Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.[Spaltenumbruch]
zu machen. Sollten sie jedoch in den nächsten Tagen wiederkehren, so * Bremen, 14 März. Die Bürgerversammlung der zum Con- Preußen. * Vom Rhein, 15 März. Sie werden die ver- [Spaltenumbruch]
zu machen. Sollten ſie jedoch in den nächſten Tagen wiederkehren, ſo * Bremen, 14 März. Die Bürgerverſammlung der zum Con- Preußen. * Vom Rhein, 15 März. Sie werden die ver- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0004"/><cb/> zu machen. Sollten ſie jedoch in den nächſten Tagen wiederkehren, ſo<lb/> kann man vorausſehen daß es den Ruheſtörern ſehr ſchlimm gehen<lb/> wird, denn die Bürgergarde wie das Linienmilitär iſt ſehr erbittert<lb/> und wird nicht mehr gleiche Schonung wie bisher walten laſſen. Um<lb/> der Bürgergarde ihren anſtrengenden Dienſt zu erleichtern haben ſich<lb/> heute Mittag eine große Anzahl jüngerer Kaufleute welche nicht im<lb/> Dienſte des Bürgermilitärs ſind, zu einem freiwilligen Corps vereinigt<lb/> und ſich den Behörden zur Dispoſition geſtellt. Gleiches iſt ſchon<lb/> früher von den noch noch übrigen „Hanſeatiſchen Kampfgenoſſen von<lb/> 1813“ geſchehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Bremen,</hi> 14 März.</dateline><lb/> <p>Die Bürgerverſammlung der zum Con-<lb/> vent zuſammengerufenen 600 Mitglieder der hieſigen Bürgerſchaft iſt ſo<lb/> eben abgehalten worden, und zwar in derſelben würdigen ruhig gehalte-<lb/> nen Weiſe, in welcher ſich bisher unſere ganze Reformbewegung ent-<lb/> wickelt hat. Es ſind achtzehn Männer gewählt worden (unter denen ſich<lb/> die Häupter der Reformpartei, die HH. Wiſchmann, Kotzenberg und<lb/> Feldmann befinden), welche eine Commiſſion zur Anordnung der Wah-<lb/> len, Beſtimmung der Wahlgeſetze und des Wahlmodus bilden ſollten.<lb/> Bei den Verhandlungen der Bürgerverſammlung fiel es angenehm auf<lb/> daß alles frühere zopfige Titularweſen von „Hoch- und Wohlweis-<lb/> heit“ des „edlen“ Raths und Hochachtbarkeit und ſonſtigem Krimskrams<lb/> der Bürgerſchaft zum erſtenmal weggelaſſen wurde. Die Stimmung der-<lb/> jenigen, welche in dieſer Verſammlung eine ſo vielhundertjährige Ver-<lb/> faſſungsform die ihnen ſo manchen Vortheil und ſo manche Auszeichnung<lb/> gewährt, zu Grabe tragen ſahen, war im höchſten Grade bewegt, und in<lb/> manchem Angeſichte las man deutlich die Spuren tiefer innerer Er-<lb/> ſchütterung. — Hier verbreitet ſich ſo eben das Gerücht daß der Groß-<lb/> herzog von Oldenburg, in Folge der letzten in Oldenburg ſtattgehabten<lb/> etwas unruhigen Auftritte bei Gelegenheit der an den Großherzog ge-<lb/> ſendeten Deputationen der Provinzen um Berathung der Conſtitutions-<lb/> urkunde mit den erfahrenen Männern des Landes, geſonnen ſey ſeine<lb/> Reſidenz von Oldenburg weg nach Eutin hin zu verlegen. Dieß würde<lb/> für die kleine durch den Hof raſch aufgeblühte bisherige Reſidenzſtadt<lb/> ein ſehr empfindlicher Verluſt ſeyn. Eine andere Nachricht iſt die daß<lb/> Preußen bei den norddeutſchen Cabinetten Sympathien für eine nordi-<lb/> ſche Allianz anzuregen ſuche, und dieſe Nachricht ſetzt alles in die hef-<lb/> tigſte Bewegung. So apathiſch und ſchwerfällig auch der deutſche Nor-<lb/> den iſt, ſo iſt doch der Stoß von Weſten allzugewaltig geweſen als daß<lb/> er nicht den politiſchen Jndifferentismus nachhaltig aufgerüttelt hätte.