Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.[Spaltenumbruch]
ist es auch den Juden ergangen. Bei der Plünderung eines reichen Württemberg. Tettnang, 16 März. Soeben wurde der "Auf die Berichte vom 13 d. M., betreffend den Durchmarsch Stuttgart, 16 März, Mittags halb 12 Uhr. Soeben kommen Gr. Baden. § Karlsruhe, 16 März. Ueber das was die Heidelberg, 16 März. Dreißig deutsche Staaten mit ei- Freie Städte. Frankfurt, 14 März. Die Zustände in Paris sind, K. Sachsen Dresden, 14 März. So eben wird die Be- [Spaltenumbruch]
iſt es auch den Juden ergangen. Bei der Plünderung eines reichen Württemberg. Tettnang, 16 März. Soeben wurde der „Auf die Berichte vom 13 d. M., betreffend den Durchmarſch Stuttgart, 16 März, Mittags halb 12 Uhr. Soeben kommen Gr. Baden. § Karlsruhe, 16 März. Ueber das was die Heidelberg, 16 März. Dreißig deutſche Staaten mit ei- Freie Städte. Frankfurt, 14 März. Die Zuſtände in Paris ſind, K. Sachſen ⁑ Dresden, 14 März. So eben wird die Be- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="1235"/><cb/> iſt es auch den Juden ergangen. Bei der Plünderung eines reichen<lb/> Judenhauſes mußte der aus ſeinem Bett geſchleppte Hausherr den Plün-<lb/> derern leuchten. Einer Judenfrau, welche eben niedergekommen war,<lb/> wurde das neugeborne Kind durch einen Steinwurf getödtet. Leider<lb/> hatten die Juden durch Ankauf der den Landleuten bei gerichtlicher<lb/> Pfändung abgenommenen Habe den Haß der Bevölkerung, zum guten<lb/> Theil aus ehemaligen Schmugglern, Wilddieben und den ſehr derben<lb/> Floßern beſtehend, auf ſich gezogen, der, wie es ſcheint lange verhalten,<lb/> mit einemmal losbrach. Jn Lichtenfels ſelbſt iſt es ruhig geweſen, deſto<lb/> ärger aber tobte es in der Nachbarſchaft. Zwei Compagnien des in<lb/> Nürnberg garniſonirenden Jnfanterie-Regiments find ſchon heute<lb/> Morgen nach den unruhigen Orten auf der Eiſenbahn befördert worden;<lb/> ebenſo heute Nachmittag eine Schwadron Chevaulegers des Regiments<lb/> Herzog v. Leuchtenberg.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Württemberg</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Tettnang</hi>, 16 März.</dateline><lb/> <p>Soeben wurde der<lb/> Bürgerſchaft durch den Hrn. Oberamtmann folgende an das k. 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Als die Berathung über die Feudalfrage<lb/> begonnen werden wollte, beſchloß die Kammer ſelbſt, auf den Antrag des<lb/> Abgeordneten Hiller, die Staatsregierung um ihre alsbaldige Auflöſung<lb/> zu bitten. (<hi rendition="#g">Beob</hi>.)</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Gr. Baden</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>§ <hi rendition="#b">Karlsruhe</hi>, 16 März.</dateline><lb/> <p>Ueber das was die<lb/> Offenburger Verſammlung thun wird oder thun ſoll geht mancherlei<lb/> Gerede, ſoviel aber iſt gewiß daß unſere ſämmtlichen Abgeordneten<lb/> welche die Verſammlung beſuchen wollen, namentlich v. Jtzſtein, Wel-<lb/> cker, Kapp und auch Hecker, eine ſchriftliche Erklärung nach Offen-<lb/> burg an den dortigen Ausſchuß geſchickt haben, worin ſie ſich ent-<lb/> ſchieden gegen die republicaniſche Staatsform ausſprechen, und nicht<lb/> dulden wollen daß ſich Elſäſſer, die ohne Zweifel zahlreich von Straß-<lb/> burg herüberkommen werden, in die Berathung deutſcher Angelegen-<lb/> heiten miſchen. Jn ähnlichem Sinne ſchrieb Welcker auch an ſeine<lb/> Wähler im Seekreis.