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Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.

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[Spaltenumbruch] einer Reihe von Jahren ist von jedem Vaterlandsfreunde der Wunsch
lebhaft gefühlt und von manchem in Rede und Schrift die Nothwendig-
keit laut ausgesprochen worden auch unser schönes und mächtiges Oester-
reich den Weg friedlichen gediegenen Fortschrittes betreten zu sehen. Die
letzten Ereignisse im Westen Europa's lassen diese Forderung um so unab-
weislicher und unaufschiebbarer erscheinen als sie dem Weltfrieden sowie
dem Staatscredit, der Sicherheit des Eigenthums, der Ordnung und des
Rechts in jedem Reiche gefährlich werden können. Was in Deutsch-
land in diesem Augenblick zur Wahrung vor jedem Wechselfall des
Glücks, zum Schutze und zur Stärkung nach Außen und im Innern
geschieht, ist niemanden unbekannt. Jeder hegt zugleich die Ueberzeu-
gung daß Oesterreich, dessen Herrscherfamilie durch Jahrhunderte die
deutsche Kaiserkrone trug, auch nur in festem Anschließen an
deutsche Interessen und deutsche Politik sein wahres Heil
gewinnen könne;
wenn die österreichischen Bürger sich vor allem
gedrungen fühlen ihre unerschütterliche Liebe und Anhänglichkeit an das
erhabene Kaiserhaus auszusprechen, so halten sie es auch zugleich für
ihre heilige Pflicht diejenigen Maßregeln offen und frei darzulegen
welche ihrer Meinung nach einzig und allein geeignet seyn können in so
drohenden Zeitverhältnissen der Dynastie, sowie dem Gesammtvater-
land neue Kraft und neuen Halt zu verleihen. Diese Maßregeln sind:
a) Unverweilte Veröffentlichung des Staatshaushalts, b) Perio-
dische Berufung eines alle Länder der Monarchie sowie
alle Classen und Interessen der Bevölkerung vertreten-
den ständischen Körpers
mit dem Rechte der Steuerbewilligung
und Controle des Finanzhaushaltes, so wie der Theilnahme an der Ge-
setzgebung, c) Herstellung eines Rechtszustandes in der Presse durch
Einführung eines Repressivgesetzes, d) Durchführung des Grundsatzes
der Oeffentlichkeit in der Rechtspflege und in der gesammten Verwal-
tung, e) Verleihung einer zeitgemäßen Municipal- und Gemeindever-
fassung und auf deren Grundlage, f) Vertretung der in der gegenwärti-
gen ständischen Verfassung gar nicht oder nur unvollkommen begriffenen
Elemente des Ackerbaues, der Industrie, des Handels und der Intelli-
genz. Die Stände, wenngleich in ihrer dermaligen Verfassung nicht
der vollständige Ausdruck des ganzen Landes, sind als verfassungsmäßi-
ges Organ für die Bedürfnisse des Volkes berufen die Gewährleistung
unserer Bitten bei unserm gütigen Monarchen zu vermitteln. Die
Unterzeichneten stellen daher die Bitte: die hochlöbl. niederösterreichi-
schen Stände wollen die vorgeschlagenen Maßregeln in der nächsten
Landtagssitzung in Berathung nehmen, und die geeigneten Anträge zu
deren baldiger Verwirklichung an den allerhöchsten Thron gelangen
lassen."

Das Criminal-
gericht zu Venedig hat am 5 l. Mts. entschieden daß durchaus kein
Grund zu einer Inquisition gegen die HH. Manin und Tomaseo
vorhanden sey. Leider muß dieser Beschluß erst an das Appellations-
gericht, dann an die höchste Stelle abgehen, und die beiden wackern
Männer werden sich also erst in einigen Wochen der vollen Freiheit er-
freuen können. Das Dampfboot Sidon, welches Lord Hardinge nach
Triest brachte, hat diesen Hafen am Tage der Ankunft wieder verlassen
und Lord Hardinge seine Reise über Wien sofort angetreten. -- Die
Truppenmärsche nach Italien dauern fort. Einige Dampfboote des
Lloyd führten vorgestern Gränzer nach Venedig und bereits sind deren
wieder in Triest angelangt um sich dort einzuschiffen.

Großbritannien.

