Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch]
Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen. Uebersicht. Zur deutschen Kaiserkrönung.*) München, 12 Febr. Die Romantik stirbt in Deutschland Nach Frankfurt am Main schickte auch im Jahr 1848, als es sich um * Bonn, im Febr. Der Wettstreit der auf die Ehre der Kaiser- Die Hinweisung auf Aachens "Ultramontanismus" und auf die Eine Anklage gegen die deutsche Kriegführung. * Aus England erhalten wir wiederholte Zuschriften welche unter *) Durch Aufnahme der nachfolgenden beiden Erwiederungen glauben wir un-
serer publieistischen Pflicht vollauf Genüge gethan zu baber, weßhalb wir die Frage bis zu ihrer endgültigen Eutscheidung auf sich beruhen lassen. D. R. Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch]
Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Ueberſicht. Zur deutſchen Kaiſerkrönung.*) ∴ München, 12 Febr. Die Romantik ſtirbt in Deutſchland Nach Frankfurt am Main ſchickte auch im Jahr 1848, als es ſich um * ⸫ Bonn, im Febr. Der Wettſtreit der auf die Ehre der Kaiſer- Die Hinweiſung auf Aachens „Ultramontanismus“ und auf die Eine Anklage gegen die deutſche Kriegführung. * Aus England erhalten wir wiederholte Zuſchriften welche unter *) Durch Aufnahme der nachfolgenden beiden Erwiederungen glauben wir un-
ſerer publieiſtiſchen Pflicht vollauf Genüge gethan zu baber, weßhalb wir die Frage bis zu ihrer endgültigen Eutſcheidung auf ſich beruhen laſſen. D. R. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <pb facs="#f0017"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#b">Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung.<lb/> Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871.</hi><lb/> Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta</hi>’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> J. v. <hi rendition="#g">Goſen.</hi></head><lb/> <cb/> </div> <div type="contents" n="1"> <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ueberſicht.</hi></hi></hi><lb/> Zur deutſchen Kaiſerkrönung. — Eine Anklage gegen die deutſche Krieg-<lb/> führung. — Der Krieg. — Verſchiedenes.</p> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Zur deutſchen Kaiſerkrönung.</hi> <note place="foot" n="*)">Durch Aufnahme der nachfolgenden beiden Erwiederungen glauben wir un-<lb/> ſerer publieiſtiſchen Pflicht vollauf Genüge gethan zu baber, weßhalb wir die<lb/> Frage bis zu ihrer endgültigen Eutſcheidung auf ſich beruhen laſſen. D. R.</note> </head><lb/> <div type="jComment" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">∴ München,</hi> 12 Febr.</dateline> <p>Die Romantik ſtirbt in Deutſchland<lb/> nicht aus; ehe uns noch eine officielle Kunde darüber geworden iſt daß<lb/> Kaiſer Wilhelm ſeine neue Würde mit einer feierlichen Krönung inauguri-<lb/> ren will, berathen wir uns ſchon über die deutſche Stadt welche das meiſte<lb/> Anrecht darauf habe dieſes welthiſtoriſche Feſt in ihren Mauern begangen<lb/> zu ſehen. Soll unſere Wahl von den Gründen der vergangenen Herrlich-<lb/> keit deutſcher Städte geleitet werden, wie man ſolche für Nürnberg in die<lb/> Wagſchale legt, ſo dürfte kaum eine Entſcheidung zu