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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Abtheilung Cavallerie, eine Compagnie Grenadiere, eine Compagnie
Sapeurs. Auf der Freiung oder vielmehr am Eingang der Herren-
gasse eine Abtheilung Husaren. Vor der Bank und dem Landhause
ein Bataillon Jnfanterie, Grenadierabtheilungen auf dem Minoriten-
platz, am Eingange des Ballplatzes, in der Schauflergasse, am Josephs-
platz, auf dem Stephansplatz eine Compagnie Jnfanterie und zwei Ka-
nonen mit brennenden Lunten, auf dem Platz am Hof waren die ge-
wöhnlich dort postirten vier Kanonen schußfertig gemacht. Heute Vor-
mittags hatte das Militär beiläufig dieselben Stellungen; diese waren
jedoch minder zahlreich besetzt. Alle Thore der innern Stadt (die über
Nacht gesperrt wurden) waren von starken Abtheilungen vertheidigt.
Der Stadtwall (die Basteien) ist abgesperrt, und es find auf demselben
20 bis 30 Kanonen aufgefahren, welche die sämmtlichen Eingänge der
Stadt, sowie die Glacis welche die Stadt von den Vorstädten trennen,
bestreichen. Vor dem alten Mauthgebäude gegen die Vorstadt "Land-
straße" hin, find zwei Kanonen und eine Compagnie Grenadiere postirt
und auf dem diesseitigen Ende des Dammes der von dem Mauthgebäude
aufs Glacis führt ist mit Pflastersteinen und Erde eine Art Barricade
oder Bruftwehr errichtet. Sie sehen daher daß theils durch die Bewaff-
nung der Bürger, theils durch alle genannten militärischen Vorkehrun-
gen die Stadt hinlänglich geschützt und vor etwaigen Versuchen zu Volks-
erceffen bewahrt ist. So eben erfahre ich daß die Kundmachung der
verliehenen Preßfreiheit stattfindet. Es heißt der Erzherzog Albrecht
sey heute von hier abgereist. Dasselbe sagt man von dem Fürsten
Metternich.


Die Bildung der Nationalgarde
schreitet unglaublich rasch fort; Wien zählt augenblicklich gewiß 25,000
Bewaffnete. Die Wahl des Fürsten Windisch-Grätz zum Stadt-
commandanten entsprach nicht den allgemeinen Wünschen, und sein
Reich endigte in einer Nacht; er ist durch den beliebten Fürsten Karl
Liechtenstein ersetzt. Da das Decret betreffend die Bildung einer
Nationalgarde dahin lautend:

"S. Majestät haben die Errichtung
einer Nationalgarde zur Aufrechthaltung der gesetzmäßigen Ruhe und
Ordnung der Restdenz und zum Schutz der Personen und des Eigen-
thums, und zwar unter den Garantien welche sowohl Besitz als die
Jntelligenz dem Staat darbieten zu bewilligen geruht, und versehen
sich von der Treue und Ergebenheit Jhrer Unterthanen daß sie dem
ihnen bewiesenen Vertrauen entsprechen werden; zugleich haben Se.
Majestät Jhren Oberstjägermeister und Feldmarschalllieutenant Grafen
v. Hoyos zum Befehlshaber der Nationalgarde ernannt,"

-- nicht hin-
längliche Garantien darzubieten schien, wurde eine deutlichere klarere
Proclamation ausgewirkt. Was die zu erwartende Constitution
anbetrifft, theile ich Jhnen folgende Proclamation mit:

"Jn
Erwägung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse haben Wir be-
schlossen die Stände unserer deutschen und slavischen Reiche,
sowie die Centralcongregationen Unsers lombardisch-vene-
tianischen Königreichs durch Abgeordnete in der Absicht um
Unsern Thron zu versammeln
Uns in legislativen und admi-
nistrativen Fragen deren Beirathes zu versichern. Zu diesem Ende
treffen Wir die nöthigen Anordnungen daß diese Vereinigung, wo
nicht früher, am 3 Julius 1. J. stattfinden könne.

Ferdinand m. p."
Die Verordnung betreffend die Preß-
freiheit
heißt also:

"Se. k. k. apostolische Majestät haben die Auf-
hebung der Censur
und die alsbaldige Veröffentlichung eines Preß-
gesetzes allergnädigst zu beschließen geruht.