<lb/> Die wichtigſten Intereſſen des Lebens civiliſirter Völker werden auch hier<lb/> ſchon mit Lebhaftigkeit in Wort und Schrift discutirt. Durch die Maſſen<lb/> hindurch geht der Aufruf der Meinungen zum Theil in offen ſich bekäm-<lb/> pfenden Gegenſätzen laut und gewaltig, wie im ſcharfen Froſte Eisſpal-<lb/> ten ſich krachend aufreißen über die Seeflächen. In Einem aber iſt alles<lb/> einig: darin daß Deutſchland mit Preußen vereint ſich auf ſich ſelbſt,<lb/> auf ſeine Kraft und Einigkeit, nicht auf irgendeine fremde Hülfe ſtützen<lb/> müſſe, und daß Rußland vor allem keinen Fuß ſetzen dürfe auf deutſche<lb/> Erde. Dieſe Gedanken ſprechen die geringſten Leute aus. Jch hörte<lb/> ihn in den Schenken der Matroſen nicht minder als in den Cafés der<lb/> Kaufherren und Reſſourcen der Bürger unſerer Stadt. Umſoweniger<lb/> hat Preußens officielle Sprache in der Thronrede ſeines Königs und in<lb/> deſſen letzter Cabinetsordre die Menſchen hier befriedigt, während alle<lb/> Welt mit Freuden König Ludwigs hochherzige <hi rendition="#g">deutſche</hi> Politik an-<lb/> erkennt.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Vom Rhein,</hi> 15 März.</dateline><lb/> <p>Sie werden die ver-<lb/> ſchiedenen Adreſſen der Städte des preußiſchen Rheinlandes und die der<lb/> zu Bonn verſammelt geweſenen Landtagsabgeordneten erhalten und aus<lb/> denſelben ein Bild der in der Provinz vorhandenen Bewegung und Stim-<lb/> mung entnommen haben. Jene nimmt zu, dieſe verſchlimmert ſich, in-<lb/> ſofern das Zuwarten immer unleidlicher wird und böſen Einflüſſen, wenn<lb/> auch nicht von außen, doch nach unten Raum gibt. Jch darf nur das<lb/> eine erwähnen daß, während von allen Seiten die unter gänzlicher Preß-<lb/> freiheit erſcheinenden Zeitungen zuſtrömen, die inländiſchen Blätter,<lb/> ſelbſt die tüchtigen und geſinnungstreuen, z. B. die Kölniſche, die Aache-<lb/> ner Ztg. nicht nur unter Cenſur gehalten, ſondern mitunter auf ver-<lb/> kehrte Weiſe von dieſer beläſtigt werden. Das erzürnt, beleidigt ohne<lb/> irgendeinen Zweck zu erreichen; es befremdet ſelbſt ſehr ruhige Leute die,<lb/> nur einer beſonnenen Entwickelung vertrauend, nicht gemeint ſind die<lb/> Regierung zu drängen, deßhalb: weil dabei von einer Conceſſion gar<lb/> keine Rede ſeyn kann, wenn es wahr iſt daß gerade die preußiſche Re-<lb/> gierung zuerſt auf Abſchaffung der Cenſur angetragen hat. Es iſt offen-<lb/><cb/> bar ein Mangel an Umſicht von Seiten des Oberpräſidenten Eichmann,<lb/> in deſſen vollkommener Befugniß als oberſter Cenſurbehörde der Rhein-<lb/> provinz es lag die Cenſur factiſch mindern zu laſſen um den ſchneidenden<lb/> Contraſt aufzuheben, der jetzt mit der Erklärung des Bundestages und<lb/> der Preßfreiheit in den umliegenden Staaten eingetreten iſt und in der<lb/> Trierer Adreſſe bereits den Ausdruck für die Frage erhalten hat: ob die<lb/> Rheinländer weniger Rechte haben als andere. Die Haltung dieſer<lb/> Adreſſe, die wir nicht billigen mögen, während wir bezeugen müſſen daß<lb/> ſie wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung daſelbſt und an der<lb/> Saar entlang iſt, beweist zugleich auf welchem Punkte dieſe Stimmung<lb/> angekommen iſt. Als eine Folge des Zauderns in dem was nicht mehr<lb/> umgangen werden kann, noch darf, betrachten wir die Thätigkeit einer<lb/> Winkelpreſſe, von welcher, unter dem Einfluß revolutionärer und com-<lb/> muniſtiſcher Wühler in der Schweiz und Frankreich, die auf allen Wegen<lb/> in Unzahl in dieſen Tagen unter das Volk