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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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[Spaltenumbruch] ster. Er beantragt: für die morgige Sitzung eine Petition an
Se. Majestät, daß noch im Laufe dieses Reichstags ein ungari-
sches Ministerium ernannt werde das hier seinen Sitz habe. Wenn
morgen der König Soldaten fordert, werden wir sie etwa dieser Regie-
rung votiren? Wenn wir sie votiren, wird uns das Volk nicht ver-
wünschen? Wenn die Recruten ausgehoben sind, werden sie solchen
Fahnen treu dienen?" u. s. w. Nicht eine Stimme erhob sich gegen
das Princip der Motion. Zufällig hatte ein Regierungsmann (Statt-
haltereirath Batarezy) das Quafipräsidium, aber weder er noch der
conservative Führer Somsich sprach dagegen. Jm Gegentheile, sie
äußerten ausdrücklich sie seyen vollkommen mit der Ansicht Kossuths
einverstanden daß hier ein verantwortliches Ministerium sitzen möchte.
Nun aber kam das Ueberraschende daß Graf Szechenyi sich erhob
und eine wahre Philippica gegen die Regierung hielt. Worte wie
"elend, schlecht, unverbesserlich, starrsinnig" etc. flogen wie Pelotonfeuer.
Alle sprachen sich gegen das jetzige Regiment offen und klar aus. Kein
Vertraueu in eine solche Regierung, keine Hoffnung fürs Land, Be-
sorgnisse für den Thron! So ging's fünf Stunden lang bis zum
Schlusse. Kossuth sollte Freitag den Antrag zu solcher Repräsentation
stellen, es soll gleich in der Circularsitzung angenommen, sogleich eine
Reichsfitzung angeordnet und das authentisirte Nuntium im Momente
den Magnaten zugeschickt werden. Die ganze conservative Partei ver-
pflichtete sich auf Ehrenwort keine Sylbe dagegen vorzubringen. Die
Aufregung bis zur Sitzung war ungeheuer, die Sitzung selbst eine
erhebende und großartige. Alles ist angenommen. Kossuth donnerte
wie der ergrimmte Jupiter: Mit dieser Regierung ist nicht weiter zu
kommen; wenn man alt ist stirbt man, Metternichs Politik ist ein
Greis, sie ist gestorben. Gefahren stürmen ein auf unser Reich. Eine
solche Regierung kann sie nicht abwehren. Bajonette sind heutzutage
die gebrechlichsten Häkchen einen Staat zusammenzuhalten. Vielleicht
ist eine zweite Auflage der heiligen Allianz im Anzuge, aber man
vergißt daß das Volk die Allianz rettete, nicht die Allianz das Volk.
Die Wiener Büreaukratie kann keine Begeisterung erwecken, für den
König wollen wir unser Blut lassen, für die Wiener Politik opfert sich
kein Spatz. Unter diesen Verhältnissen, bei dieser absolutistischen Rich-
tung kommen wir keinen Schritt vorwärts. Wir Ungarn aber find
allein noch im Stande dieses der österreichischen Regierung zu sagen; da-
her müssen wir es sagen! Als wir 1790 gegen die franzöfische Revolution
auftraten, vergaß der Reichstag Garantien für die Zukunft zu fordern;
wir wollen nicht in denselben Fehler verfallen. Ein hoffnungsvoller Thron-
erbe war jüngst in unserer Mitte. Ganz soll er die Krone bekommen,
aber auf diesem Wege wird sie schlecht bewahrt. Jn wenigen Tagen
können Könige stürzen. Sorgen wir für morgen!" u. s. w. Wie ge-
sagt -- der Antrag Koffuths wurde einstimmig angenommen, eben-
so die (in der Allg. Ztg. vom 10 März mitgetheilte) Repräsentation.
Die gestrige Reichssitzung der Magnaten wurden unter Präsidium des
Reichsrichters eröffnet. Das Nuntium der Stände wurde verlesen,
aber der Präses beantragte die Verhandlung auszusetzen, bis der Pa-
latin zugegen sey, der aber heute nach Wien reiste! Die Angelegenheit
wäre zu wichtig und schon die Discretion erfordere es diese Reprä-
sentation nur in seinem Beiseyn vorzunehmen. Es erfolgte eine all-
gemeine Entrüstung der Oppofitionsmitglieder. Graf L. Bathyanyi
äußerte sich über dieses Verfahren mit Entschiedenheit: der Usus be-
lehrt daß von jeher selbst die wichtigsten Affairen ohne Präsidium des
Palatins verhandelt und abgestimmt wurden. Uebrigens habe Se. k. H.