Joh. Talatzko Frhr. v. Festieticz im Namen des Kaisers."
So eben
11 Uhr verläßt der Kaiser in Begleitung des Thronfolgers und des
Erzherzogs Franz Karl die Burg in einer offenen Calesche, um durch
die Straßen zu fahren. Der Jubel, die Hurrahs sind unbeschreiblich.
Die Kaiserin und die Prinzen weinen vor Rührung, und Thränen der
Dankbarkeit und Treue sieht man in allen Augen. Wagen und Pferde
werden vom Volk getragen. Der Oesterreicher verläugnet keinen Au-
genblick die alte Liebe zum Kaiserhaus, und es ist entzückend diese
heiße Freiheitslust mit der angestammten Treue verbunden zu sehen.
Die ersten Schwadronen der berittenen Nationalgarde erscheinen in
den Straßen und werden jubelnd begrüßt. Auch der Erzherzog Ste-
phan durchfährt die Straßen. 111/2 Uhr. Auf allen Straßen, Ecken
und Plätzen wird von Tischen und Stühlen, von Wägen und impro-
vistrten Rednerbühnen zum Volk gesprochen. Vor allem wird klar
gemacht was noch zu thun und zu erringen sey.


Auch über uns find nun ernste Tage ge-
kommen, das wovon wir nur aus der Ferne gehört, ist uns jetzt plötz-
[Spaltenumbruch] lich nahe gerückt. Ueber die Petition unsrer Bürger, von der ich Jhnen
am 12 berichtet, haben manche Bureaukraten lächelnd die Köpfe geschüttelt
-- sie lächeln heute nicht mehr und vertrauen sich dem Schutze derselben
Bürger an. Jn Folge der merkwürdigen Ereigniffe in Wien, von de-
nen uns der gestrige Abendtrain Kunde brachte, und deren Einzelheiten
Sie bald besser als wir wissen werden, hat sich das Blatt gewendet.
Schon gestern wurde eine gedruckte Aufforderung an alle Bürger erlas-
sen sich zum Schutz der Stadt, auch ohne Uniform, vollzählig bei ihren
Corps einzufinden, Waffen würden sie bekommen und der Platz bestimmt
werden wo die Uebungen für die Nichteingeübten stattfinden. Auch
wurde eine außerordentliche Sitzung im Gewerbverein gehalten, wo man
die Petition vorlas; der Bürgermeister erklärte daß er auf seine k. k.
Würde (als Appellationsrath) verzichte, er wolle fortan nur freier Bür-
germeister der freien Stadt Prag seyn, doch müsse er sich gegen zwei
Punkte der Petition aussprechen. Man überschrie ihn: ob er denn nicht
die Ereignisse in Wien kenne? Endlich erklärte er sich ganz für die Peti-
tion und sagte: der Prager Magistrat wolle ein allen Magistraten Oester-
reichs voranleuchtendes Beispiel geben, nämlich öffentliche Rechnungs-
legung über das Gemeindevermögen. Dieß wurde mit wahrem Jubel
aufgenommen und seine und des Magistrats Actien find nun offenbar
gestiegen. Heute erschien ein Aufruf von Seite unsers Magistrats, worin
alle Bewohner Prags aufgefordert werden "zur Sicherstellung der theuer-
sten Güter: der Persönlichkeit, der Familie, des Eigenthums mitzuwir-
ken, und sich aller Ruhestörung um so mehr zu enthalten da eine in der
Mitte der Bürger entstandene Petition, welche die Wünsche zur Verbes-
serung des geistigen und materiellen Wohls an den Thron bringen werde,
zur Unterschrift auf dem Rathhaus, im Gewerbverein, in der bürger-
lichen, adeligen und Kaufmannsressource und an andern Orten bereit
liege; im Fall der Noth werde man die gesammte Einwohner-
schaft zur militärischen Bewaffnung
auffordern." Alles strömt
nun zur Unterzeichnung der Petition; die Bürger bewaffnen sich, die
Studirenden und Polytechniker bilden ein Freicorps, ebenso die Littera-
ten und Künstler; auch die Jsraeliten wollen den bewaffneten Corps ein-
gereiht werden. Offenbar befürchtet man Gefahren von Seite der Pro-
letarier und des Landvolkes, denn schon seit einigen Tagen herrscht eine
bedenkliche Stimmung unter den Arbeitern im Karolinenthal, denen die
Arbeiterforderungen in Paris wohl bekannt sind, und selbst öffentlich
vorgelesen wurden. Mehrere Beamte werden ihren Aemtern entsagen,
so der Landrath Ritter v. Neuberg, letzterer um beim bevorstehenden
Landtag auftreten zu können. Die ganze Stadt ist in größter Aufre-
gung. Der Schutz derselben ward ganz der Einwohnerschaft überlassen
-- eine weise Maßregel. Die Studirenden halten so eben eine Ber-
sammlung, in welcher der Ausschuß zur Abfassung einer Petition ge-
wählt wird. So viel ich vernahm, gehen ihre Anträge auf Verbesserung
des Schulplans, Gleichstellung der Czechen und Deutschen, Preßfreiheit,
Lehrfreiheit, Ehrengerichte, Turnanstalten, und überhaupt auf Herstel-
lung der alten Privilegien unsrer Universität. Noch muß ich erwähnen
daß Graf Albert Deym, Leiter des Gewerbvereins, das Präsidium beim
Ausschuß welcher die Bürgerpetition redigirte, geführt hat. Mit gro-
ßer Spannung wartet man auf die neuesten Nachrichten aus Wien.