gebrachten Aufrufe für „die<lb/> Republik“ ausgehen. Welche Zukunft dieſe dem Vaterlande bereiten<lb/> wollen, mögen Sie daraus entnehmen daß eine oberrheiniſche Republik<lb/> (Württemberg und Baden), eine mittelrheiniſche (Heſſen – Darmſtadt,<lb/> Frankfurt, Naſſau) als ſchon conſtituirt angekündigt und eine nieder-<lb/> rheiniſche zu bilden von der Rheinprovinz gefordert wird, während aus<lb/> der Schweiz ein ſchon lang vorbereiteter Zuzug mit dem Namen der<lb/> Führer für das Frühjahr angekündigt wird, in Conſtanz und Waldshut<lb/> Volksverſammlungen für die Republik tagen und in der Pfalz auf bei-<lb/> den Rheinufern Unterſchriften und Verbrüderung für dieſelbe geſammelt<lb/> werden. Wie will die Regierung die Erfolge jener Winkelpreſſe, welche<lb/> nach allen Zeichen in der Hauptſtadt der Provinz ſich befindet, mit der<lb/> Cenſur und anders als durch Freiheit für die offene Preſſe bekämpfen,<lb/> paralyſiren? Wir begreifen es nicht. Es iſt überhaupt ein ſehr un-<lb/> glücklicher Wahn: man dürfe, um der „Krone“, dem „Königsrechte von<lb/> Gottes Gnaden“, der „Souveränetät“ nichts zu vergeben, keine Conceſ-<lb/> ſionen im Drange der gewaltigen Zeit machen. Seit wann iſt es denn<lb/> ein Schaden der Krone, gegen die Königsrechte und ein Abbruch der<lb/> Souveränetät, dieſe ſelbſt und das Vaterland und das „von Gott anver-<lb/> traute“ Volk zu retten, indem man ſo bald, ſo raſch, ſo vollkommen, ſo<lb/> ehrlich, als irgend möglich das thut was recht und geboten zugleich iſt.<lb/> Conceſſionen macht man einem Gegner und im Zweifel über das was<lb/> zu Recht beſteht. Seit wann ſind denn die Fürſten und die Völker Geg-<lb/> ner <hi rendition="#aq">in thesi</hi>, die um das was jedem zu Recht gebührt, proceſſiren müſſen?<lb/> und wo iſt der Gerichtshof dieſes Rechtsſtreites anders als in der Ge-<lb/> ſchichte, dem Weltgerichte? Jſt aber dieſe bloß in der Vergangenheit,<lb/> gehört ihr nicht auch die Gegenwart, iſt nicht geſtern der Richter Lehrer<lb/> für heute und recken ſich nicht heutzutage die Tage, die Stunden zu<lb/> Jahrzehnten und Jahrhunderten in Ereigniß und Folge? Seit wann?<lb/> haben wir eben gefragt, wir müſſen eigentlich fragen: „warum? aus<lb/> weſſen Schuld?“ Die Antwort, und daß nicht in den Völkern die Schuld<lb/> liege, kann der Sehende nicht mehr ſuchen, der Blinde kann ſie greifen,<lb/> das Gewiſſen, ſelbſt das politiſche, muß ſie geben. Jhr Fürſt v. Leinin-<lb/> gen hat beides ausgeſprochen in der Denkſchrift vom 20 Febr., die unter<lb/> dieſem Datum ein merkwürdiges Beiſpiel politiſcher Perſpicacität,<lb/> einer Providenz iſt, die, während in der Gewitterſchwüle noch alles<lb/> ruhig ſchlief, mit den eigentlichen Urſachen ſchon alle, alle Folgen<lb/> nachwies welche der Entladungsſchlag haben mußte und wirklich ge-<lb/> habt hat. Daß demſelben Fürſten im Odenwald eine Fackel auf-<lb/> gegangen iſt über das was er ſelbſt verſäumt hat, nimmt ſeiner Denk-<lb/> ſchrift nicht das geringſte am Werth, iſt eine menſchliche Erſcheinung,<lb/> wie ſie an Friedrich <hi rendition="#aq">II,</hi> an Stein, an andern, ja, wenn wir ehrlich<lb/> find, an jedem von uns offenbar geworden find und offenbar werden. —<lb/> Was jetzt zur Rettung des Vaterlandes gegen den von außen und innen<lb/> anders nicht mehr ausweichlichen Untergang zu thun und vor allem die<lb/> Aufgabe Preußens ſey, iſt bereits keine Frage mehr, iſt eine Thatſache<lb/> geworden. Was einzelne tüchtige und vor- und umſichtige Männer ſchon<lb/> vor Jahren erkannten, was v. Gagern z. B. in den offenen Berathungen<lb/> über die Gründung der Deutſchen Zeitung im vorigen Jahr und am 5 d.