bereits vorgestern Nachts gewußt was die Stände vorhaben, und
dieses absichtliche Abreisen um sich dort Raths zu erholen wo so
selten ein guter Rath ertheilt wird, könne nur erbittern! -- Sie kön-
nen wohl denken daß alle Conservativen mit dem Juder Curiä für die
Vertagung stimmten -- und so hat das Wiener Cabinet Zeit gewon-
nen. Meine unmaßgebliche Meinung ist, daß trotz aller Stürme in
Frankreich und Jtalien die Wiener Regierung nicht ein Tüttelchen
vom alten System opfert, und sonach eine Auflösung des Reichsta-
ges und in Folge davon eine immense Erbitterung des Landes be-
vorsteht. Möchte ich mich irren! (Europa.)

Großbritannien.

Die Anfänge der Parlamentssitzungen vom 13 März liegen vor
uns. Jm Unterhaus wurde gefragt wie es mit den rückständigen Löh-
nen der aus der Normandie vertriebenen brittischen Arbeiter stehe.
Der Staatssecretär des Jnnern, Sir George Grey, antwortete: der
[Spaltenumbruch] edle Staatssecretär des Auswärtigen werde über die Nachzahlung der
Löhne mit Frankreichs provisorischer Regierung in Verkehr treten.
Der Minister fügte bei: die gezwungene Auswanderung englischer Ar-
beiter aus Frankreich dauere fort, und Jhrer Maj. Regierung werde
diese Sache nicht aus den Augen verlieren. Hr. Hindley zeigte an:
er werde demnächst den (in der Sitzung vom 13 abwesenden) Viscount
Palmerston fragen: ob das Gerücht gegründet sey daß England ein
Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen unterzeichnet habe. Das ganze
Haus brach darüber in ein Gelächter des Unglaubens aus; -- "und
dieses Lachen," bemerkt Galign. Messenger, "lieferte vielleicht den
geeignetsten Commentar zu einer so offenbar widersinnigen Frage."
(Leider scheint es fast daß ein neulicher Druckfehler in einem preußi-
schen Artikel der Allgemeinen Zeitung, wo gerüchtsweise von einer
Coalition zwischen Oesterreich, Preußen und England -- anstatt
Rußland -- die Rede war, und welcher Druckfehler, obgleich am fol-
genden Tage verbessert, mit dem Artikel in mehrere andere Blätter
überging, obiges Gerücht veranlaßt.)


"Der Ex-König und die Königin der Franzosen," schreibt die Ti-
mes,
"leben fortwährend von ihrer Familie umgeben in Claremont.
Während der vorigen Woche erhielten sie Besuche von vielen persönlichen
Freunden, worunter mehrere Mitglieder des hohen brittischen Adels.
Hr. Guizot war seit seiner Ankunft mehr als einmal in Claremont.
Auch der Herzog v. Montebello und Hr. Duchätel haben Besuche abge-
stattet. Ludwig Philipp fährt zuweilen in einer Privatkutsche in der
Nachbarschaft spazieren, und wird überall mit ausgezeichneter Achtung
empfangen. Dasselbe gilt von den jüngeren Zweigen der Familie, den
Herzogen von Nemours und Montpensier, welche beide oft in der Umge-
bung von Claremont spazieren. Zwei Polizeibeamte sind zum Schutze
der königlichen Verbannten in Claremont aufgestellt, aber ihr Amt ist
eine Sinecur, da nur wenige Fremde nach dem Orte kommen. Die
Gräfin Granville, der österreichische Gesandte und Graf und Gräfin
v. Jarnac waren unter den gestrigen Besuchern. Gestern Morgens
wohnte die Familie dem Gottesdienst in der katholischen Capelle zu
Weybridge bei." Man glaubte bisher Ludwig Philipp habe, einen plötz-
lichen Umsturz der Dinge in Frankreich ahnend oder wenigstens für des-
sen Möglichkeit vorsorgend, beträchtliche Summen in der englischen