Oesterreichische Monarchie.

Das Mißtrauen gegen die Regie-
rung, welches bis jetzt bloß von der Opposition ausgesprochen wurde,
hat sich durch die neuesten Ereignisse den harmlosesten Gemüthern mit-
getheilt. Hier ist keine Banknote mehr anzubringen [unleserliches Material - Zeichen fehlt]. Der Raaber
Deputirte brachte am Donnerstag den Gegenstand zur Sprache. Dar-
auf Kossuth: "Nicht um den vereinzelten Fall handelt es fich, sondern
um Reich und Thron, denn die nächsten 24 Stunden können alles in
Frage stellen. Die Magnaten und vielleicht wir Edeleute rufen noch:
Moriamur pro rege nostro -- aber das Volk, das unvertretene, wird
schwerlich mitrufen, da gegen die bestehende Regierung die größte An-
tipathie herrscht. Was nützt die Beseitigung einzelner Beschwerden,
und besonders auf diesem schleppenden, erfolglosen Wege, da das ganze
System elend und verwerflich ist? Täuschen wir uns nicht! Wie die
Sachen stehen ist bei jedem Anlaß Dynastie und Reich in Gefahr, und
das verdanken wir dem System, den Regierungsleuten die dem Lande
fremd find. Es ist nur Eine Abhülfe möglich. Hier (auf den Präst-
dentenstuhl zeigend) muß ein verantwortlicher Minister sitzen, Rede
und Antwort geben, unterhandeln, beschließen. Solange das nicht
ist kämpfen wir gegen unsichtbare Geister, gegen geistlose Gespen-

[Spaltenumbruch] Abtheilung Cavallerie, eine Compagnie Grenadiere, eine Compagnie
Sapeurs. Auf der Freiung oder vielmehr am Eingang der Herren-
gaſſe eine Abtheilung Huſaren. Vor der Bank und dem Landhauſe
ein Bataillon Jnfanterie, Grenadierabtheilungen auf dem Minoriten-
platz, am Eingange des Ballplatzes, in der Schauflergaſſe, am Joſephs-
platz, auf dem Stephansplatz eine Compagnie Jnfanterie und zwei Ka-
nonen mit brennenden Lunten, auf dem Platz am Hof waren die ge-
wöhnlich dort poſtirten vier Kanonen ſchußfertig gemacht. Heute Vor-
mittags hatte das Militär beiläufig dieſelben Stellungen; dieſe waren
jedoch minder zahlreich beſetzt. Alle Thore der innern Stadt (die über
Nacht geſperrt wurden) waren von ſtarken Abtheilungen vertheidigt.
Der Stadtwall (die Baſteien) iſt abgeſperrt, und es find auf demſelben
20 bis 30 Kanonen aufgefahren, welche die ſämmtlichen Eingänge der
Stadt, ſowie die Glacis welche die Stadt von den Vorſtädten trennen,
beſtreichen. Vor dem alten Mauthgebäude gegen die Vorſtadt „Land-
ſtraße“ hin, find zwei Kanonen und eine Compagnie Grenadiere poſtirt
und auf dem dieſſeitigen Ende des Dammes der von dem Mauthgebäude
aufs Glacis führt iſt mit Pflaſterſteinen und Erde eine Art Barricade
oder Bruftwehr errichtet. Sie ſehen daher daß theils durch die Bewaff-
nung der Bürger, theils durch alle genannten militäriſchen Vorkehrun-
gen die Stadt hinlänglich geſchützt und vor etwaigen Verſuchen zu Volks-
erceffen bewahrt iſt. So eben erfahre ich daß die Kundmachung der
verliehenen Preßfreiheit ſtattfindet. Es heißt der Erzherzog Albrecht
ſey heute von hier abgereist. Dasſelbe ſagt man von dem Fürſten
Metternich.


