Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.[Spaltenumbruch]
bleibt bei näherer Betrachtung doch immer der Schein. So wenig wir uns Daß wir vom Kriege und zwar auf unsern deutschen Fluren ver- Für Bremen und die Vereinigten Staaten von Nordamerika nimmt Jnserate in die Allgemeine Zeitung an Herr Heinrich Strack, Buchhändler in Bremen. [Spaltenumbruch]
bleibt bei näherer Betrachtung doch immer der Schein. So wenig wir uns Daß wir vom Kriege und zwar auf unſern deutſchen Fluren ver- Für Bremen und die Vereinigten Staaten von Nordamerika nimmt Jnſerate in die Allgemeine Zeitung an Herr Heinrich Strack, Buchhändler in Bremen. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0013"/><cb/> bleibt bei näherer Betrachtung doch immer der Schein. So wenig wir uns<lb/> rühmen können in die Geheimniſſe der republicaniſchen Partei einge-<lb/> weiht zu ſeyn, ſo zweifeln wir doch keinen Augenblick daß das Ereig-<lb/> niß, ſoweit es nicht von derſelben herbeigeführt war, fie wenigſtens vor-<lb/> bereitet und gerüſtet gefunden hat. Die innere Geſchichte der Revolu-<lb/> tion, die jetzt noch nicht offenbar geworden, wird früher oder ſpäter<lb/> erkennen laſſen wie die mit dem Tode des Königs erwartete und nun-<lb/> mehr um etliche Jahre, vielleicht nur Monate früher erfolgte Kriſe<lb/> von jener Partei ſchon längſt ins Auge gefaßt, ja als der Moment<lb/> der ihnen die Zukunft fichern mußte zum voraus in die Hand genom-<lb/> men war. Wie immer iſt denjenigen der Sieg geblieben die am<lb/> ſicherſten wußten was ſie wollten, und deßhalb die entſchloſſenſte That-<lb/> kraft entfalteten. Ob und inwieweit die jetzige proviſoriſche Regie-<lb/> rung vorher ſchon als Jnſurrectionsausſchuß thätig war, bleibt dahin<lb/> geſtellt: daß aber das Haupt derſelben, Dupont de l’Eure, am Nach-<lb/> mittag des 24 Febr. die proviſoriſche Regierung, und ebendamit die<lb/> Republik in den Saal der Deputirtenkammer mit ſich brachte und da-<lb/> ſelbſt aus der Taſche zog, das lehrt ſelbſt der Augenſchein. Welches iſt<lb/> aber die Zuſammenſetzung der neuen Regierung? Mit der Ausnahme<lb/> eines einzigen, aus der Mitte der Arbeiter zugezogenen Mitglieds ge-<lb/> hören alle übrigen dem dritten Stande an, und während einer von<lb/> ihnen als der wahre Mann der Bourgeoiſie bezeichnet wird, vertreten<lb/> noch mehrere durch ihre Stellung in der Geſellſchaft die Jntereſſen des<lb/> Befitzes, und zwei aus ihrer Mitte tragen glänzende Namen im Felde der<lb/> Litteratur und der Wiſſenſchaft. Alle aber, oder faſt alle find vor allem von<lb/> glühender Liebe zum Vaterland erfüllt, und ſo wenig auch die Unterſchiede<lb/> ihrer Anſchauungen und Richtungen ſich verkennen laſſen, ſo haben fie<lb/> fich doch in dem edeln Beſtreben vereinigt jene Unbilligkeiten welche<lb/> auf einer großen Mehrzahl ihrer Mitbrüder laſten, ohne durch die Ge-<lb/> ſetze der Natur geboten zu ſeyn, nach Kräſten zu mildern, und vom<lb/> Standpunkt der Gerechtigkeit und Humanität die Jntereſſen der Stände<lb/> zu verſöhnen. Daß die untern und gedrückten Claſſen noch zur rechten<lb/> Zeit Vertreter in den höhern gefunden haben, und daß die Männer<lb/> welche durch die Revolution an die Spitze geſtellt find als Vermittler<lb/> zwiſchen den Claſſen und nicht als Sieger über den einen Theil der<lb/> Nation erſcheinen, das verleiht der Revolution einen ehrenvollen und<lb/> mindeſtens nicht hoffnungsloſen Charakter. Wäre <hi rendition="#g">dieſe</hi> Revolution<lb/> nicht erſchienen, ſo wäre eine andere nicht ausgeblieben, nämlich eine<lb/> Proletarierrevolution im wahren Sinne, welche nicht einen Wechſel<lb/> der Staatsformen, ſondern den Umſturz der Geſellſchaft gebracht hätte.