Bank angelegt. "Diese Ansicht," sagt die Times, "ist leider ganz
grundlos. Ludwig Philipp hat, wie es fich jetzt zeigt, sey es aus übel-
begründeter Zuversicht in den Festbestand seiner Regierung, oder aus
Nationalität und Patriotismus -- möglicherweise aus beiden Ursachen
-- sein und seiner Kinder ganzes Vermögen dem Boden und der
Treue Frankreichs anvertraut. Sollte daher die künftige franzöfische
Legislatur das Privatvermögen des Hauses Orleans zu confisciren
beschließen, so müßte diese unglückliche Fürstenfamilie in einen Zu-
stand der Entblößung sinken der ganz Europa mit Gefühlen der Scham
und Entrüstung erfüllen würde. Jndessen besorgen wir keinen so un-
barmherzigen und ungerechten Beschluß, der so unvereinbar wäre mit der
Hochherzigkeit des franzöfischen Nationalcharakters, und mit jenen
Grundsätzen der Billigkeit, Menschlichkeit und Mäßigung auf welche die
Republik gegründet zu seyn versichert." -- M. Chronicle bemerkt:
"Den Pariser Blättern zufolge hat der Marquis v. Normanby für
nöthig erachtet, hinfichtlich der herzlichen Aufnahme welche Ludwig
Philipp und seine Familie in England gefunden, der provisorischen Re-
gierung einige Erklärungen zu geben. Lord Normanby's Absicht bei
diesem Schritt war ohne Zweisel lobenswerth, aber der Schritt war
ganz und gar unnöthig. Auch in Frankreich ist es niemanden einge-
fallen in der Aufnahme Ludwig Philipps bei unserer Königin oder
unserer Nation ein Anzeichen der Feindseligkeit gegen die junge Re-
publik zu sehen. Selbst die anti-englischesten der Pariser Zeitungen
betrachten die Sache nicht in diesem Lichte, sondern sehen darin eben nur
einen neuen Beweis von Englands allbekannter Gastfreundschaft." --
"Graf v. Jarnac", berichtet die M. Post, "ist endlich seiner Pflichten
als franzöfischer Gesandter am Hofe von St. James enthoben. Am
letzten Freitag langte Hr. Cottu, ein vormaliger Attache der Gesandt-
schaft, von Paris in Hertford-Haus an, von der provisorischen Regierung
beauftragt vom Grafen v. Jarnac die Archive und Siegel der Gesandt-
schaft in Empfang zu nehmen. Graf Jarnac wohnt nun bei seinem
Schwager Lord Foley auf Grosvenor-Square. Hr. Cottu ist, soviel
wir wissen, nicht als eigentlicher Botschafter beglaubigt, sondern nur
vorläufig mit der Oberaufficht der Gesandtschaftsgeschäfte betraut. Als
Beweis mit welcher Sparsamkeit die provisorische Regierung in ihren

[Spaltenumbruch] ſter. Er beantragt: für die morgige Sitzung eine Petition an
Se. Majeſtät, daß noch im Laufe dieſes Reichstags ein ungari-
ſches Miniſterium ernannt werde das hier ſeinen Sitz habe. Wenn
morgen der König Soldaten fordert, werden wir ſie etwa dieſer Regie-
rung votiren? Wenn wir ſie votiren, wird uns das Volk nicht ver-
wünſchen? Wenn die Recruten ausgehoben ſind, werden ſie ſolchen
Fahnen treu dienen?“ u. ſ. w. Nicht eine Stimme erhob ſich gegen
das Princip der Motion. Zufällig hatte ein Regierungsmann (Statt-
haltereirath Batarezy) das Quafipräſidium, aber weder er noch der
conſervative Führer Somſich ſprach dagegen. Jm Gegentheile, ſie
äußerten ausdrücklich ſie ſeyen vollkommen mit der Anſicht Koſſuths
einverſtanden daß hier ein verantwortliches Miniſterium ſitzen möchte.
Nun aber kam das Ueberraſchende daß Graf Szechenyi ſich erhob
und eine wahre Philippica gegen die Regierung hielt. Worte wie
„elend, ſchlecht, unverbeſſerlich, ſtarrſinnig“ ꝛc. flogen wie Pelotonfeuer.