Die Bildung der Nationalgarde
ſchreitet unglaublich raſch fort; Wien zählt augenblicklich gewiß 25,000
Bewaffnete. Die Wahl des Fürſten Windiſch-Grätz zum Stadt-
commandanten entſprach nicht den allgemeinen Wünſchen, und ſein
Reich endigte in einer Nacht; er iſt durch den beliebten Fürſten Karl
Liechtenſtein erſetzt. Da das Decret betreffend die Bildung einer
Nationalgarde dahin lautend:

„S. Majeſtät haben die Errichtung
einer Nationalgarde zur Aufrechthaltung der geſetzmäßigen Ruhe und
Ordnung der Reſtdenz und zum Schutz der Perſonen und des Eigen-
thums, und zwar unter den Garantien welche ſowohl Beſitz als die
Jntelligenz dem Staat darbieten zu bewilligen geruht, und verſehen
ſich von der Treue und Ergebenheit Jhrer Unterthanen daß ſie dem
ihnen bewieſenen Vertrauen entſprechen werden; zugleich haben Se.
Majeſtät Jhren Oberſtjägermeiſter und Feldmarſchalllieutenant Grafen
v. Hoyos zum Befehlshaber der Nationalgarde ernannt,“

— nicht hin-
längliche Garantien darzubieten ſchien, wurde eine deutlichere klarere
Proclamation ausgewirkt. Was die zu erwartende Conſtitution
anbetrifft, theile ich Jhnen folgende Proclamation mit:

„Jn
Erwägung der gegenwärtigen politiſchen Verhältniſſe haben Wir be-
ſchloſſen die Stände unſerer deutſchen und ſlaviſchen Reiche,
ſowie die Centralcongregationen Unſers lombardiſch-vene-
tianiſchen Königreichs durch Abgeordnete in der Abſicht um
Unſern Thron zu verſammeln
Uns in legislativen und admi-
niſtrativen Fragen deren Beirathes zu verſichern. Zu dieſem Ende
treffen Wir die nöthigen Anordnungen daß dieſe Vereinigung, wo
nicht früher, am 3 Julius 1. J. ſtattfinden könne.

Ferdinand m. p.
Die Verordnung betreffend die Preß-
freiheit
heißt alſo:

„Se. k. k. apoſtoliſche Majeſtät haben die Auf-
hebung der Cenſur
und die alsbaldige Veröffentlichung eines Preß-
geſetzes allergnädigſt zu beſchließen geruht.


Joh. Talatzko Frhr. v. Feſtieticz im Namen des Kaiſers.“
So eben
11 Uhr verläßt der Kaiſer in Begleitung des Thronfolgers und des
Erzherzogs Franz Karl die Burg in einer offenen Caleſche, um durch
die Straßen zu fahren. Der Jubel, die Hurrahs ſind unbeſchreiblich.
Die Kaiſerin und die Prinzen weinen vor Rührung, und Thränen der
Dankbarkeit und Treue ſieht man in allen Augen. Wagen und Pferde
werden vom Volk getragen. Der Oeſterreicher verläugnet keinen Au-
genblick die alte Liebe zum Kaiſerhaus, und es iſt entzückend dieſe
heiße Freiheitsluſt mit der angeſtammten Treue verbunden zu ſehen.
Die erſten Schwadronen der berittenen Nationalgarde erſcheinen in
den Straßen und werden jubelnd begrüßt. Auch der Erzherzog Ste-
phan durchfährt die Straßen. 11½ Uhr. Auf allen Straßen, Ecken
und Plätzen wird von Tiſchen und Stühlen, von Wägen und impro-
viſtrten Rednerbühnen zum Volk geſprochen. Vor allem wird klar
gemacht was noch zu thun und zu erringen ſey.