<lb/> Zu der Achtung welche wir für die meiſten Leiter der jungen Re-<lb/> publik hegen geſellt ſich freilich die Befürchtung; und daß ihnen das<lb/> große Werk welches ſie ſich vorgeſetzt gelingen werde, wer möchte es<lb/> im Hinblick auf die Thatſachen welche bereits vorliegen behaupten? Die<lb/> Löſung des Problems iſt der Zukunft vorbehalten, und wer kann be-<lb/> ſtimmen welche Opfer ſie koſten wird? Die Humanität des 19ten<lb/> Jahrhunderts und die vorgeſchrittene Bildung der Franzoſen darf uns<lb/> mit einigem Vertrauen beſeelen. Allein wie lange und wie weit die<lb/> Elemente der Sittlichkeit den ſchlechten Leidenſchaften gewachſen ſeyn<lb/> werden, wer möchte es bemeſſen? Doch ſollten auch die Kriſen welche<lb/> bevorſtehen gewaltſamer Art ſeyn: ſelbſt auf blutigem Felde wird eine<lb/> edle Frucht für die Menſchheit reifen!</p><lb/> <p>Daß wir vom Kriege und zwar auf unſern deutſchen Fluren ver-<lb/> ſchont bleiben werden, wagen wir nicht zu hoffen. Denn abgeſehen da-<lb/> von daß eine Fraction der herrſchenden Partei die, in die glorreichen<lb/> Erinnerungen der Republik und der Kaiſerzeit eingetaucht, den Glanz<lb/> und die Größe des franzöfiſchen Namens mit dem Schwerte in der<lb/> Hand herſtellen zu müſſen meint, in der proviſoriſchen Regierung<lb/> mächtig vertreten iſt, ſo drängt ſelbſt die innere ſocialiſtiſche Politik<lb/> der Regierung zu der Nothwendigkeit des Krieges. Nachdem man<lb/> ſchon jetzt 30,000 Arbeitern durch Einreihung in die mobile National-<lb/> garde ein „Unterkommen“ zu geben geſucht hat: was ſoll dieſe Maſſen<lb/> in die Länge beſchäftigen und nähren als der Krieg? Der Vorwand<lb/> freilich der auf die Fahnen der alten Republik geſchrieben ward, näm-<lb/> lich Befreiung der Völker, dürfte heutzutage Deutſchland gegenüber<lb/><cb/> ſchwer zu gebrauchen ſeyn. Die deutſchen Völker begehren keine Bun-<lb/> desgenoſſen, denn ſie wiſſen ſich ſelbſt zu helfen. Jede Stunde bringt<lb/> dem deutſchen Patrioten neue Gewißheit daß endlich die Zeit gekommen<lb/> wo die Ehre und Größe ſeines Namens aufs neue ſtrahlend hervor-<lb/> tritt! Wenn unſere weſtlichen Nachbarn es wagen werden die Gränzen<lb/> unſerer Länder zu überſchreiten, ſo werden ſie finden was fie nicht zu<lb/> denken gewohnt waren — eine deutſche Nation! Und ſchwer dürfte<lb/> der Verſuch an der franzöſiſchen Regierung ſich rächen, <hi rendition="#g">dem eige-<lb/> nen Volk ein fremdes zu opfern!