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Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.

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[Spaltenumbruch] reiteten, die ihnen dann im directen Handel Colonialwaaren lie-
ferten. Holz und Mehl zum Beispiel fänden bestimmt in Südamerika
willige Abnehmer. Die Amerikaner, bekanntlich sehr betriebsame und
rührige Leute, producirten im Jahr 1836 vortreffliches und haltbares
Mehl aus deutschem Getreide und machten darin gute Geschäfte.
Was aber den Amerikanern möglich ist, sollte das den Bemühungen und
Anstrengungen der Ostseeanwohner nicht möglich seyn?

Jetzt spielt England in den Ostseehäfen des Zollvereins eine her-
vorragende Rolle. Laut den statistischen Nachweisungen über den
Handelsverkehr der preußischen Ostseeprovinzen von 1847 waren die
wichtigsten Einfuhrartikel Steinkohlen, Salz, Häringe, Eisen und Zu-
cker. Bei der Einfuhr war England mit nicht weniger als
achtundsechzig Procent betheiligt,
nämlich mit sechs Millio-
nen Centner. Von dem ausgeführten Holze (83,000 Last) bezog Eng-
land 52 Procent. Von der gesammten Getreideausfuhr 58 Procent.
Bei der Einfuhr kamen 57.9 Procent auf die einheimische und 42.1
auf die fremden Flaggen. Ich will hier gleich noch einen andern sta-
tistischen Nachweis hinzufügen. Die Allg. Zeitung hat in einem Ar-
tikel aus London (Nr. 335 vom 1 December v. J.) auf die wachsende
Einfuhr der australischen Wolle in England und deren Concurrenz ge-
genüber der deutschen Wolle hingewiesen. Nun wurden, wie die Li-
sten für 1847 beweisen, im vorigen Jahr aus Deutschland 41,396
Ballen (gegen 52,922 im Jahr 1846) von Australien 94,292 Ballen
(gegen 81,283 im Jahr 1846) vom Vorgebirge der guten Hoffnung
13,566 (gegen 11,626 im Jahr 1846) in England eingeführt. Also
die Einfuhr der australischen Wolle übertrifft jene der deutschen bereits
um mehr als das Doppelte, und das Cap wird gleichfalls ein Mit-
bewerber. So sucht England allmählich mehr und mehr seinen Bedarf
sich aus den Colonien zu verschaffen. Die Ostseehäfen aber müssen sich
sagen daß der jetzige Zustand auf die Dauer nicht haltbar ist, und sie
thun unrecht gegen Maßregeln zu eifern deren Durchführung nament-
lich auch ihnen zu gut kommen würde durch Belebung der Thätigkeit
in Folge eines schwungreichern Handels, durch gewinnbringenden
Schiffbau, höhere Frachten, wohlfeilere Colonialwaaren, und Verwer-
thung einer Masse verschiedenartiger Arbeit. Auch würden dann die
Seeleute der Ostsee tüchtiger als seither ausgebildet werden; es wür-
den die Klagen aufhören daß die Schiffe von dort sehr häufig von nur
untergeordneter Beschaffenheit seyen. Daß dieses der Fall, dafür
scheinen die Proteste der Rheder zu zeugen, die wohl kaum annehmen
daß ihre Schiffe, die größten ausgenommen, sich zu transatlantischen
Fahrten eignen.

Wir werden demnächst in zwei oder drei weiteren Briefen einige
der in vorstehendem Schreiben*) angedeuteten wichtigen Gegenstände
noch näher beleuchten.

Nachschrift. Als wir die vorstehenden Briefe geschrieben und
der Post übergeben hatten, kamen uns die "Beiträge zur Erörterung
der Frage über Differential- und Schutzzölle" zu Gesicht, welche der
geheime Commerzienrath Hr. Carl zu Berlin den Aeltesten der dor-
tigen Kaufmannschaft gewidmet hat, deren Vorsteher er ist. Sie ge-
hören zu dem Klarsten und Schlagendsten was seit lange über jene
wichtigen Fragen vorgebracht worden, stellen die Sophismen der Frei-
händler in ihrer ganzen Blöße dar, und weisen mit überzeugenden
Gründen die Nothwendigkeit einer nationalen Handelspolitik, und
insbesondere der Differentialzölle nach. Was die Ostseehäfen be-
trifft, so fragt Hr. Carl, ob denn die Kanfleute in den Jahren 1818
bis 1822 ihre Interessen nicht verstanden hätten, als sie von
Stralsund bis Memel alle für die Begünstigung des
directen transatlantischen Verkehrs Bittschriften ein-
gaben.