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">Heidelberg</hi>, 16 März.</dateline><lb/> <p>Dreißig deutſche Staaten mit ei-<lb/> ner Bevölkerung von wenigſtens 15 Millionen Menſchen haben ſich<lb/> zu einer Bewegung vereinigt welche unſerem Vaterlande Volksfreiheit<lb/> und ſtaatliche Einheit geben ſoll — und noch immer zögert Preußen!<lb/> Während der letzten drei Wochen iſt des Unbegreiflichen viel geſche-<lb/> hen, als das Unbegreiflichſte von allem erſcheint uns aber die gegen-<lb/> wärtige Haltung der preußiſchen Regierung. Wir finden es erklär-<lb/> lich daß man in Berlin Anſtand genommen den Forderungen der Zeit<lb/> entgegenzukommen ſolange keine augenſcheinliche Gefahr im Ver-<lb/> zuge war; jetzt aber wo tauſend und aber tauſend überwältigende<lb/> Kräfte mit Sturmeseile zur Entſcheidung drängen, jetzt entfällt uns<lb/> der Maßſtab für jene Politik des Zauderns, des Vertröſtens, der<lb/> Halbheit. Die Lage der Dinge ſtellt ſich jedem geſunden Auge ſo ein-<lb/> fach wie möglich dar. Entweder tritt Preußen offen und ohne Vor-<lb/> behalt in den Strom der deutſchen Bewegung ein, oder es dämmt<lb/> ſich gegen denſelben ab. Jm erſten Falle iſt Deutſchlands Gegenwart<lb/> und Zukunft gegen jede Gefahr von innen und von außen geſichert,<lb/> im zweiten Falle kann — vielleicht ſollten wir ſagen <hi rendition="#g">wird</hi> — Deutſch-<lb/> land zu Grunde gehen, in dem Sinne wenigſtens daß alle Bedin-<lb/> gungen ſeiner Größe und Macht und Einheit geſprengt werden. Das<lb/> große einige Deutſchland wird zu Grunde gehen, das abſolutiſtiſche Preu-<lb/> ßen aber, Preußen als europäiſche Macht, wird ſich dadurch — das<lb/> darf man beſchwören — wahrhaftig nicht retten. Das ſüdliche und mitt-<lb/> lere Deutſchland hat ſich auf einen politiſchen Boden geſtellt den es<lb/> nimmermehr wieder aufgeben, ja wir ſagen es gerade heraus, von<lb/> dem es keinen Zollbreit abtreten wird. Könnte man irgendwo mit<lb/> dem Gedanken umgehen die Franken, Schwaben, Bayern, Heſſen, Thü-<lb/> ringer aus der von ihnen eingenommenen Stellung gewaltſam wieder zu<lb/> verdrängen? Gewiß nicht. Einigung iſt alſo nur dadurch möglich daß das<lb/> nördliche Deutſchland in Uebereinſtimmung mit dem entſchiedenen Volks-<lb/> wunſche zu uns herübertritt. Alle lebendigen Volkskräfte in Preußen<lb/> arbeiten auf dieſes Ziel hin, und wenn es hie und da eine träge Maſſe<lb/><cb/> gibt die ſich bei dieſem Streben nicht betheiligt, ſo verhält ſie ſich wenig-<lb/> ſtens nicht feindlich gegen dasſelbe. Ein Wort der preußiſchen Regie-<lb/> rung, und ganz Preußen iſt einig in dem Gedanken und dem Willen<lb/> der bürgerlichen Verbrüderung der geſammten Nation. Welche Rolle<lb/> Preußen dabei vorbehalten bleibt brauchen wir nicht anzudeuten. Was<lb/> würde dagegen geſchehen wenn Preußen ſeinen Beruf auch dießmal —<lb/> das letztemal daß die Weltgeſchichte es an denſelben mahnt — wenn es<lb/> ihn auch jetzt wieder verkennte? Preußen kann auf ſein Heer zählen,<lb/> und wir wünſchen ihm und Deutſchland Glück dazu — was aber ver-<lb/> mag ein politiſches Syſtem dem die Herzen und die Köpfe der Bürger<lb/> entfremdet ſind, was vermag ein deutſcher Staat der ſich von der Na-<lb/> tion, der ſich von ſeinem eigenen Volke losſagt! Eine furchtbare Ver-<lb/> antwortlichkeit ruht auf den Schultern der Männer welche das Heft der<lb/> preußiſchen Politik in der Hand haben, eine Verantwortlichkeit die frü-<lb/> her als man glauben mag den Segen oder den Fluch der Nation nach<lb/> ſich ziehen wird.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Freie Städte</hi>.</head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Frankfurt</hi>, 14 März.</dateline><lb/> <p>Die Zuſtände in Paris ſind,<lb/> ſowohl nach brieflichen Mittheilungen von verläſſiger Seite wie nach den<lb/> Schilderungen glaubwürdiger Reiſenden die in dieſen Tagen hier angekom-<lb/> men, keineswegs ſo beruhigend wie die Organe der republicaniſchen Regie-<lb/> rung die Lage darſtellen möchten. Es iſt ein allgemeines <hi rendition="#aq">sauve qui peut</hi><lb/> der Beſitzenden, eine allgemeine Auswanderung derer welche ſich und<lb/> ihre Habe in der Hauptſtadt der Republik nicht mehr ſicher glauben, ein-<lb/> getreten; und zwar nicht bloß eine Auswanderung der reichen Frem-<lb/> den welche ſeither täglich eine ungeheuere Geldſumme in dem Pariſer<lb/> Körper umlauſen ließen, ſondern auch jener ſehr zahlreichen Franzoſen<lb/> ſelbſt die mit den ſocialiſtiſchen Probeſtücken welche die gegenwärtigen<lb/> Gewalthaber machen, nicht im entfernteſten einverſtanden ſind, weil<lb/> ſie, und wohl mit Recht, vorausſehen daß hier eine furchtbare Ge-<lb/> fahr droht für den Beſtand dieſer wie jeder ähnlich geſinnten Re-<lb/> gierung, für den Beſtand einer jeden regelmäßigen geſellſchaftlichen<lb/> Ordnung ſelbſt. Die proviſoriſche Regierung ſoll die lebhafteſten<lb/> Befürchtungen über die Folgen dieſer Auswanderung hegen; freilich<lb/> treten ſie auch ſchon in bedenklicher Weiſe hervor; der Verkehr iſt<lb/> in völliges Stocken gerathen, die Mode, dieſes wahre Lebenselement<lb/> von Paris, dieſe Hauptvulsader des franzöfiſchen Handels, ſiecht<lb/> hin; geſellſchaftliche Zuſammenkünfte werden von Tag zu Tag ſel-<lb/> tener; eine düſtere Stimmung laſtet auf den Gemüthern welche die Zu-<lb/> kunft mehr noch als die Gegenwart mit Bangen erfüllt. Die nächſte<lb/> Folge dieſer Lage iſt daß der Geldumlauf mehr und mehr ſtockt, dadurch<lb/> die allgemeine Bedrängniß der untern Claſſen mehr und mehr zunimmt,<lb/> und die provlſoriſche Regierung von Tag zu Tag mehr beſorgen muß<lb/> ganz Paris werde über kurz oder lang nur noch eine große National-<lb/> werkſtätte ſeyn, für welche der Schatz den Wochenlohn auszuzahlen hat!<lb/> So wird die Lage der Dinge in Paris geſchildert. Die Farben mögen<lb/> von den Perſonen welche noch den unmittelbaren Eindruck einer<lb/> ſo plötzlichen Umgeſtaltung empfinden, ſtark, vielleicht zu ſtark auf-<lb/> getragen ſeyn; aber ſoviel iſt gewiß daß der Grundton der<lb/> richtige iſt. Greift doch die proviſoriſche Regierung ſelbſt ſchon<lb/> zu Gewaltmaßregeln um dem dahinſchwindenden öffentlichen Credit wie-<lb/> der Jmpuls zu geben. Die Verfügung welche die Einleger der Spar-<lb/> caſſen zwingt bei Rückforderungen den größeren Theil in 5procentigen<lb/> Schatzbons und 5procentigen Rentencoupons zu Pari, d. h. zu einem<lb/> förmlichen Zwangscurſe auzunehmen, iſt nichts anderes als eine Ge-<lb/> waltmaßregel; die Eröffnung eines 5procentigen Nationalanlehens von<lb/> 100 Millionen zu Pari legt den großen Bankiers und Capitaliſten ohne<lb/> allen Zweifel einen moraliſchen Zwang auf; ſie müſſen „freiwillig“ ſich<lb/> dazu herbeilaſſen ein ſolches Opfer auf dem Altar der proviſoriſchen Re-<lb/> gierung niederzulegen. Und ſchon drohen die Organe der proviſoriſchen<lb/> Regierung denen die ſich von Paris entfernen um nicht in den Strudel<lb/> der Umwälzung zuletzt ganz hineingeriſſen zu werden, mit dem Schreck-<lb/> bilde von 1792; ſchon bezeichnen ſie eine ſolche Abreiſe als eine Ver-<lb/> ſchwörung, als einen Verrath; ſchon ſtellen ſie in Ausſicht, eine ſolche<lb/> Emigration könne zuletzt die junge Republik nöthigen zu dem ihre Zu-<lb/> flucht zu nehmen wonach ihre Mutter von 1792 greifen mußte! Jſt das<lb/> nicht deutlich genug geſprochen? Es zeigt klar genug daß die proviſori-<lb/> ſche Regierung auf einem Krater ſteht der jeden Augenblick ſich furcht-<lb/> bar zu entladen droht! (<hi rendition="#g">Nürnb</hi>. C.)</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>K. <hi rendition="#g">Sachſen</hi></head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⁑ <hi rendition="#b">Dresden</hi>, 14 März.</dateline><lb/> <p>So eben wird die Be-<lb/> kanntmachung gedruckt daß unſer König den Miniſter v. Könneritz ent-<lb/> laſſen, und die übrigen Miniſter nur noch ſolange proviſoriſch den Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1235/0003]
iſt es auch den Juden ergangen. Bei der Plünderung eines reichen
Judenhauſes mußte der aus ſeinem Bett geſchleppte Hausherr den Plün-
derern leuchten. Einer Judenfrau, welche eben niedergekommen war,
wurde das neugeborne Kind durch einen Steinwurf getödtet. Leider
hatten die Juden durch Ankauf der den Landleuten bei gerichtlicher
Pfändung abgenommenen Habe den Haß der Bevölkerung, zum guten
Theil aus ehemaligen Schmugglern, Wilddieben und den ſehr derben
Floßern beſtehend, auf ſich gezogen, der, wie es ſcheint lange verhalten,
mit einemmal losbrach. Jn Lichtenfels ſelbſt iſt es ruhig geweſen, deſto
ärger aber tobte es in der Nachbarſchaft. Zwei Compagnien des in
Nürnberg garniſonirenden Jnfanterie-Regiments find ſchon heute
Morgen nach den unruhigen Orten auf der Eiſenbahn befördert worden;
ebenſo heute Nachmittag eine Schwadron Chevaulegers des Regiments
Herzog v. Leuchtenberg.
Württemberg.
Tettnang, 16 März.
Soeben wurde der
Bürgerſchaft durch den Hrn. Oberamtmann folgende an das k. Ober-
amt ergangene hohe Entſchließung des k. Miniſteriums des Jnnern vom 14
d. M. eröffnet: „Auf die Berichte vom 13 d. M., betreffend den Durchmarſch
öſterreichiſcher Truppen zur Beſetzung der Bundesfeſtung Ulm, wird dem
Oberamt eröffnet daß die Beſetzung der Bundesfeſtung durch jene
Truppen auf einem Bundesbeſchluſſe beruht, daß die Vollziehung des
letztern aber verſchoben worden iſt, und die öfterreichiſchen Truppen da-
her vorerſt die Gränze nicht überſchreiten werden.“
(Ulm. Sch.)
Stuttgart, 16 März, Mittags halb 12 Uhr.
Soeben kommen
wir aus der Kammer zurück. Als die Berathung über die Feudalfrage
begonnen werden wollte, beſchloß die Kammer ſelbſt, auf den Antrag des
Abgeordneten Hiller, die Staatsregierung um ihre alsbaldige Auflöſung
zu bitten. (Beob.)
Gr. Baden.
§ Karlsruhe, 16 März.
Ueber das was die
Offenburger Verſammlung thun wird oder thun ſoll geht mancherlei
Gerede, ſoviel aber iſt gewiß daß unſere ſämmtlichen Abgeordneten
welche die Verſammlung beſuchen wollen, namentlich v. Jtzſtein, Wel-
cker, Kapp und auch Hecker, eine ſchriftliche Erklärung nach Offen-
burg an den dortigen Ausſchuß geſchickt haben, worin ſie ſich ent-
ſchieden gegen die republicaniſche Staatsform ausſprechen, und nicht
dulden wollen daß ſich Elſäſſer, die ohne Zweifel zahlreich von Straß-
burg herüberkommen werden, in die Berathung deutſcher Angelegen-
heiten miſchen. Jn ähnlichem Sinne ſchrieb Welcker auch an ſeine
Wähler im Seekreis.
Heidelberg, 16 März.
Dreißig deutſche Staaten mit ei-
ner Bevölkerung von wenigſtens 15 Millionen Menſchen haben ſich
zu einer Bewegung vereinigt welche unſerem Vaterlande Volksfreiheit
und ſtaatliche Einheit geben ſoll — und noch immer zögert Preußen!
Während der letzten drei Wochen iſt des Unbegreiflichen viel geſche-
hen, als das Unbegreiflichſte von allem erſcheint uns aber die gegen-
wärtige Haltung der preußiſchen Regierung. Wir finden es erklär-
lich daß man in Berlin Anſtand genommen den Forderungen der Zeit
entgegenzukommen ſolange keine augenſcheinliche Gefahr im Ver-
zuge war; jetzt aber wo tauſend und aber tauſend überwältigende
Kräfte mit Sturmeseile zur Entſcheidung drängen, jetzt entfällt uns
der Maßſtab für jene Politik des Zauderns, des Vertröſtens, der
Halbheit. Die Lage der Dinge ſtellt ſich jedem geſunden Auge ſo ein-
fach wie möglich dar. Entweder tritt Preußen offen und ohne Vor-
behalt in den Strom der deutſchen Bewegung ein, oder es dämmt
ſich gegen denſelben ab. Jm erſten Falle iſt Deutſchlands Gegenwart
und Zukunft gegen jede Gefahr von innen und von außen geſichert,
im zweiten Falle kann — vielleicht ſollten wir ſagen wird — Deutſch-
land zu Grunde gehen, in dem Sinne wenigſtens daß alle Bedin-
gungen ſeiner Größe und Macht und Einheit geſprengt werden. Das
große einige Deutſchland wird zu Grunde gehen, das abſolutiſtiſche Preu-
ßen aber, Preußen als europäiſche Macht, wird ſich dadurch — das
darf man beſchwören — wahrhaftig nicht retten. Das ſüdliche und mitt-
lere Deutſchland hat ſich auf einen politiſchen Boden geſtellt den es
nimmermehr wieder aufgeben, ja wir ſagen es gerade heraus, von
dem es keinen Zollbreit abtreten wird. Könnte man irgendwo mit
dem Gedanken umgehen die Franken, Schwaben, Bayern, Heſſen, Thü-
ringer aus der von ihnen eingenommenen Stellung gewaltſam wieder zu
verdrängen? Gewiß nicht. Einigung iſt alſo nur dadurch möglich daß das
nördliche Deutſchland in Uebereinſtimmung mit dem entſchiedenen Volks-
wunſche zu uns herübertritt. Alle lebendigen Volkskräfte in Preußen
arbeiten auf dieſes Ziel hin, und wenn es hie und da eine träge Maſſe
gibt die ſich bei dieſem Streben nicht betheiligt, ſo verhält ſie ſich wenig-
ſtens nicht feindlich gegen dasſelbe. Ein Wort der preußiſchen Regie-
rung, und ganz Preußen iſt einig in dem Gedanken und dem Willen
der bürgerlichen Verbrüderung der geſammten Nation. Welche Rolle
Preußen dabei vorbehalten bleibt brauchen wir nicht anzudeuten. Was
würde dagegen geſchehen wenn Preußen ſeinen Beruf auch dießmal —
das letztemal daß die Weltgeſchichte es an denſelben mahnt — wenn es
ihn auch jetzt wieder verkennte? Preußen kann auf ſein Heer zählen,
und wir wünſchen ihm und Deutſchland Glück dazu — was aber ver-
mag ein politiſches Syſtem dem die Herzen und die Köpfe der Bürger
entfremdet ſind, was vermag ein deutſcher Staat der ſich von der Na-
tion, der ſich von ſeinem eigenen Volke losſagt! Eine furchtbare Ver-
antwortlichkeit ruht auf den Schultern der Männer welche das Heft der
preußiſchen Politik in der Hand haben, eine Verantwortlichkeit die frü-
her als man glauben mag den Segen oder den Fluch der Nation nach
ſich ziehen wird.
Freie Städte.
Frankfurt, 14 März.
Die Zuſtände in Paris ſind,
ſowohl nach brieflichen Mittheilungen von verläſſiger Seite wie nach den
Schilderungen glaubwürdiger Reiſenden die in dieſen Tagen hier angekom-
men, keineswegs ſo beruhigend wie die Organe der republicaniſchen Regie-
rung die Lage darſtellen möchten. Es iſt ein allgemeines sauve qui peut
der Beſitzenden, eine allgemeine Auswanderung derer welche ſich und
ihre Habe in der Hauptſtadt der Republik nicht mehr ſicher glauben, ein-
getreten; und zwar nicht bloß eine Auswanderung der reichen Frem-
den welche ſeither täglich eine ungeheuere Geldſumme in dem Pariſer
Körper umlauſen ließen, ſondern auch jener ſehr zahlreichen Franzoſen
ſelbſt die mit den ſocialiſtiſchen Probeſtücken welche die gegenwärtigen
Gewalthaber machen, nicht im entfernteſten einverſtanden ſind, weil
ſie, und wohl mit Recht, vorausſehen daß hier eine furchtbare Ge-
fahr droht für den Beſtand dieſer wie jeder ähnlich geſinnten Re-
gierung, für den Beſtand einer jeden regelmäßigen geſellſchaftlichen
Ordnung ſelbſt. Die proviſoriſche Regierung ſoll die lebhafteſten
Befürchtungen über die Folgen dieſer Auswanderung hegen; freilich
treten ſie auch ſchon in bedenklicher Weiſe hervor; der Verkehr iſt
in völliges Stocken gerathen, die Mode, dieſes wahre Lebenselement
von Paris, dieſe Hauptvulsader des franzöfiſchen Handels, ſiecht
hin; geſellſchaftliche Zuſammenkünfte werden von Tag zu Tag ſel-
tener; eine düſtere Stimmung laſtet auf den Gemüthern welche die Zu-
kunft mehr noch als die Gegenwart mit Bangen erfüllt. Die nächſte
Folge dieſer Lage iſt daß der Geldumlauf mehr und mehr ſtockt, dadurch
die allgemeine Bedrängniß der untern Claſſen mehr und mehr zunimmt,
und die provlſoriſche Regierung von Tag zu Tag mehr beſorgen muß
ganz Paris werde über kurz oder lang nur noch eine große National-
werkſtätte ſeyn, für welche der Schatz den Wochenlohn auszuzahlen hat!
So wird die Lage der Dinge in Paris geſchildert. Die Farben mögen
von den Perſonen welche noch den unmittelbaren Eindruck einer
ſo plötzlichen Umgeſtaltung empfinden, ſtark, vielleicht zu ſtark auf-
getragen ſeyn; aber ſoviel iſt gewiß daß der Grundton der
richtige iſt. Greift doch die proviſoriſche Regierung ſelbſt ſchon
zu Gewaltmaßregeln um dem dahinſchwindenden öffentlichen Credit wie-
der Jmpuls zu geben. Die Verfügung welche die Einleger der Spar-
caſſen zwingt bei Rückforderungen den größeren Theil in 5procentigen
Schatzbons und 5procentigen Rentencoupons zu Pari, d. h. zu einem
förmlichen Zwangscurſe auzunehmen, iſt nichts anderes als eine Ge-
waltmaßregel; die Eröffnung eines 5procentigen Nationalanlehens von
100 Millionen zu Pari legt den großen Bankiers und Capitaliſten ohne
allen Zweifel einen moraliſchen Zwang auf; ſie müſſen „freiwillig“ ſich
dazu herbeilaſſen ein ſolches Opfer auf dem Altar der proviſoriſchen Re-
gierung niederzulegen. Und ſchon drohen die Organe der proviſoriſchen
Regierung denen die ſich von Paris entfernen um nicht in den Strudel
der Umwälzung zuletzt ganz hineingeriſſen zu werden, mit dem Schreck-
bilde von 1792; ſchon bezeichnen ſie eine ſolche Abreiſe als eine Ver-
ſchwörung, als einen Verrath; ſchon ſtellen ſie in Ausſicht, eine ſolche
Emigration könne zuletzt die junge Republik nöthigen zu dem ihre Zu-
flucht zu nehmen wonach ihre Mutter von 1792 greifen mußte! Jſt das
nicht deutlich genug geſprochen? Es zeigt klar genug daß die proviſori-
ſche Regierung auf einem Krater ſteht der jeden Augenblick ſich furcht-
bar zu entladen droht! (Nürnb. C.)
K. Sachſen
⁑ Dresden, 14 März.
So eben wird die Be-
kanntmachung gedruckt daß unſer König den Miniſter v. Könneritz ent-
laſſen, und die übrigen Miniſter nur noch ſolange proviſoriſch den Ge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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