Die gestern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in
London hatten, scheint es, darin ihren Ursprung daß Hr. Charles Coch-
rane, ein bei der letzten Parlamentswahl durchgefallener Bewerber um
Westminster -- scherzhaft genannt der "Minstrel", weil er in seiner Ju-
gend einmal den Einfall gehabt als spanischer Trovador mit der Laute
im Arm durch das Land zu pilgern, was ihm die englische Ehrbarkeit
noch jetzt nicht verzeihen kann -- ein Meeting für gänzliche Abschaffung
der Einkommensteuer unter freiem Himmel angekündigt; was denn Koh-
lenträger, Schifferjungen, brodlose Laufburschen, und ähnliche Leute die
bei der Einkommensteuer persönlich ganz unbetheiligt sind, benützten um
in parodirender Nachahmung der Pariser Vorgänge, ihr Müthchen an
Straßenlampen und Ladenfenstern auszulassen. Der Auflauf wieder-
holte sich in der gestrigen Nacht, gegen 11 Uhr aber wurde der letzte
Haufen der Ruhestörer, der ungefähr 200 Köpfe stark seyn mochte, ohne
Militärhülfe von der Polizei bloß mit nachdrücklicher Anwendung ihrer
kurzen weißen Stäbe zerstreut, und die Ruhe sofort nicht weiter gestört.
Die Polizeidiener hielten über den Trafalgarplatz eine förmliche Treib-
jagd; mehrere Kerle wurden festgenommen, einige mit blutigen
Köpfen ins Hospital geschafft. Ein anderer Haufe von ungefähr 500
[Spaltenumbruch] Lärmern, denen ein bartloser Junge mit einem Brett voranzog worauf
geschrieben stand: "Glorreiche Revolution", zog am 8 März in der Mit-
tagsstunde durch den Strand, und von da in die Fleet-Street. Es war
Gesindel der gemeinsten Sorte, und mehrere darunter betrunken. Als
sich eine Abtheilung City-Polizei zeigte, stob der Krawall auseinander. --
Bei weitem ernster waren die Unruhen in Glasgow. Dort waren es
3000 bis 4000 brodlose Arbeiter die unter dem Geschrei: "Laßt uns un-
sere republicanischen Brüder in Frankreich nachahmen! Nieder mit der
Königin! Hoch die Republik!",
großen Unfug an Eigenthum verübten,
so daß man den angerichteten Schaden auf 20,000 Pf. St. und darüber
schätzt. Sie bewaffneten sich aus erbrochenen Waffenbuden, schwangen
Schwerter und Eisenstangen, und schossen aber und abermals ihre Ge-
wehre in die Luft ab. Auch andere Läden, namentlich Bäcker- und Gold-
schmiedsläden, wurden vom Pöbel erbrochen, und viel gestohlen. Der
Gemeinderath beeidigte in der Eile 5000 Special-Constables, und
auf der Eisenbahn wurden mehrere hundert Mann Linientruppen aus
Edinburg herbeigeführt, so daß die Besatzung der Stadt auf 1500 Mann
gebracht ward. Um 5 Uhr verlas der Baillie auf mehreren Punkten
die Aufruhracte. Barricaden welche die Ruhestörer in einigen Straßen
aufgeworfen, wurden mit leichter Mühe zerstört. Eine kleine Abtheilung
Soldaten die auf dem sogen. grünen Platze mit Steinen angefallen
wurde, gab Feuer und sechs Menschen stürzten getroffen, einer todt-
die andern schwer verwundet. Nach den letzten Berichten schien die Ordnung
am 7 Abends wieder hergestellt, aber alle Straßen und Plätze wimmelten
noch von Menschen. Der Geist der Unruhe, welcher jetzt wie eine ansteckende
Seuche durch die Welt geht, hatte auch Edinburg ergriffen. Vom
7 März Nachts 10 Uhr wird von dort gemeldet: "Die Straßen der schot-
tischen Hauptstadt sind jetzt im Besitz des Pöbels, welcher Laternen und
Fenster zertrümmert. Der Lord Provost und die Magistrate sind eben
beschäftigt Special-Constables zu beeidigen."
Man fürchtet zunächst
für die nordenglischen Fabrikstädte, wo die Arbeiter von geheimen Char-
tisten-Aussendlingen aufgereizt werden. -- In Newcastle am Tyne hat
eine öffentliche Versammlung achtbarer Bürger stattgefunden um Sym-
pathie für das französische Volk auszudrücken, und eine Petition ans
Parlament zu beschließen daß England sich jeder Einmischung in Frank-
reichs innere Angelegenheiten enthalten möge.

Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze
Sitzung. Hr. Monckton Milnes besprach die Ruhestörnngen auf
Trafalgarplatz als etwas sehr Bedenkliches, worüber das lachlustige
Haus seine Heiterkeit äußerte. Sir G. Grey, der Staatssecretär des
Innern, erklärte: "Ein Hr. Charles Cochrane hatte Einladungen zu ei-
nem Meeting erlassen, welches auf Trafalgar-Square zu dem Zwecke
stattfinden sollte um alsbaldige und gänzliche Abschaffung der Einkom-
mensteuer zu petitioniren. Die treffende Polizeibehörde, die von dem
Maueranschlag Kunde erhielt, bedeutete Hrn. Cochrane schriftlich daß
durch die 57ste Gesetzesacte Georgs III politische Volksversammlungen
unter freiem Himmel innerhalb einer engl. Meile von Westminsterhall
während das Parlament sitzt verboten sind, ausgenommen im Pfarrei-
sprengel von St. Paul, Coventgarden. Hr. Cochrane bescheinigte den
Empfang dieser Zuschrift, entschuldigte sich mit Unkenntniß des Gesetzes,
und widerrief sofort seine Einladung. Indessen lief auf dem Trafal-
gar-Platz gemeines Volk zusammen, und es kam zu einer geringfügigen
Ruhestörung, bei welcher einige Laternen und Fenster eingeworfen wur-
den. (Gelächter.) Die Polizei zerstreute den Haufen auf das wirk-
samste, und wie ich glaube, mit vieler Mäßigung." (Hört! und Lachen.)
Hr. Sharman Crawford ward ermächtigt eine Bill zur Sicherung der
Rechte abziehender Pächter in Irland einzubringen, obwohl die Regie-
rung selbst dem Parlament eine umfassendere Bill über diesen Gegen-
stand vorgelegt hat. -- Im Oberhaus wurde der Consolidated Fund
Bill und der Neuseeland-Bill die königl. Genehmigung durch Commission
ertheilt. -- In der Unterhaussitzung am 8 März, deren Anfang
uns vorliegt, wurde Hrn. Anstey's Katholikenerleichterungbill in der
Committee berathen, und mehrere Clauseln unverändert angenommen.

Lord Howard de Walden ist auf seinen Gesandtschaftsposten in Brüs-
sel zurückgereist.

Frankreich.

Die Nationalwechselbank der Stadt Paris ist bereits definitiv con-
stituirt, und man hofft daß sie am 13 d. M. ihre Geschäfte anfangen

[Spaltenumbruch] einer Reihe von Jahren iſt von jedem Vaterlandsfreunde der Wunſch
lebhaft gefühlt und von manchem in Rede und Schrift die Nothwendig-
keit laut ausgeſprochen worden auch unſer ſchönes und mächtiges Oeſter-
reich den Weg friedlichen gediegenen Fortſchrittes betreten zu ſehen. Die
letzten Ereigniſſe im Weſten Europa’s laſſen dieſe Forderung um ſo unab-
weislicher und unaufſchiebbarer erſcheinen als ſie dem Weltfrieden ſowie
dem Staatscredit, der Sicherheit des Eigenthums, der Ordnung und des
Rechts in jedem Reiche gefährlich werden können. Was in Deutſch-
land in dieſem Augenblick zur Wahrung vor jedem Wechſelfall des
Glücks, zum Schutze und zur Stärkung nach Außen und im Innern
geſchieht, iſt niemanden unbekannt. Jeder hegt zugleich die Ueberzeu-
gung daß Oeſterreich, deſſen Herrſcherfamilie durch Jahrhunderte die
deutſche Kaiſerkrone trug, auch nur in feſtem Anſchließen an
deutſche Intereſſen und deutſche Politik ſein wahres Heil
gewinnen könne;
wenn die öſterreichiſchen Bürger ſich vor allem
gedrungen fühlen ihre unerſchütterliche Liebe und Anhänglichkeit an das
erhabene Kaiſerhaus auszuſprechen, ſo halten ſie es auch zugleich für
ihre heilige Pflicht diejenigen Maßregeln offen und frei darzulegen
welche ihrer Meinung nach einzig und allein geeignet ſeyn können in ſo
drohenden Zeitverhältniſſen der Dynaſtie, ſowie dem Geſammtvater-
land neue Kraft und neuen Halt zu verleihen. Dieſe Maßregeln ſind:
a) Unverweilte Veröffentlichung des Staatshaushalts, b) Perio-
diſche Berufung eines alle Länder der Monarchie ſowie
alle Claſſen und Intereſſen der Bevölkerung vertreten-
den ſtändiſchen Körpers
mit dem Rechte der Steuerbewilligung
und Controle des Finanzhaushaltes, ſo wie der Theilnahme an der Ge-
ſetzgebung, c) Herſtellung eines Rechtszuſtandes in der Preſſe durch
Einführung eines Repreſſivgeſetzes, d) Durchführung des Grundſatzes
der Oeffentlichkeit in der Rechtspflege und in der geſammten Verwal-
tung, e) Verleihung einer zeitgemäßen Municipal- und Gemeindever-
faſſung und auf deren Grundlage, f) Vertretung der in der gegenwärti-
gen ſtändiſchen Verfaſſung gar nicht oder nur unvollkommen begriffenen
Elemente des Ackerbaues, der Induſtrie, des Handels und der Intelli-
genz. Die Stände, wenngleich in ihrer dermaligen Verfaſſung nicht
der vollſtändige Ausdruck des ganzen Landes, ſind als verfaſſungsmäßi-
ges Organ für die Bedürfniſſe des Volkes berufen die Gewährleiſtung
unſerer Bitten bei unſerm gütigen Monarchen zu vermitteln. Die
Unterzeichneten ſtellen daher die Bitte: die hochlöbl. niederöſterreichi-
ſchen Stände wollen die vorgeſchlagenen Maßregeln in der nächſten
Landtagsſitzung in Berathung nehmen, und die geeigneten Anträge zu
deren baldiger Verwirklichung an den allerhöchſten Thron gelangen
laſſen.“