</hi> Was in frühern Tagen der<lb/> einzelne Patriot kaum zu hoffen wagte, das wird der wiedererwachten<lb/> Nation gelingen, nämlich die alten, durch Sprache und Abſtammung<lb/> verwandten Glieder wieder an ſich zu ziehen! Die deutſche Nation<lb/> wird die Forderung der natürlichen Gränzen aufnehmen, und die<lb/> Gränzen werden die Vogeſen ſeyn! Doch daß die Begeiſterung uns<lb/> nicht die Beſonnenheit raube! Jſt unſere Lage ſo hoffnungsvoll, wenn<lb/> wir, kaum erſt zu der Einheit der Nation uns erhebend, mit dem<lb/> äußern Feinde zugleich den innern zu bekämpfen haben werden? Nicht<lb/> verhehlen dürfen wir uns die Gefahr die von unſerm Proletariate und<lb/> einem Theile unſerer Landbevölkerung droht. Die Bewaffnung des<lb/> Volkes iſt das erſte und dringendſte Gebot, nicht allein dem äußern,<lb/> ſondern leider auch dem innern Feinde gegenüber! Der ſchroffe Unter-<lb/> ſchied der Stände, den der deutſche Vaterlandsfreund längſt betrauert,<lb/> und der auf keinem andern Wege ſich ausgleichen wird als durch öf-<lb/> fentliches Leben, hat unſere niedern Claſſen in Bildung und Geſittung<lb/> auf trauriger Stufe zurückgehalten, und wo es zum Ausbruche der<lb/> Maſſen kommt, da ſind die roheſten Ausſchweifungen zu befürchten.<lb/> Doch geordneter Macht vermag die rohe Gewalt nicht zu widerſtehen,<lb/> und wo die Bürger zum Schutze des Eigenthums gewaffnet find, da muß<lb/> der Pöbel unterliegen. Mit einem ſo traurigen Siege iſt freilich nicht<lb/> gethan was gethan werden muß. Das niedere Volk muß geiſtig ge-<lb/> hoben und ökonomiſch erleichtert werden. Einrichtung von Schulen<lb/> wie das Volk ſie braucht, Eröffnung der beſten Schule, nämlich der<lb/> des öffentlichen Lebens, Aufhebung der Feudallaſten mit Opfern von<lb/> Seiten derer die fie bringen <hi rendition="#g">können,</hi> Verringerung der Steuern<lb/> durch Vereinfachung des Staatshaushaltes, nationale Handelspolitik<lb/> und Organiſation der Arbeit — von dieſen Mitteln iſt vieles zu hof-<lb/> fen und dennoch nicht alles! Das Grundübel das auf dem mittlern<lb/> Europa laſtet iſt die Uebervölkerung, und dieſer muß ein geordneter<lb/> Abfluß in breitem Strome gebahnt werden. Auswanderung von Ein-<lb/> zelnen, und wären dieſe noch ſo zahlreich, iſt ſchlechte Hülfe. Was<lb/> noththut iſt Auswanderung und Coloniſation im Großen, als Werk<lb/> der Nation! Eroberung neuen Bodens auf möglichſt friedlichem Wege<lb/> zur Ausbreitung europäiſcher Geſittung, zur Gründung neuen Wohl-<lb/> ſtandes und zur Verbeſſerung der Lage der Bleibenden! Wer wollte<lb/> heute, da wir ſchauen was wir kaum geträumt hatten, ſolche Hoff-<lb/> nungen für Träume erklären? An die Verwirklichung derſelben<lb/> knüpft ſich das Heil und zugleich die Größe der deutſchen Nation! Wo<lb/> Verſtand und Herz, wo Jntereſſe und Jdee, wo materielle und geiſtige<lb/> Motive wie hier zuſammenftimmen, da darf an der Ausführung und<lb/> am Erfolge nicht verzweifelt werden! Große Bedingungen find frei-<lb/> lich zu erfüllen. Der politiſche Umſchwung der die künftige Größe<lb/> unſeres Volkes verbürgt, iſt in den conſtitutionellen Staaten angebahnt,<lb/> ja gewiſſermaßen vollbracht. An den preußiſchen Stämmen hat der<lb/> Vereinigte Landtag des vorigen Jahres jeden Zweifel benommen.<lb/><hi rendition="#g">Was</hi> aber iſt für die Brüder in Oeſterreich, und was von denſel-<lb/> ben zu erwarten? Jn dem jetzigen großen Momente vergeſſen wir ihrer<lb/> nicht, und vergeſſen ſie unſer nicht! Deutſchlands Größe hängt da-<lb/> von ab daß uns Raum gegen Oſten verſchafft werde, und <hi rendition="#g">Oeſter-<lb/> reich hat dieß zu verbürgen.