Und, fragt er weiter, ging Dänemark und Schweden etwa
die Kenntniß des Ostseehandels ab, als sie vor wenigen Jahren
erst die directen transatlantischen Importe vor den indirecten aus frem-
den Zwischenlagern beim Eingangszoll bevorzugten? Er weist weiter
darauf hin daß die Vorsteher der Kaufmannschaft zu Stettin bei
ihrer mehrfach kundgegebenen Ansicht über die Vorzüge eines Dif-
ferentialzollsystems fest beharren. Die Proteste der Ostseehäfen hät-
ten gar keinen andern Grund als die Furcht vor englischen Repressalien,
und ihr Motiv liege nicht etwa in tiefer Einsicht in die Natur der
Verkehrsverhältnisse. Diese Furcht wird als eine eitle, unbegründete
[Spaltenumbruch] mit vollem Rechte zurückgewiesen. "England sollte unser Holz und
Getreide oder unsere Schiffe benachtheiligen, wenn wir keine gegen Groß-
britannien ausschließlich gerichtete Maßregel ergreifen, sondern
ein allgemeines, alle Länder gleichmäßig treffendes Gesetz in un-
serm Sinn annehmen; England, das bei jeder Gelegenheit erklärt, es
folge in seiner Handelsgesetzgebung nur dem eigenen Bedürfniß, und
gegen welches Preußen an der Spitze des Zollvereins in dieser Frage
so offen und loyal verfährt, sollte uns an der Ausübung unserer ei-
gensten Rechte, an der Festsetzung eines lediglich in unserm Be-
dürfniß gegründeten Hausgesetzes hindern wollen? England, das
es sich von Frankreich geduldig gefallen ließ als dieses ein Verbot
direct gegen England richtete und die Einfuhr der Crzeugnisse Afri-
ka's, Asiens und Amerika's zum Verbrauch in Frankreich aus den
Erzeugungsländern auf brittischen Schiffen und aus Großbritannien
auf allen Schiffen verbot; England, das durch die Acte vom 4 August
1845, §. 8, die so oft zu unserm Schrecken angeführt wird, offenbar nur für
solche Fälle gerüstet seyn will wo eine fremde Regierung sein Interesse aus-
nahmsweise beeinträchtigte und doch von dem Gesetze nicht einmal in Folge
der Ausnahmszölle Frankreichs zu Gunsten belgischer Leinen, noch durch
die günstigere Stellung belgischen Eisens vor dem brittischen, Seitens
des Zollvereins, Gebrauch gemacht hat? England, das seinen Grundsatz
Rohmaterialien und nothwendige Verzehrungsgegenstände im Interesse
der großen arbeitenden Bevölkerung so günstig als nur möglich zu-
zulassen mit Consequenz verfolgte, sollte in zwei Artikeln, Getreide und
Holz, deren oftseeische Zufuhr ihm nothwendiger ist als vieles andere, eine
für seine sämmtlichen Bewohner so höchst nachtheilige Ausnahme von sei-
nem Grundsatz machen?"
Hr. Carl weist nach daß von England für den
Ostseehandel nichts zu fürchten sey, daß aber die Gründe für den Rück-
gang
dieses Handels hauptsächlich in dessen eigener Beschaffenheit lie-
gen. Denn allerdings werden Fichten- und Eichenhölzer, wie England
sie verlangt, alljährlich schwerer zu beschaffen; die polnischen Wälder
lichten sich immer mehr, der Holzschlag entfernt sich immer weiter von
den schiffbaren Flüssen; nach Aufhebung der Korngesetze hat das Ost-
seegetreide eine schwerere Concurrenz zu bestehen, und die günstigen
Frachtconjuncturen haben allmählich ihr Ende erreicht. Und noch heute
hat die Ostseerhederei kaum den Standpunkt von 1806. Zwar ist die
Zahl der in brittischen Häfen einlaufenden Schiffe in jährlicher Zu-
nahme begriffen, zwar überwiegt im Ein- und Ausgang in den preußi-
schen Häfen der Antheil der nationalen Flagge vor der fremden, allein
dieser Umstand ergibt sich sehr natürlich daraus daß die brittischen
Schiffe, wenn sie anderwärts lohnendere Beschäftigung finden, den Ost-
seeschiffen gern jene wenig einbringenden Frachtfahrten überlassen, und
nur dann wenn die Conjuncturen für die Frachten günstig sind einen
thätigeren Antheil daran nehmen. Den preußischen Ostseerhedern macht
insbesondere die Concurrenz der hannoverischen und mecklenburgischen
Fahrzeuge zu schaffen, und die ohnehin prekären Verhältnisse des Ost-
seehandels nöthigen sie schon jetzt an die Zukunft zu denken. "Werden
einst die preußischen Schiffe das gemeinsame deutsche Flaggen-
zeichen
führen, dann werden sie an Eifer und Kühnheit hinter den
Hansen in der Vermittlung des directen transatlantischen Verkehrs
nicht zurückbleiben. Da der europäische Handel von der Differential-
zollmaßregel unberührt bleibt, so wird ihr Verkehr mit England keinen
Schaden nehmen, aber Zeit ist es daß der Ostseehandel sich daneben auch
größere und zukunftreichere Ziele setzt."
Zwar der Sundzoll ist eine
drückende Fessel, aber wie will man desselben anders ledig werden als auf
dem Wege einer selbständigen, Vortheile anbietenden, Nachtheile drohenden
Handelspolitik? "Dänemark unterhält seine Kriegsmarine von etwa 73
Kriegsschiffen mit 754 Kanonen und 67 Kanonenbooten für deren Unter-
halt es jährlich 750,000 preuß. Thlr ausgibt zur Zeit ganz nutzlos.
Zu Dänemark werden wir durch die Ausführung eines Differential-
zollsystems eine andere Stellung erhalten. Bisher waren alle unsere
Unterhandlungen um Aufhebung des Sundzolls unkräftig. Aber bei
dem hochwichtigen und dringenden Interesse das Dänemark für die Theil-
nahme seiner Schifffahrt an den Privilegien der deutschen Flagge hat, wird
sich Dänemark, so wie es durch unser Differentialzollsystem seine Schiffe von
jenen Vortheilen ausgeschlossen sieht, sofort zu Unterhandlungen beque-
men müssen um zu den Rechten einer begünstigten Nation zu kommen,
deren Schiffe wir den unsrigen gleichstellen. Wird sich in diesem Falle
Dänemark genöthigt sehen daß sein Sundzoll, den es für Unterhal-
tung seiner Kriegsmarine allezeit für nöthig erachtet, in eine jährliche
ihm abzutragende Rente verwandelt werde, so ist es billig daß jener

*) Wir bemerken daß dieselben alle vor der Pariser Februarrevolution
geschrieben sind.

[Spaltenumbruch] reiteten, die ihnen dann im directen Handel Colonialwaaren lie-
ferten. Holz und Mehl zum Beiſpiel fänden beſtimmt in Südamerika
willige Abnehmer. Die Amerikaner, bekanntlich ſehr betriebſame und
rührige Leute, producirten im Jahr 1836 vortreffliches und haltbares
Mehl aus deutſchem Getreide und machten darin gute Geſchäfte.
Was aber den Amerikanern möglich iſt, ſollte das den Bemühungen und
Anſtrengungen der Oſtſeeanwohner nicht möglich ſeyn?

Jetzt ſpielt England in den Oſtſeehäfen des Zollvereins eine her-
vorragende Rolle. Laut den ſtatiſtiſchen Nachweiſungen über den
Handelsverkehr der preußiſchen Oſtſeeprovinzen von 1847 waren die
wichtigſten Einfuhrartikel Steinkohlen, Salz, Häringe, Eiſen und Zu-
cker. Bei der Einfuhr war England mit nicht weniger als
achtundſechzig Procent betheiligt,
nämlich mit ſechs Millio-
nen Centner. Von dem ausgeführten Holze (83,000 Laſt) bezog Eng-
land 52 Procent. Von der geſammten Getreideausfuhr 58 Procent.
Bei der Einfuhr kamen 57.9 Procent auf die einheimiſche und 42.1
auf die fremden Flaggen. Ich will hier gleich noch einen andern ſta-
tiſtiſchen Nachweis hinzufügen. Die Allg. Zeitung hat in einem Ar-
tikel aus London (Nr. 335 vom 1 December v. J.) auf die wachſende
Einfuhr der auſtraliſchen Wolle in England und deren Concurrenz ge-
genüber der deutſchen Wolle hingewieſen. Nun wurden, wie die Li-
ſten für 1847 beweiſen, im vorigen Jahr aus Deutſchland 41,396
Ballen (gegen 52,922 im Jahr 1846) von Auſtralien 94,292 Ballen
(gegen 81,283 im Jahr 1846) vom Vorgebirge der guten Hoffnung
13,566 (gegen 11,626 im Jahr 1846) in England eingeführt. Alſo
die Einfuhr der auſtraliſchen Wolle übertrifft jene der deutſchen bereits
um mehr als das Doppelte, und das Cap wird gleichfalls ein Mit-
bewerber. So ſucht England allmählich mehr und mehr ſeinen Bedarf
ſich aus den Colonien zu verſchaffen. Die Oſtſeehäfen aber müſſen ſich
ſagen daß der jetzige Zuſtand auf die Dauer nicht haltbar iſt, und ſie
thun unrecht gegen Maßregeln zu eifern deren Durchführung nament-
lich auch ihnen zu gut kommen würde durch Belebung der Thätigkeit
in Folge eines ſchwungreichern Handels, durch gewinnbringenden
Schiffbau, höhere Frachten, wohlfeilere Colonialwaaren, und Verwer-
thung einer Maſſe verſchiedenartiger Arbeit. Auch würden dann die
Seeleute der Oſtſee tüchtiger als ſeither ausgebildet werden; es wür-
den die Klagen aufhören daß die Schiffe von dort ſehr häufig von nur
untergeordneter Beſchaffenheit ſeyen. Daß dieſes der Fall, dafür
ſcheinen die Proteſte der Rheder zu zeugen, die wohl kaum annehmen
daß ihre Schiffe, die größten ausgenommen, ſich zu transatlantiſchen
Fahrten eignen.

Wir werden demnächſt in zwei oder drei weiteren Briefen einige
der in vorſtehendem Schreiben*) angedeuteten wichtigen Gegenſtände
noch näher beleuchten.

Nachſchrift. Als wir die vorſtehenden Briefe geſchrieben und
der Poſt übergeben hatten, kamen uns die „Beiträge zur Erörterung
der Frage über Differential- und Schutzzölle“ zu Geſicht, welche der
geheime Commerzienrath Hr. Carl zu Berlin den Aelteſten der dor-
tigen Kaufmannſchaft gewidmet hat, deren Vorſteher er iſt. Sie ge-
hören zu dem Klarſten und Schlagendſten was ſeit lange über jene
wichtigen Fragen vorgebracht worden, ſtellen die Sophismen der Frei-
händler in ihrer ganzen Blöße dar, und weiſen mit überzeugenden
Gründen die Nothwendigkeit einer nationalen Handelspolitik, und
insbeſondere der Differentialzölle nach. Was die Oſtſeehäfen be-
trifft, ſo fragt Hr. Carl, ob denn die Kanfleute in den Jahren 1818
bis 1822 ihre Intereſſen nicht verſtanden hätten, als ſie von
Stralſund bis Memel alle für die Begünſtigung des
directen transatlantiſchen Verkehrs Bittſchriften ein-
gaben.
Und, fragt er weiter, ging Dänemark und Schweden etwa
die Kenntniß des Oſtſeehandels ab, als ſie vor wenigen Jahren
erſt die directen transatlantiſchen Importe vor den indirecten aus frem-
den Zwiſchenlagern beim Eingangszoll bevorzugten? Er weist weiter
darauf hin daß die Vorſteher der Kaufmannſchaft zu Stettin bei
ihrer mehrfach kundgegebenen Anſicht über die Vorzüge eines Dif-
ferentialzollſyſtems feſt beharren. Die Proteſte der Oſtſeehäfen hät-
ten gar keinen andern Grund als die Furcht vor engliſchen Repreſſalien,
und ihr Motiv liege nicht etwa in tiefer Einſicht in die Natur der
Verkehrsverhältniſſe. Dieſe Furcht wird als eine eitle, unbegründete
[Spaltenumbruch] mit vollem Rechte zurückgewieſen. „England ſollte unſer Holz und
Getreide oder unſere Schiffe benachtheiligen, wenn wir keine gegen Groß-
britannien ausſchließlich gerichtete Maßregel ergreifen, ſondern
ein allgemeines, alle Länder gleichmäßig treffendes Geſetz in un-
ſerm Sinn annehmen; England, das bei jeder Gelegenheit erklärt, es
folge in ſeiner Handelsgeſetzgebung nur dem eigenen Bedürfniß, und
gegen welches Preußen an der Spitze des Zollvereins in dieſer Frage
ſo offen und loyal verfährt, ſollte uns an der Ausübung unſerer ei-
genſten Rechte, an der Feſtſetzung eines lediglich in unſerm Be-
dürfniß gegründeten Hausgeſetzes hindern wollen? England, das
es ſich von Frankreich geduldig gefallen ließ als dieſes ein Verbot
direct gegen England richtete und die Einfuhr der Crzeugniſſe Afri-
ka’s, Aſiens und Amerika’s zum Verbrauch in Frankreich aus den
Erzeugungsländern auf brittiſchen Schiffen und aus Großbritannien
auf allen Schiffen verbot; England, das durch die Acte vom 4 Auguſt
1845, §. 8, die ſo oft zu unſerm Schrecken angeführt wird, offenbar nur für
ſolche Fälle gerüſtet ſeyn will wo eine fremde Regierung ſein Intereſſe aus-
nahmsweiſe beeinträchtigte und doch von dem Geſetze nicht einmal in Folge
der Ausnahmszölle Frankreichs zu Gunſten belgiſcher Leinen, noch durch
die günſtigere Stellung belgiſchen Eiſens vor dem brittiſchen, Seitens
des Zollvereins, Gebrauch gemacht hat? England, das ſeinen Grundſatz
Rohmaterialien und nothwendige Verzehrungsgegenſtände im Intereſſe
der großen arbeitenden Bevölkerung ſo günſtig als nur möglich zu-
zulaſſen mit Conſequenz verfolgte, ſollte in zwei Artikeln, Getreide und
Holz, deren oftſeeiſche Zufuhr ihm nothwendiger iſt als vieles andere, eine
für ſeine ſämmtlichen Bewohner ſo höchſt nachtheilige Ausnahme von ſei-
nem Grundſatz machen?“
Hr. Carl weist nach daß von England für den
Oſtſeehandel nichts zu fürchten ſey, daß aber die Gründe für den Rück-
gang
dieſes Handels hauptſächlich in deſſen eigener Beſchaffenheit lie-
gen. Denn allerdings werden Fichten- und Eichenhölzer, wie England
ſie verlangt, alljährlich ſchwerer zu beſchaffen; die polniſchen Wälder
lichten ſich immer mehr, der Holzſchlag entfernt ſich immer weiter von
den ſchiffbaren Flüſſen; nach Aufhebung der Korngeſetze hat das Oſt-
ſeegetreide eine ſchwerere Concurrenz zu beſtehen, und die günſtigen
Frachtconjuncturen haben allmählich ihr Ende erreicht. Und noch heute
hat die Oſtſeerhederei kaum den Standpunkt von 1806. Zwar iſt die
Zahl der in brittiſchen Häfen einlaufenden Schiffe in jährlicher Zu-
nahme begriffen, zwar überwiegt im Ein- und Ausgang in den preußi-
ſchen Häfen der Antheil der nationalen Flagge vor der fremden, allein
dieſer Umſtand ergibt ſich ſehr natürlich daraus daß die brittiſchen
Schiffe, wenn ſie anderwärts lohnendere Beſchäftigung finden, den Oſt-
ſeeſchiffen gern jene wenig einbringenden Frachtfahrten überlaſſen, und
nur dann wenn die Conjuncturen für die Frachten günſtig ſind einen
thätigeren Antheil daran nehmen. Den preußiſchen Oſtſeerhedern macht
insbeſondere die Concurrenz der hannoveriſchen und mecklenburgiſchen
Fahrzeuge zu ſchaffen, und die ohnehin prekären Verhältniſſe des Oſt-
ſeehandels nöthigen ſie ſchon jetzt an die Zukunft zu denken. „Werden
einſt die preußiſchen Schiffe das gemeinſame deutſche Flaggen-
zeichen
führen, dann werden ſie an Eifer und Kühnheit hinter den
Hanſen in der Vermittlung des directen transatlantiſchen Verkehrs
nicht zurückbleiben. Da der europäiſche Handel von der Differential-
zollmaßregel unberührt bleibt, ſo wird ihr Verkehr mit England keinen
Schaden nehmen, aber Zeit iſt es daß der Oſtſeehandel ſich daneben auch
größere und zukunftreichere Ziele ſetzt.“
Zwar der Sundzoll iſt eine
drückende Feſſel, aber wie will man desſelben anders ledig werden als auf
dem Wege einer ſelbſtändigen, Vortheile anbietenden, Nachtheile drohenden
Handelspolitik? „Dänemark unterhält ſeine Kriegsmarine von etwa 73
Kriegsſchiffen mit 754 Kanonen und 67 Kanonenbooten für deren Unter-
halt es jährlich 750,000 preuß. Thlr ausgibt zur Zeit ganz nutzlos.
Zu Dänemark werden wir durch die Ausführung eines Differential-
zollſyſtems eine andere Stellung erhalten. Bisher waren alle unſere
Unterhandlungen um Aufhebung des Sundzolls unkräftig. Aber bei
dem hochwichtigen und dringenden Intereſſe das Dänemark für die Theil-
nahme ſeiner Schifffahrt an den Privilegien der deutſchen Flagge hat, wird
ſich Dänemark, ſo wie es durch unſer Differentialzollſyſtem ſeine Schiffe von
jenen Vortheilen ausgeſchloſſen ſieht, ſofort zu Unterhandlungen beque-
men müſſen um zu den Rechten einer begünſtigten Nation zu kommen,
deren Schiffe wir den unſrigen gleichſtellen. Wird ſich in dieſem Falle
Dänemark genöthigt ſehen daß ſein Sundzoll, den es für Unterhal-
tung ſeiner Kriegsmarine allezeit für nöthig erachtet, in eine jährliche
ihm abzutragende Rente verwandelt werde, ſo iſt es billig daß jener

*) Wir bemerken daß dieſelben alle vor der Pariſer Februarrevolution
geſchrieben ſind.
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[1179/0011] reiteten, die ihnen dann im directen Handel Colonialwaaren lie- ferten. Holz und Mehl zum Beiſpiel fänden beſtimmt in Südamerika willige Abnehmer. Die Amerikaner, bekanntlich ſehr betriebſame und rührige Leute, producirten im Jahr 1836 vortreffliches und haltbares Mehl aus deutſchem Getreide und machten darin gute Geſchäfte. Was aber den Amerikanern möglich iſt, ſollte das den Bemühungen und Anſtrengungen der Oſtſeeanwohner nicht möglich ſeyn? Jetzt ſpielt England in den Oſtſeehäfen des Zollvereins eine her- vorragende Rolle. Laut den ſtatiſtiſchen Nachweiſungen über den Handelsverkehr der preußiſchen Oſtſeeprovinzen von 1847 waren die wichtigſten Einfuhrartikel Steinkohlen, Salz, Häringe, Eiſen und Zu- cker. Bei der Einfuhr war England mit nicht weniger als achtundſechzig Procent betheiligt, nämlich mit ſechs Millio- nen Centner. Von dem ausgeführten Holze (83,000 Laſt) bezog Eng- land 52 Procent. Von der geſammten Getreideausfuhr 58 Procent. Bei der Einfuhr kamen 57.9 Procent auf die einheimiſche und 42.1 auf die fremden Flaggen. Ich will hier gleich noch einen andern ſta- tiſtiſchen Nachweis hinzufügen. Die Allg. Zeitung hat in einem Ar- tikel aus London (Nr. 335 vom 1 December v. J.) auf die wachſende Einfuhr der auſtraliſchen Wolle in England und deren Concurrenz ge- genüber der deutſchen Wolle hingewieſen. Nun wurden, wie die Li- ſten für 1847 beweiſen, im vorigen Jahr aus Deutſchland 41,396 Ballen (gegen 52,922 im Jahr 1846) von Auſtralien 94,292 Ballen (gegen 81,283 im Jahr 1846) vom Vorgebirge der guten Hoffnung 13,566 (gegen 11,626 im Jahr 1846) in England eingeführt. Alſo die Einfuhr der auſtraliſchen Wolle übertrifft jene der deutſchen bereits um mehr als das Doppelte, und das Cap wird gleichfalls ein Mit- bewerber. So ſucht England allmählich mehr und mehr ſeinen Bedarf ſich aus den Colonien zu verſchaffen. Die Oſtſeehäfen aber müſſen ſich ſagen daß der jetzige Zuſtand auf die Dauer nicht haltbar iſt, und ſie thun unrecht gegen Maßregeln zu eifern deren Durchführung nament- lich auch ihnen zu gut kommen würde durch Belebung der Thätigkeit in Folge eines ſchwungreichern Handels, durch gewinnbringenden Schiffbau, höhere Frachten, wohlfeilere Colonialwaaren, und Verwer- thung einer Maſſe verſchiedenartiger Arbeit. Auch würden dann die Seeleute der Oſtſee tüchtiger als ſeither ausgebildet werden; es wür- den die Klagen aufhören daß die Schiffe von dort ſehr häufig von nur untergeordneter Beſchaffenheit ſeyen. Daß dieſes der Fall, dafür ſcheinen die Proteſte der Rheder zu zeugen, die wohl kaum annehmen daß ihre Schiffe, die größten ausgenommen, ſich zu transatlantiſchen Fahrten eignen. Wir werden demnächſt in zwei oder drei weiteren Briefen einige der in vorſtehendem Schreiben *) angedeuteten wichtigen Gegenſtände noch näher beleuchten. Nachſchrift. Als wir die vorſtehenden Briefe geſchrieben und der Poſt übergeben hatten, kamen uns die „Beiträge zur Erörterung der Frage über Differential- und Schutzzölle“ zu Geſicht, welche der geheime Commerzienrath Hr. Carl zu Berlin den Aelteſten der dor- tigen Kaufmannſchaft gewidmet hat, deren Vorſteher er iſt. Sie ge- hören zu dem Klarſten und Schlagendſten was ſeit lange über jene wichtigen Fragen vorgebracht worden, ſtellen die Sophismen der Frei- händler in ihrer ganzen Blöße dar, und weiſen mit überzeugenden Gründen die Nothwendigkeit einer nationalen Handelspolitik, und insbeſondere der Differentialzölle nach. Was die Oſtſeehäfen be- trifft, ſo fragt Hr. Carl, ob denn die Kanfleute in den Jahren 1818 bis 1822 ihre Intereſſen nicht verſtanden hätten, als ſie von Stralſund bis Memel alle für die Begünſtigung des directen transatlantiſchen Verkehrs Bittſchriften ein- gaben. Und, fragt er weiter, ging Dänemark und Schweden etwa die Kenntniß des Oſtſeehandels ab, als ſie vor wenigen Jahren erſt die directen transatlantiſchen Importe vor den indirecten aus frem- den Zwiſchenlagern beim Eingangszoll bevorzugten? Er weist weiter darauf hin daß die Vorſteher der Kaufmannſchaft zu Stettin bei ihrer mehrfach kundgegebenen Anſicht über die Vorzüge eines Dif- ferentialzollſyſtems feſt beharren. Die Proteſte der Oſtſeehäfen hät- ten gar keinen andern Grund als die Furcht vor engliſchen Repreſſalien, und ihr Motiv liege nicht etwa in tiefer Einſicht in die Natur der Verkehrsverhältniſſe. Dieſe Furcht wird als eine eitle, unbegründete mit vollem Rechte zurückgewieſen. „England ſollte unſer Holz und Getreide oder unſere Schiffe benachtheiligen, wenn wir keine gegen Groß- britannien ausſchließlich gerichtete Maßregel ergreifen, ſondern ein allgemeines, alle Länder gleichmäßig treffendes Geſetz in un- ſerm Sinn annehmen; England, das bei jeder Gelegenheit erklärt, es folge in ſeiner Handelsgeſetzgebung nur dem eigenen Bedürfniß, und gegen welches Preußen an der Spitze des Zollvereins in dieſer Frage ſo offen und loyal verfährt, ſollte uns an der Ausübung unſerer ei- genſten Rechte, an der Feſtſetzung eines lediglich in unſerm Be- dürfniß gegründeten Hausgeſetzes hindern wollen? England, das es ſich von Frankreich geduldig gefallen ließ als dieſes ein Verbot direct gegen England richtete und die Einfuhr der Crzeugniſſe Afri- ka’s, Aſiens und Amerika’s zum Verbrauch in Frankreich aus den Erzeugungsländern auf brittiſchen Schiffen und aus Großbritannien auf allen Schiffen verbot; England, das durch die Acte vom 4 Auguſt 1845, §. 8, die ſo oft zu unſerm Schrecken angeführt wird, offenbar nur für ſolche Fälle gerüſtet ſeyn will wo eine fremde Regierung ſein Intereſſe aus- nahmsweiſe beeinträchtigte und doch von dem Geſetze nicht einmal in Folge der Ausnahmszölle Frankreichs zu Gunſten belgiſcher Leinen, noch durch die günſtigere Stellung belgiſchen Eiſens vor dem brittiſchen, Seitens des Zollvereins, Gebrauch gemacht hat? England, das ſeinen Grundſatz Rohmaterialien und nothwendige Verzehrungsgegenſtände im Intereſſe der großen arbeitenden Bevölkerung ſo günſtig als nur möglich zu- zulaſſen mit Conſequenz verfolgte, ſollte in zwei Artikeln, Getreide und Holz, deren oftſeeiſche Zufuhr ihm nothwendiger iſt als vieles andere, eine für ſeine ſämmtlichen Bewohner ſo höchſt nachtheilige Ausnahme von ſei- nem Grundſatz machen?“ Hr. Carl weist nach daß von England für den Oſtſeehandel nichts zu fürchten ſey, daß aber die Gründe für den Rück- gang dieſes Handels hauptſächlich in deſſen eigener Beſchaffenheit lie- gen. Denn allerdings werden Fichten- und Eichenhölzer, wie England ſie verlangt, alljährlich ſchwerer zu beſchaffen; die polniſchen Wälder lichten ſich immer mehr, der Holzſchlag entfernt ſich immer weiter von den ſchiffbaren Flüſſen; nach Aufhebung der Korngeſetze hat das Oſt- ſeegetreide eine ſchwerere Concurrenz zu beſtehen, und die günſtigen Frachtconjuncturen haben allmählich ihr Ende erreicht. Und noch heute hat die Oſtſeerhederei kaum den Standpunkt von 1806. Zwar iſt die Zahl der in brittiſchen Häfen einlaufenden Schiffe in jährlicher Zu- nahme begriffen, zwar überwiegt im Ein- und Ausgang in den preußi- ſchen Häfen der Antheil der nationalen Flagge vor der fremden, allein dieſer Umſtand ergibt ſich ſehr natürlich daraus daß die brittiſchen Schiffe, wenn ſie anderwärts lohnendere Beſchäftigung finden, den Oſt- ſeeſchiffen gern jene wenig einbringenden Frachtfahrten überlaſſen, und nur dann wenn die Conjuncturen für die Frachten günſtig ſind einen thätigeren Antheil daran nehmen. Den preußiſchen Oſtſeerhedern macht insbeſondere die Concurrenz der hannoveriſchen und mecklenburgiſchen Fahrzeuge zu ſchaffen, und die ohnehin prekären Verhältniſſe des Oſt- ſeehandels nöthigen ſie ſchon jetzt an die Zukunft zu denken. „Werden einſt die preußiſchen Schiffe das gemeinſame deutſche Flaggen- zeichen führen, dann werden ſie an Eifer und Kühnheit hinter den Hanſen in der Vermittlung des directen transatlantiſchen Verkehrs nicht zurückbleiben. Da der europäiſche Handel von der Differential- zollmaßregel unberührt bleibt, ſo wird ihr Verkehr mit England keinen Schaden nehmen, aber Zeit iſt es daß der Oſtſeehandel ſich daneben auch größere und zukunftreichere Ziele ſetzt.“ Zwar der Sundzoll iſt eine drückende Feſſel, aber wie will man desſelben anders ledig werden als auf dem Wege einer ſelbſtändigen, Vortheile anbietenden, Nachtheile drohenden Handelspolitik? „Dänemark unterhält ſeine Kriegsmarine von etwa 73 Kriegsſchiffen mit 754 Kanonen und 67 Kanonenbooten für deren Unter- halt es jährlich 750,000 preuß. Thlr ausgibt zur Zeit ganz nutzlos. Zu Dänemark werden wir durch die Ausführung eines Differential- zollſyſtems eine andere Stellung erhalten. Bisher waren alle unſere Unterhandlungen um Aufhebung des Sundzolls unkräftig. Aber bei dem hochwichtigen und dringenden Intereſſe das Dänemark für die Theil- nahme ſeiner Schifffahrt an den Privilegien der deutſchen Flagge hat, wird ſich Dänemark, ſo wie es durch unſer Differentialzollſyſtem ſeine Schiffe von jenen Vortheilen ausgeſchloſſen ſieht, ſofort zu Unterhandlungen beque- men müſſen um zu den Rechten einer begünſtigten Nation zu kommen, deren Schiffe wir den unſrigen gleichſtellen. Wird ſich in dieſem Falle Dänemark genöthigt ſehen daß ſein Sundzoll, den es für Unterhal- tung ſeiner Kriegsmarine allezeit für nöthig erachtet, in eine jährliche ihm abzutragende Rente verwandelt werde, ſo iſt es billig daß jener *) Wir bemerken daß dieſelben alle vor der Pariſer Februarrevolution geſchrieben ſind.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848, S. 1179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine74_1848/11>, abgerufen am 21.11.2024.