ſtand leiſten, auf die Dauer nicht, er wird der Anfang vom Ende ſeyn.
Nachſchrift. Es verbreitet ſich die Nachricht es würden ſich auf Ein-
ladung eines der größern Staaten Deutſchlands die deutſchen Fürſten
noch im Laufe dieſes Monats in Dresden zu einer perſönlichen Beſpre-
chung verſammeln. Wir freuen uns deſſen aufrichtig, und mögen auch
entfernt nicht den peſſimiſtiſchen Befürchtungen unſer Ohr, vielweniger
unſer Herz öffnen, als ſey dort ein Congreß von Verona in Ausſicht.
So etwas läßt ſich nicht zweimal thun, und unſere deutſchen Fürſten find
keine Bourbons die nichts lernen und nichts vergeſſen ꝛc., das iſt un-
möglich! Aber rathſam iſt es gewiß daß eine ſolche Zuſammenkunft
ſtattfinde; ſie kann und wird in einem Tage mehr fördern und ſichern
als Wochen und Monate der Beſchickungen und Verhandlungen aus der
Ferne. Wenn deutſche Männer tagen, dürfen ihre Fürſten nicht feiern;
redlich und frei zuſammentreten müſſen alle deutſchen Herzen, jedes für
ſeine Aufgabe in den Tagen der gemeinſamen Gefahr. Nur, und das
geſtehen wir freimüthig, das wünſchen wir daß um der im Vertrauen
Schwachen und um der Böſen willen, die auch nicht feiern, nicht Dres-
den gewählt werde. Nürnberg oder noch beſſer Frankfurt a. M. wäre
der rechte Ort, um ſo mehr als auch geſchichtlich in dieſen, wie ehemals
reichs- ſo jetzt verdachtfreien Städten der deutſche Königsſtuhl ſchon
oft ſtand. Selbſt der am Rhein bei Rhenſe wieder aufgerichtete Königs-
ſtuhl oder deſſen unmittelbare Nähe, Stolzenfels, wäre uns lieber als
Dresden. Handelt es ſich doch nach langer, langer Zeit einmal wieder
darum der deutſchen Nation Einen Führer zu küren — handelt es ſich
doch eine große deutſche Bewegung von einem Mittelpunkt aus in feſte
ſichere Hand zu legen und zu nehmen; dazu mögen unſere Fürſten in den
Mittelpunkt derſelben Bewegung treten. Das iſt Dresden nicht; das
iſt Frankfurt a. M. vor allem. Et — audaces fortuna juvat. *)
⊙ Köln, 15 März.
Daß der Prinz von Preußen, auf deſſen
Empfang alles vorbereitet war, hier angekommen, beruht auf einem
Mißverſtändniß; aus ſicherer Quelle läuft die Nachricht ein daß ſeine
Herkunft verſchoben iſt. Uebermorgen früh wird eine aus zwölf
Mitgliedern beſtehende Deputation des Stadtraths nach Berlin ab-
gehen um dem König perſönlich die Lage der Stadt und des Landes
darzuſtellen. Sie werden Se. Maj. beſonders auf die drohenden Folgen
des allgemein erſchütterten Zutrauens aufmerkſam machen. Die Auf-
träge hören auf, der Abſatz ſteht ſtill, große Häuſer brechen, die Ar-
beiter werden entlaſſen. Schon ziehen ſie hier durch die Straßen, und
verlangen auf dem Rathhauſe Beſchäftigung. Die rheiniſchen Abgeord-
neten haben ſämmtliche Abgeordnete des Vereinigten preußiſchen Land-
tags von ihrer Vorſtellung an den König in Kenntniß geſetzt, und ſie
aufgefordert ihrem Beiſpiel zu folgen. Hier laufen eine Menge Auf-
rufe ein gegen die Ruſſen, gegen den deutſchen Bund, für die Republik ꝛc.
Ein hieſiger Weinhändler hat die Nachricht erhalten daß ſein Beſitzthum
am Johannisberg verſchont, das Eigenthum des Fürſten Metternich
dagegen verwüſtet ſey (alſo zuſammentreffend mit dem Auſſtand von
Wien).
Berlin, 15 März.