Das Criminal-
gericht zu Venedig hat am 5 l. Mts. entſchieden daß durchaus kein
Grund zu einer Inquiſition gegen die HH. Manin und Tomaſeo
vorhanden ſey. Leider muß dieſer Beſchluß erſt an das Appellations-
gericht, dann an die höchſte Stelle abgehen, und die beiden wackern
Männer werden ſich alſo erſt in einigen Wochen der vollen Freiheit er-
freuen können. Das Dampfboot Sidon, welches Lord Hardinge nach
Trieſt brachte, hat dieſen Hafen am Tage der Ankunft wieder verlaſſen
und Lord Hardinge ſeine Reiſe über Wien ſofort angetreten. — Die
Truppenmärſche nach Italien dauern fort. Einige Dampfboote des
Lloyd führten vorgeſtern Gränzer nach Venedig und bereits ſind deren
wieder in Trieſt angelangt um ſich dort einzuſchiffen.

Großbritannien.

Die geſtern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in
London hatten, ſcheint es, darin ihren Urſprung daß Hr. Charles Coch-
rane, ein bei der letzten Parlamentswahl durchgefallener Bewerber um
Weſtminſter — ſcherzhaft genannt der „Minſtrel“, weil er in ſeiner Ju-
gend einmal den Einfall gehabt als ſpaniſcher Trovador mit der Laute
im Arm durch das Land zu pilgern, was ihm die engliſche Ehrbarkeit
noch jetzt nicht verzeihen kann — ein Meeting für gänzliche Abſchaffung
der Einkommenſteuer unter freiem Himmel angekündigt; was denn Koh-
lenträger, Schifferjungen, brodloſe Laufburſchen, und ähnliche Leute die
bei der Einkommenſteuer perſönlich ganz unbetheiligt ſind, benützten um
in parodirender Nachahmung der Pariſer Vorgänge, ihr Müthchen an
Straßenlampen und Ladenfenſtern auszulaſſen. Der Auflauf wieder-
holte ſich in der geſtrigen Nacht, gegen 11 Uhr aber wurde der letzte
Haufen der Ruheſtörer, der ungefähr 200 Köpfe ſtark ſeyn mochte, ohne
Militärhülfe von der Polizei bloß mit nachdrücklicher Anwendung ihrer
kurzen weißen Stäbe zerſtreut, und die Ruhe ſofort nicht weiter geſtört.
Die Polizeidiener hielten über den Trafalgarplatz eine förmliche Treib-
jagd; mehrere Kerle wurden feſtgenommen, einige mit blutigen
Köpfen ins Hoſpital geſchafft. Ein anderer Haufe von ungefähr 500
[Spaltenumbruch] Lärmern, denen ein bartloſer Junge mit einem Brett voranzog worauf
geſchrieben ſtand: „Glorreiche Revolution“, zog am 8 März in der Mit-
tagsſtunde durch den Strand, und von da in die Fleet-Street. Es war
Geſindel der gemeinſten Sorte, und mehrere darunter betrunken. Als
ſich eine Abtheilung City-Polizei zeigte, ſtob der Krawall auseinander. —
Bei weitem ernſter waren die Unruhen in Glasgow. Dort waren es
3000 bis 4000 brodloſe Arbeiter die unter dem Geſchrei: „Laßt uns un-
ſere republicaniſchen Brüder in Frankreich nachahmen! Nieder mit der
Königin! Hoch die Republik!“,
großen Unfug an Eigenthum verübten,
ſo daß man den angerichteten Schaden auf 20,000 Pf. St. und darüber
ſchätzt. Sie bewaffneten ſich aus erbrochenen Waffenbuden, ſchwangen
Schwerter und Eiſenſtangen, und ſchoſſen aber und abermals ihre Ge-
wehre in die Luft ab. Auch andere Läden, namentlich Bäcker- und Gold-
ſchmiedsläden, wurden vom Pöbel erbrochen, und viel geſtohlen. Der
Gemeinderath beeidigte in der Eile 5000 Special-Conſtables, und
auf der Eiſenbahn wurden mehrere hundert Mann Linientruppen aus