Alle ſprachen ſich gegen das jetzige Regiment offen und klar aus. Kein
Vertraueu in eine ſolche Regierung, keine Hoffnung fürs Land, Be-
ſorgniſſe für den Thron! So ging’s fünf Stunden lang bis zum
Schluſſe. Koſſuth ſollte Freitag den Antrag zu ſolcher Repräſentation
ſtellen, es ſoll gleich in der Circularſitzung angenommen, ſogleich eine
Reichsfitzung angeordnet und das authentiſirte Nuntium im Momente
den Magnaten zugeſchickt werden. Die ganze conſervative Partei ver-
pflichtete ſich auf Ehrenwort keine Sylbe dagegen vorzubringen. Die
Aufregung bis zur Sitzung war ungeheuer, die Sitzung ſelbſt eine
erhebende und großartige. Alles iſt angenommen. Koſſuth donnerte
wie der ergrimmte Jupiter: Mit dieſer Regierung iſt nicht weiter zu
kommen; wenn man alt iſt ſtirbt man, Metternichs Politik iſt ein
Greis, ſie iſt geſtorben. Gefahren ſtürmen ein auf unſer Reich. Eine
ſolche Regierung kann ſie nicht abwehren. Bajonette ſind heutzutage
die gebrechlichſten Häkchen einen Staat zuſammenzuhalten. Vielleicht
iſt eine zweite Auflage der heiligen Allianz im Anzuge, aber man
vergißt daß das Volk die Allianz rettete, nicht die Allianz das Volk.
Die Wiener Büreaukratie kann keine Begeiſterung erwecken, für den
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kein Spatz. Unter dieſen Verhältniſſen, bei dieſer abſolutiſtiſchen Rich-
tung kommen wir keinen Schritt vorwärts. Wir Ungarn aber find
allein noch im Stande dieſes der öſterreichiſchen Regierung zu ſagen; da-
her müſſen wir es ſagen! Als wir 1790 gegen die franzöfiſche Revolution
auftraten, vergaß der Reichstag Garantien für die Zukunft zu fordern;
wir wollen nicht in denſelben Fehler verfallen. Ein hoffnungsvoller Thron-
erbe war jüngſt in unſerer Mitte. Ganz ſoll er die Krone bekommen,
aber auf dieſem Wege wird ſie ſchlecht bewahrt. Jn wenigen Tagen
können Könige ſtürzen. Sorgen wir für morgen!“ u. ſ. w. Wie ge-
ſagt — der Antrag Koffuths wurde einſtimmig angenommen, eben-
ſo die (in der Allg. Ztg. vom 10 März mitgetheilte) Repräſentation.
Die geſtrige Reichsſitzung der Magnaten wurden unter Präſidium des
Reichsrichters eröffnet. Das Nuntium der Stände wurde verleſen,
aber der Präſes beantragte die Verhandlung auszuſetzen, bis der Pa-
latin zugegen ſey, der aber heute nach Wien reiste! Die Angelegenheit
wäre zu wichtig und ſchon die Discretion erfordere es dieſe Reprä-
ſentation nur in ſeinem Beiſeyn vorzunehmen. Es erfolgte eine all-
gemeine Entrüſtung der Oppofitionsmitglieder. Graf L. Bathyanyi
äußerte ſich über dieſes Verfahren mit Entſchiedenheit: der Uſus be-
lehrt daß von jeher ſelbſt die wichtigſten Affairen ohne Präſidium des
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bereits vorgeſtern Nachts gewußt was die Stände vorhaben, und
dieſes abſichtliche Abreiſen um ſich dort Raths zu erholen wo ſo
ſelten ein guter Rath ertheilt wird, könne nur erbittern! — Sie kön-
nen wohl denken daß alle Conſervativen mit dem Juder Curiä für die
Vertagung ſtimmten — und ſo hat das Wiener Cabinet Zeit gewon-
nen. Meine unmaßgebliche Meinung iſt, daß trotz aller Stürme in
Frankreich und Jtalien die Wiener Regierung nicht ein Tüttelchen
vom alten Syſtem opfert, und ſonach eine Auflöſung des Reichsta-
ges und in Folge davon eine immenſe Erbitterung des Landes be-
vorſteht. Möchte ich mich irren! (Europa.)

Großbritannien.

Die Anfänge der Parlamentsſitzungen vom 13 März liegen vor
uns. Jm Unterhaus wurde gefragt wie es mit den rückſtändigen Löh-
nen der aus der Normandie vertriebenen brittiſchen Arbeiter ſtehe.
Der Staatsſecretär des Jnnern, Sir George Grey, antwortete: der
[Spaltenumbruch] edle Staatsſecretär des Auswärtigen werde über die Nachzahlung der
Löhne mit Frankreichs proviſoriſcher Regierung in Verkehr treten.
