Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.[Spaltenumbruch]
* Göttingen, 12 März. Der hiesigen Reformbewegung ist die Preußen. Koblenz, 14 März. Bei den nächsten ge- Berlin, 8 März. Der König hat sämmtliche verurtheilte Polen, 𝛤 Berlin, 12 März. Der Prinz von Preußen ist zum General- Oesterreich. Wien, 7 März. Unter den Vortragsgegenständen = Wien, 12 März. Die Aufregung der Gemüther ist noch Jn Wiener Berichten des neuesten Hefts der Grenzboten liest [Spaltenumbruch]
* Göttingen, 12 März. Der hieſigen Reformbewegung iſt die Preußen. Koblenz, 14 März. Bei den nächſten ge- Berlin, 8 März. Der König hat ſämmtliche verurtheilte Polen, 𝛤 Berlin, 12 März. Der Prinz von Preußen iſt zum General- Oeſterreich. Wien, 7 März. Unter den Vortragsgegenſtänden = Wien, 12 März. Die Aufregung der Gemüther iſt noch Jn Wiener Berichten des neueſten Hefts der Grenzboten liest <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <pb facs="#f0005" n="1205"/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Göttingen,</hi> 12 März.</dateline><lb/> <p>Der hieſigen Reformbewegung iſt die<lb/> Polizei zu Hülfe gekommen. In vergangener Nacht hatte Senator<lb/> Heintze auf wehrloſe Studenten durch die Gendarmerie einhauen laſſen.<lb/> Acht Perſonen ſollen mehr oder weniger gefährlich verwundet ſeyn. Die<lb/> Studenten riefen den Schutz des akademiſchen Senats an, und während<lb/> derſelbe dieſen Morgen verſammelt war, beſetzten ſchon Cuiraſſiere den<lb/> Markt. Dieß brachte denn auch die Bürgerſchaft auf. Der Magiſtrat<lb/> verſammelte ſich auf dem Rathhauſe, und mit ihm ſetzten es die Bürger<lb/> in aller Ordnung durch daß das Militär zurückgezogen und die Auf-<lb/> rechthaltung der Ordnung den Bürgerſchützencompagnien die hier be-<lb/> ſtehen übertragen wurde. Zugleich wurde jetzt die Reformadreſſe, die<lb/> früher nicht die hinlängliche Unterſtützung im Magiſtrat gefunden<lb/> hatte, beſchloſſen. Eine Deputation der Univerſität iſt nach Hannover<lb/> unterwegs, eine andere der Stadt wird unverzüglich folgen. Alles iſt<lb/> ruhig.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Koblenz,</hi> 14 März.</dateline><lb/> <p>Bei den nächſten ge-<lb/> wöhnlichen Controlverſammlungen der Landwehr wird ein Tagsbefehl<lb/> verleſen werden, daß der König die Reſerve ausſchließlich zur Sicher-<lb/> ſtellung der Rheinprovinz und der Feſtungen einberufen habe. Zu den<lb/> Waffen greifen wolle Se. Maj. nur dann wenn die Unabhängigkeit des<lb/> Vaterlandes durch einen Angriff von außen wirklich bedroht wird.<lb/> (<hi rendition="#g">Köln. Ztg</hi>.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 8 März.</dateline><lb/> <p>Der König hat ſämmtliche verurtheilte Polen,<lb/> welche um Gnade eingekommen ſind, begnadigt. Den zum Tode Verur-<lb/> theilten iſt die Strafe in eine ſechsjährige Feſtungshaft verwandelt wor-<lb/> den. Die begnadigten Gymnaſiaſten dürfen indeſſen erſt, wie hinzuge-<lb/> fügt wird, mit ihrem 24ſten Lebensjahre nach der Provinz Poſen zurück-<lb/> kehren; bis zu dieſem Zeitpunkte können ſie ſich, mit Ausnahme der ge-<lb/> dachten Provinz, aufhalten wo ſie wollen. — Wie <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Freyberg wurde<lb/> Hofrath v. Wedeke freigeſprochen. (S. <hi rendition="#g">Ztg</hi>.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>&#x1D6E4; <hi rendition="#b">Berlin</hi>, 12 März.