Was wir geſtern in einer Correſpondenz
über die Rede des Königs an die Adreſſedeputation des Magiſtrats
und der Stadtverordneten von Berlin mittheilten, können wir heute
aus der Allg. Pr. Z. berichtigen und ergänzen. Dieſe, nachdem ſie
die Adreſſe abgedruckt hat, fährt fort: Se. Majeſtät geruhten hierauf
im weſentlichen folgendes zu äußern: „Se. Majeſtät fühlten die Be-
deutung des Augenblicks; es ſey die erſte Adreſſe welche Sie in die-
ſer bewegten Zeit von Hand zu Hand entgegennehmen, und es ſey
Allerhöchſtihnen ein angenehmes Gefühl daß Sie von ihrer lieben
Vaterſtadt komme, die ſich auch in dieſer Zeit der Bewegung in er-
freulichſter Weiſe bewährt habe. Wenn es ringsum koche, dürfe
man freilich nicht erwarten daß hier allein die Stimmung unter dem
Gefrierpunkte ſtehe, und erwäge man dieß, ſo ſey es anerkennungs-
werth daß in einer Stadt von ſolcher Größe, in der es an reichli-
chen Elementen der Unruhe nicht fehle, die Ordnung nicht erheblich
geſtört ſey. Selbſt der geſtrige Abend könne dieſes Anerkenntniß nicht
weſentlich trüben; denn bei allen denen auf deren Benehmen Se.
Majeſtät Werth lege, wäre die ruhigſte und beſonnenſte Haltung zu
erkennen, und Sie ſeyen über die Haltung der Bürger erfreut gewe-
ſen. Was die Adreſſe ſelbſt betreffe, ſo könne Se. Majeſtät nicht,
wie es in andern Ländern Sitte ſey, darauf in wohlſtyliſirter Rede
antworten; nur im Converſationston wollten Sie einige Worte er-
wiedern. Zunächſt freuten Sie Sich auf die Hauptbitte erwiedern
zu können daß ſie bereits gewährt ſey. Die Einberufung des Ver-
einigten Landtags ſey ſeit mehreren Tagen beſchloſſen, und das Be-
rufungspatent bereits vollzogen. Mit Zuverſicht ſehe der König deſ-
ſen naher Verſammlung entgegen, da ächtpreußiſche Geſinnung in
Tagen der Gefahr am wenigſten fehlen werde. Mit vollſter Offen-
heit und vollſtem Vertrauen würden Se. Majeſtät dem Landtage ent-
gegentreten. Ihre Loſung ſey: „freie Völker“ „freie Fürſten;“ nur wenn
beide frei wären, könne die wahre Wohlfahrt gedeihen! Die andern
Bitten könnten nur durch den Landtag ihre Löſung erhalten; ein nähe-
res Eingehen darauf ſey daher nicht nöthig. Doch eines Ausdrucks der
Adreſſe müßten Se. Majeſtät erwähnen, desjenigen nämlich welcher
gegen die allmähliche Entwicklung der Verfaſſung gerichtet ſey; die-
ſem könnten Sie nicht unbedingt beitreten. Es gebe gewiſſe Dinge
die ſich nicht übereilen ließen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle
ſie auf den Kopf zu ſtellen. Das lehre ja auch die Geſchichte des
Nachbarlandes, wo ſich innerhalb Menſchengedenken fünfzehn beſchworene
Verfaſſungen einander verdrängt hätten, wo erſt neuerdings das ſelbſt-
geſchaffene Gebäude zuſammengefallen ſey. Nicht in ſechs Wochen
dürfe man z. B. ein Haus bauen, welches zu bauen anderthalb Jahre
erfordere: auch nicht auf Sand dürfe man es bauen wenn es beſtehen
ſolle! — Kühn und bedächtig, das ſeyen die Loſungsworte je-
des guten Feldherrn; ungeſtraft dürften ſie nicht getrennt, nicht das
eine über dem andern vergeſſen werden! Das wollten auch Se.
Majeſtät nicht vergeſſen. Die gute alte deutſche Ordnung dürfe
nicht unbeachtet bleiben; auch die Gliederung der Stände ſei deutſch;
wer dagegen anſtrebe, der ſetze ſich Gefahren aus. Auch dafür
fehle es nicht an Beiſpielen; ebenſo der Beſitz als althergebrachte
Grundlage der Standſchaft komme in Betracht. Doch alles dieſes
könne nur mit dem Landtag erledigt werden; wie Se. Majeſtät ihm
*) Der Verfaſſer obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er
dieſe trüben Betrachtungen niederſchrieb, der Umſchwung der Dinge in
Wien vollendet war.
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Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848, S. 1253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine79_1848/5>, abgerufen am 04.03.2025.
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