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Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Kaiserreich in allen Theilen organisch zu constituiren, dennoch unstrei-
tig eine der wichtigsten Arterien des künftigen Organismus geschaffen.
Außer dieser bedeutsamen Thatsache liegen aber noch andere nicht we-
niger beachtenswerthe Erscheinungen vor, an welche sich die nach-
stehenden Betrachtungen knüpfen.

(Beschluß folgt.)



Aus Paris.

Eine der merkwürdigsten Erscheinungen in
dem fast unglaublichen Zustand in welchem sich Paris befindet, und der
wie ein Kaleidoskop ist in dem alle Elemente der socialen Welt sich be-
ständig umdrehen und in neuen Lagen zum Vorschein kommen, ist die
Versammlung der Abgeordneten der Handwerker im Luxembourg. Sie
halten ihre Sitzungen im Saal der Pairskammer, wo sie von den Huis-
siers bedient werden, gerade wie vor 14 Tagen die Pairskammer; sie be-
tragen sich mit großem Anstand, hören mit äußerster Aufmerksamkeit
zu, und sprechen oft sehr gut und verständig. Die Sitzungen find nicht
öffentlich, aber bisweilen läßt ein Huisster einen ehemaligen Pair in die
Gänge eintreten. Jch halte es für ein Glück daß man diesen Brenn-
punkt für die sociale Gährung errichtet hat, nicht nur weil er die Ar-
beiter beschäftigt, sondern weil dort durch die Discussion nothwendig
die hohlen Papiertheorien von officieller Beschäftigung durch den Staat
der Wirklichkeit und Möglichkeit entgegengesetzt werden, und so auf
ihren wahren Werth zurückfallen müssen. Was aus den Berathungen
im Luxembourg hervorgehen wird, läßt sich nicht voraussagen, aber je-
denfalls die Ueberzeugung daß der Staat sich nicht an die Stelle des
natürlichen Bedürfnisses einer civilistrten Gesellschaft stellen und es er-
setzen kann. Die Secten welche seit 20 Jahren ihre socialen Systeme
auf dem Papier ausgeführt haben, scheinen keinen Begriff von der
wirklichen Organisation einer menschlichen Gesellschaft gehabt zu haben;
und ihr künstlichstes System kann die tausend in sich verschlungenen
Canäle, durch die sich Leben und Erwerb in einem Staat ergießt, eben-
sowenig ersetzen als das Uhrwerk das Vaucanson in seiner künstlichen
Ente anbrachte, dem Thier Leben geben konnte. Die gegenwärtige Zeit
ist eine furchtbare Lehrerin dieser Elementarsätze von politischer Oeko-
nomie, denn hier ist plötzlich alles stillgestanden, sobald man von nationaler
Arbeit redete; jedermann fühlt sich in der Sicherheit seiner Existenz
angegriffen und versagt sich alles Ueberflüssige, und viele müssen sich das
Nothwendige versagen. Aller Verkauf, und folglich alle Fabrication
liegt darnieder. Als die Nationalgarde die Ruhe vor zehn Tagen wieder
in den Straßen hergestellt hatte, schien die Arbeit in den Metall- und
Holzwerkstätten wieder anzufangen, weil die Zerstörungen in Häusern
und Eisenbahnen sie hier am dringendsten machten, aber der Fall der
Bank von Gouin, und die Unmöglichkeit das Papier des kleinen Han-
dels zu discontiren, hat wieder alles gelähmt. Die Regierung thut
was sie kann Vertrauen einzuflößen, und sie findet nirgends einen ma-
teriellen oder moralischen Widerstand, aber da niemand auch nur eine
Vermuthung über das Kommende zu machen wagt, und der ungeheure
Fall aller Capitalien irgendeiner Art jeder neuen Unternehmung für
eine unbestimmte Zeit ein Ende macht, so steht alles still. Man fieht
Processionen von Arbeitern die zu Tausenden mit Fahnen und fingend
durch die Straßen ziehen, dieß find Maurer, Schlosser, Zimmerleute,
Gerber u. s. w., kurz die groben und nothwendigen Handwerke, diese
kann die Regierung zum Theil eine Zeitlang beschäftigen, zum Theil
finden sie Arbeit weil sie sich mit nothwendigen Lebensbedürsnissen be-