Auch über uns find nun ernſte Tage ge-
kommen, das wovon wir nur aus der Ferne gehört, iſt uns jetzt plötz-
[Spaltenumbruch] lich nahe gerückt. Ueber die Petition unſrer Bürger, von der ich Jhnen
am 12 berichtet, haben manche Bureaukraten lächelnd die Köpfe geſchüttelt
— ſie lächeln heute nicht mehr und vertrauen ſich dem Schutze derſelben
Bürger an. Jn Folge der merkwürdigen Ereigniffe in Wien, von de-
nen uns der geſtrige Abendtrain Kunde brachte, und deren Einzelheiten
Sie bald beſſer als wir wiſſen werden, hat ſich das Blatt gewendet.
Schon geſtern wurde eine gedruckte Aufforderung an alle Bürger erlaſ-
ſen ſich zum Schutz der Stadt, auch ohne Uniform, vollzählig bei ihren
Corps einzufinden, Waffen würden ſie bekommen und der Platz beſtimmt
werden wo die Uebungen für die Nichteingeübten ſtattfinden. Auch
wurde eine außerordentliche Sitzung im Gewerbverein gehalten, wo man
die Petition vorlas; der Bürgermeiſter erklärte daß er auf ſeine k. k.
Würde (als Appellationsrath) verzichte, er wolle fortan nur freier Bür-
germeiſter der freien Stadt Prag ſeyn, doch müſſe er ſich gegen zwei
Punkte der Petition ausſprechen. Man überſchrie ihn: ob er denn nicht
die Ereigniſſe in Wien kenne? Endlich erklärte er ſich ganz für die Peti-
tion und ſagte: der Prager Magiſtrat wolle ein allen Magiſtraten Oeſter-
reichs voranleuchtendes Beiſpiel geben, nämlich öffentliche Rechnungs-
legung über das Gemeindevermögen. Dieß wurde mit wahrem Jubel
aufgenommen und ſeine und des Magiſtrats Actien find nun offenbar
geſtiegen. Heute erſchien ein Aufruf von Seite unſers Magiſtrats, worin
alle Bewohner Prags aufgefordert werden „zur Sicherſtellung der theuer-
ſten Güter: der Perſönlichkeit, der Familie, des Eigenthums mitzuwir-
ken, und ſich aller Ruheſtörung um ſo mehr zu enthalten da eine in der
Mitte der Bürger entſtandene Petition, welche die Wünſche zur Verbeſ-
ſerung des geiſtigen und materiellen Wohls an den Thron bringen werde,
zur Unterſchrift auf dem Rathhaus, im Gewerbverein, in der bürger-
lichen, adeligen und Kaufmannsreſſource und an andern Orten bereit
liege; im Fall der Noth werde man die geſammte Einwohner-
ſchaft zur militäriſchen Bewaffnung
auffordern.“ Alles ſtrömt
nun zur Unterzeichnung der Petition; die Bürger bewaffnen ſich, die
Studirenden und Polytechniker bilden ein Freicorps, ebenſo die Littera-
ten und Künſtler; auch die Jſraeliten wollen den bewaffneten Corps ein-
gereiht werden. Offenbar befürchtet man Gefahren von Seite der Pro-
letarier und des Landvolkes, denn ſchon ſeit einigen Tagen herrſcht eine
bedenkliche Stimmung unter den Arbeitern im Karolinenthal, denen die
Arbeiterforderungen in Paris wohl bekannt ſind, und ſelbſt öffentlich
vorgeleſen wurden. Mehrere Beamte werden ihren Aemtern entſagen,
ſo der Landrath Ritter v. Neuberg, letzterer um beim bevorſtehenden
Landtag auftreten zu können. Die ganze Stadt iſt in größter Aufre-
gung. Der Schutz derſelben ward ganz der Einwohnerſchaft überlaſſen
— eine weiſe Maßregel. Die Studirenden halten ſo eben eine Ber-
ſammlung, in welcher der Ausſchuß zur Abfaſſung einer Petition ge-
wählt wird. So viel ich vernahm, gehen ihre Anträge auf Verbeſſerung
des Schulplans, Gleichſtellung der Czechen und Deutſchen, Preßfreiheit,
Lehrfreiheit, Ehrengerichte, Turnanſtalten, und überhaupt auf Herſtel-
lung der alten Privilegien unſrer Univerſität. Noch muß ich erwähnen
daß Graf Albert Deym, Leiter des Gewerbvereins, das Präſidium beim
Ausſchuß welcher die Bürgerpetition redigirte, geführt hat. Mit gro-
ßer Spannung wartet man auf die neueſten Nachrichten aus Wien.

Oeſterreichiſche Monarchie.