finden ſein; denn<lb/> ſtattlich iſt die Zahl derjenigen an welche ſich große Momente aus der<lb/> deutſchen Geſchichte knüpfen, und die von ehemaliger Macht und Ehre zu<lb/> erzählen wiſſen. Schenkendorf ſelbſt, deſſen Dichterworte zu Gunſten<lb/> Nürnbergs angerufen werden, würde am allerwenigſten eine ſolche Wahl<lb/> zu treffen wagen, nachdem er in ſeinem angezogenen Liede den Ruhm der<lb/> deutſchen Städe gefeiert und ſie als ebenbürtig nebeneinander aufgeführt<lb/> hat. Wenn aber überhaupt Traditionen aus den Zeiten des alten Reichs<lb/> maßgebend ſein ſollen, ſo laſſen dieſelben ſich wohl verbinden mit theuern Er-<lb/> innerungen aus der Geſchichte der letzten Decennien, wenn wir Frankfurt<lb/> am Main wählen — dieſe erſte Hauptſtadt des oſtfränkiſchen Reichs unter<lb/> Ludwig dem Deutſchen, dieſe Wahlſtadt deutſcher Kaiſer ſeit Friedrich <hi rendition="#aq">I</hi>,<lb/> wo auch die letzte deutſche Kaiſerkrönung ſtattfand, und im Dom und im<lb/> Römer noch ehrwürdige Zeugen und Denkmale der alten Kaiſerfeſte uns<lb/> bewahrt geblieben ſind.</p><lb/> <p>Nach Frankfurt am Main ſchickte auch im Jahr 1848, als es ſich um<lb/> die Wiederaufrichtung der Einheit und Größe des Reichs handelte, das<lb/> deutſche Volk ſeine Vertreter, und dieſe nahmen die Kaiſeridee auf, indem<lb/> ſie den Bau der neuen Reichsverfaſſung mit einem Erbkaiſerthum abſchloſ-<lb/> ſen, und die Würde desſelben Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi> und ſeinem Haus an-<lb/> trugen. Wir brechen den unſterblichen Verdienſten König Wilhelms<lb/> und Bismarcks nichts ab, wenn wir behaupten daß ſie die nationale Frage<lb/> in Deutſchland als eine drängende vorfanden und darum auf die Bahn<lb/> ihrer großen Thaten von dem Willen des deutſchen Volkes ſelbſt geführt<lb/> wurden; wie denn auch die deutſche Idee ihr mächtigſter Bundesgenoſſe<lb/> war und iſt. Nun, nachdem ſie mit genialer Staatskunſt und ſtarkem Arm<lb/> verwirklicht was dem Parlament nicht gelang, die Wiederherſtellung des<lb/> Reichs, möge die Kaiſerkrönung, als der Abſchluß der nationalen Bewe-<lb/> gung, auch dort gefeiert werden wo dieſe ſich ihre erſte Repräſentation<lb/> und Autorität aufrichtete — in Frankfurt am Main. In der Wahl<lb/> Frankfurts zur Feſtſtadt liegt eine Anerkennung und Ehrung der Jahre<lb/> 1848 und 1849, und wird dem thatſächlichen Zuſammenhang des neuen<lb/> Reichs mit den nationalen Beſtrebungen von damals ein höchſter Ausdruck<lb/> gegeben. Kaiſer und Reich ſind ein Werk welches gemeinſam durch<lb/> Deutſchlands Fürſten und Deutſchlands Volk geſchaffen wurde, und darum<lb/> ſoll die Inauguration dieſes neuen Abſchnittes unſerer Geſchichte auch da-<lb/> von Zeugniß geben. Dazu kommt dann die günſtige geographiſche Lage<lb/> Frankfurts; in der Mitte von Deutſchland begegnen ſich hier der Norden<lb/> und der Süden; die Stadt ſelbſt hat kein ſpeciſiſches Stammes- und con-<lb/> feſſionelles Gepräge; ſie iſt auch größer als Nürnberg, und darum<lb/> mehr geeignet die Zahl der Gäſte zu faſſen welche aus allen Theilen des<lb/> Vaterlands herbeiſtrömen werden. Und was endlich für das Krönungs-<lb/> feſt noch beſonders in Betracht fällt, das ſind