Edinburg herbeigeführt, ſo daß die Beſatzung der Stadt auf 1500 Mann
gebracht ward. Um 5 Uhr verlas der Baillie auf mehreren Punkten
die Aufruhracte. Barricaden welche die Ruheſtörer in einigen Straßen
aufgeworfen, wurden mit leichter Mühe zerſtört. Eine kleine Abtheilung
Soldaten die auf dem ſogen. grünen Platze mit Steinen angefallen
wurde, gab Feuer und ſechs Menſchen ſtürzten getroffen, einer todt-
die andern ſchwer verwundet. Nach den letzten Berichten ſchien die Ordnung
am 7 Abends wieder hergeſtellt, aber alle Straßen und Plätze wimmelten
noch von Menſchen. Der Geiſt der Unruhe, welcher jetzt wie eine anſteckende
Seuche durch die Welt geht, hatte auch Edinburg ergriffen. Vom
7 März Nachts 10 Uhr wird von dort gemeldet: „Die Straßen der ſchot-
tiſchen Hauptſtadt ſind jetzt im Beſitz des Pöbels, welcher Laternen und
Fenſter zertrümmert. Der Lord Provoſt und die Magiſtrate ſind eben
beſchäftigt Special-Conſtables zu beeidigen.“
Man fürchtet zunächſt
für die nordengliſchen Fabrikſtädte, wo die Arbeiter von geheimen Char-
tiſten-Ausſendlingen aufgereizt werden. — In Newcaſtle am Tyne hat
eine öffentliche Verſammlung achtbarer Bürger ſtattgefunden um Sym-
pathie für das franzöſiſche Volk auszudrücken, und eine Petition ans
Parlament zu beſchließen daß England ſich jeder Einmiſchung in Frank-
reichs innere Angelegenheiten enthalten möge.

Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze
Sitzung. Hr. Monckton Milnes beſprach die Ruheſtörnngen auf
Trafalgarplatz als etwas ſehr Bedenkliches, worüber das lachluſtige
Haus ſeine Heiterkeit äußerte. Sir G. Grey, der Staatsſecretär des
Innern, erklärte: „Ein Hr. Charles Cochrane hatte Einladungen zu ei-
nem Meeting erlaſſen, welches auf Trafalgar-Square zu dem Zwecke
ſtattfinden ſollte um alsbaldige und gänzliche Abſchaffung der Einkom-
menſteuer zu petitioniren. Die treffende Polizeibehörde, die von dem
Maueranſchlag Kunde erhielt, bedeutete Hrn. Cochrane ſchriftlich daß
durch die 57ſte Geſetzesacte Georgs III politiſche Volksverſammlungen
unter freiem Himmel innerhalb einer engl. Meile von Weſtminſterhall
während das Parlament ſitzt verboten ſind, ausgenommen im Pfarrei-
ſprengel von St. Paul, Coventgarden. Hr. Cochrane beſcheinigte den
Empfang dieſer Zuſchrift, entſchuldigte ſich mit Unkenntniß des Geſetzes,
und widerrief ſofort ſeine Einladung. Indeſſen lief auf dem Trafal-
gar-Platz gemeines Volk zuſammen, und es kam zu einer geringfügigen
Ruheſtörung, bei welcher einige Laternen und Fenſter eingeworfen wur-
den. (Gelächter.) Die Polizei zerſtreute den Haufen auf das wirk-
ſamſte, und wie ich glaube, mit vieler Mäßigung.“ (Hört! und Lachen.)
Hr. Sharman Crawford ward ermächtigt eine Bill zur Sicherung der
Rechte abziehender Pächter in Irland einzubringen, obwohl die Regie-
rung ſelbſt dem Parlament eine umfaſſendere Bill über dieſen Gegen-
ſtand vorgelegt hat. — Im Oberhaus wurde der Conſolidated Fund
Bill und der Neuſeeland-Bill die königl. Genehmigung durch Commiſſion
ertheilt. — In der Unterhausſitzung am 8 März, deren Anfang
uns vorliegt, wurde Hrn. Anſtey’s Katholikenerleichterungbill in der
Committee berathen, und mehrere Clauſeln unverändert angenommen.