Der Miniſter fügte bei: die gezwungene Auswanderung engliſcher Ar-
beiter aus Frankreich dauere fort, und Jhrer Maj. Regierung werde
dieſe Sache nicht aus den Augen verlieren. Hr. Hindley zeigte an:
er werde demnächſt den (in der Sitzung vom 13 abweſenden) Viscount
Palmerſton fragen: ob das Gerücht gegründet ſey daß England ein
Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen unterzeichnet habe. Das ganze
Haus brach darüber in ein Gelächter des Unglaubens aus; — „und
dieſes Lachen,“ bemerkt Galign. Meſſenger, „lieferte vielleicht den
geeignetſten Commentar zu einer ſo offenbar widerſinnigen Frage.“
(Leider ſcheint es faſt daß ein neulicher Druckfehler in einem preußi-
ſchen Artikel der Allgemeinen Zeitung, wo gerüchtsweiſe von einer
Coalition zwiſchen Oeſterreich, Preußen und England — anſtatt
Rußland — die Rede war, und welcher Druckfehler, obgleich am fol-
genden Tage verbeſſert, mit dem Artikel in mehrere andere Blätter
überging, obiges Gerücht veranlaßt.)


„Der Ex-König und die Königin der Franzoſen,“ ſchreibt die Ti-
mes,
„leben fortwährend von ihrer Familie umgeben in Claremont.
Während der vorigen Woche erhielten ſie Beſuche von vielen perſönlichen
Freunden, worunter mehrere Mitglieder des hohen brittiſchen Adels.
Hr. Guizot war ſeit ſeiner Ankunft mehr als einmal in Claremont.
Auch der Herzog v. Montebello und Hr. Duchätel haben Beſuche abge-
ſtattet. Ludwig Philipp fährt zuweilen in einer Privatkutſche in der
Nachbarſchaft ſpazieren, und wird überall mit ausgezeichneter Achtung
empfangen. Dasſelbe gilt von den jüngeren Zweigen der Familie, den
Herzogen von Nemours und Montpenſier, welche beide oft in der Umge-
bung von Claremont ſpazieren. Zwei Polizeibeamte ſind zum Schutze
der königlichen Verbannten in Claremont aufgeſtellt, aber ihr Amt iſt
eine Sinecur, da nur wenige Fremde nach dem Orte kommen. Die
Gräfin Granville, der öſterreichiſche Geſandte und Graf und Gräfin
v. Jarnac waren unter den geſtrigen Beſuchern. Geſtern Morgens
wohnte die Familie dem Gottesdienſt in der katholiſchen Capelle zu
Weybridge bei.“ Man glaubte bisher Ludwig Philipp habe, einen plötz-
lichen Umſturz der Dinge in Frankreich ahnend oder wenigſtens für deſ-
ſen Möglichkeit vorſorgend, beträchtliche Summen in der engliſchen
Bank angelegt. „Dieſe Anſicht,“ ſagt die Times, „iſt leider ganz
grundlos. Ludwig Philipp hat, wie es fich jetzt zeigt, ſey es aus übel-
begründeter Zuverſicht in den Feſtbeſtand ſeiner Regierung, oder aus
Nationalität und Patriotismus — möglicherweiſe aus beiden Urſachen
— ſein und ſeiner Kinder ganzes Vermögen dem Boden und der
Treue Frankreichs anvertraut. Sollte daher die künftige franzöfiſche
Legislatur das Privatvermögen des Hauſes Orleans zu confisciren
beſchließen, ſo müßte dieſe unglückliche Fürſtenfamilie in einen Zu-
ſtand der Entblößung ſinken der ganz Europa mit Gefühlen der Scham
und Entrüſtung erfüllen würde. Jndeſſen beſorgen wir keinen ſo un-
barmherzigen und ungerechten Beſchluß, der ſo unvereinbar wäre mit der
Hochherzigkeit des franzöfiſchen Nationalcharakters, und mit jenen
Grundſätzen der Billigkeit, Menſchlichkeit und Mäßigung auf welche die
Republik gegründet zu ſeyn verſichert.“ — M. Chronicle bemerkt:
„Den Pariſer Blättern zufolge hat der Marquis v. Normanby für
nöthig erachtet, hinfichtlich der herzlichen Aufnahme welche Ludwig
Philipp und ſeine Familie in England gefunden, der proviſoriſchen Re-
gierung einige Erklärungen zu geben. Lord Normanby’s Abſicht bei
dieſem Schritt war ohne Zweiſel lobenswerth, aber der Schritt war