die Umgebungen. Namentlich<lb/> in dieſer Beziehung kann Nürnberg mit Frankfurt keinen Vergleich aus-<lb/> halten. Von Frankfurt aus wird ſich vorausſichtlich die Feier bis zum<lb/> nahe gelegenen Rhein, dem Strome bei deſſen Namen ſchon jedes deutſche<lb/> Herz höher ſchlägt, und in die ehrwürdigen Städte welche an ſeinen Ufern<lb/> ſich erheben, ausbreiten. In einer Rheinfahrt wird der Feſtzug an zahl-<lb/> reichen Stätten vorüberkommen welche alle Erinnerungen aus unſerer<lb/> Geſchichte wachrufen, er wird die Stadt der Kaiſergräber, Speyer, und die<lb/> Stadt der berühmten Reichstage, Worms, betreten, und endlich in Köln<lb/> anlangen, wo der unvergleichliche Dom den neuen Kaiſer und ſein Gefolge<lb/><cb/> in ſeine heiligen Hallen einlädt. Längſt iſt dieſer erhabene Bau, zu deſſen<lb/> Vollendung ganz Deutſchland einmüthig zuſammenwirkt, als ein Symbol<lb/> für die Einigkeit der Nation betrachtet worden, und ſo würde ſich dann<lb/> wenigſtens ein Theil des Wunſches jetzt ſchon erfüllen welchen Friedrich<lb/> Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi> bei der Wiederaufnahme des Baues am 4 Sept. 1842 ausſpach:<lb/> „Mögen die Thore des Doms die Thore einer neuen, großen, guten Zeit<lb/> werden — mögen dem Geiſte deutſcher Einigkeit und Kraft die Kölner<lb/> Dompforten Thore des herrlichſten Triumphes werden.“ Fügte es dann<lb/> noch die Gunſt der Verhältniſſe daß das Feſt in die Zeit des aufbrechenden<lb/> Frühlings fiele, ſo würde die Natur am Rhein mit der Kunſt in ſeinen<lb/> zahlreichen Städten und Burgen nur im Feſtſchmucke wetteifern.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">*</hi> </p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <dateline>⸫ <hi rendition="#b">Bonn,</hi> im Febr.</dateline> <p>Der Wettſtreit der auf die Ehre der Kaiſer-<lb/> krönung Anſpruch erhebenden Städte droht ein Streit um des Kaiſers<lb/> Bart zu werden. Obgleich ein Sohn der <hi rendition="#g">einzigen</hi> deutſchen Stadt<lb/> welche ein hiſtoriſches Recht hat, will ich unter ſo gänzlich veränderten<lb/> Verhältniſſen, wie die gegenwärtigen ſind, ein ſolches Recht Aachens nicht<lb/> als maßgebend voranſtellen. Die Forderung daß hiſtoriſche Thatſachen<lb/> nicht entſtellt und durcheinander geworfen werden, dürfte jedoch eine un-<lb/> abweisliche ſein. Wenn in dieſen Blättern (1871 Nr. 7) von „hiſtoriſchen<lb/> Anſprüchen“ von Worms die Rede iſt, ſo geſtehe ich nicht zu wiſſen woher<lb/> dieſe ſtammen ſollen, da in Worms kein deutſcher König gekrönt worden<lb/> iſt. Frankfurt, die ehrwürdige Wahlſtadt, iſt ſeit Maximilian <hi rendition="#aq">II</hi> auch für<lb/> die Mehrzahl der Könige und erwählten Kaiſer, acht bis auf Franz <hi rendition="#aq">II,</hi><lb/> Krönungsſtadt geweſen, aber unter ausdrücklichem Vorbehalt daß „dem<lb/> altlöblichen Gebrauch und Herkommen noch auch hergebrachtem Recht und<lb/> Gerechtigkeit derer von Aachen und des löblichen Stuhls, auch Stiftes da-<lb/> ſelbſt, kein Präjudiz daraus erwachſen ſollte.