</dateline><lb/> <p>Der Prinz von Preußen iſt zum General-<lb/> gouverneur der Provinzen Rheinland und Weſtfalen ernannt worden,<lb/> und wird ſich übermorgen mit ſeiner Gemahlin und ſeinen beiden Kin-<lb/> dern nach dem Rhein begeben um dort ſeinen Aufenthalt zu nehmen,<lb/> ſowie zugleich den Oberbefehl über das 7te und 8te Armeecorps zu füh-<lb/> ren. Morgen will der Prinz von der Garde Abſchied nehmen, weßhalb<lb/> er, wie es heißt, die verſchiedenen Regimenter in ihren Caſernen beſuchen<lb/> wird. Man verſpricht ſich von dem Aufenthalte des präſumtiven Thron-<lb/> folgers am Rhein ſehr viel Gutes, da der Prinz gewiß Gelegenheit ha-<lb/> ben wird die wahre Stimmung der Provinz kennen zu lernen und dieß<lb/> von manchem wohlthätigen Einfluß auf den weitern Gang unſerer po-<lb/> litiſchen Reformen ſeyn dürfte. Kriegsreſerven treffen hier von allen<lb/> Seiten ein, und die morgen von Magdeburg nach dem Rhein marſchi-<lb/> renden Regimenter werden dort durch nachrückende Truppen aus der<lb/> Mark erſetzt. Jn Magdeburg iſt der neuevangeliſchen Gemeinde, die<lb/> heute ihren Gottesdienſt auf freiem Markte halten wollte, der Mitge-<lb/> brauch einer der ihr zu dieſem Behuf von der betreffenden Parochie<lb/> angebotenen Kirche nunmehr verſtattet worden. — Die hier anweſende<lb/> Bürgerdeputation aus Breslau hat bis jetzt noch keine Audienz bei Sr.<lb/> Maj. erhalten, da der König keinerlei Adreſſe perſönlich in Empfang<lb/> nehmen will. Der „Zeitungshalle“, die in der Regel ſehr detaillirte Be-<lb/> richte über die hieſigen Stadtverordneten-Verhandlungen enthält, iſt<lb/> von der Cenſur nicht verſtattet worden eine vollſtändige Relation über<lb/> die beiden letzten ſehr aufgeregten Sitzungen zu liefern.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Oeſterreich</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 7 März.</dateline><lb/> <p>Unter den Vortragsgegenſtänden<lb/> für die Verſammlung der niederöſterreichiſchen drei oberen Stände am<lb/> 15 März d. J. ſind als die wichtigeren verzeichnet: 1) Erledigung über<lb/> die Vorſtellung wegen Verweigerung der Robotleiſtung und der Zehent-<lb/> Entrichtung auf einigen niederöſterreichiſchen Herrſchaften. 2) Die be-<lb/> willigte Umlage einer Summe von 207,300 fl. C.-M. auf den Domeſti-<lb/> calbeitrag für das Jahr 1848. 3) Die Regulirung des Schulweſens.<lb/> 4) Gutachten über die nachgeſuchte Errichtung einer niederöſterreichiſch<lb/> ſtändiſchen Creditanſtalt, welche von den höchſten Behörden unter den<lb/> gegenwärtigen Umſtänden in der angetragenen Weiſe für unzuläſſig er-<lb/> klärt wúrde. 5) Vortrag wegen gänzlicher Aufhebung der Octava. 6)<lb/> Gutachten über das Einſchreiten mehrerer Landesmitglieder wegen Bei-<lb/> ziehung des vierten Standes zu allen ſtändiſchen Berathungen. 7) Gut-<lb/> achten über den Antrag des ſtändiſchen Comité zur Verewigung des<lb/> Andenkens an Se. kaiſ. Hoh. den Erzherzog Karl. 8) Gutachten über<lb/> den Vorſchlag wegen Erwirkung eines Preßgeſetzes. 9) Gutachten in Be-<lb/> treff des unter der Steuer-Poſtulatſumme begriffenen Zuſchuſſes. 10)<lb/><cb/> Vortrag wegen Ermäßigung der Verzehrungsſteuer und Stempeltaxen.