<lb/> M. in der Berathung zu Heidelberg ausſprach, was die Deutſche Zeitung<lb/> demnächſt immer und namentlich in ihrer Polemik verfolgt und jetzt un-<lb/> umwunden ausgeſprochen hat, iſt die eine und allgemeine Wahrheit:<lb/> Deutſchland ſieht und fällt mit Preußen, Preußen mit Deutſchland.<lb/> Deutſchland kann ſich nur ſelbſt helfen, kann es nur mit einem Mittel-<lb/> punkt, und dieſer iſt nur Preußen. Preußen aber kann nur mit der<lb/> Nation ſiehen, ohne dieſelbe nur fallen; mit ihm fällt Deutſchland zu-<lb/> nächſt in Theilung auseinander, dann und damit dem laurenden Weſten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0004]
zu machen. Sollten ſie jedoch in den nächſten Tagen wiederkehren, ſo
kann man vorausſehen daß es den Ruheſtörern ſehr ſchlimm gehen
wird, denn die Bürgergarde wie das Linienmilitär iſt ſehr erbittert
und wird nicht mehr gleiche Schonung wie bisher walten laſſen. Um
der Bürgergarde ihren anſtrengenden Dienſt zu erleichtern haben ſich
heute Mittag eine große Anzahl jüngerer Kaufleute welche nicht im
Dienſte des Bürgermilitärs ſind, zu einem freiwilligen Corps vereinigt
und ſich den Behörden zur Dispoſition geſtellt. Gleiches iſt ſchon
früher von den noch noch übrigen „Hanſeatiſchen Kampfgenoſſen von
1813“ geſchehen.
* Bremen, 14 März.
Die Bürgerverſammlung der zum Con-
vent zuſammengerufenen 600 Mitglieder der hieſigen Bürgerſchaft iſt ſo
eben abgehalten worden, und zwar in derſelben würdigen ruhig gehalte-
nen Weiſe, in welcher ſich bisher unſere ganze Reformbewegung ent-
wickelt hat. Es ſind achtzehn Männer gewählt worden (unter denen ſich
die Häupter der Reformpartei, die HH. Wiſchmann, Kotzenberg und
Feldmann befinden), welche eine Commiſſion zur Anordnung der Wah-
len, Beſtimmung der Wahlgeſetze und des Wahlmodus bilden ſollten.
Bei den Verhandlungen der Bürgerverſammlung fiel es angenehm auf
daß alles frühere zopfige Titularweſen von „Hoch- und Wohlweis-
heit“ des „edlen“ Raths und Hochachtbarkeit und ſonſtigem Krimskrams
der Bürgerſchaft zum erſtenmal weggelaſſen wurde. Die Stimmung der-
jenigen, welche in dieſer Verſammlung eine ſo vielhundertjährige Ver-
faſſungsform die ihnen ſo manchen Vortheil und ſo manche Auszeichnung
gewährt, zu Grabe tragen ſahen, war im höchſten Grade bewegt, und in
manchem Angeſichte las man deutlich die Spuren tiefer innerer Er-
ſchütterung. — Hier verbreitet ſich ſo eben das Gerücht daß der Groß-
herzog von Oldenburg, in Folge der letzten in Oldenburg ſtattgehabten
etwas unruhigen Auftritte bei Gelegenheit der an den Großherzog ge-
ſendeten Deputationen der Provinzen um Berathung der Conſtitutions-
urkunde mit den erfahrenen Männern des Landes, geſonnen ſey ſeine
Reſidenz von Oldenburg weg nach Eutin hin zu verlegen. Dieß würde
für die kleine durch den Hof raſch aufgeblühte bisherige Reſidenzſtadt
ein ſehr empfindlicher Verluſt ſeyn. Eine andere Nachricht iſt die daß
Preußen bei den norddeutſchen Cabinetten Sympathien für eine nordi-
ſche Allianz anzuregen ſuche, und dieſe Nachricht ſetzt alles in die hef-
tigſte Bewegung. So apathiſch und ſchwerfällig auch der deutſche Nor-
den iſt, ſo iſt doch der Stoß von Weſten allzugewaltig geweſen als daß
er nicht den politiſchen Jndifferentismus nachhaltig aufgerüttelt hätte.