“ In Augsburg, Regensburg,<lb/> Köln haben von Rudolf <hi rendition="#aq">II</hi> bis zu Joſeph <hi rendition="#aq">I</hi> einzelne Krönungen ſtattgefunden,<lb/> immer unter gleichem Vorbehalt. In Nr. 38 d. Bl. wird Nürnberg in Aus-<lb/> ſicht genommen. Wer möchte Nürnbergs Bedeutung und Würde in Ab-<lb/> rede ſtellen? Aber die Beziehung auf die Stammburg der Hohenzollern<lb/> trifft nicht zu, denn jeder weiß daß die Nürnberger Burg nichts mit den<lb/> Zollern’ſchen Burggrafen zu thun hat, deren Stellung zur Stadt auch nicht<lb/> eben die freundlichſte zu ſein pflegte. Nicht begründeter iſt was in einem<lb/> aus Straßburg datirten Aufſatz in derſelben Nummer zu leſen iſt. Hienach<lb/> ſind in Aachen „die Kaiſergräber zerſtört, ihr Staub iſt von frevelnden<lb/> Händen in die Winde zerſtreut.“ Der Verfaſſer ſcheint an Speier gedacht<lb/> zu haben. Von Karls des Großen Grab hat man allerdings ſeit Friedrich<lb/> dem Nothbart keine Kunde, aber deſſen ſterbliche Neſte liegen wo des<lb/> Rothbarts Enkel ſie hinlegen ließ, in einer der ſchönſten Laden mittelalter-<lb/> licher Kunſt. Otto’s <hi rendition="#aq">III</hi> Gruft iſt nicht zerſtört; ſeine Gebeine aber ſind<lb/> zur napoleoniſchen Zeit nach Paris gebracht worden. Aachen als Kaiſer-<lb/> ſtadt iſt wohl „eine ehrwürdige Antiquität,“ nur nicht in dem Sinne welchen<lb/> der Verfaſſer des angeführten Artikels dem Worte gibt. Auf den Schlacht-<lb/> feldern im Weſten iſt die neue Kaiſerkrone erkämpft worden; das rheiniſche<lb/> Land hat heute erſt ſeine alte rechte Bedeutung als fränkiſch-deutſcher<lb/> Boden für Deutſchland wieder erlangt, nun der Rhein wahrhaft wieder<lb/> deutſch geworden iſt. Die Erinnerung aber an die zweiunddreißig deut-<lb/> ſchen Könige die ſeit dem Ende des Karolingerreichs in Aachen die Krone<lb/> einpfiengen, iſt mehr als antiquariſche Reminiſcenz.</p><lb/> <p>Die Hinweiſung auf Aachens „Ultramontanismus“ und auf die<lb/> „peinlichen Eindrücke auf die große Mehrheit des deutſchen Volkes“ kann<lb/> nur peinlich berühren. Das iſt die Geſinnung nicht welcher König<lb/> Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi> Worte lieh, als er vor 28 Jahren den Grundſtein<lb/> zum Fortbau des Kölner Doms legte, als er ſprach „von dem Bruderſinn<lb/> verſchiedener Bekenntniſſe, der inne geworden daß ſie Eines ſind in dem<lb/> einigen göttlichen Haupte.“ Wie am Kölner Dom, haben am deutſchen<lb/> Reich alle Bekenntniſſe mitgebaut — das katholiſche Deutſchland hat<lb/> ebenſo wie das proteſtantiſche auf dem Kampfplatze ſein Blut vergoſſen,<lb/> ohne zu fragen welcher Confeſſion ſein neuer Kaiſer angehörte. Wenn je<lb/> ein Moment ungeeignet iſt auf ſolche Unterſchiede in der deutſchen Nation<lb/> hinzuweiſen, ſo iſt es der gegenwärtige, wo alle Stämme einander in Bru-<lb/> dertreue die Hand reichen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Eine Anklage gegen die deutſche Kriegführung.</hi> </hi> </head><lb/> <p>* Aus England erhalten wir wiederholte Zuſchriften welche unter<lb/> Beilegung des unten folgenden Berichts aus der „Daily News“ uns drin-<lb/> gend erſuchen durch Abdruck desſelben erſtens den Schein zu vermeiden als<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.
Ueberſicht.
Zur deutſchen Kaiſerkrönung. — Eine Anklage gegen die deutſche Krieg-
führung. — Der Krieg. — Verſchiedenes.