schäftigen, aber die zahllose Menge der unglücklichen Menschen, beson-
ders weiblicher Arbeiter, welche in kleinen Lurusindustrien ihre Nah-
rung finden, ist unbeschreiblich unglücklich. Namentlich weibliche Arbeit
ist immer sehr schlecht bezahlt, und eine Näherin, Stickerin, Putzmache-
rin, Musiklehrerin u. s. w. kann keine Arbeit in einer nationalen Werk-
stätte finden. Was soll aus diesen werden, da sie keine Ersparnisse
haben und mit Mühe von Tag zu Tag leben konnten; was soll aus
Kupferstechern, Porträtmalern, Sprachlehrern, aus Leuten die Schulen
und Penstonen halten, aus den tausend Jndustrien aller Art werden
welche sich auf der Oberfläche einer gebildeten Gesellschaft eine müh-
selige Existenz gegründet haben? Der Buchhandel, dessen Lage schlimm
genug war, hat so gut als aufgehört, und ich sehe daß man jetzt vor-
schlägt der Staat solle eine Masse Bücher für Communalbibliotheken
drucken lassen, um Schriftsteller, Papiermacher, Drucker und Buchbinder
zu beschäftigen. Es find extreme und unmächtige Palliative, wie sie
[Spaltenumbruch] eine Zeit der äußersten Noth hervorruft, und die weder helfen noch
dauern können. Man kauft in den Mairien die Waffen die den Trup-
pen abgenommen wurden wieder auf, und gibt 5 Franken für eine
Flinte und 3 Franken für den Rest der Bewaffnung eines Jnfanterie-
soldaten; es werden viele tausend auf diese Art eingeliefert, und nach
Vincennes in die Magazine geschickt, aber die Mitglieder der Clubs
werden wohl die ihrigen behalten. Man fieht einiges Militär, aber
noch sehr wenig, und doch ist es hohe Zeit daß man der Nationalgarde
die größere Zahl der Posten abnimmt die sie verfieht. Uebrigens ist
die ganze Geschichte der letzten zwei Wochen ein sprechender Beweis da-
für wie unvernünftig man sie administrirt hatte, man hatte sie mit
einem unnöthigen ekelhaften Nachtdienst, Paraden und Patrouillen ge-
plagt, was zur einzigen Wirkung hatte die welche es irgend vermochten da-
von zu entfernen, d. h. die reichsten und einflußreichsten, den Rest hat
man durch Gefängnißstrafen zu ihrem Dienst angehalten, und ihn ihnen
herzlich entleidet, während die Ereignisse gezeigt haben daß sie den
größten Eifer freiwillig zeigt, sobald die Sicherheit der Straßen es er-
fordert. Was jetzt aus ihr werden wird, wo die ganze Bevölkerung
dazu berufen ist, läßt sich noch nicht voraussehen, jedenfalls aber ist es
ein großes Element von Ruin für die Stadt, da man beschlossen hat
die welche ihre Uniform nicht bezahlen können auf öffentliche Kosten zu
uniformiren, was mit den Waffen, welche die Stadt ohnehin jedermann
lieferte, nicht unter 100 Fr. der Mann zu stehen kommen kann, und
daher der Stadt leicht 8 bis 10 Millionen kosten mag, in einem Au-
genblick wo ihre Ausgaben größer als je, und ihre Einnahmen theils
zerstört, theils in Gefahr sind. Dieß ist die unvermeidliche Folge der
früheren Fehler, die Stadt hat sich mit der größten Hartnäckigkeit an
das unhaltbare System der Stadtzölle gehängt, und sich dadurch zu
einem großen Luxus verführen lassen, anstatt sich nach und nach andere
Hülfsmittel zu schaffen und durch Sparsamkeit die Abschaffung des
Octroi vorzubereiten. Es war der gemeinschaftliche Fehler aller Theile
der früheren Verwaltung daß sie das Bestehende aufs äußerste trieb
und jeder neuen Jdee sich widersetzte, anstatt die Zeiten von Ruhe und
Wohlstand zu benützen um den schädlichen Zweigen der Verwaltung
abzuhelfen. Man darf sich nicht verbergen daß es, außer in England,
in ganz Europa mehr oder minder so gewesen ist, möge nur die Er-
haltung des Friedens erlauben anderswo ruhig zu thun was hier ge-
waltsam und zerstörend geschehen ist.