<lb/> 11) Vortrag wegen Verbeſſerung der Unterrichtsanſtalten; 12) wegen<lb/> Verbeſſerung der Schullehrergehülfen auf dem Lande; 13) wegen Ab-<lb/> faſſung einer Gemeindeordnung ꝛc. Den Verhandlungen der nieder-<lb/> öſterreichiſchen Stände iſt bei den gegenwärtigen erſchütternden Ereig-<lb/> niſſen die größte Aufmerkſamkeit zugewendet, und allenthalben im Pu-<lb/> blicum erwartet man während der Dauer dieſes Landtages die aller-<lb/> höchſte Schlußfaſſung über viele wichtige Verwaltungsreformen, mit deren<lb/> Vorarbeiten ſich die oberſte Staatsverwaltung befaſſen ſoll. Jetzt, da<lb/> ſich alles um uns energiſch bewegt und dem vernünftigen Fortſchritt mit<lb/> höchſter Begeiſterung huldigt, wo die Jntereſſen des Tages die unterſten<lb/> Volksclaſſen beſchäftigen, iſt ein Stillſtehen unmöglich geworden; zu<lb/> mächtig haben die Pariſer Ereigniſſe alles ergriffen; dabei iſt der<lb/> Wunſch den Frieden zu erhalten immer vorwaltend. Das Mißtrauen<lb/> hat ſo ſehr namentlich die mittlere Volksclaſſe ergriffen daß jeder ſich<lb/> beeilt ſich der Banknoten zu entledigen und dafür baare Münze zu ver-<lb/> langen. Um hierüber zu beruhigen, iſt ein Reſcript an ſämmtliche Ge-<lb/> werbe welche ſich mit dem Verkaufe von täglichen Lebensmitteln befaſ-<lb/> ſen, ergangen daß ſie beim Ankauf von Waaren Banknoten anzunehmen<lb/> und dieſe auf Verlangen gegen Silbergeld anzuwechſeln haben, da ihnen<lb/> die kaiſerl. privilegirte Nationalbank jede beliebige Menge baaren Sil-<lb/> bergeldes gegen Banknoten fortan verabfolgt. Zugleich wurde den Ge-<lb/> werbsgenoſſen bedeutet daß jeder ſich mit der nothwendigen Baarſchaft<lb/> zur Auswechslung der Banknoten zu verſehen habe, und daß jede Art<lb/> vorkommende Beſchwerde der Parteien ſtreng geahndet werden wird.<lb/> (<hi rendition="#g">Allg. Preuß. Ztg</hi>.)</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>= <hi rendition="#b">Wien</hi>, 12 März.</dateline><lb/> <p>Die Aufregung der Gemüther iſt noch<lb/> immer groß, und wie ſollte ſie auch anders! Die Wünſche von denen<lb/> man Beſſerung erwartet, ſprechen ſich im Augenblick der Gefahr die der<lb/> Welt droht, dringlicher aus, und es ſteht zu glauben daß die Staats-<lb/> verwaltung den von den Ständen und dem Volk angeſtrebten Aende-<lb/> rungen mit geeigneten, ſchon lange in Verhandlung begriffenen Vor-<lb/> lagen entgegenkommen werde. Es läßt ſich nicht zweifeln daß dadurch<lb/> die nothwendige monarchiſche Einheit, die für Oeſterreich eine Bedin-<lb/> gung der Exiſtenz iſt, mit der ſelbſtändigeren Bewegung der Stände<lb/> und der Communen am ſicherſten vermittelt werde. Man muß in Deutſch-<lb/> land nicht vergeſſen, und noch weniger in Oeſterreich ſelbſt, daß die<lb/> öſterreichiſche Monarchie mit ihren verbundenen heterogenen Nationa-<lb/> litäten ſich in einer exceptionellen Stellung befindet, die ihr nicht ge-<lb/> ſtattet wie ſolche Staaten vorzugehen wo ſich dieſe Rückſichten nicht ent-<lb/> gegenſtellen. Wäre ſie eine rein <hi rendition="#g">deutſche</hi>, ſo könnte und würde auch<lb/> unſer Gang ein anderer ſeyn. Ruht auch die Grundwurzel der Monarchie<lb/> tief und unerſchütterlich in deutſchem Boden, ſo gehen doch eben ſo<lb/> mächtige Seitenwurzeln nach vielen Richtungen hin, die ſich nicht los-<lb/> löſen laſſen ohne dem Mittelpunkt das Leben zu entziehen. Wir<lb/> geben zu bedenken wieviel der öſterreichiſche Staatenverband in ſeiner<lb/> Geſammtheit zu den Zeiten der ſchwerſten Kämpfe dem deutſchen Volk<lb/> Hülſe geleiſtet, welches Gewicht er in die Wagſchale deutſcher Geſchicke<lb/> gelegt, wieviel Anſtrengungen an Gut und Blut er gemacht hat<lb/> um die deutſchen Gränzen wieder zu gewinnen. Wir fragen: wie oft<lb/> und wielange ſtand nicht Oeſterreich allein zur Abwehr, und war faſt<lb/> alles was von Deutſchland übrig geblieben war? Das ſollte im gegen-<lb/> wärtigen Augenblick nirgends vergeſſen werden. 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* Göttingen, 12 März.
