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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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Nr. 78.
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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 18 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Der volkswirthschaftliche Beruf des deutschen
Parlaments.

Die Sache Deutschlands schreitet mit
Riesenschritten vorwärts. Der Ruf nach einem deutschen Parlament
fliegt von einem Ende unsers großen Vaterlandes zum andern mit der
Macht des Sturmwindes hin welcher tausendjährige Eichen in einem
Augenblick zu entwurzeln vermöchte, mit der Gewalt einer längst zur
Reife gediehenen, aber durch ein weltgeschichtliches Ereigniß plötzlich
zum allgemeinen Bewußtseyn gekommenen, Lebensfrage eines Volkes von
40 Millionen Menschen. Mag auch da oder dort noch ein augenblick-
liches Zögern in Anerkennung dieser ersten Nationalforderung statt-
finden, so darf man doch die unwiderstehliche Kraft der letztern als
zweifellos betrachten, und es kann sich nur noch um das Wie ihrer Er-
füllung handeln. Nur bei einer vollkommen befriedigenden, auf breiter
Grundlage ruhenden Lösung dieser Frage ist die Vermittlung der innern
und äußern Sicherheit, des Glückes und der Beruhigung von Deutsch-
land mit den bestehenden Gebietseintheilungen denkbar. Möchten dieß
alle beherzigen welchen es um diese Vermittlung zu thun ist, und möch-
ten sie mit Beseitigung aller hergebrachten Begriffe sich zu bereitwilliger
und voller Gewährung einer Bundesverfassung entschließen, an welcher
der Deutsche mit Liebe hängen, welche er zu erhalten, gegen innen und
außen zu vertheidigen wünschen kann. Denn die Zeiten sind vorbei wo
man sich mit halben Zugeständnissen und mit scheinbaren Maßregeln
begnügt. Beweist dieß doch jeder Tag und jede Stunde in erschüttern-
den Ereignissen. Doch zur Sache.

Es ist nicht meine Absicht die wünschenswertheste Einrichtung der
künftigen Bundesverfassung heute zu besprechen. Ich setze als erste Be-
dingung irgendeiner befriedigenden Erledigung der ganzen großen
Nationalangelegenheit voraus daß der Bund eine vom deutschen Volk
unmittelbar -- nicht von den deutschen Ständeversammlungen in ihrer jetzi-
gen feudalen Zusammensetzung -- gewählte constituirende Versammlung
von Vertretern der Nation berufe, mit dieser die künftige Bundesver-
fassung vereinbare, und daß nicht versucht werde diese letztere von Bundes-
wegen zu octroyiren. Ebenso setz' ich voraus daß die künftige Bundes-
verfassung jedenfalls nur zwei deutsche Nationalversammlungen kenne,
die der Vertreter der deutschen Regierungen (den Bundestag) und die
der Vertreter des deutschen Volks, und daß von standesherrlicher oder
anderer Vertretung bevorrechteter Kasten dabei die Rede nicht seyn
könne. Die Zeiten der letztern liegen hinter uns, und jeder Versuch
denselben ein neues Vorrecht im Bunde zu schaffen könnte nur zum Un-
heil führen, was wohl in einem Augenblick welcher diese Warnung mit
Flammenschriften in die Geschichte schreibt, keiner näheren Erörterung
bedarf. Endlich gehe ich von der Voraussetzung aus daß, wie für die
constituirende Nationalversammlung, so für das künftige Parlament,
zwar eine Wahlart festgesetzt werde welche für die Sendung gebildeter
Vertreter bürge, dagegen aber keine andere Bedingung der Wählbarkeit
als das deutsche Staatsbürgerrecht festgesetzt, auch die Wahl nicht auf
die Ständemitglieder der einzelnen Staaten beschränkt werde, sondern
jede deutsche Fähigkeit wählbar sey, daß mit Einem Worte die Nation
die freie Wahl der edelsten Gesinnungen und der besten Köpfe habe, ohne
durch Geburt, äußere Verhältnisse oder durch Ansässigkeit in dem einen
oder andern deutschen Staate hierin beschränkt zu seyn.

So wenig als ich im gegenwärtigen Aufsatze die angemessenste
Wahlart eines deutschen Parlaments zu besprechen beabsichtige, ebenso-
wenig ist es der Zweck dieser Zeilen über das verfassungsmäßige Ver-
hältniß des Parlaments zum Bundestag, über Zuständigkeit und Rechte
beider einander gegenüber im allgemeinen, über die nothwendig ganz
veränderte Bestimmung der Befugnisse der deutschen Regierungen im
Schooße des Bundestages selbst etc. bei diesem Anlaß zu reden. Nur
das glaub' ich als erste Voraussetzung in dieser Hinsicht aussprechen zu
dürfen daß von einem bloß berathenden deutschen Parlament die Rede
nicht seyn könne, daß ein solches von der deutschen Nation mit einstim-
migem Unwillen zurückgewiesen werden würde; daß die Initiative eben-
sowohl dem Parlament als dem Bundestage zustehen müsse, und daß
die Beschlüsse der einen Versammlung von der Zustimmung der andern
abhängen müssen, soweit nicht ein Parlamentsbeschluß den Bundestag
[Spaltenumbruch] zur Ausführung von Bundesgesetzen ermächtigt. Was aber die Gegen-
stände der Zuständigkeit beider Versammlungen betrifft, so möchten
darunter jedenfalls im wesentlichen diejenigen aufzunehmen seyn
welche nach der Verfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika
dem Congreß dieses mächtigen Bundesstaates vorbehalten sind*), also
namentlich das Recht des Kriegs und Friedens, die Sorge für das Heer-
wesen und die Landwehr, die Errichtung und Unterhaltung der Flotte, über-
haupt alle zur Vertheidigung der Vereinigten Staaten nothwendigen Ein-
richtungen und Anstalten, die Ordnung des Handels mit fremden Völkern
im Wege der Zoll- und Schifffahrtsgesetzgebung, die Gesetzgebung über
den innern Handel unter verfassungsmäßiger Festhaltung des Grund-
satzes der gleichen Behandlung aller Bundesangehörigen hinsichtlich der
Hafen- und andern Abgaben, die Gesetzgebung gegen Seeräuberei, das
Bundes-, Finanz- und Abgabenwesen (welches namentlich in der Aus-
übung durch die Zoll- und Schifffahrtsgesetzgebung und Verwaltung
von der größten nationalen Bedeutung ist), die Postgesetzgebung und
Verwaltung für Bundesrechnung, die Anlegung von Poststraßen, die
Münzgesetzgebung und das alleinige Ausmünzen von Bundeswegen, die
Ertheilung von Patenten an Schriftsteller und Erfinder zum Schutz
ihres geistigen Eigenthums, das Recht Gesetze über die gleichförmige
Aufnahme in das Bundesbürgerrecht zu geben, das Recht überhaupt zu
Anordnung solcher Einrichtungen welche die allgemeine Wohlfahrt der
Vereinigten Staaten befördern etc. Ich sage im wesentlichen; denn
z. B. statt der Anlegung von Poststraßen, welche in Deutschland füglich
den einzelnen Staaten wird überlassen bleiben können, wäre es doch
dringend nothwendig daß dem deutschen Bund ein Gesetzgebungs- und
Zwangsrecht hinsichtlich der innern Verbindungsmittel zustände, wie
die Aergernisse der Absperrung deutscher Staaten von einander im Post-
straßen- und Eisenbahnverkehr, der Vernachlässigung der Schiffsahrts-
straßen bei Erhebung erdrückender Wasserzölle etc. mehr als hinreichend
erweisen. Auch von den Rechten des Präsidenten und des Senats der
nordamerikanischen Staaten dürfte dem deutschen Bund ein Theil zuzu-
weisen seyn, namentlich die Vertretung Deutschlands gegen außen, der
Abschluß von Staatsverträgen (über Krieg und Frieden, Handel, Schiff-
fahrt, Postwesen etc.) mit dem Ausland etc. Erst dann wenn der Deutsche
im Auslande statt durch einen von zwanzig Diplomaten kleiner Länder,
deren Namen dort beinahe niemand kennt, noch auch nur auszusprechen
weiß, durch einen deutschen Botschafter vertreten ist, wenn das deutsche
Handelsschiff nicht mehr mit dem mecklenburgischen Ochsenkopf oder
mit der Pappenburger Flagge in die Häfen fremder übermächtigen und
übermüthigen Völker schutzlos einläuft, sondern mit der einen deut-
schen Flagge neben einem Linienschiffe des deutschen Bundes stolz seine
Anker fallen läßt -- erst dann wird von den Deutschen im Auslande das
vernichtende Bewußtseyn seines jetzigen Nichts, dieser Alp, genommen
seyn, unter dessen Druck er bis jetzt so demüthig und erbärmlich unter
fremden Völkern herumgeschlichen ist (ich frage jeden der im Auslande
war, ob ihn dieses Gefühl nicht erdrückt hat?). Uebrigens bin ich weit
entfernt mit jener Hinweisung auf die Zuständigkeiten der nordamerika-
nischen Bundesbehörden, welche in Deutschland jedenfalls zum Theil
der Anpassung an die Verhältnisse bedürfen, die Ansicht ausdrücken zu
wollen als dürfte der Wirkungskreis eines deutschen Parlaments damit
geschlossen seyn. So möchte z. B. jede gemeinsame Gesetzgebung über
peinliches, bürgerliches, Handels- etc. Recht, so weit eine solche bei der
großen provinziellen Verschiedenheit Deutschlands für zulässig erachtet
werden mag, der Berathung und Zustimmung des Parlaments bedür-
fen. Ebenso eine gemeinsame deutsche Preßgesetzgebung, gemeinsame
Bestimmungen über Heimathsverhältnisse und über die Zuweisung Hei-
mathloser etc.

Von allen diesen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth-
schaftlichen zu besprechen versuchen, so genau sie auch mit den völker-
und staatsrechtlichen zusammenhängen.

Als die wichtigste volkswirthschastliche Aufgabe bei dem Aufbau
des deutschen Bundes auf nationale Grundlagen betrachte ich das Auf-
gehen des Zollvereins im deutschen Bunde, die Zurhandnahme des

*) Das Nähere hierüber s. in Robert Mohl, das Bundesstaatsrecht der
Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824.
Nr. 78.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 18 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen
Parlaments.

Die Sache Deutſchlands ſchreitet mit
Rieſenſchritten vorwärts. Der Ruf nach einem deutſchen Parlament
fliegt von einem Ende unſers großen Vaterlandes zum andern mit der
Macht des Sturmwindes hin welcher tauſendjährige Eichen in einem
Augenblick zu entwurzeln vermöchte, mit der Gewalt einer längſt zur
Reife gediehenen, aber durch ein weltgeſchichtliches Ereigniß plötzlich
zum allgemeinen Bewußtſeyn gekommenen, Lebensfrage eines Volkes von
40 Millionen Menſchen. Mag auch da oder dort noch ein augenblick-
liches Zögern in Anerkennung dieſer erſten Nationalforderung ſtatt-
finden, ſo darf man doch die unwiderſtehliche Kraft der letztern als
zweifellos betrachten, und es kann ſich nur noch um das Wie ihrer Er-
füllung handeln. Nur bei einer vollkommen befriedigenden, auf breiter
Grundlage ruhenden Löſung dieſer Frage iſt die Vermittlung der innern
und äußern Sicherheit, des Glückes und der Beruhigung von Deutſch-
land mit den beſtehenden Gebietseintheilungen denkbar. Möchten dieß
alle beherzigen welchen es um dieſe Vermittlung zu thun iſt, und möch-
ten ſie mit Beſeitigung aller hergebrachten Begriffe ſich zu bereitwilliger
und voller Gewährung einer Bundesverfaſſung entſchließen, an welcher
der Deutſche mit Liebe hängen, welche er zu erhalten, gegen innen und
außen zu vertheidigen wünſchen kann. Denn die Zeiten ſind vorbei wo
man ſich mit halben Zugeſtändniſſen und mit ſcheinbaren Maßregeln
begnügt. Beweist dieß doch jeder Tag und jede Stunde in erſchüttern-
den Ereigniſſen. Doch zur Sache.

Es iſt nicht meine Abſicht die wünſchenswertheſte Einrichtung der
künftigen Bundesverfaſſung heute zu beſprechen. Ich ſetze als erſte Be-
dingung irgendeiner befriedigenden Erledigung der ganzen großen
Nationalangelegenheit voraus daß der Bund eine vom deutſchen Volk
unmittelbar — nicht von den deutſchen Ständeverſammlungen in ihrer jetzi-
gen feudalen Zuſammenſetzung — gewählte conſtituirende Verſammlung
von Vertretern der Nation berufe, mit dieſer die künftige Bundesver-
faſſung vereinbare, und daß nicht verſucht werde dieſe letztere von Bundes-
wegen zu octroyiren. Ebenſo ſetz’ ich voraus daß die künftige Bundes-
verfaſſung jedenfalls nur zwei deutſche Nationalverſammlungen kenne,
die der Vertreter der deutſchen Regierungen (den Bundestag) und die
der Vertreter des deutſchen Volks, und daß von ſtandesherrlicher oder
anderer Vertretung bevorrechteter Kaſten dabei die Rede nicht ſeyn
könne. Die Zeiten der letztern liegen hinter uns, und jeder Verſuch
denſelben ein neues Vorrecht im Bunde zu ſchaffen könnte nur zum Un-
heil führen, was wohl in einem Augenblick welcher dieſe Warnung mit
Flammenſchriften in die Geſchichte ſchreibt, keiner näheren Erörterung
bedarf. Endlich gehe ich von der Vorausſetzung aus daß, wie für die
conſtituirende Nationalverſammlung, ſo für das künftige Parlament,
zwar eine Wahlart feſtgeſetzt werde welche für die Sendung gebildeter
Vertreter bürge, dagegen aber keine andere Bedingung der Wählbarkeit
als das deutſche Staatsbürgerrecht feſtgeſetzt, auch die Wahl nicht auf
die Ständemitglieder der einzelnen Staaten beſchränkt werde, ſondern
jede deutſche Fähigkeit wählbar ſey, daß mit Einem Worte die Nation
die freie Wahl der edelſten Geſinnungen und der beſten Köpfe habe, ohne
durch Geburt, äußere Verhältniſſe oder durch Anſäſſigkeit in dem einen
oder andern deutſchen Staate hierin beſchränkt zu ſeyn.

So wenig als ich im gegenwärtigen Aufſatze die angemeſſenſte
Wahlart eines deutſchen Parlaments zu beſprechen beabſichtige, ebenſo-
wenig iſt es der Zweck dieſer Zeilen über das verfaſſungsmäßige Ver-
hältniß des Parlaments zum Bundestag, über Zuſtändigkeit und Rechte
beider einander gegenüber im allgemeinen, über die nothwendig ganz
veränderte Beſtimmung der Befugniſſe der deutſchen Regierungen im
Schooße des Bundestages ſelbſt ꝛc. bei dieſem Anlaß zu reden. Nur
das glaub’ ich als erſte Vorausſetzung in dieſer Hinſicht ausſprechen zu
dürfen daß von einem bloß berathenden deutſchen Parlament die Rede
nicht ſeyn könne, daß ein ſolches von der deutſchen Nation mit einſtim-
migem Unwillen zurückgewieſen werden würde; daß die Initiative eben-
ſowohl dem Parlament als dem Bundestage zuſtehen müſſe, und daß
die Beſchlüſſe der einen Verſammlung von der Zuſtimmung der andern
abhängen müſſen, ſoweit nicht ein Parlamentsbeſchluß den Bundestag
[Spaltenumbruch] zur Ausführung von Bundesgeſetzen ermächtigt. Was aber die Gegen-
ſtände der Zuſtändigkeit beider Verſammlungen betrifft, ſo möchten
darunter jedenfalls im weſentlichen diejenigen aufzunehmen ſeyn
welche nach der Verfaſſung der Vereinigten Staaten von Nordamerika
dem Congreß dieſes mächtigen Bundesſtaates vorbehalten ſind*), alſo
namentlich das Recht des Kriegs und Friedens, die Sorge für das Heer-
weſen und die Landwehr, die Errichtung und Unterhaltung der Flotte, über-
haupt alle zur Vertheidigung der Vereinigten Staaten nothwendigen Ein-
richtungen und Anſtalten, die Ordnung des Handels mit fremden Völkern
im Wege der Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung, die Geſetzgebung über
den innern Handel unter verfaſſungsmäßiger Feſthaltung des Grund-
ſatzes der gleichen Behandlung aller Bundesangehörigen hinſichtlich der
Hafen- und andern Abgaben, die Geſetzgebung gegen Seeräuberei, das
Bundes-, Finanz- und Abgabenweſen (welches namentlich in der Aus-
übung durch die Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung und Verwaltung
von der größten nationalen Bedeutung iſt), die Poſtgeſetzgebung und
Verwaltung für Bundesrechnung, die Anlegung von Poſtſtraßen, die
Münzgeſetzgebung und das alleinige Ausmünzen von Bundeswegen, die
Ertheilung von Patenten an Schriftſteller und Erfinder zum Schutz
ihres geiſtigen Eigenthums, das Recht Geſetze über die gleichförmige
Aufnahme in das Bundesbürgerrecht zu geben, das Recht überhaupt zu
Anordnung ſolcher Einrichtungen welche die allgemeine Wohlfahrt der
Vereinigten Staaten befördern ꝛc. Ich ſage im weſentlichen; denn
z. B. ſtatt der Anlegung von Poſtſtraßen, welche in Deutſchland füglich
den einzelnen Staaten wird überlaſſen bleiben können, wäre es doch
dringend nothwendig daß dem deutſchen Bund ein Geſetzgebungs- und
Zwangsrecht hinſichtlich der innern Verbindungsmittel zuſtände, wie
die Aergerniſſe der Abſperrung deutſcher Staaten von einander im Poſt-
ſtraßen- und Eiſenbahnverkehr, der Vernachläſſigung der Schiffſahrts-
ſtraßen bei Erhebung erdrückender Waſſerzölle ꝛc. mehr als hinreichend
erweiſen. Auch von den Rechten des Präſidenten und des Senats der
nordamerikaniſchen Staaten dürfte dem deutſchen Bund ein Theil zuzu-
weiſen ſeyn, namentlich die Vertretung Deutſchlands gegen außen, der
Abſchluß von Staatsverträgen (über Krieg und Frieden, Handel, Schiff-
fahrt, Poſtweſen ꝛc.) mit dem Ausland ꝛc. Erſt dann wenn der Deutſche
im Auslande ſtatt durch einen von zwanzig Diplomaten kleiner Länder,
deren Namen dort beinahe niemand kennt, noch auch nur auszuſprechen
weiß, durch einen deutſchen Botſchafter vertreten iſt, wenn das deutſche
Handelsſchiff nicht mehr mit dem mecklenburgiſchen Ochſenkopf oder
mit der Pappenburger Flagge in die Häfen fremder übermächtigen und
übermüthigen Völker ſchutzlos einläuft, ſondern mit der einen deut-
ſchen Flagge neben einem Linienſchiffe des deutſchen Bundes ſtolz ſeine
Anker fallen läßt — erſt dann wird von den Deutſchen im Auslande das
vernichtende Bewußtſeyn ſeines jetzigen Nichts, dieſer Alp, genommen
ſeyn, unter deſſen Druck er bis jetzt ſo demüthig und erbärmlich unter
fremden Völkern herumgeſchlichen iſt (ich frage jeden der im Auslande
war, ob ihn dieſes Gefühl nicht erdrückt hat?). Uebrigens bin ich weit
entfernt mit jener Hinweiſung auf die Zuſtändigkeiten der nordamerika-
niſchen Bundesbehörden, welche in Deutſchland jedenfalls zum Theil
der Anpaſſung an die Verhältniſſe bedürfen, die Anſicht ausdrücken zu
wollen als dürfte der Wirkungskreis eines deutſchen Parlaments damit
geſchloſſen ſeyn. So möchte z. B. jede gemeinſame Geſetzgebung über
peinliches, bürgerliches, Handels- ꝛc. Recht, ſo weit eine ſolche bei der
großen provinziellen Verſchiedenheit Deutſchlands für zuläſſig erachtet
werden mag, der Berathung und Zuſtimmung des Parlaments bedür-
fen. Ebenſo eine gemeinſame deutſche Preßgeſetzgebung, gemeinſame
Beſtimmungen über Heimathsverhältniſſe und über die Zuweiſung Hei-
mathloſer ꝛc.

Von allen dieſen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth-
ſchaftlichen zu beſprechen verſuchen, ſo genau ſie auch mit den völker-
und ſtaatsrechtlichen zuſammenhängen.

Als die wichtigſte volkswirthſchaſtliche Aufgabe bei dem Aufbau
des deutſchen Bundes auf nationale Grundlagen betrachte ich das Auf-
gehen des Zollvereins im deutſchen Bunde, die Zurhandnahme des

*) Das Nähere hierüber ſ. in Robert Mohl, das Bundesſtaatsrecht der
Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824.
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[0009] Nr. 78. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 18 März 1848. Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen Parlaments. * Stuttgart, 11 März. Die Sache Deutſchlands ſchreitet mit Rieſenſchritten vorwärts. Der Ruf nach einem deutſchen Parlament fliegt von einem Ende unſers großen Vaterlandes zum andern mit der Macht des Sturmwindes hin welcher tauſendjährige Eichen in einem Augenblick zu entwurzeln vermöchte, mit der Gewalt einer längſt zur Reife gediehenen, aber durch ein weltgeſchichtliches Ereigniß plötzlich zum allgemeinen Bewußtſeyn gekommenen, Lebensfrage eines Volkes von 40 Millionen Menſchen. Mag auch da oder dort noch ein augenblick- liches Zögern in Anerkennung dieſer erſten Nationalforderung ſtatt- finden, ſo darf man doch die unwiderſtehliche Kraft der letztern als zweifellos betrachten, und es kann ſich nur noch um das Wie ihrer Er- füllung handeln. Nur bei einer vollkommen befriedigenden, auf breiter Grundlage ruhenden Löſung dieſer Frage iſt die Vermittlung der innern und äußern Sicherheit, des Glückes und der Beruhigung von Deutſch- land mit den beſtehenden Gebietseintheilungen denkbar. Möchten dieß alle beherzigen welchen es um dieſe Vermittlung zu thun iſt, und möch- ten ſie mit Beſeitigung aller hergebrachten Begriffe ſich zu bereitwilliger und voller Gewährung einer Bundesverfaſſung entſchließen, an welcher der Deutſche mit Liebe hängen, welche er zu erhalten, gegen innen und außen zu vertheidigen wünſchen kann. Denn die Zeiten ſind vorbei wo man ſich mit halben Zugeſtändniſſen und mit ſcheinbaren Maßregeln begnügt. Beweist dieß doch jeder Tag und jede Stunde in erſchüttern- den Ereigniſſen. Doch zur Sache. Es iſt nicht meine Abſicht die wünſchenswertheſte Einrichtung der künftigen Bundesverfaſſung heute zu beſprechen. Ich ſetze als erſte Be- dingung irgendeiner befriedigenden Erledigung der ganzen großen Nationalangelegenheit voraus daß der Bund eine vom deutſchen Volk unmittelbar — nicht von den deutſchen Ständeverſammlungen in ihrer jetzi- gen feudalen Zuſammenſetzung — gewählte conſtituirende Verſammlung von Vertretern der Nation berufe, mit dieſer die künftige Bundesver- faſſung vereinbare, und daß nicht verſucht werde dieſe letztere von Bundes- wegen zu octroyiren. Ebenſo ſetz’ ich voraus daß die künftige Bundes- verfaſſung jedenfalls nur zwei deutſche Nationalverſammlungen kenne, die der Vertreter der deutſchen Regierungen (den Bundestag) und die der Vertreter des deutſchen Volks, und daß von ſtandesherrlicher oder anderer Vertretung bevorrechteter Kaſten dabei die Rede nicht ſeyn könne. Die Zeiten der letztern liegen hinter uns, und jeder Verſuch denſelben ein neues Vorrecht im Bunde zu ſchaffen könnte nur zum Un- heil führen, was wohl in einem Augenblick welcher dieſe Warnung mit Flammenſchriften in die Geſchichte ſchreibt, keiner näheren Erörterung bedarf. Endlich gehe ich von der Vorausſetzung aus daß, wie für die conſtituirende Nationalverſammlung, ſo für das künftige Parlament, zwar eine Wahlart feſtgeſetzt werde welche für die Sendung gebildeter Vertreter bürge, dagegen aber keine andere Bedingung der Wählbarkeit als das deutſche Staatsbürgerrecht feſtgeſetzt, auch die Wahl nicht auf die Ständemitglieder der einzelnen Staaten beſchränkt werde, ſondern jede deutſche Fähigkeit wählbar ſey, daß mit Einem Worte die Nation die freie Wahl der edelſten Geſinnungen und der beſten Köpfe habe, ohne durch Geburt, äußere Verhältniſſe oder durch Anſäſſigkeit in dem einen oder andern deutſchen Staate hierin beſchränkt zu ſeyn. So wenig als ich im gegenwärtigen Aufſatze die angemeſſenſte Wahlart eines deutſchen Parlaments zu beſprechen beabſichtige, ebenſo- wenig iſt es der Zweck dieſer Zeilen über das verfaſſungsmäßige Ver- hältniß des Parlaments zum Bundestag, über Zuſtändigkeit und Rechte beider einander gegenüber im allgemeinen, über die nothwendig ganz veränderte Beſtimmung der Befugniſſe der deutſchen Regierungen im Schooße des Bundestages ſelbſt ꝛc. bei dieſem Anlaß zu reden. Nur das glaub’ ich als erſte Vorausſetzung in dieſer Hinſicht ausſprechen zu dürfen daß von einem bloß berathenden deutſchen Parlament die Rede nicht ſeyn könne, daß ein ſolches von der deutſchen Nation mit einſtim- migem Unwillen zurückgewieſen werden würde; daß die Initiative eben- ſowohl dem Parlament als dem Bundestage zuſtehen müſſe, und daß die Beſchlüſſe der einen Verſammlung von der Zuſtimmung der andern abhängen müſſen, ſoweit nicht ein Parlamentsbeſchluß den Bundestag zur Ausführung von Bundesgeſetzen ermächtigt. Was aber die Gegen- ſtände der Zuſtändigkeit beider Verſammlungen betrifft, ſo möchten darunter jedenfalls im weſentlichen diejenigen aufzunehmen ſeyn welche nach der Verfaſſung der Vereinigten Staaten von Nordamerika dem Congreß dieſes mächtigen Bundesſtaates vorbehalten ſind *), alſo namentlich das Recht des Kriegs und Friedens, die Sorge für das Heer- weſen und die Landwehr, die Errichtung und Unterhaltung der Flotte, über- haupt alle zur Vertheidigung der Vereinigten Staaten nothwendigen Ein- richtungen und Anſtalten, die Ordnung des Handels mit fremden Völkern im Wege der Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung, die Geſetzgebung über den innern Handel unter verfaſſungsmäßiger Feſthaltung des Grund- ſatzes der gleichen Behandlung aller Bundesangehörigen hinſichtlich der Hafen- und andern Abgaben, die Geſetzgebung gegen Seeräuberei, das Bundes-, Finanz- und Abgabenweſen (welches namentlich in der Aus- übung durch die Zoll- und Schifffahrtsgeſetzgebung und Verwaltung von der größten nationalen Bedeutung iſt), die Poſtgeſetzgebung und Verwaltung für Bundesrechnung, die Anlegung von Poſtſtraßen, die Münzgeſetzgebung und das alleinige Ausmünzen von Bundeswegen, die Ertheilung von Patenten an Schriftſteller und Erfinder zum Schutz ihres geiſtigen Eigenthums, das Recht Geſetze über die gleichförmige Aufnahme in das Bundesbürgerrecht zu geben, das Recht überhaupt zu Anordnung ſolcher Einrichtungen welche die allgemeine Wohlfahrt der Vereinigten Staaten befördern ꝛc. Ich ſage im weſentlichen; denn z. B. ſtatt der Anlegung von Poſtſtraßen, welche in Deutſchland füglich den einzelnen Staaten wird überlaſſen bleiben können, wäre es doch dringend nothwendig daß dem deutſchen Bund ein Geſetzgebungs- und Zwangsrecht hinſichtlich der innern Verbindungsmittel zuſtände, wie die Aergerniſſe der Abſperrung deutſcher Staaten von einander im Poſt- ſtraßen- und Eiſenbahnverkehr, der Vernachläſſigung der Schiffſahrts- ſtraßen bei Erhebung erdrückender Waſſerzölle ꝛc. mehr als hinreichend erweiſen. Auch von den Rechten des Präſidenten und des Senats der nordamerikaniſchen Staaten dürfte dem deutſchen Bund ein Theil zuzu- weiſen ſeyn, namentlich die Vertretung Deutſchlands gegen außen, der Abſchluß von Staatsverträgen (über Krieg und Frieden, Handel, Schiff- fahrt, Poſtweſen ꝛc.) mit dem Ausland ꝛc. Erſt dann wenn der Deutſche im Auslande ſtatt durch einen von zwanzig Diplomaten kleiner Länder, deren Namen dort beinahe niemand kennt, noch auch nur auszuſprechen weiß, durch einen deutſchen Botſchafter vertreten iſt, wenn das deutſche Handelsſchiff nicht mehr mit dem mecklenburgiſchen Ochſenkopf oder mit der Pappenburger Flagge in die Häfen fremder übermächtigen und übermüthigen Völker ſchutzlos einläuft, ſondern mit der einen deut- ſchen Flagge neben einem Linienſchiffe des deutſchen Bundes ſtolz ſeine Anker fallen läßt — erſt dann wird von den Deutſchen im Auslande das vernichtende Bewußtſeyn ſeines jetzigen Nichts, dieſer Alp, genommen ſeyn, unter deſſen Druck er bis jetzt ſo demüthig und erbärmlich unter fremden Völkern herumgeſchlichen iſt (ich frage jeden der im Auslande war, ob ihn dieſes Gefühl nicht erdrückt hat?). Uebrigens bin ich weit entfernt mit jener Hinweiſung auf die Zuſtändigkeiten der nordamerika- niſchen Bundesbehörden, welche in Deutſchland jedenfalls zum Theil der Anpaſſung an die Verhältniſſe bedürfen, die Anſicht ausdrücken zu wollen als dürfte der Wirkungskreis eines deutſchen Parlaments damit geſchloſſen ſeyn. So möchte z. B. jede gemeinſame Geſetzgebung über peinliches, bürgerliches, Handels- ꝛc. Recht, ſo weit eine ſolche bei der großen provinziellen Verſchiedenheit Deutſchlands für zuläſſig erachtet werden mag, der Berathung und Zuſtimmung des Parlaments bedür- fen. Ebenſo eine gemeinſame deutſche Preßgeſetzgebung, gemeinſame Beſtimmungen über Heimathsverhältniſſe und über die Zuweiſung Hei- mathloſer ꝛc. Von allen dieſen Fragen werde ich für jetzt nur die volkswirth- ſchaftlichen zu beſprechen verſuchen, ſo genau ſie auch mit den völker- und ſtaatsrechtlichen zuſammenhängen. Als die wichtigſte volkswirthſchaſtliche Aufgabe bei dem Aufbau des deutſchen Bundes auf nationale Grundlagen betrachte ich das Auf- gehen des Zollvereins im deutſchen Bunde, die Zurhandnahme des *) Das Nähere hierüber ſ. in Robert Mohl, das Bundesſtaatsrecht der Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1824.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/9>, abgerufen am 24.11.2024.