*


Die Arbeiterfrage ist das Räthsel der
Sphinx. Wir fürchten die Franzosen find nicht berufen es zu lösen.
Die Art wie diese Frage sich praktisch bereits gestaltet hat, ist nicht die
einzige Ursache unserer Furcht, obgleich sie genügen könnte um an allem
schließlichen Erfolg zu zweifeln. "Weniger Arbeit und mehr Lohn!"
ist die Auflösung welche die Arbeiter selbst auf das Sphinxräthsel ge-
funden haben. Aber so gestellt wird jedes Zugeständniß nur zu neuen
Forderungen führen. Von zehn Stunden Arbeit wird man rasch auf
neun, acht, sieben, sechs herabsteigen; wenn ein Decret der Arbeiter-
commission dazu genügt um so die Arbeit zu organistren. Und von
21/2 Fr. wird man ebenso rasch zu 3, 4, 5 Fr. u. s. w. hinaufsteigen
wenn ein Aufstand der Arbeiter dazu hinreicht ihre Lage so zu ver-
bessern. Diese Frage ist die einzige wahre Ursache des Mißtrauens in
die bestehenden Zustände, und wir theilen dieß Mißtrauen vollkommen,
wenn auch aus andern Gründen und in anderer Richtung als die meisten
Franzosen. Wir glauben nicht daß es unmöglich ist die Frage zu lösen,
wir glauben nur daß sie in Frankreich verkehrt gestellt ist; wir denken
nicht daß sie überflüssig ist, sondern glauben im Gegentheil daß von ihrer
Lösung das Heil der Zukunft abhängt. Nur find wir überzeugt daß sie
nicht als eine einseitige Rechtsforderung des Arbeiters gestellt wer-
den darf, sondern als eine Pflichterfüllung zwischen Arbeiter und
Arbeitgeber. Das Gesammtinteresse aller ist dabei betheiligt und nicht
das Sonderinteresse einer Classe. Und gerade deßwegen scheint uns die
Aufgabe falsch gestellt wenn sie mit Gewalt und bewaffneter Hand, in
gewisser Beziehung auf der Spitze eines Bajonnets und hinter einer
Barricade hervor der Gesellschaft hingereicht wird. Die französische
Bourgeoisie hat sie stets von sich abgewiesen; und daher die Veranlas-
sung gegeben daß das französische Volk sie ihr in gewisser Beziehung
mit Gewalt aufdringen mußte. Das ist das Unheil dieser ganzen Frage,
sie wird heute nicht im Jnteresse aller von allen Seiten betrachtet, sondern
im Jnteresse einer Classe einseitig berücksichtigt. Das Volk hat ge-
siegt, die Bourgeoisie ist befiegt, wir fürchten, jenes denkt in Frank-

[Spaltenumbruch] Kaiſerreich in allen Theilen organiſch zu conſtituiren, dennoch unſtrei-
tig eine der wichtigſten Arterien des künftigen Organismus geſchaffen.
Außer dieſer bedeutſamen Thatſache liegen aber noch andere nicht we-
niger beachtenswerthe Erſcheinungen vor, an welche ſich die nach-
ſtehenden Betrachtungen knüpfen.

(Beſchluß folgt.)



Aus Paris.