ganz und gar unnöthig. Auch in Frankreich iſt es niemanden einge-
fallen in der Aufnahme Ludwig Philipps bei unſerer Königin oder
unſerer Nation ein Anzeichen der Feindſeligkeit gegen die junge Re-
publik zu ſehen. Selbſt die anti-engliſcheſten der Pariſer Zeitungen
betrachten die Sache nicht in dieſem Lichte, ſondern ſehen darin eben nur
einen neuen Beweis von Englands allbekannter Gaſtfreundſchaft.“ —
„Graf v. Jarnac“, berichtet die M. Poſt, „iſt endlich ſeiner Pflichten
als franzöfiſcher Geſandter am Hofe von St. James enthoben. Am
letzten Freitag langte Hr. Cottu, ein vormaliger Attaché der Geſandt-
ſchaft, von Paris in Hertford-Haus an, von der proviſoriſchen Regierung
beauftragt vom Grafen v. Jarnac die Archive und Siegel der Geſandt-
ſchaft in Empfang zu nehmen. Graf Jarnac wohnt nun bei ſeinem
Schwager Lord Foley auf Grosvenor-Square. Hr. Cottu iſt, ſoviel
wir wiſſen, nicht als eigentlicher Botſchafter beglaubigt, ſondern nur
vorläufig mit der Oberaufficht der Geſandtſchaftsgeſchäfte betraut. Als
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[1239/0007] ſter. Er beantragt: für die morgige Sitzung eine Petition an Se. Majeſtät, daß noch im Laufe dieſes Reichstags ein ungari- ſches Miniſterium ernannt werde das hier ſeinen Sitz habe. Wenn morgen der König Soldaten fordert, werden wir ſie etwa dieſer Regie- rung votiren? Wenn wir ſie votiren, wird uns das Volk nicht ver- wünſchen? Wenn die Recruten ausgehoben ſind, werden ſie ſolchen Fahnen treu dienen?“ u. ſ. w. Nicht eine Stimme erhob ſich gegen das Princip der Motion. Zufällig hatte ein Regierungsmann (Statt- haltereirath Batarezy) das Quafipräſidium, aber weder er noch der conſervative Führer Somſich ſprach dagegen. Jm Gegentheile, ſie äußerten ausdrücklich ſie ſeyen vollkommen mit der Anſicht Koſſuths einverſtanden daß hier ein verantwortliches Miniſterium ſitzen möchte. Nun aber kam das Ueberraſchende daß Graf Szechenyi ſich erhob und eine wahre Philippica gegen die Regierung hielt. Worte wie „elend, ſchlecht, unverbeſſerlich, ſtarrſinnig“ ꝛc. flogen wie Pelotonfeuer. Alle ſprachen ſich gegen das jetzige Regiment offen und klar aus. Kein Vertraueu in eine ſolche Regierung, keine Hoffnung fürs Land, Be- ſorgniſſe für den Thron! So ging’s fünf Stunden lang bis zum Schluſſe. Koſſuth ſollte Freitag den Antrag zu ſolcher Repräſentation ſtellen, es ſoll gleich in der Circularſitzung angenommen, ſogleich eine Reichsfitzung angeordnet und das authentiſirte Nuntium im Momente den Magnaten zugeſchickt werden. Die ganze conſervative Partei ver- pflichtete ſich auf Ehrenwort keine Sylbe dagegen vorzubringen. Die Aufregung bis zur Sitzung war ungeheuer, die Sitzung ſelbſt eine erhebende und großartige. Alles iſt angenommen. Koſſuth donnerte wie der ergrimmte Jupiter: Mit dieſer Regierung iſt nicht weiter zu kommen; wenn man alt iſt ſtirbt man, Metternichs Politik iſt ein Greis, ſie iſt geſtorben. Gefahren ſtürmen ein auf unſer Reich. Eine ſolche Regierung kann ſie nicht abwehren. Bajonette ſind heutzutage die gebrechlichſten Häkchen einen Staat zuſammenzuhalten. Vielleicht iſt eine zweite Auflage der heiligen Allianz im Anzuge, aber man vergißt daß das Volk die Allianz rettete, nicht die Allianz das Volk. Die Wiener Büreaukratie kann keine Begeiſterung erwecken, für den König wollen wir unſer Blut laſſen, für die Wiener Politik opfert ſich kein Spatz. Unter dieſen Verhältniſſen, bei dieſer abſolutiſtiſchen Rich- tung kommen wir keinen Schritt vorwärts. Wir Ungarn aber find allein noch im Stande dieſes der öſterreichiſchen Regierung zu ſagen; da- her müſſen wir es ſagen! Als wir 1790 gegen die franzöfiſche Revolution auftraten, vergaß der Reichstag Garantien für die Zukunft zu fordern; wir wollen nicht in denſelben Fehler verfallen. Ein hoffnungsvoller Thron- erbe war jüngſt in unſerer Mitte. Ganz ſoll er die Krone bekommen, aber auf dieſem Wege wird ſie ſchlecht bewahrt. Jn wenigen Tagen können Könige ſtürzen. Sorgen wir für morgen!