</hi> Findet es jene von Motiven<lb/> der Politik, des Patriotismus und der Civiliſation gebotene Richtung,<lb/> ſo wäre die erſte Bedingung der Einſchlagung jenes Weges <hi rendition="#g">Losſa-<lb/> gung vom ruſſiſchen Bündniß.</hi> Was bis jetzt dem ruſſiſchen<lb/> Jntereſſe geopfert worden, kann noch, wir hoffen es, eingebracht<lb/> werden. Hinfort aber in Oeſterreich keine ruſſiſche Politik, ſondern<lb/> deutſche! Hülfe von den Koſaken? Nimmermehr! 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bleibt bei näherer Betrachtung doch immer der Schein. So wenig wir uns
rühmen können in die Geheimniſſe der republicaniſchen Partei einge-
weiht zu ſeyn, ſo zweifeln wir doch keinen Augenblick daß das Ereig-
niß, ſoweit es nicht von derſelben herbeigeführt war, fie wenigſtens vor-
bereitet und gerüſtet gefunden hat. Die innere Geſchichte der Revolu-
tion, die jetzt noch nicht offenbar geworden, wird früher oder ſpäter
erkennen laſſen wie die mit dem Tode des Königs erwartete und nun-
mehr um etliche Jahre, vielleicht nur Monate früher erfolgte Kriſe
von jener Partei ſchon längſt ins Auge gefaßt, ja als der Moment
der ihnen die Zukunft fichern mußte zum voraus in die Hand genom-
men war. Wie immer iſt denjenigen der Sieg geblieben die am
ſicherſten wußten was ſie wollten, und deßhalb die entſchloſſenſte That-
kraft entfalteten. Ob und inwieweit die jetzige proviſoriſche Regie-
rung vorher ſchon als Jnſurrectionsausſchuß thätig war, bleibt dahin
geſtellt: daß aber das Haupt derſelben, Dupont de l’Eure, am Nach-
mittag des 24 Febr. die proviſoriſche Regierung, und ebendamit die
Republik in den Saal der Deputirtenkammer mit ſich brachte und da-
ſelbſt aus der Taſche zog, das lehrt ſelbſt der Augenſchein. Welches iſt
aber die Zuſammenſetzung der neuen Regierung? Mit der Ausnahme
eines einzigen, aus der Mitte der Arbeiter zugezogenen Mitglieds ge-
hören alle übrigen dem dritten Stande an, und während einer von
ihnen als der wahre Mann der Bourgeoiſie bezeichnet wird, vertreten
noch mehrere durch ihre Stellung in der Geſellſchaft die Jntereſſen des
Befitzes, und zwei aus ihrer Mitte tragen glänzende Namen im Felde der
Litteratur und der Wiſſenſchaft. Alle aber, oder faſt alle find vor allem von
glühender Liebe zum Vaterland erfüllt, und ſo wenig auch die Unterſchiede
ihrer Anſchauungen und Richtungen ſich verkennen laſſen, ſo haben fie
fich doch in dem edeln Beſtreben vereinigt jene Unbilligkeiten welche
auf einer großen Mehrzahl ihrer Mitbrüder laſten, ohne durch die Ge-
ſetze der Natur geboten zu ſeyn, nach Kräſten zu mildern, und vom
Standpunkt der Gerechtigkeit und Humanität die Jntereſſen der Stände
zu verſöhnen. Daß die untern und gedrückten Claſſen noch zur rechten
Zeit Vertreter in den höhern gefunden haben, und daß die Männer
welche durch die Revolution an die Spitze geſtellt find als Vermittler
zwiſchen den Claſſen und nicht als Sieger über den einen Theil der
Nation erſcheinen, das verleiht der Revolution einen ehrenvollen und
mindeſtens nicht hoffnungsloſen Charakter. Wäre dieſe Revolution
nicht erſchienen, ſo wäre eine andere nicht ausgeblieben, nämlich eine
Proletarierrevolution im wahren Sinne, welche nicht einen Wechſel
der Staatsformen, ſondern den Umſturz der Geſellſchaft gebracht hätte.