Das Mißtrauen gegen die Regie-
rung, welches bis jetzt bloß von der Oppoſition ausgeſprochen wurde,
hat ſich durch die neueſten Ereigniſſe den harmloſeſten Gemüthern mit-
getheilt. Hier iſt keine Banknote mehr anzubringen [unleserliches Material – Zeichen fehlt]. Der Raaber
Deputirte brachte am Donnerſtag den Gegenſtand zur Sprache. Dar-
auf Koſſuth: „Nicht um den vereinzelten Fall handelt es fich, ſondern
um Reich und Thron, denn die nächſten 24 Stunden können alles in
Frage ſtellen. Die Magnaten und vielleicht wir Edeleute rufen noch:
Moriamur pro rege nostro — aber das Volk, das unvertretene, wird
ſchwerlich mitrufen, da gegen die beſtehende Regierung die größte An-
tipathie herrſcht. Was nützt die Beſeitigung einzelner Beſchwerden,
und beſonders auf dieſem ſchleppenden, erfolgloſen Wege, da das ganze
Syſtem elend und verwerflich iſt? Täuſchen wir uns nicht! Wie die
Sachen ſtehen iſt bei jedem Anlaß Dynaſtie und Reich in Gefahr, und
das verdanken wir dem Syſtem, den Regierungsleuten die dem Lande
fremd find. Es iſt nur Eine Abhülfe möglich. Hier (auf den Präſt-
dentenſtuhl zeigend) muß ein verantwortlicher Miniſter ſitzen, Rede
und Antwort geben, unterhandeln, beſchließen. Solange das nicht
iſt kämpfen wir gegen unſichtbare Geiſter, gegen geiſtloſe Geſpen-