Zur deutſchen Kaiſerkrönung. *)
∴ München, 12 Febr. Die Romantik ſtirbt in Deutſchland
nicht aus; ehe uns noch eine officielle Kunde darüber geworden iſt daß
Kaiſer Wilhelm ſeine neue Würde mit einer feierlichen Krönung inauguri-
ren will, berathen wir uns ſchon über die deutſche Stadt welche das meiſte
Anrecht darauf habe dieſes welthiſtoriſche Feſt in ihren Mauern begangen
zu ſehen. Soll unſere Wahl von den Gründen der vergangenen Herrlich-
keit deutſcher Städte geleitet werden, wie man ſolche für Nürnberg in die
Wagſchale legt, ſo dürfte kaum eine Entſcheidung zu finden ſein; denn
ſtattlich iſt die Zahl derjenigen an welche ſich große Momente aus der
deutſchen Geſchichte knüpfen, und die von ehemaliger Macht und Ehre zu
erzählen wiſſen. Schenkendorf ſelbſt, deſſen Dichterworte zu Gunſten
Nürnbergs angerufen werden, würde am allerwenigſten eine ſolche Wahl
zu treffen wagen, nachdem er in ſeinem angezogenen Liede den Ruhm der
deutſchen Städe gefeiert und ſie als ebenbürtig nebeneinander aufgeführt
hat. Wenn aber überhaupt Traditionen aus den Zeiten des alten Reichs
maßgebend ſein ſollen, ſo laſſen dieſelben ſich wohl verbinden mit theuern Er-
innerungen aus der Geſchichte der letzten Decennien, wenn wir Frankfurt
am Main wählen — dieſe erſte Hauptſtadt des oſtfränkiſchen Reichs unter
Ludwig dem Deutſchen, dieſe Wahlſtadt deutſcher Kaiſer ſeit Friedrich I,
wo auch die letzte deutſche Kaiſerkrönung ſtattfand, und im Dom und im
Römer noch ehrwürdige Zeugen und Denkmale der alten Kaiſerfeſte uns
bewahrt geblieben ſind.
Nach Frankfurt am Main ſchickte auch im Jahr 1848, als es ſich um
die Wiederaufrichtung der Einheit und Größe des Reichs handelte, das
deutſche Volk ſeine Vertreter, und dieſe nahmen die Kaiſeridee auf, indem
ſie den Bau der neuen Reichsverfaſſung mit einem Erbkaiſerthum abſchloſ-
ſen, und die Würde desſelben Friedrich Wilhelm IV und ſeinem Haus an-
trugen. Wir brechen den unſterblichen Verdienſten König Wilhelms
und Bismarcks nichts ab, wenn wir behaupten daß ſie die nationale Frage
in Deutſchland als eine drängende vorfanden und darum auf die Bahn
ihrer großen Thaten von dem Willen des deutſchen Volkes ſelbſt geführt
wurden; wie denn auch die deutſche Idee ihr mächtigſter Bundesgenoſſe
war und iſt. Nun, nachdem ſie mit genialer Staatskunſt und ſtarkem Arm
verwirklicht was dem Parlament nicht gelang, die Wiederherſtellung des
Reichs, möge die Kaiſerkrönung, als der Abſchluß der nationalen Bewe-
gung, auch dort gefeiert werden wo dieſe ſich ihre erſte Repräſentation
und Autorität aufrichtete — in Frankfurt am Main. In der Wahl
Frankfurts zur Feſtſtadt liegt eine Anerkennung und Ehrung der Jahre
1848 und 1849, und wird dem thatſächlichen Zuſammenhang des neuen
Reichs mit den nationalen Beſtrebungen von damals ein höchſter Ausdruck
gegeben. Kaiſer und Reich ſind ein Werk welches gemeinſam durch
Deutſchlands Fürſten und Deutſchlands Volk geſchaffen wurde, und darum
ſoll die Inauguration dieſes neuen Abſchnittes unſerer Geſchichte auch da-
