Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung [Spaltenumbruch]
Deutschland. * Bamberg, 14 März. Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach * Nürnberg, 15 März. Obwohl gestern Abend auf das be- Gr. Hessen. *** Darmstadt, 13 März. Eben hat der das Steuer- Odenwälder! Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung [Spaltenumbruch]
Deutſchland. * Bamberg, 14 März. Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach * Nürnberg, 15 März. Obwohl geſtern Abend auf das be- Gr. Heſſen. *** Darmſtadt, 13 März. Eben hat der das Steuer- Odenwälder! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0017"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage> <docImprint> <docDate>vom 17 März 1848.</docDate> </docImprint> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <body> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Bamberg,</hi> 14 März.</dateline><lb/> <p>Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach<lb/> der Pariſerrevolution gemeldet, wie vom Elſaß herüber eine allgemeine<lb/> Flucht der Juden anhebe. Wenige Tage ſpäter wurde dasſelbe von<lb/> badiſchen Ortſchaften erwähnt welche man bisher als den Sitz der poli-<lb/> tiſchen Aufklärung zu betrachten gewohnt war. Man braucht jetzt nicht<lb/> ſo weit zu gehen um ähnliches berichten zu können. Nach den geſtern<lb/> hier eingetroffenen Nachrichten iſt der nördliche Theil von Franken, von<lb/> Bayreuth und Bamberg gegen die ſächſiſche Gränze, in einem ſehr be-<lb/> denklichen Zuſtande. Die Abneigung des Landvolks gegen die im Frän-<lb/> kiſchen ſo zahlreiche jüdiſche Bevölkerung hat ſich, in ſeltſamem Contraſt<lb/> zu den Behauptungen der Freunde der Judenemancipation in Lichten-<lb/> fels, Burgkundſtadt und etwa fünf anderen Orten in <hi rendition="#g">ſtarken</hi> Exceſſen<lb/> gegen die Juden Luft gemacht welche, das muß man freilich geſtehen, in<lb/> ihrem Wucher und Schacher nur zu ſehr Anlaß zu Klagen geben. Der Bahn-<lb/> zug welcher geſtern Abends von Lichtenfels um halb 6 Uhr eintreffen ſollte,<lb/> kam erſt nach 6½ Uhr und brachte — in 32 Wägen 500 Judenfamilien<lb/> mit welche, der Plünderung und perſönlichen Verfolgung entronnen, fich,<lb/> ihre Kinder und was fie von ihrer Habe mitnehmen konnten, von dem<lb/> flachen Lande und den kleinen Städten nach der Stadt retteten. Ein<lb/> trauriger Anblick, der die Scenen der Emigration welche von Goethe’s<lb/> Hermann und Dorothea in aller Gedächtniß find, wiederholte, nur mit<lb/> dem Unterſchied daß die eigenthümliche Lebhaftigkeit der Flüchtigen,<lb/> ihre Freude ein Aſyl gefunden zu haben, und dabei die Aengftlichkeit<lb/> keiner fremden Hand das Mitgebrachte anzuvertrauen, nicht bloß dem<lb/> Mitleiden Raum gaben. Auch der Regierungspräſident v. 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Die adeligen Unterthanen erheben ſich da und<lb/> dort gegen ihre Gutsherrſchaft; und wie aus Unterfranken darüber ſehr<lb/> ernſte Berichte einliefen, ſo daß eine Schwadron Chevaulegers von Neu-<lb/> ſtadt an der Aiſch bereits in das Würzburgiſche aufgebrochen iſt, ſo kam auch<lb/> die Nachricht hier an daß auf den nur wenige Stunden von hier ent-<lb/> fernten Gütern des Frhrn. v. Redwitz Unruhen ausbrachen, die Kanzlei er-<lb/> ſtürmt, die Hypothekenbücher verbrannt, die anderen amtlichen Urkunden<lb/> verdorben wurden. Ob perſönliche Beſchädigungen ſtattfanden weiß ich<lb/> nicht genau, es wird jedoch behauptet. Schon war geſtern der Aufbruch<lb/> einer Schwadron Chevaulegers von hier aus nach den bedrohten Orten<lb/> beſtimmt, wurde aber dann, nicht zu verachtender Gründe wegen,<lb/> contremandirt. Man erfährt weiter daß gegen Kronach zu ſächſiſche<lb/> Arbeiter eingedrungen ſeyen und Lebensmittel verlangten, gibt ſelbſt die<lb/> Anzahl derſelben auf 300 an. Dazu kommen noch die in das Landvolk<lb/> dringenden unverdauten Jdeen von Freiheit und Gleichheit und der-<lb/> gleichen, ſo daß in Folge deſſen Fälle der Steuerverweigerung nicht mehr<lb/> zu den bloß <hi rendition="#g">möglichen</hi> gehören. Jch ſchreibe Jhnen dieſes mit Abſicht<lb/> mehr im allgemeinen, da man bei der Fluth von widerſprechenden Er-<lb/> zählungen für das Specielle nicht einſtehen kann. 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In Folge dieſes<lb/><cb/> neuen Exceſſes iſt heute wieder eine bedeutende Truppenzahl nach jener<lb/> Gegend abgegangen, aus Neumarkt kam gegen Mittag eine Escadron<lb/> Chevaulegers hier an. Hier wollte ſich wie in den andern großen<lb/> Städten Bayerns eine Sicherheitswache bilden, wobei ſich alle Stände<lb/> ohne Unterſchied betheiligen ſollten, zum größten Leidweſen aber haben<lb/> die voxläuſig entworfenen Statuten dieſes Vereins von dem zuſällig<lb/> hier anweſenden Regierungspräſtdenten die Genehmigung nicht erhalten,<lb/> und man ſtellte ſogar von Seite des Kreiscommando in einem „Ulti-<lb/> matum“ die Forderung ein drittes Bataillon zur hieſigen Landwehr zu<lb/> bilden, wobei aber von der bis jetzt feſtgehaltenen Aufnahmsfähigkeit<lb/> und der vorgeſchriebenen completen Uniformirung nur theilweiſe Um-<lb/> gang genommen wird, wie aus der bekannt gemachten Auffor-<lb/> derung des hieſigen Landwehrcommando erſichtlich iſt. Die Wendung<lb/> einer hier mit lebhaftem Eifer erfaßten rein <hi rendition="#g">bürgerlichen</hi> Angelegen-<lb/> heit hat in einer Mittags ſtattgefundenen Verſammlung im Muſeum,<lb/> wo man ſich zur Berathung verſammelt hatte, eine gewiſſe Bitterkeit<lb/> erregt und man wird wegen dieſes Ultimatums des Kreiscommandanten<lb/> ſich direct an Se. Maj. wonden und um Abſtellung dieſes Beſchluſſes<lb/> bitten.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#g">Gr. Heſſen</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">*** Darmſtadt</hi>, 13 März.</dateline><lb/> <p>Eben hat der das Steuer-<lb/> ruder in kräftiger Hand führende Miniſter v. Gagern folgendes an die<lb/> aufſtändiſchen Bewohner des Odenwaldes erlaſſen:</p><lb/> <floatingText> <body> <div type="letter" n="1"> <p><hi rendition="#g">Odenwälder</hi>!<lb/> Erſt vor wenigen Tagen bin ich — Ihr wißt es — durch das ehrenvolle<lb/> Vertrauen unſers geliebten Erbgroßherzogs zur Leitung der Staatsge-<lb/> ſchäfte berufen worden. Eure drückende Lage, Eure beſonderen Verhält-<lb/> niſſe als Einwohner ſtandesherrlicher Bezirte nahmen vor allem andern<lb/> meine Aufmerkſamkeit in Anſpruch; ich erklärte am 7 d. M., am erſten<lb/> Tage nach Uebernahme meines Amtes, in den beiden Kammern der<lb/> Stände: „Es wird das Beſtreben der Regierung ſeyn in Einverſtänd-<lb/> niß mit den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien ein-<lb/> zelner Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz<lb/> unbedingt gleichzuſtellen.“ Das Ziel welches ich mir vorgeſteckt, und wel-<lb/> ches zu erreichen ich die Zuverſicht habe, da ich der Unterſtützung aller<lb/> Staatsangehörigen, namentlich auch deter mich zu erfreuen habe von<lb/> welchen Opfer zu bringen ſind — dieſes Ziel beſteht in der Gleichſtellung<lb/> der Einwohner der ſtandesherrlichen Bezirke mit den übrigen Staats-<lb/> angehörigen. Ungeduldig dieſes Ziel zu erreichen, habt Jhr ſeitdem<lb/> Eure Standesherren bedrängt und Zugeſtändniſſe von denſelben erhal-<lb/> ten, die weit über dasjenige hinausgehen was nach Recht und Billigkeit<lb/> von ihnen gefordert werden konnte. Ihr habt, ich muß es Euch mit<lb/> Schmerz aber auch mit Ernſt ſagen, den Weg des Geſetzes verlaſſen!<lb/> Erwartet nicht von mir daß ich Euch in unrechten Dingen unterſtützen<lb/> werde; ich will Euch helfen erreichen was recht und billig iſt, aber ich<lb/> mißbillige ernſtlich alle Ungeſetzlichkeiten, ich fordere von Euch Achtung<lb/> und Heilighaltung der Eigenthumsrechte, ich fordere von Euch mit allem<lb/> Nachdruck deſſen ich fähig bin Aufrechthaltung der Sicherheit der Per-<lb/> ſonen. Jhr kennt mich als Euern Freund; Euch kenne ich als brave<lb/> Männer, die wohl augenblicklich ſich zu Ungeſetzlichkeiten hinreißen laſ-<lb/> ſen konnten, die aber auf den rechten Pfad zurückkehren werden, ſobald<lb/> ſie erkennen wohin ſie ſich verirrt hatten. Vertrauet auf mich, ſchon habe<lb/> ich mich mit Euren Anliegen beſchäftigt; ich werde Commiſſäre zu<lb/> Euch ſchicken, um die Verhältniſſe zwiſchen den Standesherren und Euch<lb/> auf dem Wege gütlicher Verſtändigung zur Befriedigung aller gerechten<lb/> und billigen Wünſche in Ordnung zu bringen; die Standesherren bieten<lb/> zu dieſem Friedenswerke bereitwillig die Hand. Fortan werden Eure<lb/> Standesherren allen Geſetzen, die auf verfaſſungsmäßigem Wege erlaſ-<lb/> ſen werden, ebenſo unbedingt unterworfen ſeyn, wie die übrigen Ange-<lb/> hörigen des Großherzogthums; ſie werden alſo namentlich allen Geſetzen<lb/> unterworfen ſeyn welche eine Ablöſung, Verwandlung oder Aufhebung<lb/> von Monopolien, Wirthſchaftsbannrechten, Grundlaſten, Weiderechten,<lb/> Jagden, Fiſchereien, Erblehen ꝛc. für das ganze Land überhaupt zum Ge-<lb/> genſtand haben. Sie werden ſich hinſichtlich aller noch nicht zum Ab-<lb/> ſchluß gebrachten Grundrentenablöſungen den Beſtimmungen des Ablö-<lb/> fungsgeſetzes von 1836 nach den billigſten Rückſichten unterwerfen. Sie<lb/> werden die ihnen verfaſſungsmäßig zuſtehenden Gerechtſame in Bezug<lb/> auf Juſtiz und Polizeiverwaltung, namentlich auch die Forſtpolizei über<lb/> Communal- und Privatwaldungen an den Staat abtreten; ſie werden<lb/> auf die Ernennung der Bürgermeiſter und Beigeordneten verzichten.<lb/> Sie werden Maßregeln nicht entgegen ſeyn welche auf Beſeitigung der<lb/> Klagen über Wildbeſchädigungen abzielen, und eine allgemeine Ausdeh-<lb/> nung des Wildſchadensgeſetzes auf Waldungen bezwecken. Sie haben<lb/> den ihnen von mir gemachten Vorſchlag alle ihre jetzt anhängigen Pro-<lb/> ceſſe mit Angehörigen ihrer Standesherrſchaften durch eine aus der Mitte<lb/> der hieſigen öffentlichen Anwälte zu bildende Commiſſion prüfen zu laſ-<lb/> ſen und eine gütliche Beilegung jener Proceſſe auf dieſem Wege anzu-<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 17 März 1848.
Deutſchland.
* Bamberg, 14 März.
Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach
der Pariſerrevolution gemeldet, wie vom Elſaß herüber eine allgemeine
Flucht der Juden anhebe. Wenige Tage ſpäter wurde dasſelbe von
badiſchen Ortſchaften erwähnt welche man bisher als den Sitz der poli-
tiſchen Aufklärung zu betrachten gewohnt war. Man braucht jetzt nicht
ſo weit zu gehen um ähnliches berichten zu können. Nach den geſtern
hier eingetroffenen Nachrichten iſt der nördliche Theil von Franken, von
Bayreuth und Bamberg gegen die ſächſiſche Gränze, in einem ſehr be-
denklichen Zuſtande. Die Abneigung des Landvolks gegen die im Frän-
kiſchen ſo zahlreiche jüdiſche Bevölkerung hat ſich, in ſeltſamem Contraſt
zu den Behauptungen der Freunde der Judenemancipation in Lichten-
fels, Burgkundſtadt und etwa fünf anderen Orten in ſtarken Exceſſen
gegen die Juden Luft gemacht welche, das muß man freilich geſtehen, in
ihrem Wucher und Schacher nur zu ſehr Anlaß zu Klagen geben. Der Bahn-
zug welcher geſtern Abends von Lichtenfels um halb 6 Uhr eintreffen ſollte,
kam erſt nach 6½ Uhr und brachte — in 32 Wägen 500 Judenfamilien
mit welche, der Plünderung und perſönlichen Verfolgung entronnen, fich,
ihre Kinder und was fie von ihrer Habe mitnehmen konnten, von dem
flachen Lande und den kleinen Städten nach der Stadt retteten. Ein
trauriger Anblick, der die Scenen der Emigration welche von Goethe’s
Hermann und Dorothea in aller Gedächtniß find, wiederholte, nur mit
dem Unterſchied daß die eigenthümliche Lebhaftigkeit der Flüchtigen,
ihre Freude ein Aſyl gefunden zu haben, und dabei die Aengftlichkeit
keiner fremden Hand das Mitgebrachte anzuvertrauen, nicht bloß dem
Mitleiden Raum gaben. Auch der Regierungspräſident v. Stenglein, ein
höchſt geachteter und beliebter Beamte, traf geſtern Abends hier ein,
worauf mit dem hieſigen Stadtcommandanten Berathungen gepflogen
wurden, in Folge deren das in Nürnberg garniſonirende Jnfanterie-
Regiment noch um Mitternacht durch einen Expreſſen aufgeboten wurde.
Dasſelbe muß, da man einen Einfall von Meiningen her be-
ſorgt, von Bamberg aus, das in Bayreuth liegende Regiment, gegen-
wärtig nicht 200 Mann ſtark (!), von dort aus gegen die Gränze rücken;
und die Communication ſoll durch einige Schwadronen Bamberger Che-
vaulegers erhalten werden. Neben dieſen Scenen gehen aber noch andere
nicht minder bedenkliche vor. Die adeligen Unterthanen erheben ſich da und
dort gegen ihre Gutsherrſchaft; und wie aus Unterfranken darüber ſehr
ernſte Berichte einliefen, ſo daß eine Schwadron Chevaulegers von Neu-
ſtadt an der Aiſch bereits in das Würzburgiſche aufgebrochen iſt, ſo kam auch
die Nachricht hier an daß auf den nur wenige Stunden von hier ent-
fernten Gütern des Frhrn. v. Redwitz Unruhen ausbrachen, die Kanzlei er-
ſtürmt, die Hypothekenbücher verbrannt, die anderen amtlichen Urkunden
verdorben wurden. Ob perſönliche Beſchädigungen ſtattfanden weiß ich
nicht genau, es wird jedoch behauptet. Schon war geſtern der Aufbruch
einer Schwadron Chevaulegers von hier aus nach den bedrohten Orten
beſtimmt, wurde aber dann, nicht zu verachtender Gründe wegen,
contremandirt. Man erfährt weiter daß gegen Kronach zu ſächſiſche
Arbeiter eingedrungen ſeyen und Lebensmittel verlangten, gibt ſelbſt die
Anzahl derſelben auf 300 an. Dazu kommen noch die in das Landvolk
dringenden unverdauten Jdeen von Freiheit und Gleichheit und der-
gleichen, ſo daß in Folge deſſen Fälle der Steuerverweigerung nicht mehr
zu den bloß möglichen gehören. Jch ſchreibe Jhnen dieſes mit Abſicht
mehr im allgemeinen, da man bei der Fluth von widerſprechenden Er-
zählungen für das Specielle nicht einſtehen kann. Daß wir uns wie
auf einem Vulcan befinden, geſteht ſich jeder welcher die Verhältniſſe ſo
anſieht wie ſie wirklich ſind.
* Nürnberg, 15 März.
Obwohl geſtern Abend auf das be-
ſtimmteſte behauptet wurde daß das Landgericht Forchheim von Bauern
beſtürmt worden ſey, ſo hat ſich dieß doch-zum Glück nicht beſtätigt.
Eine traurige Nachricht aus dem Oberlande drängt hier die andere,
alles lebt in einer ängſtlichen Spannung, überall erzählen glaubwürdige
Perſonen von der Aufregung unter den Bauern nah und fern die durch
Mißverſtehen der königl. Proclamation zum Theil mit veranlaßt ſeyn
mag. In der vorigen Nacht wurde das Schloß eines Barons Küns-
berg in Schmalzdorf, einem Dorf bei Culmbach, nach der Ausſage
einiger aus dem Oberlande kommenden Deputirten, von einem Haufen
verwegener Burſche überfallen und geplündert. In Folge dieſes
neuen Exceſſes iſt heute wieder eine bedeutende Truppenzahl nach jener
Gegend abgegangen, aus Neumarkt kam gegen Mittag eine Escadron
Chevaulegers hier an. Hier wollte ſich wie in den andern großen
Städten Bayerns eine Sicherheitswache bilden, wobei ſich alle Stände
ohne Unterſchied betheiligen ſollten, zum größten Leidweſen aber haben
die voxläuſig entworfenen Statuten dieſes Vereins von dem zuſällig
hier anweſenden Regierungspräſtdenten die Genehmigung nicht erhalten,
und man ſtellte ſogar von Seite des Kreiscommando in einem „Ulti-
matum“ die Forderung ein drittes Bataillon zur hieſigen Landwehr zu
bilden, wobei aber von der bis jetzt feſtgehaltenen Aufnahmsfähigkeit
und der vorgeſchriebenen completen Uniformirung nur theilweiſe Um-
gang genommen wird, wie aus der bekannt gemachten Auffor-
derung des hieſigen Landwehrcommando erſichtlich iſt. Die Wendung
einer hier mit lebhaftem Eifer erfaßten rein bürgerlichen Angelegen-
heit hat in einer Mittags ſtattgefundenen Verſammlung im Muſeum,
wo man ſich zur Berathung verſammelt hatte, eine gewiſſe Bitterkeit
erregt und man wird wegen dieſes Ultimatums des Kreiscommandanten
ſich direct an Se. Maj. wonden und um Abſtellung dieſes Beſchluſſes
bitten.
Gr. Heſſen.
*** Darmſtadt, 13 März.
Eben hat der das Steuer-
ruder in kräftiger Hand führende Miniſter v. Gagern folgendes an die
aufſtändiſchen Bewohner des Odenwaldes erlaſſen:
Odenwälder!
Erſt vor wenigen Tagen bin ich — Ihr wißt es — durch das ehrenvolle
Vertrauen unſers geliebten Erbgroßherzogs zur Leitung der Staatsge-
ſchäfte berufen worden. Eure drückende Lage, Eure beſonderen Verhält-
niſſe als Einwohner ſtandesherrlicher Bezirte nahmen vor allem andern
meine Aufmerkſamkeit in Anſpruch; ich erklärte am 7 d. M., am erſten
Tage nach Uebernahme meines Amtes, in den beiden Kammern der
Stände: „Es wird das Beſtreben der Regierung ſeyn in Einverſtänd-
niß mit den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien ein-
zelner Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz
unbedingt gleichzuſtellen.“ Das Ziel welches ich mir vorgeſteckt, und wel-
ches zu erreichen ich die Zuverſicht habe, da ich der Unterſtützung aller
Staatsangehörigen, namentlich auch deter mich zu erfreuen habe von
welchen Opfer zu bringen ſind — dieſes Ziel beſteht in der Gleichſtellung
der Einwohner der ſtandesherrlichen Bezirke mit den übrigen Staats-
angehörigen. Ungeduldig dieſes Ziel zu erreichen, habt Jhr ſeitdem
Eure Standesherren bedrängt und Zugeſtändniſſe von denſelben erhal-
ten, die weit über dasjenige hinausgehen was nach Recht und Billigkeit
von ihnen gefordert werden konnte. Ihr habt, ich muß es Euch mit
Schmerz aber auch mit Ernſt ſagen, den Weg des Geſetzes verlaſſen!
Erwartet nicht von mir daß ich Euch in unrechten Dingen unterſtützen
werde; ich will Euch helfen erreichen was recht und billig iſt, aber ich
mißbillige ernſtlich alle Ungeſetzlichkeiten, ich fordere von Euch Achtung
und Heilighaltung der Eigenthumsrechte, ich fordere von Euch mit allem
Nachdruck deſſen ich fähig bin Aufrechthaltung der Sicherheit der Per-
ſonen. Jhr kennt mich als Euern Freund; Euch kenne ich als brave
Männer, die wohl augenblicklich ſich zu Ungeſetzlichkeiten hinreißen laſ-
ſen konnten, die aber auf den rechten Pfad zurückkehren werden, ſobald
ſie erkennen wohin ſie ſich verirrt hatten. Vertrauet auf mich, ſchon habe
ich mich mit Euren Anliegen beſchäftigt; ich werde Commiſſäre zu
Euch ſchicken, um die Verhältniſſe zwiſchen den Standesherren und Euch
auf dem Wege gütlicher Verſtändigung zur Befriedigung aller gerechten
und billigen Wünſche in Ordnung zu bringen; die Standesherren bieten
zu dieſem Friedenswerke bereitwillig die Hand. Fortan werden Eure
Standesherren allen Geſetzen, die auf verfaſſungsmäßigem Wege erlaſ-
ſen werden, ebenſo unbedingt unterworfen ſeyn, wie die übrigen Ange-
hörigen des Großherzogthums; ſie werden alſo namentlich allen Geſetzen
unterworfen ſeyn welche eine Ablöſung, Verwandlung oder Aufhebung
von Monopolien, Wirthſchaftsbannrechten, Grundlaſten, Weiderechten,
Jagden, Fiſchereien, Erblehen ꝛc. für das ganze Land überhaupt zum Ge-
genſtand haben. Sie werden ſich hinſichtlich aller noch nicht zum Ab-
ſchluß gebrachten Grundrentenablöſungen den Beſtimmungen des Ablö-
fungsgeſetzes von 1836 nach den billigſten Rückſichten unterwerfen. Sie
werden die ihnen verfaſſungsmäßig zuſtehenden Gerechtſame in Bezug
auf Juſtiz und Polizeiverwaltung, namentlich auch die Forſtpolizei über
Communal- und Privatwaldungen an den Staat abtreten; ſie werden
auf die Ernennung der Bürgermeiſter und Beigeordneten verzichten.
Sie werden Maßregeln nicht entgegen ſeyn welche auf Beſeitigung der
Klagen über Wildbeſchädigungen abzielen, und eine allgemeine Ausdeh-
nung des Wildſchadensgeſetzes auf Waldungen bezwecken. Sie haben
den ihnen von mir gemachten Vorſchlag alle ihre jetzt anhängigen Pro-
ceſſe mit Angehörigen ihrer Standesherrſchaften durch eine aus der Mitte
der hieſigen öffentlichen Anwälte zu bildende Commiſſion prüfen zu laſ-
ſen und eine gütliche Beilegung jener Proceſſe auf dieſem Wege anzu-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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