Zu der Achtung welche wir für die meiſten Leiter der jungen Re-
publik hegen geſellt ſich freilich die Befürchtung; und daß ihnen das
große Werk welches ſie ſich vorgeſetzt gelingen werde, wer möchte es
im Hinblick auf die Thatſachen welche bereits vorliegen behaupten? Die
Löſung des Problems iſt der Zukunft vorbehalten, und wer kann be-
ſtimmen welche Opfer ſie koſten wird? Die Humanität des 19ten
Jahrhunderts und die vorgeſchrittene Bildung der Franzoſen darf uns
mit einigem Vertrauen beſeelen. Allein wie lange und wie weit die
Elemente der Sittlichkeit den ſchlechten Leidenſchaften gewachſen ſeyn
werden, wer möchte es bemeſſen? Doch ſollten auch die Kriſen welche
bevorſtehen gewaltſamer Art ſeyn: ſelbſt auf blutigem Felde wird eine
edle Frucht für die Menſchheit reifen!
Daß wir vom Kriege und zwar auf unſern deutſchen Fluren ver-
ſchont bleiben werden, wagen wir nicht zu hoffen. Denn abgeſehen da-
von daß eine Fraction der herrſchenden Partei die, in die glorreichen
Erinnerungen der Republik und der Kaiſerzeit eingetaucht, den Glanz
und die Größe des franzöfiſchen Namens mit dem Schwerte in der
Hand herſtellen zu müſſen meint, in der proviſoriſchen Regierung
mächtig vertreten iſt, ſo drängt ſelbſt die innere ſocialiſtiſche Politik
der Regierung zu der Nothwendigkeit des Krieges. Nachdem man
ſchon jetzt 30,000 Arbeitern durch Einreihung in die mobile National-
garde ein „Unterkommen“ zu geben geſucht hat: was ſoll dieſe Maſſen
in die Länge beſchäftigen und nähren als der Krieg? Der Vorwand
freilich der auf die Fahnen der alten Republik geſchrieben ward, näm-
lich Befreiung der Völker, dürfte heutzutage Deutſchland gegenüber
ſchwer zu gebrauchen ſeyn. Die deutſchen Völker begehren keine Bun-
desgenoſſen, denn ſie wiſſen ſich ſelbſt zu helfen. Jede Stunde bringt
dem deutſchen Patrioten neue Gewißheit daß endlich die Zeit gekommen
wo die Ehre und Größe ſeines Namens aufs neue ſtrahlend hervor-
tritt! Wenn unſere weſtlichen Nachbarn es wagen werden die Gränzen
unſerer Länder zu überſchreiten, ſo werden ſie finden was fie nicht zu
denken gewohnt waren — eine deutſche Nation! Und ſchwer dürfte
der Verſuch an der franzöſiſchen Regierung ſich rächen, dem eige-
nen Volk ein fremdes zu opfern! Was in frühern Tagen der
einzelne Patriot kaum zu hoffen wagte, das wird der wiedererwachten
Nation gelingen, nämlich die alten, durch Sprache und Abſtammung
verwandten Glieder wieder an ſich zu ziehen! Die deutſche Nation
wird die Forderung der natürlichen Gränzen aufnehmen, und die
Gränzen werden die Vogeſen ſeyn! Doch daß die Begeiſterung uns
nicht die Beſonnenheit raube! Jſt unſere Lage ſo hoffnungsvoll, wenn
wir, kaum erſt zu der Einheit der Nation uns erhebend, mit dem
äußern Feinde zugleich den innern zu bekämpfen haben werden? Nicht
verhehlen dürfen wir uns die Gefahr die von unſerm Proletariate und
einem Theile unſerer Landbevölkerung droht. Die Bewaffnung des
Volkes iſt das erſte und dringendſte Gebot, nicht allein dem äußern,
ſondern leider auch dem innern Feinde gegenüber! Der ſchroffe Unter-
ſchied der Stände, den der deutſche Vaterlandsfreund längſt betrauert,
und der auf keinem andern Wege ſich ausgleichen wird als durch öf-
fentliches Leben, hat unſere niedern Claſſen in Bildung und Geſittung
auf trauriger Stufe zurückgehalten, und wo es zum Ausbruche der
Maſſen kommt, da ſind die roheſten Ausſchweifungen zu befürchten.