Eine der merkwürdigſten Erſcheinungen in
dem faſt unglaublichen Zuſtand in welchem ſich Paris befindet, und der
wie ein Kaleidoſkop iſt in dem alle Elemente der ſocialen Welt ſich be-
ſtändig umdrehen und in neuen Lagen zum Vorſchein kommen, iſt die
Verſammlung der Abgeordneten der Handwerker im Luxembourg. Sie
halten ihre Sitzungen im Saal der Pairskammer, wo ſie von den Huiſ-
ſiers bedient werden, gerade wie vor 14 Tagen die Pairskammer; ſie be-
tragen ſich mit großem Anſtand, hören mit äußerſter Aufmerkſamkeit
zu, und ſprechen oft ſehr gut und verſtändig. Die Sitzungen find nicht
öffentlich, aber bisweilen läßt ein Huiſſter einen ehemaligen Pair in die
Gänge eintreten. Jch halte es für ein Glück daß man dieſen Brenn-
punkt für die ſociale Gährung errichtet hat, nicht nur weil er die Ar-
beiter beſchäftigt, ſondern weil dort durch die Discuſſion nothwendig
die hohlen Papiertheorien von officieller Beſchäftigung durch den Staat
der Wirklichkeit und Möglichkeit entgegengeſetzt werden, und ſo auf
ihren wahren Werth zurückfallen müſſen. Was aus den Berathungen
im Luxembourg hervorgehen wird, läßt ſich nicht vorausſagen, aber je-
denfalls die Ueberzeugung daß der Staat ſich nicht an die Stelle des
natürlichen Bedürfniſſes einer civiliſtrten Geſellſchaft ſtellen und es er-
ſetzen kann. Die Secten welche ſeit 20 Jahren ihre ſocialen Syſteme
auf dem Papier ausgeführt haben, ſcheinen keinen Begriff von der
wirklichen Organiſation einer menſchlichen Geſellſchaft gehabt zu haben;
und ihr künſtlichſtes Syſtem kann die tauſend in ſich verſchlungenen
Canäle, durch die ſich Leben und Erwerb in einem Staat ergießt, eben-
ſowenig erſetzen als das Uhrwerk das Vaucanſon in ſeiner künſtlichen
Ente anbrachte, dem Thier Leben geben konnte. Die gegenwärtige Zeit
iſt eine furchtbare Lehrerin dieſer Elementarſätze von politiſcher Oeko-
nomie, denn hier iſt plötzlich alles ſtillgeſtanden, ſobald man von nationaler
Arbeit redete; jedermann fühlt ſich in der Sicherheit ſeiner Exiſtenz
angegriffen und verſagt ſich alles Ueberflüſſige, und viele müſſen ſich das
Nothwendige verſagen. Aller Verkauf, und folglich alle Fabrication
liegt darnieder. Als die Nationalgarde die Ruhe vor zehn Tagen wieder
in den Straßen hergeſtellt hatte, ſchien die Arbeit in den Metall- und
Holzwerkſtätten wieder anzufangen, weil die Zerſtörungen in Häuſern
und Eiſenbahnen ſie hier am dringendſten machten, aber der Fall der
Bank von Gouin, und die Unmöglichkeit das Papier des kleinen Han-
dels zu discontiren, hat wieder alles gelähmt. Die Regierung thut
was ſie kann Vertrauen einzuflößen, und ſie findet nirgends einen ma-
teriellen oder moraliſchen Widerſtand, aber da niemand auch nur eine
Vermuthung über das Kommende zu machen wagt, und der ungeheure
Fall aller Capitalien irgendeiner Art jeder neuen Unternehmung für
eine unbeſtimmte Zeit ein Ende macht, ſo ſteht alles ſtill. Man fieht
Proceſſionen von Arbeitern die zu Tauſenden mit Fahnen und fingend
durch die Straßen ziehen, dieß find Maurer, Schloſſer, Zimmerleute,
Gerber u. ſ. w., kurz die groben und nothwendigen Handwerke, dieſe
kann die Regierung zum Theil eine Zeitlang beſchäftigen, zum Theil
finden ſie Arbeit weil ſie ſich mit nothwendigen Lebensbedürſniſſen be-
ſchäftigen, aber die zahlloſe Menge der unglücklichen Menſchen, beſon-
ders weiblicher Arbeiter, welche in kleinen Lurusinduſtrien ihre Nah-
rung finden, iſt unbeſchreiblich unglücklich. Namentlich weibliche Arbeit
iſt immer ſehr ſchlecht bezahlt, und eine Näherin, Stickerin, Putzmache-