“ u. ſ. w. Wie ge- ſagt — der Antrag Koffuths wurde einſtimmig angenommen, eben- ſo die (in der Allg. Ztg. vom 10 März mitgetheilte) Repräſentation. Die geſtrige Reichsſitzung der Magnaten wurden unter Präſidium des Reichsrichters eröffnet. Das Nuntium der Stände wurde verleſen, aber der Präſes beantragte die Verhandlung auszuſetzen, bis der Pa- latin zugegen ſey, der aber heute nach Wien reiste! Die Angelegenheit wäre zu wichtig und ſchon die Discretion erfordere es dieſe Reprä- ſentation nur in ſeinem Beiſeyn vorzunehmen. Es erfolgte eine all- gemeine Entrüſtung der Oppofitionsmitglieder. Graf L. Bathyanyi äußerte ſich über dieſes Verfahren mit Entſchiedenheit: der Uſus be- lehrt daß von jeher ſelbſt die wichtigſten Affairen ohne Präſidium des Palatins verhandelt und abgeſtimmt wurden. Uebrigens habe Se. k. H. bereits vorgeſtern Nachts gewußt was die Stände vorhaben, und dieſes abſichtliche Abreiſen um ſich dort Raths zu erholen wo ſo ſelten ein guter Rath ertheilt wird, könne nur erbittern! — Sie kön- nen wohl denken daß alle Conſervativen mit dem Juder Curiä für die Vertagung ſtimmten — und ſo hat das Wiener Cabinet Zeit gewon- nen. Meine unmaßgebliche Meinung iſt, daß trotz aller Stürme in Frankreich und Jtalien die Wiener Regierung nicht ein Tüttelchen vom alten Syſtem opfert, und ſonach eine Auflöſung des Reichsta- ges und in Folge davon eine immenſe Erbitterung des Landes be- vorſteht. Möchte ich mich irren! (Europa.) Großbritannien. London, 13 März. Die Anfänge der Parlamentsſitzungen vom 13 März liegen vor uns. Jm Unterhaus wurde gefragt wie es mit den rückſtändigen Löh- nen der aus der Normandie vertriebenen brittiſchen Arbeiter ſtehe. Der Staatsſecretär des Jnnern, Sir George Grey, antwortete: der edle Staatsſecretär des Auswärtigen werde über die Nachzahlung der Löhne mit Frankreichs proviſoriſcher Regierung in Verkehr treten. Der Miniſter fügte bei: die gezwungene Auswanderung engliſcher Ar- beiter aus Frankreich dauere fort, und Jhrer Maj. Regierung werde dieſe Sache nicht aus den Augen verlieren. Hr. Hindley zeigte an: er werde demnächſt den (in der Sitzung vom 13 abweſenden) Viscount Palmerſton fragen: ob das Gerücht gegründet ſey daß England ein Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen unterzeichnet habe. Das ganze Haus brach darüber in ein Gelächter des Unglaubens aus; — „und dieſes Lachen,“ bemerkt Galign. Meſſenger, „lieferte vielleicht den geeignetſten Commentar zu einer ſo offenbar widerſinnigen Frage.“ (Leider ſcheint es faſt daß ein neulicher Druckfehler in einem preußi- ſchen Artikel der Allgemeinen Zeitung, wo gerüchtsweiſe von einer Coalition zwiſchen Oeſterreich, Preußen und England — anſtatt Rußland — die Rede war, und welcher Druckfehler, obgleich am fol- genden Tage verbeſſert, mit dem Artikel in mehrere andere Blätter überging, obiges Gerücht veranlaßt.) „Der Ex-König und die Königin der Franzoſen,“ ſchreibt die Ti- mes, „leben fortwährend von ihrer Familie umgeben in Claremont. Während der vorigen Woche erhielten ſie Beſuche von vielen perſönlichen Freunden, worunter mehrere Mitglieder des hohen