Doch geordneter Macht vermag die rohe Gewalt nicht zu widerſtehen,
und wo die Bürger zum Schutze des Eigenthums gewaffnet find, da muß
der Pöbel unterliegen. Mit einem ſo traurigen Siege iſt freilich nicht
gethan was gethan werden muß. Das niedere Volk muß geiſtig ge-
hoben und ökonomiſch erleichtert werden. Einrichtung von Schulen
wie das Volk ſie braucht, Eröffnung der beſten Schule, nämlich der
des öffentlichen Lebens, Aufhebung der Feudallaſten mit Opfern von
Seiten derer die fie bringen können, Verringerung der Steuern
durch Vereinfachung des Staatshaushaltes, nationale Handelspolitik
und Organiſation der Arbeit — von dieſen Mitteln iſt vieles zu hof-
fen und dennoch nicht alles! Das Grundübel das auf dem mittlern
Europa laſtet iſt die Uebervölkerung, und dieſer muß ein geordneter
Abfluß in breitem Strome gebahnt werden. Auswanderung von Ein-
zelnen, und wären dieſe noch ſo zahlreich, iſt ſchlechte Hülfe. Was
noththut iſt Auswanderung und Coloniſation im Großen, als Werk
der Nation! Eroberung neuen Bodens auf möglichſt friedlichem Wege
zur Ausbreitung europäiſcher Geſittung, zur Gründung neuen Wohl-
ſtandes und zur Verbeſſerung der Lage der Bleibenden! Wer wollte
heute, da wir ſchauen was wir kaum geträumt hatten, ſolche Hoff-
nungen für Träume erklären? An die Verwirklichung derſelben
knüpft ſich das Heil und zugleich die Größe der deutſchen Nation! Wo
Verſtand und Herz, wo Jntereſſe und Jdee, wo materielle und geiſtige
Motive wie hier zuſammenftimmen, da darf an der Ausführung und
am Erfolge nicht verzweifelt werden! Große Bedingungen find frei-
lich zu erfüllen. Der politiſche Umſchwung der die künftige Größe
unſeres Volkes verbürgt, iſt in den conſtitutionellen Staaten angebahnt,
ja gewiſſermaßen vollbracht. An den preußiſchen Stämmen hat der
Vereinigte Landtag des vorigen Jahres jeden Zweifel benommen.
Was aber iſt für die Brüder in Oeſterreich, und was von denſel-
ben zu erwarten? Jn dem jetzigen großen Momente vergeſſen wir ihrer
nicht, und vergeſſen ſie unſer nicht! Deutſchlands Größe hängt da-
von ab daß uns Raum gegen Oſten verſchafft werde, und Oeſter-
reich hat dieß zu verbürgen. Findet es jene von Motiven
der Politik, des Patriotismus und der Civiliſation gebotene Richtung,
ſo wäre die erſte Bedingung der Einſchlagung jenes Weges Losſa-
gung vom ruſſiſchen Bündniß. Was bis jetzt dem ruſſiſchen
Jntereſſe geopfert worden, kann noch, wir hoffen es, eingebracht
werden. Hinfort aber in Oeſterreich keine ruſſiſche Politik, ſondern
deutſche! Hülfe von den Koſaken? Nimmermehr! Nur dem der ſich
ſelbſt hilft wird der Himmel helfen!
Für Bremen und die Vereinigten Staaten von Nordamerika nimmt
Jnſerate in die Allgemeine Zeitung an Herr Heinrich Strack, Buchhändler
in Bremen.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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