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[1238/0006] Abtheilung Cavallerie, eine Compagnie Grenadiere, eine Compagnie Sapeurs. Auf der Freiung oder vielmehr am Eingang der Herren- gaſſe eine Abtheilung Huſaren. Vor der Bank und dem Landhauſe ein Bataillon Jnfanterie, Grenadierabtheilungen auf dem Minoriten- platz, am Eingange des Ballplatzes, in der Schauflergaſſe, am Joſephs- platz, auf dem Stephansplatz eine Compagnie Jnfanterie und zwei Ka- nonen mit brennenden Lunten, auf dem Platz am Hof waren die ge- wöhnlich dort poſtirten vier Kanonen ſchußfertig gemacht. Heute Vor- mittags hatte das Militär beiläufig dieſelben Stellungen; dieſe waren jedoch minder zahlreich beſetzt. Alle Thore der innern Stadt (die über Nacht geſperrt wurden) waren von ſtarken Abtheilungen vertheidigt. Der Stadtwall (die Baſteien) iſt abgeſperrt, und es find auf demſelben 20 bis 30 Kanonen aufgefahren, welche die ſämmtlichen Eingänge der Stadt, ſowie die Glacis welche die Stadt von den Vorſtädten trennen, beſtreichen. Vor dem alten Mauthgebäude gegen die Vorſtadt „Land- ſtraße“ hin, find zwei Kanonen und eine Compagnie Grenadiere poſtirt und auf dem dieſſeitigen Ende des Dammes der von dem Mauthgebäude aufs Glacis führt iſt mit Pflaſterſteinen und Erde eine Art Barricade oder Bruftwehr errichtet. Sie ſehen daher daß theils durch die Bewaff- nung der Bürger, theils durch alle genannten militäriſchen Vorkehrun- gen die Stadt hinlänglich geſchützt und vor etwaigen Verſuchen zu Volks- erceffen bewahrt iſt. So eben erfahre ich daß die Kundmachung der verliehenen Preßfreiheit ſtattfindet. Es heißt der Erzherzog Albrecht ſey heute von hier abgereist. Dasſelbe ſagt man von dem Fürſten Metternich. ✡ Wien, 15 März. Die Bildung der Nationalgarde ſchreitet unglaublich raſch fort; Wien zählt augenblicklich gewiß 25,000 Bewaffnete. Die Wahl des Fürſten Windiſch-Grätz zum Stadt- commandanten entſprach nicht den allgemeinen Wünſchen, und ſein Reich endigte in einer Nacht; er iſt durch den beliebten Fürſten Karl Liechtenſtein erſetzt. Da das Decret betreffend die Bildung einer Nationalgarde dahin lautend: „S. Majeſtät haben die Errichtung einer Nationalgarde zur Aufrechthaltung der geſetzmäßigen Ruhe und Ordnung der Reſtdenz und zum Schutz der Perſonen und des Eigen- thums, und zwar unter den Garantien welche ſowohl Beſitz als die Jntelligenz dem Staat darbieten zu bewilligen geruht, und verſehen ſich von der Treue und Ergebenheit Jhrer Unterthanen daß ſie dem ihnen bewieſenen Vertrauen entſprechen werden; zugleich haben Se. Majeſtät Jhren Oberſtjägermeiſter und Feldmarſchalllieutenant Grafen v. Hoyos zum Befehlshaber der Nationalgarde ernannt,“ — nicht hin- längliche Garantien darzubieten ſchien, wurde eine deutlichere klarere Proclamation ausgewirkt. Was die zu erwartende Conſtitution anbetrifft, theile ich Jhnen folgende Proclamation mit: „Jn Erwägung der gegenwärtigen politiſchen Verhältniſſe haben Wir be- ſchloſſen die Stände unſerer deutſchen und ſlaviſchen Reiche, ſowie die Centralcongregationen Unſers lombardiſch-vene- tianiſchen Königreichs durch Abgeordnete in der Abſicht um Unſern Thron zu verſammeln Uns in legislativen und admi- niſtrativen Fragen deren Beirathes zu verſichern. Zu dieſem Ende treffen Wir die nöthigen Anordnungen daß dieſe Vereinigung, wo nicht früher, am 3 Julius 1. J. ſtattfinden könne. Wien, 14 März 1848.Ferdinand m. p.“ Die Verordnung betreffend die Preß- freiheit heißt alſo: „Se. k. k. apoſtoliſche Majeſtät haben die Auf- hebung der Cenſur und die alsbaldige Veröffentlichung eines Preß- geſetzes allergnädigſt zu beſchließen geruht. Wien, 14 März 1848. Joh. Talatzko Frhr. v. Feſtieticz im Namen des Kaiſers.“ So eben 11 Uhr verläßt der Kaiſer in Begleitung des Thronfolgers und des Erzherzogs Franz Karl die Burg in einer offenen Caleſche, um durch die Straßen zu fahren. Der Jubel, die Hurrahs ſind unbeſchreiblich. Die Kaiſerin und die Prinzen weinen vor Rührung, und Thränen der Dankbarkeit und Treue ſieht man in allen Augen. Wagen und Pferde werden vom Volk getragen. Der Oeſterreicher verläugnet keinen Au- genblick die alte Liebe zum Kaiſerhaus, und es iſt entzückend dieſe heiße Freiheitsluſt mit der angeſtammten Treue verbunden zu ſehen. Die erſten Schwadronen der berittenen Nationalgarde erſcheinen in den Straßen und werden jubelnd begrüßt. Auch der Erzherzog Ste- phan durchfährt die Straßen. 11½ Uhr. Auf allen Straßen, Ecken und Plätzen wird von Tiſchen und Stühlen, von Wägen und impro- viſtrten Rednerbühnen zum Volk geſprochen. Vor allem wird klar gemacht was noch zu thun und zu erringen ſey. ∆ Prag, 15 März. Auch über uns find nun ernſte Tage ge- kommen, das wovon wir nur aus der Ferne gehört, iſt uns jetzt plötz- lich nahe gerückt. Ueber die Petition unſrer Bürger, von der ich Jhnen am 12 berichtet, haben manche Bureaukraten lächelnd die Köpfe geſchüttelt — ſie lächeln heute nicht mehr und vertrauen ſich dem Schutze derſelben Bürger an. Jn Folge der merkwürdigen Ereigniffe in Wien, von de- nen uns der geſtrige Abendtrain Kunde brachte, und deren Einzelheiten Sie bald beſſer als wir wiſſen werden, hat ſich das Blatt gewendet. Schon geſtern wurde eine gedruckte Aufforderung an alle Bürger erlaſ- ſen ſich zum Schutz der Stadt, auch ohne Uniform, vollzählig bei ihren Corps einzufinden, Waffen würden ſie bekommen und der Platz beſtimmt werden wo die Uebungen für die Nichteingeübten ſtattfinden. Auch wurde eine außerordentliche Sitzung im Gewerbverein gehalten, wo man die Petition vorlas; der Bürgermeiſter erklärte daß er auf ſeine k. k. Würde (als Appellationsrath) verzichte, er wolle fortan nur freier Bür- germeiſter der freien Stadt Prag ſeyn, doch müſſe er ſich gegen zwei Punkte der Petition ausſprechen. Man überſchrie ihn: ob er denn nicht die Ereigniſſe in Wien kenne? Endlich erklärte er ſich ganz für die Peti- tion und ſagte: der Prager Magiſtrat wolle ein allen Magiſtraten Oeſter- reichs voranleuchtendes Beiſpiel geben, nämlich öffentliche Rechnungs- legung über das Gemeindevermögen. Dieß wurde mit wahrem Jubel aufgenommen und ſeine und des Magiſtrats Actien find nun offenbar geſtiegen. Heute erſchien ein Aufruf von Seite unſers Magiſtrats, worin alle Bewohner Prags aufgefordert werden „zur Sicherſtellung der theuer- ſten Güter: der Perſönlichkeit, der Familie, des Eigenthums mitzuwir- ken, und ſich aller Ruheſtörung um ſo mehr zu enthalten da eine in der Mitte der Bürger entſtandene Petition, welche die Wünſche zur Verbeſ- ſerung des geiſtigen und materiellen Wohls an den Thron bringen werde, zur Unterſchrift auf dem Rathhaus, im Gewerbverein, in der bürger- lichen, adeligen und Kaufmannsreſſource und an andern Orten bereit liege; im Fall der Noth werde man die geſammte Einwohner- ſchaft zur militäriſchen Bewaffnung auffordern.“ Alles ſtrömt nun zur Unterzeichnung der Petition; die Bürger bewaffnen ſich, die Studirenden und Polytechniker bilden ein Freicorps, ebenſo die Littera- ten und Künſtler; auch die Jſraeliten wollen den bewaffneten Corps ein- gereiht werden. Offenbar befürchtet man Gefahren von Seite der Pro- letarier und des Landvolkes, denn ſchon ſeit einigen Tagen herrſcht eine bedenkliche Stimmung unter den Arbeitern im Karolinenthal, denen die Arbeiterforderungen in Paris wohl bekannt ſind, und ſelbſt öffentlich vorgeleſen wurden. Mehrere Beamte werden ihren Aemtern entſagen, ſo der Landrath Ritter v. Neuberg, letzterer um beim bevorſtehenden Landtag auftreten zu können. Die ganze Stadt iſt in größter Aufre- gung. Der Schutz derſelben ward ganz der Einwohnerſchaft überlaſſen — eine weiſe Maßregel. Die Studirenden halten ſo eben eine Ber- ſammlung, in welcher der Ausſchuß zur Abfaſſung einer Petition ge- wählt wird. So viel ich vernahm, gehen ihre Anträge auf Verbeſſerung des Schulplans, Gleichſtellung der Czechen und Deutſchen, Preßfreiheit, Lehrfreiheit, Ehrengerichte, Turnanſtalten, und überhaupt auf Herſtel- lung der alten Privilegien unſrer Univerſität. Noch muß ich erwähnen daß Graf Albert Deym, Leiter des Gewerbvereins, das Präſidium beim Ausſchuß welcher die Bürgerpetition redigirte, geführt hat. Mit gro- ßer Spannung wartet man auf die neueſten Nachrichten aus Wien. Oeſterreichiſche Monarchie. Aus Preßburg, 5 März. Das Mißtrauen gegen die Regie- rung, welches bis jetzt bloß von der Oppoſition ausgeſprochen wurde, hat ſich durch die neueſten Ereigniſſe den harmloſeſten Gemüthern mit- getheilt. Hier iſt keine Banknote mehr anzubringen _ . Der Raaber Deputirte brachte am Donnerſtag den Gegenſtand zur Sprache. Dar- auf Koſſuth: „Nicht um den vereinzelten Fall handelt es fich, ſondern um Reich und Thron, denn die nächſten 24 Stunden können alles in Frage ſtellen. Die Magnaten und vielleicht wir Edeleute rufen noch: Moriamur pro rege nostro — aber das Volk, das unvertretene, wird ſchwerlich mitrufen, da gegen die beſtehende Regierung die größte An- tipathie herrſcht. Was nützt die Beſeitigung einzelner Beſchwerden, und beſonders auf dieſem ſchleppenden, erfolgloſen Wege, da das ganze Syſtem elend und verwerflich iſt? Täuſchen wir uns nicht! Wie die Sachen ſtehen iſt bei jedem Anlaß Dynaſtie und Reich in Gefahr, und das verdanken wir dem Syſtem, den Regierungsleuten die dem Lande fremd find. Es iſt nur Eine Abhülfe möglich. Hier (auf den Präſt- dentenſtuhl zeigend) muß ein verantwortlicher Miniſter ſitzen, Rede und Antwort geben, unterhandeln, beſchließen. Solange das nicht iſt kämpfen wir gegen unſichtbare Geiſter, gegen geiſtloſe Geſpen-

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. 1238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/6>, abgerufen am 21.11.2024.