von Zeugniß geben. Dazu kommt dann die günſtige geographiſche Lage
Frankfurts; in der Mitte von Deutſchland begegnen ſich hier der Norden
und der Süden; die Stadt ſelbſt hat kein ſpeciſiſches Stammes- und con-
feſſionelles Gepräge; ſie iſt auch größer als Nürnberg, und darum
mehr geeignet die Zahl der Gäſte zu faſſen welche aus allen Theilen des
Vaterlands herbeiſtrömen werden. Und was endlich für das Krönungs-
feſt noch beſonders in Betracht fällt, das ſind die Umgebungen. Namentlich
in dieſer Beziehung kann Nürnberg mit Frankfurt keinen Vergleich aus-
halten. Von Frankfurt aus wird ſich vorausſichtlich die Feier bis zum
nahe gelegenen Rhein, dem Strome bei deſſen Namen ſchon jedes deutſche
Herz höher ſchlägt, und in die ehrwürdigen Städte welche an ſeinen Ufern
ſich erheben, ausbreiten. In einer Rheinfahrt wird der Feſtzug an zahl-
reichen Stätten vorüberkommen welche alle Erinnerungen aus unſerer
Geſchichte wachrufen, er wird die Stadt der Kaiſergräber, Speyer, und die
Stadt der berühmten Reichstage, Worms, betreten, und endlich in Köln
anlangen, wo der unvergleichliche Dom den neuen Kaiſer und ſein Gefolge
in ſeine heiligen Hallen einlädt. Längſt iſt dieſer erhabene Bau, zu deſſen
Vollendung ganz Deutſchland einmüthig zuſammenwirkt, als ein Symbol
für die Einigkeit der Nation betrachtet worden, und ſo würde ſich dann
wenigſtens ein Theil des Wunſches jetzt ſchon erfüllen welchen Friedrich
Wilhelm IV bei der Wiederaufnahme des Baues am 4 Sept. 1842 ausſpach:
„Mögen die Thore des Doms die Thore einer neuen, großen, guten Zeit
werden — mögen dem Geiſte deutſcher Einigkeit und Kraft die Kölner
Dompforten Thore des herrlichſten Triumphes werden.“ Fügte es dann
noch die Gunſt der Verhältniſſe daß das Feſt in die Zeit des aufbrechenden
Frühlings fiele, ſo würde die Natur am Rhein mit der Kunſt in ſeinen
zahlreichen Städten und Burgen nur im Feſtſchmucke wetteifern.
*
⸫ Bonn, im Febr. Der Wettſtreit der auf die Ehre der Kaiſer-
krönung Anſpruch erhebenden Städte droht ein Streit um des Kaiſers
Bart zu werden. Obgleich ein Sohn der einzigen deutſchen Stadt
welche ein hiſtoriſches Recht hat, will ich unter ſo gänzlich veränderten
Verhältniſſen, wie die gegenwärtigen ſind, ein ſolches Recht Aachens nicht
als maßgebend voranſtellen. Die Forderung daß hiſtoriſche Thatſachen
nicht entſtellt und durcheinander geworfen werden, dürfte jedoch eine un-
abweisliche ſein. Wenn in dieſen Blättern (1871 Nr. 7) von „hiſtoriſchen
Anſprüchen“ von Worms die Rede iſt, ſo geſtehe ich nicht zu wiſſen woher
dieſe ſtammen ſollen, da in Worms kein deutſcher König gekrönt worden
iſt. Frankfurt, die ehrwürdige Wahlſtadt, iſt ſeit Maximilian II auch für
die Mehrzahl der Könige und erwählten Kaiſer, acht bis auf Franz II,
Krönungsſtadt geweſen, aber unter ausdrücklichem Vorbehalt daß „dem
altlöblichen Gebrauch und Herkommen noch auch hergebrachtem Recht und
Gerechtigkeit derer von Aachen und des löblichen Stuhls, auch Stiftes da-
ſelbſt, kein Präjudiz daraus erwachſen ſollte.“ In Augsburg, Regensburg,