rin, Muſiklehrerin u. ſ. w. kann keine Arbeit in einer nationalen Werk-
ſtätte finden. Was ſoll aus dieſen werden, da ſie keine Erſparniſſe
haben und mit Mühe von Tag zu Tag leben konnten; was ſoll aus
Kupferſtechern, Porträtmalern, Sprachlehrern, aus Leuten die Schulen
und Penſtonen halten, aus den tauſend Jnduſtrien aller Art werden
welche ſich auf der Oberfläche einer gebildeten Geſellſchaft eine müh-
ſelige Exiſtenz gegründet haben? Der Buchhandel, deſſen Lage ſchlimm
genug war, hat ſo gut als aufgehört, und ich ſehe daß man jetzt vor-
ſchlägt der Staat ſolle eine Maſſe Bücher für Communalbibliotheken
drucken laſſen, um Schriftſteller, Papiermacher, Drucker und Buchbinder
zu beſchäftigen. Es find extreme und unmächtige Palliative, wie ſie
[Spaltenumbruch] eine Zeit der äußerſten Noth hervorruft, und die weder helfen noch
dauern können. Man kauft in den Mairien die Waffen die den Trup-
pen abgenommen wurden wieder auf, und gibt 5 Franken für eine
Flinte und 3 Franken für den Reſt der Bewaffnung eines Jnfanterie-
ſoldaten; es werden viele tauſend auf dieſe Art eingeliefert, und nach
Vincennes in die Magazine geſchickt, aber die Mitglieder der Clubs
werden wohl die ihrigen behalten. Man fieht einiges Militär, aber
noch ſehr wenig, und doch iſt es hohe Zeit daß man der Nationalgarde
die größere Zahl der Poſten abnimmt die ſie verfieht. Uebrigens iſt
die ganze Geſchichte der letzten zwei Wochen ein ſprechender Beweis da-
für wie unvernünftig man ſie adminiſtrirt hatte, man hatte ſie mit
einem unnöthigen ekelhaften Nachtdienſt, Paraden und Patrouillen ge-
plagt, was zur einzigen Wirkung hatte die welche es irgend vermochten da-
von zu entfernen, d. h. die reichſten und einflußreichſten, den Reſt hat
man durch Gefängnißſtrafen zu ihrem Dienſt angehalten, und ihn ihnen
herzlich entleidet, während die Ereigniſſe gezeigt haben daß ſie den
größten Eifer freiwillig zeigt, ſobald die Sicherheit der Straßen es er-
fordert. Was jetzt aus ihr werden wird, wo die ganze Bevölkerung
dazu berufen iſt, läßt ſich noch nicht vorausſehen, jedenfalls aber iſt es
ein großes Element von Ruin für die Stadt, da man beſchloſſen hat
die welche ihre Uniform nicht bezahlen können auf öffentliche Koſten zu
uniformiren, was mit den Waffen, welche die Stadt ohnehin jedermann
lieferte, nicht unter 100 Fr. der Mann zu ſtehen kommen kann, und
daher der Stadt leicht 8 bis 10 Millionen koſten mag, in einem Au-
genblick wo ihre Ausgaben größer als je, und ihre Einnahmen theils
zerſtört, theils in Gefahr ſind. Dieß iſt die unvermeidliche Folge der
früheren Fehler, die Stadt hat ſich mit der größten Hartnäckigkeit an
das unhaltbare Syſtem der Stadtzölle gehängt, und ſich dadurch zu
einem großen Luxus verführen laſſen, anſtatt ſich nach und nach andere
Hülfsmittel zu ſchaffen und durch Sparſamkeit die Abſchaffung des
Octroi vorzubereiten. Es war der gemeinſchaftliche Fehler aller Theile
der früheren Verwaltung daß ſie das Beſtehende aufs äußerſte trieb
und jeder neuen Jdee ſich widerſetzte, anſtatt die Zeiten von Ruhe und
Wohlſtand zu benützen um den ſchädlichen Zweigen der Verwaltung
abzuhelfen. Man darf ſich nicht verbergen daß es, außer in England,
in ganz Europa mehr oder minder ſo geweſen iſt, möge nur die Er-
haltung des Friedens erlauben anderswo ruhig zu thun was hier ge-
waltſam und zerſtörend geſchehen iſt.

*


Die Arbeiterfrage iſt das Räthſel der
Sphinx. Wir fürchten die Franzoſen find nicht berufen es zu löſen.