Der hieſigen Reformbewegung iſt die
Polizei zu Hülfe gekommen. In vergangener Nacht hatte Senator
Heintze auf wehrloſe Studenten durch die Gendarmerie einhauen laſſen.
Acht Perſonen ſollen mehr oder weniger gefährlich verwundet ſeyn. Die
Studenten riefen den Schutz des akademiſchen Senats an, und während
derſelbe dieſen Morgen verſammelt war, beſetzten ſchon Cuiraſſiere den
Markt. Dieß brachte denn auch die Bürgerſchaft auf. Der Magiſtrat
verſammelte ſich auf dem Rathhauſe, und mit ihm ſetzten es die Bürger
in aller Ordnung durch daß das Militär zurückgezogen und die Auf-
rechthaltung der Ordnung den Bürgerſchützencompagnien die hier be-
ſtehen übertragen wurde. Zugleich wurde jetzt die Reformadreſſe, die
früher nicht die hinlängliche Unterſtützung im Magiſtrat gefunden
hatte, beſchloſſen. Eine Deputation der Univerſität iſt nach Hannover
unterwegs, eine andere der Stadt wird unverzüglich folgen. Alles iſt
ruhig.
Preußen.
Koblenz, 14 März.
Bei den nächſten ge-
wöhnlichen Controlverſammlungen der Landwehr wird ein Tagsbefehl
verleſen werden, daß der König die Reſerve ausſchließlich zur Sicher-
ſtellung der Rheinprovinz und der Feſtungen einberufen habe. Zu den
Waffen greifen wolle Se. Maj. nur dann wenn die Unabhängigkeit des
Vaterlandes durch einen Angriff von außen wirklich bedroht wird.
(Köln. Ztg.)
Berlin, 8 März.
Der König hat ſämmtliche verurtheilte Polen,
welche um Gnade eingekommen ſind, begnadigt. Den zum Tode Verur-
theilten iſt die Strafe in eine ſechsjährige Feſtungshaft verwandelt wor-
den. Die begnadigten Gymnaſiaſten dürfen indeſſen erſt, wie hinzuge-
fügt wird, mit ihrem 24ſten Lebensjahre nach der Provinz Poſen zurück-
kehren; bis zu dieſem Zeitpunkte können ſie ſich, mit Ausnahme der ge-
dachten Provinz, aufhalten wo ſie wollen. — Wie Dr. Freyberg wurde
Hofrath v. Wedeke freigeſprochen. (S. Ztg.)
𝛤 Berlin, 12 März.
Der Prinz von Preußen iſt zum General-
gouverneur der Provinzen Rheinland und Weſtfalen ernannt worden,
und wird ſich übermorgen mit ſeiner Gemahlin und ſeinen beiden Kin-
dern nach dem Rhein begeben um dort ſeinen Aufenthalt zu nehmen,
ſowie zugleich den Oberbefehl über das 7te und 8te Armeecorps zu füh-
ren. Morgen will der Prinz von der Garde Abſchied nehmen, weßhalb
er, wie es heißt, die verſchiedenen Regimenter in ihren Caſernen beſuchen
wird. Man verſpricht ſich von dem Aufenthalte des präſumtiven Thron-
folgers am Rhein ſehr viel Gutes, da der Prinz gewiß Gelegenheit ha-
ben wird die wahre Stimmung der Provinz kennen zu lernen und dieß
von manchem wohlthätigen Einfluß auf den weitern Gang unſerer po-
litiſchen Reformen ſeyn dürfte. Kriegsreſerven treffen hier von allen
Seiten ein, und die morgen von Magdeburg nach dem Rhein marſchi-
renden Regimenter werden dort durch nachrückende Truppen aus der
Mark erſetzt. Jn Magdeburg iſt der neuevangeliſchen Gemeinde, die
heute ihren Gottesdienſt auf freiem Markte halten wollte, der Mitge-
brauch einer der ihr zu dieſem Behuf von der betreffenden Parochie
angebotenen Kirche nunmehr verſtattet worden. — Die hier anweſende
Bürgerdeputation aus Breslau hat bis jetzt noch keine Audienz bei Sr.
Maj. erhalten, da der König keinerlei Adreſſe perſönlich in Empfang
nehmen will. Der „Zeitungshalle“, die in der Regel ſehr detaillirte Be-
richte über die hieſigen Stadtverordneten-Verhandlungen enthält, iſt
von der Cenſur nicht verſtattet worden eine vollſtändige Relation über
die beiden letzten ſehr aufgeregten Sitzungen zu liefern.
Oeſterreich.
Wien, 7 März.
Unter den Vortragsgegenſtänden
für die Verſammlung der niederöſterreichiſchen drei oberen Stände am
15 März d. J. ſind als die wichtigeren verzeichnet: 1) Erledigung über
die Vorſtellung wegen Verweigerung der Robotleiſtung und der Zehent-
Entrichtung auf einigen niederöſterreichiſchen Herrſchaften. 2) Die be-
willigte Umlage einer Summe von 207,300 fl. C.-M. auf den Domeſti-
calbeitrag für das Jahr 1848. 3) Die Regulirung des Schulweſens.
4) Gutachten über die nachgeſuchte Errichtung einer niederöſterreichiſch
ſtändiſchen Creditanſtalt, welche von den höchſten Behörden unter den
gegenwärtigen Umſtänden in der angetragenen Weiſe für unzuläſſig er-
klärt wúrde. 5) Vortrag wegen gänzlicher Aufhebung der Octava. 6)
Gutachten über das Einſchreiten mehrerer Landesmitglieder wegen Bei-
ziehung des vierten Standes zu allen ſtändiſchen Berathungen. 7) Gut-
achten über den Antrag des ſtändiſchen Comité zur Verewigung des
Andenkens an Se. kaiſ. Hoh. den Erzherzog Karl. 8) Gutachten über
den Vorſchlag wegen Erwirkung eines Preßgeſetzes. 9) Gutachten in Be-
treff des unter der Steuer-Poſtulatſumme begriffenen Zuſchuſſes. 10)
Vortrag wegen Ermäßigung der Verzehrungsſteuer und Stempeltaxen.
11) Vortrag wegen Verbeſſerung der Unterrichtsanſtalten; 12) wegen
Verbeſſerung der Schullehrergehülfen auf dem Lande; 13) wegen Ab-
faſſung einer Gemeindeordnung ꝛc. Den Verhandlungen der nieder-
öſterreichiſchen Stände iſt bei den gegenwärtigen erſchütternden Ereig-
niſſen die größte Aufmerkſamkeit zugewendet, und allenthalben im Pu-
blicum erwartet man während der Dauer dieſes Landtages die aller-
höchſte Schlußfaſſung über viele wichtige Verwaltungsreformen, mit deren
Vorarbeiten ſich die oberſte Staatsverwaltung befaſſen ſoll. Jetzt, da
ſich alles um uns energiſch bewegt und dem vernünftigen Fortſchritt mit
höchſter Begeiſterung huldigt, wo die Jntereſſen des Tages die unterſten
Volksclaſſen beſchäftigen, iſt ein Stillſtehen unmöglich geworden; zu
mächtig haben die Pariſer Ereigniſſe alles ergriffen; dabei iſt der
Wunſch den Frieden zu erhalten immer vorwaltend. Das Mißtrauen
hat ſo ſehr namentlich die mittlere Volksclaſſe ergriffen daß jeder ſich
beeilt ſich der Banknoten zu entledigen und dafür baare Münze zu ver-
langen. Um hierüber zu beruhigen, iſt ein Reſcript an ſämmtliche Ge-
werbe welche ſich mit dem Verkaufe von täglichen Lebensmitteln befaſ-
ſen, ergangen daß ſie beim Ankauf von Waaren Banknoten anzunehmen
und dieſe auf Verlangen gegen Silbergeld anzuwechſeln haben, da ihnen
die kaiſerl. privilegirte Nationalbank jede beliebige Menge baaren Sil-
bergeldes gegen Banknoten fortan verabfolgt. Zugleich wurde den Ge-
werbsgenoſſen bedeutet daß jeder ſich mit der nothwendigen Baarſchaft
zur Auswechslung der Banknoten zu verſehen habe, und daß jede Art
vorkommende Beſchwerde der Parteien ſtreng geahndet werden wird.
(Allg. Preuß. Ztg.)
= Wien, 12 März.
Die Aufregung der Gemüther iſt noch
immer groß, und wie ſollte ſie auch anders! Die Wünſche von denen
man Beſſerung erwartet, ſprechen ſich im Augenblick der Gefahr die der
Welt droht, dringlicher aus, und es ſteht zu glauben daß die Staats-
verwaltung den von den Ständen und dem Volk angeſtrebten Aende-
rungen mit geeigneten, ſchon lange in Verhandlung begriffenen Vor-
lagen entgegenkommen werde. Es läßt ſich nicht zweifeln daß dadurch
die nothwendige monarchiſche Einheit, die für Oeſterreich eine Bedin-
gung der Exiſtenz iſt, mit der ſelbſtändigeren Bewegung der Stände
und der Communen am ſicherſten vermittelt werde. Man muß in Deutſch-
land nicht vergeſſen, und noch weniger in Oeſterreich ſelbſt, daß die
öſterreichiſche Monarchie mit ihren verbundenen heterogenen Nationa-
litäten ſich in einer exceptionellen Stellung befindet, die ihr nicht ge-
ſtattet wie ſolche Staaten vorzugehen wo ſich dieſe Rückſichten nicht ent-
gegenſtellen. Wäre ſie eine rein deutſche, ſo könnte und würde auch
unſer Gang ein anderer ſeyn. Ruht auch die Grundwurzel der Monarchie
tief und unerſchütterlich in deutſchem Boden, ſo gehen doch eben ſo
mächtige Seitenwurzeln nach vielen Richtungen hin, die ſich nicht los-
löſen laſſen ohne dem Mittelpunkt das Leben zu entziehen. Wir
geben zu bedenken wieviel der öſterreichiſche Staatenverband in ſeiner
Geſammtheit zu den Zeiten der ſchwerſten Kämpfe dem deutſchen Volk
Hülſe geleiſtet, welches Gewicht er in die Wagſchale deutſcher Geſchicke
gelegt, wieviel Anſtrengungen an Gut und Blut er gemacht hat
um die deutſchen Gränzen wieder zu gewinnen. Wir fragen: wie oft
und wielange ſtand nicht Oeſterreich allein zur Abwehr, und war faſt
alles was von Deutſchland übrig geblieben war? Das ſollte im gegen-
wärtigen Augenblick nirgends vergeſſen werden. Dieſelben Rückſichten
ſind geblieben. Nie wird Oeſterreich der deutſchen Sache untreu
werden; aber man laſſe es ruhig gewähren, und nach ſeiner Weiſe,
und nach ſeinen Bedürfniſſen wird es die Fragen der Zeit in
ſeinem Jnnern löſen und, wie wir zuverſichtlich hoffen, im Sinn des
wahren Fortſchritts der die Kräfte zuſammenhält, und nicht anarchiſch
verſplittert! Wir werden unſere häuslichen Zwiſte austragen, wir
werden heiſchen und man wird gewähren; aber wir rufen mit den bel-
giſchen Parteien: „Fort mit allem Streit, zu dem der Tag ſchon wieder
kommen wird! Fort damit in einem Augenblick wo Einheit allein den
Staat wie die Jndividuen retten kann!“ Morgen verſammeln ſich die
niederöſterreichiſchen Stände, und man erwartet ein zeitgemäßes Ein-
gehen der Regierung in ihre Wünſche. Wir glauben um ſo zuverſicht-
licher es werde geſchehen was noththut, denn die Mahnungen der Zeit
ſchlagen zu ernſt an das Ohr jeder Regierung um ſie überhören zu
können.
Jn Wiener Berichten des neueſten Hefts der Grenzboten liest
man: Wer jetzt nur einige Stunden Polizeipräſident in Wien wäre, um
eine Ueberſicht über alle die Scenen, Aeußerungen, Wünſche und Be-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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