brittiſchen Adels. Hr. Guizot war ſeit ſeiner Ankunft mehr als einmal in Claremont. Auch der Herzog v. Montebello und Hr. Duchätel haben Beſuche abge- ſtattet. Ludwig Philipp fährt zuweilen in einer Privatkutſche in der Nachbarſchaft ſpazieren, und wird überall mit ausgezeichneter Achtung empfangen. Dasſelbe gilt von den jüngeren Zweigen der Familie, den Herzogen von Nemours und Montpenſier, welche beide oft in der Umge- bung von Claremont ſpazieren. Zwei Polizeibeamte ſind zum Schutze der königlichen Verbannten in Claremont aufgeſtellt, aber ihr Amt iſt eine Sinecur, da nur wenige Fremde nach dem Orte kommen. Die Gräfin Granville, der öſterreichiſche Geſandte und Graf und Gräfin v. Jarnac waren unter den geſtrigen Beſuchern. Geſtern Morgens wohnte die Familie dem Gottesdienſt in der katholiſchen Capelle zu Weybridge bei.“ Man glaubte bisher Ludwig Philipp habe, einen plötz- lichen Umſturz der Dinge in Frankreich ahnend oder wenigſtens für deſ- ſen Möglichkeit vorſorgend, beträchtliche Summen in der engliſchen Bank angelegt. „Dieſe Anſicht,“ ſagt die Times, „iſt leider ganz grundlos. Ludwig Philipp hat, wie es fich jetzt zeigt, ſey es aus übel- begründeter Zuverſicht in den Feſtbeſtand ſeiner Regierung, oder aus Nationalität und Patriotismus — möglicherweiſe aus beiden Urſachen — ſein und ſeiner Kinder ganzes Vermögen dem Boden und der Treue Frankreichs anvertraut. Sollte daher die künftige franzöfiſche Legislatur das Privatvermögen des Hauſes Orleans zu confisciren beſchließen, ſo müßte dieſe unglückliche Fürſtenfamilie in einen Zu- ſtand der Entblößung ſinken der ganz Europa mit Gefühlen der Scham und Entrüſtung erfüllen würde. Jndeſſen beſorgen wir keinen ſo un- barmherzigen und ungerechten Beſchluß, der ſo unvereinbar wäre mit der Hochherzigkeit des franzöfiſchen Nationalcharakters, und mit jenen Grundſätzen der Billigkeit, Menſchlichkeit und Mäßigung auf welche die Republik gegründet zu ſeyn verſichert.“ — M. Chronicle bemerkt: „Den Pariſer Blättern zufolge hat der Marquis v. Normanby für nöthig erachtet, hinfichtlich der herzlichen Aufnahme welche Ludwig Philipp und ſeine Familie in England gefunden, der proviſoriſchen Re- gierung einige Erklärungen zu geben. Lord Normanby’s Abſicht bei dieſem Schritt war ohne Zweiſel lobenswerth, aber der Schritt war ganz und gar unnöthig. Auch in Frankreich iſt es niemanden einge- fallen in der Aufnahme Ludwig Philipps bei unſerer Königin oder unſerer Nation ein Anzeichen der Feindſeligkeit gegen die junge Re- publik zu ſehen. Selbſt die anti-engliſcheſten der Pariſer Zeitungen betrachten die Sache nicht in dieſem Lichte, ſondern ſehen darin eben nur einen neuen Beweis von Englands allbekannter Gaſtfreundſchaft.“ — „Graf v. Jarnac“, berichtet die M. Poſt, „iſt endlich ſeiner Pflichten als franzöfiſcher Geſandter am Hofe von St. James enthoben. Am letzten Freitag langte Hr. Cottu, ein vormaliger Attaché der Geſandt- ſchaft, von Paris in Hertford-Haus an, von der proviſoriſchen Regierung beauftragt vom Grafen v. Jarnac die Archive und Siegel der Geſandt- ſchaft in Empfang zu nehmen. Graf Jarnac wohnt nun bei ſeinem Schwager Lord Foley auf Grosvenor-Square. Hr. Cottu iſt, ſoviel wir wiſſen, nicht als eigentlicher Botſchafter beglaubigt, ſondern nur vorläufig mit der Oberaufficht der Geſandtſchaftsgeſchäfte betraut. Als Beweis mit welcher Sparſamkeit die proviſoriſche Regierung in ihren

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. 1239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/7>, abgerufen am 21.11.2024.