Die wichtigſten Intereſſen des Lebens civiliſirter Völker werden auch hier
ſchon mit Lebhaftigkeit in Wort und Schrift discutirt. Durch die Maſſen
hindurch geht der Aufruf der Meinungen zum Theil in offen ſich bekäm-
pfenden Gegenſätzen laut und gewaltig, wie im ſcharfen Froſte Eisſpal-
ten ſich krachend aufreißen über die Seeflächen. In Einem aber iſt alles
einig: darin daß Deutſchland mit Preußen vereint ſich auf ſich ſelbſt,
auf ſeine Kraft und Einigkeit, nicht auf irgendeine fremde Hülfe ſtützen
müſſe, und daß Rußland vor allem keinen Fuß ſetzen dürfe auf deutſche
Erde. Dieſe Gedanken ſprechen die geringſten Leute aus. Jch hörte
ihn in den Schenken der Matroſen nicht minder als in den Cafés der
Kaufherren und Reſſourcen der Bürger unſerer Stadt. Umſoweniger
hat Preußens officielle Sprache in der Thronrede ſeines Königs und in
deſſen letzter Cabinetsordre die Menſchen hier befriedigt, während alle
Welt mit Freuden König Ludwigs hochherzige deutſche Politik an-
erkennt.
Preußen.
* Vom Rhein, 15 März.
Sie werden die ver-
ſchiedenen Adreſſen der Städte des preußiſchen Rheinlandes und die der
zu Bonn verſammelt geweſenen Landtagsabgeordneten erhalten und aus
denſelben ein Bild der in der Provinz vorhandenen Bewegung und Stim-
mung entnommen haben. Jene nimmt zu, dieſe verſchlimmert ſich, in-
ſofern das Zuwarten immer unleidlicher wird und böſen Einflüſſen, wenn
auch nicht von außen, doch nach unten Raum gibt. Jch darf nur das
eine erwähnen daß, während von allen Seiten die unter gänzlicher Preß-
freiheit erſcheinenden Zeitungen zuſtrömen, die inländiſchen Blätter,
ſelbſt die tüchtigen und geſinnungstreuen, z. B. die Kölniſche, die Aache-
ner Ztg. nicht nur unter Cenſur gehalten, ſondern mitunter auf ver-
kehrte Weiſe von dieſer beläſtigt werden. Das erzürnt, beleidigt ohne
irgendeinen Zweck zu erreichen; es befremdet ſelbſt ſehr ruhige Leute die,
nur einer beſonnenen Entwickelung vertrauend, nicht gemeint ſind die
Regierung zu drängen, deßhalb: weil dabei von einer Conceſſion gar
keine Rede ſeyn kann, wenn es wahr iſt daß gerade die preußiſche Re-
gierung zuerſt auf Abſchaffung der Cenſur angetragen hat. Es iſt offen-
bar ein Mangel an Umſicht von Seiten des Oberpräſidenten Eichmann,
in deſſen vollkommener Befugniß als oberſter Cenſurbehörde der Rhein-
provinz es lag die Cenſur factiſch mindern zu laſſen um den ſchneidenden
Contraſt aufzuheben, der jetzt mit der Erklärung des Bundestages und
der Preßfreiheit in den umliegenden Staaten eingetreten iſt und in der
Trierer Adreſſe bereits den Ausdruck für die Frage erhalten hat: ob die
Rheinländer weniger Rechte haben als andere. Die Haltung dieſer
Adreſſe, die wir nicht billigen mögen, während wir bezeugen müſſen daß
ſie wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung daſelbſt und an der
Saar entlang iſt, beweist zugleich auf welchem Punkte dieſe Stimmung
angekommen iſt. Als eine Folge des Zauderns in dem was nicht mehr
umgangen werden kann, noch darf, betrachten wir die Thätigkeit einer
Winkelpreſſe, von welcher, unter dem Einfluß revolutionärer und com-
muniſtiſcher Wühler in der Schweiz und Frankreich, die auf allen Wegen
in Unzahl in dieſen Tagen unter das Volk gebrachten Aufrufe für „die
Republik“ ausgehen. Welche Zukunft dieſe dem Vaterlande bereiten
wollen, mögen Sie daraus entnehmen daß eine oberrheiniſche Republik
(Württemberg und Baden), eine mittelrheiniſche (Heſſen – Darmſtadt,
Frankfurt, Naſſau) als ſchon conſtituirt angekündigt und eine nieder-
rheiniſche zu bilden von der Rheinprovinz gefordert wird, während aus
der Schweiz ein ſchon lang vorbereiteter Zuzug mit dem Namen der
Führer für das Frühjahr angekündigt wird, in Conſtanz und Waldshut
Volksverſammlungen für die Republik tagen und in der Pfalz auf bei-
den Rheinufern Unterſchriften und Verbrüderung für dieſelbe geſammelt
werden. Wie will die Regierung die Erfolge jener Winkelpreſſe, welche
nach allen Zeichen in der Hauptſtadt der Provinz ſich befindet, mit der
Cenſur und anders als durch Freiheit für die offene Preſſe bekämpfen,
paralyſiren? Wir begreifen es nicht. Es iſt überhaupt ein ſehr un-
glücklicher Wahn: man dürfe, um der „Krone“, dem „Königsrechte von
Gottes Gnaden“, der „Souveränetät“ nichts zu vergeben, keine Conceſ-
ſionen im Drange der gewaltigen Zeit machen. Seit wann iſt es denn
ein Schaden der Krone, gegen die Königsrechte und ein Abbruch der
Souveränetät, dieſe ſelbſt und das Vaterland und das „von Gott anver-
traute“ Volk zu retten, indem man ſo bald, ſo raſch, ſo vollkommen, ſo
ehrlich, als irgend möglich das thut was recht und geboten zugleich iſt.