Die Art wie dieſe Frage ſich praktiſch bereits geſtaltet hat, iſt nicht die
einzige Urſache unſerer Furcht, obgleich ſie genügen könnte um an allem
ſchließlichen Erfolg zu zweifeln. „Weniger Arbeit und mehr Lohn!“
iſt die Auflöſung welche die Arbeiter ſelbſt auf das Sphinxräthſel ge-
funden haben. Aber ſo geſtellt wird jedes Zugeſtändniß nur zu neuen
Forderungen führen. Von zehn Stunden Arbeit wird man raſch auf
neun, acht, ſieben, ſechs herabſteigen; wenn ein Decret der Arbeiter-
commiſſion dazu genügt um ſo die Arbeit zu organiſtren. Und von
2½ Fr. wird man ebenſo raſch zu 3, 4, 5 Fr. u. ſ. w. hinaufſteigen
wenn ein Aufſtand der Arbeiter dazu hinreicht ihre Lage ſo zu ver-
beſſern. Dieſe Frage iſt die einzige wahre Urſache des Mißtrauens in
die beſtehenden Zuſtände, und wir theilen dieß Mißtrauen vollkommen,
wenn auch aus andern Gründen und in anderer Richtung als die meiſten
Franzoſen. Wir glauben nicht daß es unmöglich iſt die Frage zu löſen,
wir glauben nur daß ſie in Frankreich verkehrt geſtellt iſt; wir denken
nicht daß ſie überflüſſig iſt, ſondern glauben im Gegentheil daß von ihrer
Löſung das Heil der Zukunft abhängt. Nur find wir überzeugt daß ſie
nicht als eine einſeitige Rechtsforderung des Arbeiters geſtellt wer-
den darf, ſondern als eine Pflichterfüllung zwiſchen Arbeiter und
Arbeitgeber. Das Geſammtintereſſe aller iſt dabei betheiligt und nicht
das Sonderintereſſe einer Claſſe. Und gerade deßwegen ſcheint uns die
Aufgabe falſch geſtellt wenn ſie mit Gewalt und bewaffneter Hand, in
gewiſſer Beziehung auf der Spitze eines Bajonnets und hinter einer
Barricade hervor der Geſellſchaft hingereicht wird. Die franzöſiſche
Bourgeoiſie hat ſie ſtets von ſich abgewieſen; und daher die Veranlaſ-
ſung gegeben daß das franzöſiſche Volk ſie ihr in gewiſſer Beziehung
mit Gewalt aufdringen mußte. Das iſt das Unheil dieſer ganzen Frage,
ſie wird heute nicht im Jntereſſe aller von allen Seiten betrachtet, ſondern
im Jntereſſe einer Claſſe einſeitig berückſichtigt. Das Volk hat ge-
ſiegt, die Bourgeoiſie iſt befiegt, wir fürchten, jenes denkt in Frank-

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[1212/0012] Kaiſerreich in allen Theilen organiſch zu conſtituiren, dennoch unſtrei- tig eine der wichtigſten Arterien des künftigen Organismus geſchaffen. Außer dieſer bedeutſamen Thatſache liegen aber noch andere nicht we- niger beachtenswerthe Erſcheinungen vor, an welche ſich die nach- ſtehenden Betrachtungen knüpfen. (Beſchluß folgt.) Aus Paris. § Paris, 9 März. Eine der merkwürdigſten Erſcheinungen in dem faſt unglaublichen Zuſtand in welchem ſich Paris befindet, und der wie ein Kaleidoſkop iſt in dem alle Elemente der ſocialen Welt ſich be- ſtändig umdrehen und in neuen Lagen zum Vorſchein kommen, iſt die Verſammlung der Abgeordneten der Handwerker im Luxembourg. Sie halten ihre Sitzungen im Saal der Pairskammer, wo ſie von den Huiſ- ſiers bedient werden, gerade wie vor 14 Tagen die Pairskammer; ſie be- tragen ſich mit großem Anſtand, hören mit äußerſter Aufmerkſamkeit zu, und ſprechen oft ſehr gut und verſtändig. Die Sitzungen find nicht öffentlich, aber bisweilen läßt ein Huiſſter einen ehemaligen Pair in die Gänge eintreten. Jch halte es für ein Glück daß man dieſen Brenn- punkt für die ſociale Gährung errichtet hat, nicht nur weil er die Ar- beiter beſchäftigt, ſondern weil dort durch die Discuſſion nothwendig die hohlen Papiertheorien von officieller Beſchäftigung durch den Staat der Wirklichkeit und Möglichkeit entgegengeſetzt werden, und ſo auf ihren wahren Werth zurückfallen müſſen. Was aus den Berathungen im Luxembourg hervorgehen wird, läßt ſich nicht vorausſagen, aber je- denfalls die Ueberzeugung daß der Staat ſich nicht an die Stelle des natürlichen Bedürfniſſes einer civiliſtrten Geſellſchaft ſtellen und es er- ſetzen kann. Die Secten welche ſeit 20 Jahren ihre ſocialen Syſteme auf dem Papier ausgeführt haben, ſcheinen keinen Begriff von der wirklichen Organiſation einer menſchlichen Geſellſchaft gehabt zu haben; und ihr künſtlichſtes Syſtem kann die tauſend in ſich verſchlungenen Canäle, durch die ſich Leben und Erwerb in einem Staat ergießt, eben- ſowenig erſetzen als das Uhrwerk das Vaucanſon in ſeiner künſtlichen Ente anbrachte, dem Thier Leben geben konnte. Die gegenwärtige Zeit iſt eine furchtbare Lehrerin dieſer Elementarſätze von politiſcher Oeko- nomie, denn hier iſt plötzlich alles ſtillgeſtanden, ſobald man von nationaler Arbeit redete; jedermann fühlt ſich in der Sicherheit ſeiner Exiſtenz angegriffen und verſagt ſich alles Ueberflüſſige, und viele müſſen ſich das Nothwendige verſagen. Aller Verkauf, und folglich alle Fabrication liegt darnieder. Als die Nationalgarde die Ruhe vor zehn Tagen wieder in den Straßen hergeſtellt hatte, ſchien die Arbeit in den Metall- und Holzwerkſtätten wieder anzufangen, weil die Zerſtörungen in Häuſern und Eiſenbahnen ſie hier am dringendſten machten, aber der Fall der Bank von Gouin, und die Unmöglichkeit das Papier des kleinen Han- dels zu discontiren, hat wieder alles gelähmt. Die Regierung thut was ſie kann Vertrauen einzuflößen, und ſie findet nirgends einen ma- teriellen oder moraliſchen Widerſtand, aber da niemand auch nur eine Vermuthung über das Kommende zu machen wagt, und der ungeheure Fall aller Capitalien irgendeiner Art jeder neuen Unternehmung für eine unbeſtimmte Zeit ein Ende macht, ſo ſteht alles ſtill. Man fieht Proceſſionen von Arbeitern die zu Tauſenden mit Fahnen und fingend durch die Straßen ziehen, dieß find Maurer, Schloſſer, Zimmerleute, Gerber u. ſ. w., kurz die groben und nothwendigen Handwerke, dieſe kann die Regierung zum Theil eine Zeitlang beſchäftigen, zum Theil finden ſie Arbeit weil ſie ſich mit nothwendigen Lebensbedürſniſſen be- ſchäftigen, aber die zahlloſe Menge der unglücklichen Menſchen, beſon- ders weiblicher Arbeiter, welche in kleinen Lurusinduſtrien ihre Nah- rung finden, iſt unbeſchreiblich unglücklich. Namentlich weibliche Arbeit iſt immer ſehr ſchlecht bezahlt, und eine Näherin, Stickerin, Putzmache- rin, Muſiklehrerin u. ſ. w. kann keine Arbeit in einer nationalen Werk- ſtätte finden. Was ſoll aus dieſen werden, da ſie keine Erſparniſſe haben und mit Mühe von Tag zu Tag leben konnten; was ſoll aus Kupferſtechern, Porträtmalern, Sprachlehrern, aus Leuten die Schulen und Penſtonen halten, aus den tauſend Jnduſtrien aller Art werden welche ſich auf der Oberfläche einer gebildeten Geſellſchaft eine müh- ſelige Exiſtenz gegründet haben? Der Buchhandel, deſſen Lage ſchlimm genug war, hat ſo gut als aufgehört, und ich ſehe daß man jetzt vor- ſchlägt der Staat ſolle eine Maſſe Bücher für Communalbibliotheken drucken laſſen, um Schriftſteller, Papiermacher, Drucker und Buchbinder zu beſchäftigen. Es find extreme und unmächtige Palliative, wie ſie eine Zeit der äußerſten Noth hervorruft, und die weder helfen noch dauern können. Man kauft in den Mairien die Waffen die den Trup- pen abgenommen wurden wieder auf, und gibt 5 Franken für eine Flinte und 3 Franken für den Reſt der Bewaffnung eines Jnfanterie- ſoldaten; es werden viele tauſend auf dieſe Art eingeliefert, und nach Vincennes in die Magazine geſchickt, aber die Mitglieder der Clubs werden wohl die ihrigen behalten. Man fieht einiges Militär, aber noch ſehr wenig, und doch iſt es hohe Zeit daß man der Nationalgarde die größere Zahl der Poſten abnimmt die ſie verfieht. Uebrigens iſt die ganze Geſchichte der letzten zwei Wochen ein ſprechender Beweis da- für wie unvernünftig man ſie adminiſtrirt hatte, man hatte ſie mit einem unnöthigen ekelhaften Nachtdienſt, Paraden und Patrouillen ge- plagt, was zur einzigen Wirkung hatte die welche es irgend vermochten da- von zu entfernen, d. h. die reichſten und einflußreichſten, den Reſt hat man durch Gefängnißſtrafen zu ihrem Dienſt angehalten, und ihn ihnen herzlich entleidet, während die Ereigniſſe gezeigt haben daß ſie den größten Eifer freiwillig zeigt, ſobald die Sicherheit der Straßen es er- fordert. Was jetzt aus ihr werden wird, wo die ganze Bevölkerung dazu berufen iſt, läßt ſich noch nicht vorausſehen, jedenfalls aber iſt es ein großes Element von Ruin für die Stadt, da man beſchloſſen hat die welche ihre Uniform nicht bezahlen können auf öffentliche Koſten zu uniformiren, was mit den Waffen, welche die Stadt ohnehin jedermann lieferte, nicht unter 100 Fr. der Mann zu ſtehen kommen kann, und daher der Stadt leicht 8 bis 10 Millionen koſten mag, in einem Au- genblick wo ihre Ausgaben größer als je, und ihre Einnahmen theils zerſtört, theils in Gefahr ſind. Dieß iſt die unvermeidliche Folge der früheren Fehler, die Stadt hat ſich mit der größten Hartnäckigkeit an das unhaltbare Syſtem der Stadtzölle gehängt, und ſich dadurch zu einem großen Luxus verführen laſſen, anſtatt ſich nach und nach andere Hülfsmittel zu ſchaffen und durch Sparſamkeit die Abſchaffung des Octroi vorzubereiten. Es war der gemeinſchaftliche Fehler aller Theile der früheren Verwaltung daß ſie das Beſtehende aufs äußerſte trieb und jeder neuen Jdee ſich widerſetzte, anſtatt die Zeiten von Ruhe und Wohlſtand zu benützen um den ſchädlichen Zweigen der Verwaltung abzuhelfen. Man darf ſich nicht verbergen daß es, außer in England, in ganz Europa mehr oder minder ſo geweſen iſt, möge nur die Er- haltung des Friedens erlauben anderswo ruhig zu thun was hier ge- waltſam und zerſtörend geſchehen iſt. * △ Paris, 10 Febr. Die Arbeiterfrage iſt das Räthſel der Sphinx. Wir fürchten die Franzoſen find nicht berufen es zu löſen. Die Art wie dieſe Frage ſich praktiſch bereits geſtaltet hat, iſt nicht die einzige Urſache unſerer Furcht, obgleich ſie genügen könnte um an allem ſchließlichen Erfolg zu zweifeln. „Weniger Arbeit und mehr Lohn!“ iſt die Auflöſung welche die Arbeiter ſelbſt auf das Sphinxräthſel ge- funden haben. Aber ſo geſtellt wird jedes Zugeſtändniß nur zu neuen Forderungen führen. Von zehn Stunden Arbeit wird man raſch auf neun, acht, ſieben, ſechs herabſteigen; wenn ein Decret der Arbeiter- commiſſion dazu genügt um ſo die Arbeit zu organiſtren. Und von 2½ Fr. wird man ebenſo raſch zu 3, 4, 5 Fr. u. ſ. w. hinaufſteigen wenn ein Aufſtand der Arbeiter dazu hinreicht ihre Lage ſo zu ver- beſſern. Dieſe Frage iſt die einzige wahre Urſache des Mißtrauens in die beſtehenden Zuſtände, und wir theilen dieß Mißtrauen vollkommen, wenn auch aus andern Gründen und in anderer Richtung als die meiſten Franzoſen. Wir glauben nicht daß es unmöglich iſt die Frage zu löſen, wir glauben nur daß ſie in Frankreich verkehrt geſtellt iſt; wir denken nicht daß ſie überflüſſig iſt, ſondern glauben im Gegentheil daß von ihrer Löſung das Heil der Zukunft abhängt. Nur find wir überzeugt daß ſie nicht als eine einſeitige Rechtsforderung des Arbeiters geſtellt wer- den darf, ſondern als eine Pflichterfüllung zwiſchen Arbeiter und Arbeitgeber. 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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848, S. 1212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine76_1848/12>, abgerufen am 22.07.2024.