Lord Howard de Walden iſt auf ſeinen Geſandtſchaftspoſten in Brüſ-
ſel zurückgereist.

Frankreich.

Die Nationalwechſelbank der Stadt Paris iſt bereits definitiv con-
ſtituirt, und man hofft daß ſie am 13 d. M. ihre Geſchäfte anfangen

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[1158/0006] einer Reihe von Jahren iſt von jedem Vaterlandsfreunde der Wunſch lebhaft gefühlt und von manchem in Rede und Schrift die Nothwendig- keit laut ausgeſprochen worden auch unſer ſchönes und mächtiges Oeſter- reich den Weg friedlichen gediegenen Fortſchrittes betreten zu ſehen. Die letzten Ereigniſſe im Weſten Europa’s laſſen dieſe Forderung um ſo unab- weislicher und unaufſchiebbarer erſcheinen als ſie dem Weltfrieden ſowie dem Staatscredit, der Sicherheit des Eigenthums, der Ordnung und des Rechts in jedem Reiche gefährlich werden können. Was in Deutſch- land in dieſem Augenblick zur Wahrung vor jedem Wechſelfall des Glücks, zum Schutze und zur Stärkung nach Außen und im Innern geſchieht, iſt niemanden unbekannt. Jeder hegt zugleich die Ueberzeu- gung daß Oeſterreich, deſſen Herrſcherfamilie durch Jahrhunderte die deutſche Kaiſerkrone trug, auch nur in feſtem Anſchließen an deutſche Intereſſen und deutſche Politik ſein wahres Heil gewinnen könne; wenn die öſterreichiſchen Bürger ſich vor allem gedrungen fühlen ihre unerſchütterliche Liebe und Anhänglichkeit an das erhabene Kaiſerhaus auszuſprechen, ſo halten ſie es auch zugleich für ihre heilige Pflicht diejenigen Maßregeln offen und frei darzulegen welche ihrer Meinung nach einzig und allein geeignet ſeyn können in ſo drohenden Zeitverhältniſſen der Dynaſtie, ſowie dem Geſammtvater- land neue Kraft und neuen Halt zu verleihen. Dieſe Maßregeln ſind: a) Unverweilte Veröffentlichung des Staatshaushalts, b) Perio- diſche Berufung eines alle Länder der Monarchie ſowie alle Claſſen und Intereſſen der Bevölkerung vertreten- den ſtändiſchen Körpers mit dem Rechte der Steuerbewilligung und Controle des Finanzhaushaltes, ſo wie der Theilnahme an der Ge- ſetzgebung, c) Herſtellung eines Rechtszuſtandes in der Preſſe durch Einführung eines Repreſſivgeſetzes, d) Durchführung des Grundſatzes der Oeffentlichkeit in der Rechtspflege und in der geſammten Verwal- tung, e) Verleihung einer zeitgemäßen Municipal- und Gemeindever- faſſung und auf deren Grundlage, f) Vertretung der in der gegenwärti- gen ſtändiſchen Verfaſſung gar nicht oder nur unvollkommen begriffenen Elemente des Ackerbaues, der Induſtrie, des Handels und der Intelli- genz. Die Stände, wenngleich in ihrer dermaligen Verfaſſung nicht der vollſtändige Ausdruck des ganzen Landes, ſind als verfaſſungsmäßi- ges Organ für die Bedürfniſſe des Volkes berufen die Gewährleiſtung unſerer Bitten bei unſerm gütigen Monarchen zu vermitteln. Die Unterzeichneten ſtellen daher die Bitte: die hochlöbl. niederöſterreichi- ſchen Stände wollen die vorgeſchlagenen Maßregeln in der nächſten Landtagsſitzung in Berathung nehmen, und die geeigneten Anträge zu deren baldiger Verwirklichung an den allerhöchſten Thron gelangen laſſen.“ *†* Vom adriatiſchen Meer, 8 März.Das Criminal- gericht zu Venedig hat am 5 l. Mts. entſchieden daß durchaus kein Grund zu einer Inquiſition gegen die HH. Manin und Tomaſeo vorhanden ſey. Leider muß dieſer Beſchluß erſt an das Appellations- gericht, dann an die höchſte Stelle abgehen, und die beiden wackern Männer werden ſich alſo erſt in einigen Wochen der vollen Freiheit er- freuen können. Das Dampfboot Sidon, welches Lord Hardinge nach Trieſt brachte, hat dieſen Hafen am Tage der Ankunft wieder verlaſſen und Lord Hardinge ſeine Reiſe über Wien ſofort angetreten. — Die Truppenmärſche nach Italien dauern fort. Einige Dampfboote des Lloyd führten vorgeſtern Gränzer nach Venedig und bereits ſind deren wieder in Trieſt angelangt um ſich dort einzuſchiffen. Großbritannien. London, 8 März. Die geſtern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in London hatten, ſcheint es, darin ihren Urſprung daß Hr. Charles Coch- rane, ein bei der letzten Parlamentswahl durchgefallener Bewerber um Weſtminſter — ſcherzhaft genannt der „Minſtrel“, weil er in ſeiner Ju- gend einmal den Einfall gehabt als ſpaniſcher Trovador mit der Laute im Arm durch das Land zu pilgern, was ihm die engliſche Ehrbarkeit noch jetzt nicht verzeihen kann — ein Meeting für gänzliche Abſchaffung der Einkommenſteuer unter freiem Himmel angekündigt; was denn Koh- lenträger, Schifferjungen, brodloſe Laufburſchen, und ähnliche Leute die bei der Einkommenſteuer perſönlich ganz unbetheiligt ſind, benützten um in parodirender Nachahmung der Pariſer Vorgänge, ihr Müthchen an Straßenlampen und Ladenfenſtern auszulaſſen. Der Auflauf wieder- holte ſich in der geſtrigen Nacht, gegen 11 Uhr aber wurde der letzte Haufen der Ruheſtörer, der ungefähr 200 Köpfe ſtark ſeyn mochte, ohne Militärhülfe von der Polizei bloß mit nachdrücklicher Anwendung ihrer kurzen weißen Stäbe zerſtreut, und die Ruhe ſofort nicht weiter geſtört. Die Polizeidiener hielten über den Trafalgarplatz eine förmliche Treib- jagd; mehrere Kerle wurden feſtgenommen, einige mit blutigen Köpfen ins Hoſpital geſchafft. Ein anderer Haufe von ungefähr 500 Lärmern, denen ein bartloſer Junge mit einem Brett voranzog worauf geſchrieben ſtand: „Glorreiche Revolution“, zog am 8 März in der Mit- tagsſtunde durch den Strand, und von da in die Fleet-Street. Es war Geſindel der gemeinſten Sorte, und mehrere darunter betrunken. Als ſich eine Abtheilung City-Polizei zeigte, ſtob der Krawall auseinander. — Bei weitem ernſter waren die Unruhen in Glasgow. Dort waren es 3000 bis 4000 brodloſe Arbeiter die unter dem Geſchrei: „Laßt uns un- ſere republicaniſchen Brüder in Frankreich nachahmen! Nieder mit der Königin! Hoch die Republik!“, großen Unfug an Eigenthum verübten, ſo daß man den angerichteten Schaden auf 20,000 Pf. St. und darüber ſchätzt. Sie bewaffneten ſich aus erbrochenen Waffenbuden, ſchwangen Schwerter und Eiſenſtangen, und ſchoſſen aber und abermals ihre Ge- wehre in die Luft ab. Auch andere Läden, namentlich Bäcker- und Gold- ſchmiedsläden, wurden vom Pöbel erbrochen, und viel geſtohlen. Der Gemeinderath beeidigte in der Eile 5000 Special-Conſtables, und auf der Eiſenbahn wurden mehrere hundert Mann Linientruppen aus Edinburg herbeigeführt, ſo daß die Beſatzung der Stadt auf 1500 Mann gebracht ward. Um 5 Uhr verlas der Baillie auf mehreren Punkten die Aufruhracte. Barricaden welche die Ruheſtörer in einigen Straßen aufgeworfen, wurden mit leichter Mühe zerſtört. Eine kleine Abtheilung Soldaten die auf dem ſogen. grünen Platze mit Steinen angefallen wurde, gab Feuer und ſechs Menſchen ſtürzten getroffen, einer todt- die andern ſchwer verwundet. Nach den letzten Berichten ſchien die Ordnung am 7 Abends wieder hergeſtellt, aber alle Straßen und Plätze wimmelten noch von Menſchen. Der Geiſt der Unruhe, welcher jetzt wie eine anſteckende Seuche durch die Welt geht, hatte auch Edinburg ergriffen. Vom 7 März Nachts 10 Uhr wird von dort gemeldet: „Die Straßen der ſchot- tiſchen Hauptſtadt ſind jetzt im Beſitz des Pöbels, welcher Laternen und Fenſter zertrümmert. Der Lord Provoſt und die Magiſtrate ſind eben beſchäftigt Special-Conſtables zu beeidigen.“ Man fürchtet zunächſt für die nordengliſchen Fabrikſtädte, wo die Arbeiter von geheimen Char- tiſten-Ausſendlingen aufgereizt werden. — In Newcaſtle am Tyne hat eine öffentliche Verſammlung achtbarer Bürger ſtattgefunden um Sym- pathie für das franzöſiſche Volk auszudrücken, und eine Petition ans Parlament zu beſchließen daß England ſich jeder Einmiſchung in Frank- reichs innere Angelegenheiten enthalten möge. Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze Sitzung. Hr. Monckton Milnes beſprach die Ruheſtörnngen auf Trafalgarplatz als etwas ſehr Bedenkliches, worüber das lachluſtige Haus ſeine Heiterkeit äußerte. Sir G. Grey, der Staatsſecretär des Innern, erklärte: „Ein Hr. Charles Cochrane hatte Einladungen zu ei- nem Meeting erlaſſen, welches auf Trafalgar-Square zu dem Zwecke ſtattfinden ſollte um alsbaldige und gänzliche Abſchaffung der Einkom- menſteuer zu petitioniren. Die treffende Polizeibehörde, die von dem Maueranſchlag Kunde erhielt, bedeutete Hrn. Cochrane ſchriftlich daß durch die 57ſte Geſetzesacte Georgs III politiſche Volksverſammlungen unter freiem Himmel innerhalb einer engl. Meile von Weſtminſterhall während das Parlament ſitzt verboten ſind, ausgenommen im Pfarrei- ſprengel von St. Paul, Coventgarden. Hr. Cochrane beſcheinigte den Empfang dieſer Zuſchrift, entſchuldigte ſich mit Unkenntniß des Geſetzes, und widerrief ſofort ſeine Einladung. Indeſſen lief auf dem Trafal- gar-Platz gemeines Volk zuſammen, und es kam zu einer geringfügigen Ruheſtörung, bei welcher einige Laternen und Fenſter eingeworfen wur- den. (Gelächter.) Die Polizei zerſtreute den Haufen auf das wirk- ſamſte, und wie ich glaube, mit vieler Mäßigung.“ (Hört! und Lachen.) Hr. Sharman Crawford ward ermächtigt eine Bill zur Sicherung der Rechte abziehender Pächter in Irland einzubringen, obwohl die Regie- rung ſelbſt dem Parlament eine umfaſſendere Bill über dieſen Gegen- ſtand vorgelegt hat. — Im Oberhaus wurde der Conſolidated Fund Bill und der Neuſeeland-Bill die königl. Genehmigung durch Commiſſion ertheilt. — In der Unterhausſitzung am 8 März, deren Anfang uns vorliegt, wurde Hrn. Anſtey’s Katholikenerleichterungbill in der Committee berathen, und mehrere Clauſeln unverändert angenommen. Lord Howard de Walden iſt auf ſeinen Geſandtſchaftspoſten in Brüſ- ſel zurückgereist. Frankreich. Paris, 9 März. Die Nationalwechſelbank der Stadt Paris iſt bereits definitiv con- ſtituirt, und man hofft daß ſie am 13 d. M. ihre Geſchäfte anfangen

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848, S. 1158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine73_1848/6>, abgerufen am 22.11.2024.