Conceſſionen macht man einem Gegner und im Zweifel über das was
zu Recht beſteht. Seit wann ſind denn die Fürſten und die Völker Geg-
ner in thesi, die um das was jedem zu Recht gebührt, proceſſiren müſſen?
und wo iſt der Gerichtshof dieſes Rechtsſtreites anders als in der Ge-
ſchichte, dem Weltgerichte? Jſt aber dieſe bloß in der Vergangenheit,
gehört ihr nicht auch die Gegenwart, iſt nicht geſtern der Richter Lehrer
für heute und recken ſich nicht heutzutage die Tage, die Stunden zu
Jahrzehnten und Jahrhunderten in Ereigniß und Folge? Seit wann?
haben wir eben gefragt, wir müſſen eigentlich fragen: „warum? aus
weſſen Schuld?“ Die Antwort, und daß nicht in den Völkern die Schuld
liege, kann der Sehende nicht mehr ſuchen, der Blinde kann ſie greifen,
das Gewiſſen, ſelbſt das politiſche, muß ſie geben. Jhr Fürſt v. Leinin-
gen hat beides ausgeſprochen in der Denkſchrift vom 20 Febr., die unter
dieſem Datum ein merkwürdiges Beiſpiel politiſcher Perſpicacität,
einer Providenz iſt, die, während in der Gewitterſchwüle noch alles
ruhig ſchlief, mit den eigentlichen Urſachen ſchon alle, alle Folgen
nachwies welche der Entladungsſchlag haben mußte und wirklich ge-
habt hat. Daß demſelben Fürſten im Odenwald eine Fackel auf-
gegangen iſt über das was er ſelbſt verſäumt hat, nimmt ſeiner Denk-
ſchrift nicht das geringſte am Werth, iſt eine menſchliche Erſcheinung,
wie ſie an Friedrich II, an Stein, an andern, ja, wenn wir ehrlich
find, an jedem von uns offenbar geworden find und offenbar werden. —
Was jetzt zur Rettung des Vaterlandes gegen den von außen und innen
anders nicht mehr ausweichlichen Untergang zu thun und vor allem die
Aufgabe Preußens ſey, iſt bereits keine Frage mehr, iſt eine Thatſache
geworden. Was einzelne tüchtige und vor- und umſichtige Männer ſchon
vor Jahren erkannten, was v. Gagern z. B. in den offenen Berathungen
über die Gründung der Deutſchen Zeitung im vorigen Jahr und am 5 d.
M. in der Berathung zu Heidelberg ausſprach, was die Deutſche Zeitung
demnächſt immer und namentlich in ihrer Polemik verfolgt und jetzt un-
umwunden ausgeſprochen hat, iſt die eine und allgemeine Wahrheit:
Deutſchland ſieht und fällt mit Preußen, Preußen mit Deutſchland.
Deutſchland kann ſich nur ſelbſt helfen, kann es nur mit einem Mittel-
punkt, und dieſer iſt nur Preußen. Preußen aber kann nur mit der
Nation ſiehen, ohne dieſelbe nur fallen; mit ihm fällt Deutſchland zu-
nächſt in Theilung auseinander, dann und damit dem laurenden Weſten
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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