Köln haben von Rudolf II bis zu Joſeph I einzelne Krönungen ſtattgefunden,
immer unter gleichem Vorbehalt. In Nr. 38 d. Bl. wird Nürnberg in Aus-
ſicht genommen. Wer möchte Nürnbergs Bedeutung und Würde in Ab-
rede ſtellen? Aber die Beziehung auf die Stammburg der Hohenzollern
trifft nicht zu, denn jeder weiß daß die Nürnberger Burg nichts mit den
Zollern’ſchen Burggrafen zu thun hat, deren Stellung zur Stadt auch nicht
eben die freundlichſte zu ſein pflegte. Nicht begründeter iſt was in einem
aus Straßburg datirten Aufſatz in derſelben Nummer zu leſen iſt. Hienach
ſind in Aachen „die Kaiſergräber zerſtört, ihr Staub iſt von frevelnden
Händen in die Winde zerſtreut.“ Der Verfaſſer ſcheint an Speier gedacht
zu haben. Von Karls des Großen Grab hat man allerdings ſeit Friedrich
dem Nothbart keine Kunde, aber deſſen ſterbliche Neſte liegen wo des
Rothbarts Enkel ſie hinlegen ließ, in einer der ſchönſten Laden mittelalter-
licher Kunſt. Otto’s III Gruft iſt nicht zerſtört; ſeine Gebeine aber ſind
zur napoleoniſchen Zeit nach Paris gebracht worden. Aachen als Kaiſer-
ſtadt iſt wohl „eine ehrwürdige Antiquität,“ nur nicht in dem Sinne welchen
der Verfaſſer des angeführten Artikels dem Worte gibt. Auf den Schlacht-
feldern im Weſten iſt die neue Kaiſerkrone erkämpft worden; das rheiniſche
Land hat heute erſt ſeine alte rechte Bedeutung als fränkiſch-deutſcher
Boden für Deutſchland wieder erlangt, nun der Rhein wahrhaft wieder
deutſch geworden iſt. Die Erinnerung aber an die zweiunddreißig deut-
ſchen Könige die ſeit dem Ende des Karolingerreichs in Aachen die Krone
einpfiengen, iſt mehr als antiquariſche Reminiſcenz.
Die Hinweiſung auf Aachens „Ultramontanismus“ und auf die
„peinlichen Eindrücke auf die große Mehrheit des deutſchen Volkes“ kann
nur peinlich berühren. Das iſt die Geſinnung nicht welcher König
Friedrich Wilhelm IV Worte lieh, als er vor 28 Jahren den Grundſtein
zum Fortbau des Kölner Doms legte, als er ſprach „von dem Bruderſinn
verſchiedener Bekenntniſſe, der inne geworden daß ſie Eines ſind in dem
einigen göttlichen Haupte.“ Wie am Kölner Dom, haben am deutſchen
Reich alle Bekenntniſſe mitgebaut — das katholiſche Deutſchland hat
ebenſo wie das proteſtantiſche auf dem Kampfplatze ſein Blut vergoſſen,
ohne zu fragen welcher Confeſſion ſein neuer Kaiſer angehörte. Wenn je
ein Moment ungeeignet iſt auf ſolche Unterſchiede in der deutſchen Nation
hinzuweiſen, ſo iſt es der gegenwärtige, wo alle Stämme einander in Bru-
dertreue die Hand reichen.
Eine Anklage gegen die deutſche Kriegführung.
* Aus England erhalten wir wiederholte Zuſchriften welche unter
Beilegung des unten folgenden Berichts aus der „Daily News“ uns drin-
gend erſuchen durch Abdruck desſelben erſtens den Schein zu vermeiden als
*) Durch Aufnahme der nachfolgenden beiden Erwiederungen glauben wir un-
ſerer publieiſtiſchen Pflicht vollauf Genüge gethan zu baber, weßhalb wir die
Frage bis zu ihrer endgültigen Eutſcheidung auf ſich beruhen laſſen. D. R.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |