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Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914.

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17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Die Franzosen begehen neuerdings den infamen Streich, gleich-
zeitig über die Beschießung der Kathedrale von Reims in aller Welt
zu lamentieren und dieselbe dort als Deckung für ihre Batterien zu
verwenden. Es wird darüber gemeldet:

Dicht bei der Kathedrale von Reims sind zwei schwere franzö-
sische Batterien festgestellt. Ferner wurden von einem Turm der
Kathedrale Lichtsignale beobachtet. Es ist selbstverständlich, daß alle
unseren Truppen nachteiligen feindlichen Maßnahmen und Streit-
mittel bekämpft werden ohne Rücksicht auf die Schonung der Kathe-
drale. Die Franzosen tragen also jetzt wie früher selbst die Schuld
daran, wenn der ehrwürdige Bau weiter ein Opfer des Krieges
wird.

Es gehört zum kaum minder schwierigen diplomatischen Kampf
mit unseren Gegnern, wenn die offiziöse Norddeutsche Allgemeine
Zeitung abermals auf Grund der Entdeckung wichtiger Dokumente im
Archiv des belgischen Generalstabs neuerdings das Wort ergreift über
"den Bruch der belgischen Neutralität durch Eng-
land und Belgien
".

Durch die eigenen Erklärungen Sir Edward Greys ist die Be-
hauptung der englischen Regierung bereits als unhaltbar erwiesen,
daß die Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland das
Eingreifen Englands in den gegenwärtigen Krieg veranlaßt hat.
Das Pathos sittlicher Entrüstung, mit dem der deutsche Einmarsch in
Belgien von englischer Seite zur Stimmungsmache gegen Deutsch-
land bei den Neutralen verwertet worden ist, findet eine neue und
eigenartige Beleuchtung durch gewisse Dokumente, die die deutsche
Heeresverwaltung in den Archiven des belgischen Generalstabs in
Brüssel aufgefunden hat.

Aus dem Inhalt einer Mappe, welche die Aufschrift trägt:
"Intervention anglaise en Belgique" geht hervor, daß schon
im Jahre
1906 die Entsendung eines englischen Expeditionskorps
nach Belgien für den Fall eines deutsch-französischen Krieges in Aus-
sicht genommen war. Nach einem vorgefundenen Schreiben an den
belgischen Kriegsminister vom 10. April 1906 hat der Chef des belgi-
schen Generalstabs mit dem damaligen englischen Militärattache in
Brüssel, Oberstleutnant Barnardiston, auf dessen Anregung in
wiederholten Beratungen einen eingehenden Plan für gemeinsame
Operationen eines englischen Expeditionskorps von 100,000 Mann
mit der belgischen Armee gegen Deutschland ausgearbeitet.

Der Plan fand die Billigung des Chefs des englischen General-
stabs Generalmajors Grieson. Dem belgischen Generalstab wur-
den alle Angaben über die Stärke und die Gliederung der englischen
Truppenteile, über die Zusammensetzung des Expeditionskorps, die
Ausschiffungspunkte, eine genaue Zeitberechnung für den Abtrans-
port und dergl. geliefert. Auf Grund dieser Nachrichten hat der bel-
gische Generalstab den Transport der englischen Truppen in das bel-
gische Aufmarschgebiet, ihre Unterbringung und Ernährung dort ein-
gehend vorbereitet. Bis in alle Einzelheiten ist das Zusammen-
wirken sorgfältig ausgearbeitet worden. So sollten der englischen
Armee eine große Anzahl Dolmetscher und belgische Gendarmen zur
Verfügung gestellt und die nötigen Karten geliefert werden. Selbst
an die Versorgung englischer Verwundeter war bereits gedacht wor-
den. Dünkirchen, Calais und Boulogne waren als Ausschiffungs-
punkte für die englischen Truppen vorgesehen. Von hier aus sollten
sie mit belgischem Eisenbahnmaterial in das Aufmarschgebiet gebracht
werden.

Die beabsichtigte Ausladung in den französischen Häfen und der
Transport durch französisches Gebiet beweist, daß den englischen und
belgischen Vereinbarungen solche mit dem französischen Generalstab
vorausgegangen waren. Die drei Mächte haben die Pläne für ein
Zusammenarbeiten der "verbündeten Armeen", wie es in dem
Schriftstück heißt, genau festgelegt. Dafür spricht auch, daß in den
Geheimakten eine Karte des französischen Aufmarsches gefunden wor-
den ist.

Das erwähnte Schreiben enthält einige Bemerkungen von be-
sonderem Interesse. Es heißt dort an einer Stelle, Oberstleutnant
Barnardiston habe bemerkt, daß man zurzeit auf die Unterstützung
Hollands nicht rechnen könne, er habe ferner vertraulich mitgeteilt,
daß die englische Regierung die Absicht habe, die Basis für den eng-
lischen Verpflegungsnachschub nach Antwerpen zu verlegen, sobald
die Nordsee von allen deutschen Kriegsschiffen gesäubert sei. Des
weiteren regte der englische Militärattache die Einrichtung eines
belgischen Spionagedienstes an.

[Spaltenumbruch]

Ueber die Kämpfe in Frankreich, insbesondere in Nord-
westen gibt das Wolffsche Telegraphenbureau nachstehende Mit-
teilungen, zum Teil aus französischen Meldungen und Telegrammen
aus und zwar aus

Bordeaux, 3. Oktober:
Nach hier eingetroffenen Meldungen dehnte sich der große
Kampf
zwischen den Verbündeten und Deutschen im Nordwesten
noch aus. Das Vorrücken der Verbündeten über Arras war ein
Gegenzug gegen das Vorrücken der Deutschen auf der Linie Armen-
tieres-Tourcoing. Gestern fanden heftige Kleinkämpfe zwischen deut-
schen und französischen Vorposten statt. Neue deutsche Truppenteile
rückten heran, was darauf schließen läßt, daß die Deutschen ihre
Heere in Nordfrankreich in möglichst großem Umfange verstärken.

Westlich Lille ist von unserer Kavallerie am 10. Oktober eine
französische Kavallerie-Division völlig, bei Hazebrouck eine andere
französische Kavallerie-Division unter schweren Verlusten geschlagen
worden. Die Kämpfe in der Front führten im Westen bisher zu
keiner Entscheidung.

Dem "Temps" zufolge sind drei Pariser Stadträte in Bor-
deaux
eingetroffen zwecks Beratung mit den Ministern wegen des
riesigen Ausfalles in den Pariser Finanzen. Die Arbeits-
losigkeit
verursachte Ausgaben in Höhe von 9 Millionen Franks
monatlich. Ueberdies wurden 3 Millionen verausgabt für die
Frauen und Kinder Eingezogener, bevor der Staat eingriff. Seit
August gingen z. B. die Erträge aus den Verbrauchssteuern und
dem Oktroi um fast 60 Prozent zurück. Daher droht ein riesiges
Defizit.

In einer Sitzung der Handelskammer mit Vertretern von acht
großen Syndikaten wurden die Transport- und Verkehrs-
schwierigkeiten
besprochen, besonders im Postdienst, und ein-
mütig scharf kritisiert. Man sprach sich dahin aus, das die Arbeits-
möglichkeiten vermehrt werden müßten, besonders für Gebrauchs-
gegenstände, wie Schuhwerk, Winterkleidung, Hemden, Strumpf-
waren usw.

Hinsichtlich der bisher größtenteils aus Deutschland kommenden
pharmazeutischen Präparate wurde empfohlen, das Publikum auf
die gleichen französischen und belgischen Artikel hinzuweisen, jedoch
nicht zu Mitteln zu greifen, wie England bei den deutschen Patenten.


Unterm 13. ds. meldet die Oberste Heeresleitung aus dem
Großen Hauptquartier (seit dem Abgang des Generalquatiermeisters
v. Stein zur Truppe sind die Mitteilungen aus dem Großen Haupt-
quartier nicht mehr mit Namen unterzeichnet) über die Lage im
Westen:

Vom westlichen Kriegsschauplatz liegen Nachrichten von Bedeu-
tung nicht vor. Heftige Angriffe des Feindes östlich Soissons
sind abgewiesen worden.

Im Argonner-Wald finden andauernd erbitterte Kämpfe
statt. Unsere Truppen arbeiten sich in dichtem Unterholz und äußerst
schwierigem Gelände mit allen Mitteln des Festungskrieges Schritt
für Schritt vorwärts. Die Franzosen leisten hartnäckigen Wider-
stand, schießen von den Bäumen und mit Maschinengewehren von
Baumkanzeln und haben neben etagenweise angelegten Schützen-
gräben starke festungsartige Stützpunkte eingerichtet.

Die von der französischen Heeresleitung verbreiteten Nachrichten
über Erfolge ihrer Truppen in der Woevre-Ebene sind unwahr. Nach
Gefangenenaussagen ist den Truppen mitgeteilt worden, die Deut-
schen seien geschlagen und mehrere Forts von Metz bereits gefallen.
Tatsächlich haben unsere dort fechtenden Truppen an keiner Stelle
Gelände verloren. Etain ist nach wie vor in unserem Besitz. Die
heftigen französischen Angriffe gegen unsere Stellungen bei St. Mi-
hiel sind sämtlich abgewiesen worden.


Die französischen Torpedoboote 333 und 347 sind am
9. ds. auf hoher See zusammengestoßen und sofort gesunken.
Die Besatzungen wurden gerettet. Ein Matrose wurde schwer ver-
letzt. Die Torpedoboote liegen in einer Tiefe von 300 Metern.

Der Feind im Osten.

Auf dem östlichen Kriegsschauplatze wurden im Norden alle
Angriffe der 1. und 10. russischen Armee gegen die ostpreußi-
schen Armeen von diesen am 9. und 10. Oktober zurückgeschla-
gen.
Auch ein Umfassungsversuch der Russen über

17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Die Franzoſen begehen neuerdings den infamen Streich, gleich-
zeitig über die Beſchießung der Kathedrale von Reims in aller Welt
zu lamentieren und dieſelbe dort als Deckung für ihre Batterien zu
verwenden. Es wird darüber gemeldet:

Dicht bei der Kathedrale von Reims ſind zwei ſchwere franzö-
ſiſche Batterien feſtgeſtellt. Ferner wurden von einem Turm der
Kathedrale Lichtſignale beobachtet. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß alle
unſeren Truppen nachteiligen feindlichen Maßnahmen und Streit-
mittel bekämpft werden ohne Rückſicht auf die Schonung der Kathe-
drale. Die Franzoſen tragen alſo jetzt wie früher ſelbſt die Schuld
daran, wenn der ehrwürdige Bau weiter ein Opfer des Krieges
wird.

Es gehört zum kaum minder ſchwierigen diplomatiſchen Kampf
mit unſeren Gegnern, wenn die offiziöſe Norddeutſche Allgemeine
Zeitung abermals auf Grund der Entdeckung wichtiger Dokumente im
Archiv des belgiſchen Generalſtabs neuerdings das Wort ergreift über
den Bruch der belgiſchen Neutralität durch Eng-
land und Belgien
“.

Durch die eigenen Erklärungen Sir Edward Greys iſt die Be-
hauptung der engliſchen Regierung bereits als unhaltbar erwieſen,
daß die Verletzung der belgiſchen Neutralität durch Deutſchland das
Eingreifen Englands in den gegenwärtigen Krieg veranlaßt hat.
Das Pathos ſittlicher Entrüſtung, mit dem der deutſche Einmarſch in
Belgien von engliſcher Seite zur Stimmungsmache gegen Deutſch-
land bei den Neutralen verwertet worden iſt, findet eine neue und
eigenartige Beleuchtung durch gewiſſe Dokumente, die die deutſche
Heeresverwaltung in den Archiven des belgiſchen Generalſtabs in
Brüſſel aufgefunden hat.

Aus dem Inhalt einer Mappe, welche die Aufſchrift trägt:
Intervention anglaise en Belgique“ geht hervor, daß ſchon
im Jahre
1906 die Entſendung eines engliſchen Expeditionskorps
nach Belgien für den Fall eines deutſch-franzöſiſchen Krieges in Aus-
ſicht genommen war. Nach einem vorgefundenen Schreiben an den
belgiſchen Kriegsminiſter vom 10. April 1906 hat der Chef des belgi-
ſchen Generalſtabs mit dem damaligen engliſchen Militärattaché in
Brüſſel, Oberſtleutnant Barnardiſton, auf deſſen Anregung in
wiederholten Beratungen einen eingehenden Plan für gemeinſame
Operationen eines engliſchen Expeditionskorps von 100,000 Mann
mit der belgiſchen Armee gegen Deutſchland ausgearbeitet.

Der Plan fand die Billigung des Chefs des engliſchen General-
ſtabs Generalmajors Grieſon. Dem belgiſchen Generalſtab wur-
den alle Angaben über die Stärke und die Gliederung der engliſchen
Truppenteile, über die Zuſammenſetzung des Expeditionskorps, die
Ausſchiffungspunkte, eine genaue Zeitberechnung für den Abtrans-
port und dergl. geliefert. Auf Grund dieſer Nachrichten hat der bel-
giſche Generalſtab den Transport der engliſchen Truppen in das bel-
giſche Aufmarſchgebiet, ihre Unterbringung und Ernährung dort ein-
gehend vorbereitet. Bis in alle Einzelheiten iſt das Zuſammen-
wirken ſorgfältig ausgearbeitet worden. So ſollten der engliſchen
Armee eine große Anzahl Dolmetſcher und belgiſche Gendarmen zur
Verfügung geſtellt und die nötigen Karten geliefert werden. Selbſt
an die Verſorgung engliſcher Verwundeter war bereits gedacht wor-
den. Dünkirchen, Calais und Boulogne waren als Ausſchiffungs-
punkte für die engliſchen Truppen vorgeſehen. Von hier aus ſollten
ſie mit belgiſchem Eiſenbahnmaterial in das Aufmarſchgebiet gebracht
werden.

Die beabſichtigte Ausladung in den franzöſiſchen Häfen und der
Transport durch franzöſiſches Gebiet beweiſt, daß den engliſchen und
belgiſchen Vereinbarungen ſolche mit dem franzöſiſchen Generalſtab
vorausgegangen waren. Die drei Mächte haben die Pläne für ein
Zuſammenarbeiten der „verbündeten Armeen“, wie es in dem
Schriftſtück heißt, genau feſtgelegt. Dafür ſpricht auch, daß in den
Geheimakten eine Karte des franzöſiſchen Aufmarſches gefunden wor-
den iſt.

Das erwähnte Schreiben enthält einige Bemerkungen von be-
ſonderem Intereſſe. Es heißt dort an einer Stelle, Oberſtleutnant
Barnardiſton habe bemerkt, daß man zurzeit auf die Unterſtützung
Hollands nicht rechnen könne, er habe ferner vertraulich mitgeteilt,
daß die engliſche Regierung die Abſicht habe, die Baſis für den eng-
liſchen Verpflegungsnachſchub nach Antwerpen zu verlegen, ſobald
die Nordſee von allen deutſchen Kriegsſchiffen geſäubert ſei. Des
weiteren regte der engliſche Militärattaché die Einrichtung eines
belgiſchen Spionagedienſtes an.

[Spaltenumbruch]

Ueber die Kämpfe in Frankreich, insbeſondere in Nord-
weſten gibt das Wolffſche Telegraphenbureau nachſtehende Mit-
teilungen, zum Teil aus franzöſiſchen Meldungen und Telegrammen
aus und zwar aus

Bordeaux, 3. Oktober:
Nach hier eingetroffenen Meldungen dehnte ſich der große
Kampf
zwiſchen den Verbündeten und Deutſchen im Nordweſten
noch aus. Das Vorrücken der Verbündeten über Arras war ein
Gegenzug gegen das Vorrücken der Deutſchen auf der Linie Armen-
tieres-Tourcoing. Geſtern fanden heftige Kleinkämpfe zwiſchen deut-
ſchen und franzöſiſchen Vorpoſten ſtatt. Neue deutſche Truppenteile
rückten heran, was darauf ſchließen läßt, daß die Deutſchen ihre
Heere in Nordfrankreich in möglichſt großem Umfange verſtärken.

Weſtlich Lille iſt von unſerer Kavallerie am 10. Oktober eine
franzöſiſche Kavallerie-Diviſion völlig, bei Hazebrouck eine andere
franzöſiſche Kavallerie-Diviſion unter ſchweren Verluſten geſchlagen
worden. Die Kämpfe in der Front führten im Weſten bisher zu
keiner Entſcheidung.

Dem „Temps“ zufolge ſind drei Pariſer Stadträte in Bor-
deaux
eingetroffen zwecks Beratung mit den Miniſtern wegen des
rieſigen Ausfalles in den Pariſer Finanzen. Die Arbeits-
loſigkeit
verurſachte Ausgaben in Höhe von 9 Millionen Franks
monatlich. Ueberdies wurden 3 Millionen verausgabt für die
Frauen und Kinder Eingezogener, bevor der Staat eingriff. Seit
Auguſt gingen z. B. die Erträge aus den Verbrauchsſteuern und
dem Oktroi um faſt 60 Prozent zurück. Daher droht ein rieſiges
Defizit.

In einer Sitzung der Handelskammer mit Vertretern von acht
großen Syndikaten wurden die Transport- und Verkehrs-
ſchwierigkeiten
beſprochen, beſonders im Poſtdienſt, und ein-
mütig ſcharf kritiſiert. Man ſprach ſich dahin aus, das die Arbeits-
möglichkeiten vermehrt werden müßten, beſonders für Gebrauchs-
gegenſtände, wie Schuhwerk, Winterkleidung, Hemden, Strumpf-
waren uſw.

Hinſichtlich der bisher größtenteils aus Deutſchland kommenden
pharmazeutiſchen Präparate wurde empfohlen, das Publikum auf
die gleichen franzöſiſchen und belgiſchen Artikel hinzuweiſen, jedoch
nicht zu Mitteln zu greifen, wie England bei den deutſchen Patenten.


Unterm 13. ds. meldet die Oberſte Heeresleitung aus dem
Großen Hauptquartier (ſeit dem Abgang des Generalquatiermeiſters
v. Stein zur Truppe ſind die Mitteilungen aus dem Großen Haupt-
quartier nicht mehr mit Namen unterzeichnet) über die Lage im
Weſten:

Vom weſtlichen Kriegsſchauplatz liegen Nachrichten von Bedeu-
tung nicht vor. Heftige Angriffe des Feindes öſtlich Soiſſons
ſind abgewieſen worden.

Im Argonner-Wald finden andauernd erbitterte Kämpfe
ſtatt. Unſere Truppen arbeiten ſich in dichtem Unterholz und äußerſt
ſchwierigem Gelände mit allen Mitteln des Feſtungskrieges Schritt
für Schritt vorwärts. Die Franzoſen leiſten hartnäckigen Wider-
ſtand, ſchießen von den Bäumen und mit Maſchinengewehren von
Baumkanzeln und haben neben etagenweiſe angelegten Schützen-
gräben ſtarke feſtungsartige Stützpunkte eingerichtet.

Die von der franzöſiſchen Heeresleitung verbreiteten Nachrichten
über Erfolge ihrer Truppen in der Woëvre-Ebene ſind unwahr. Nach
Gefangenenausſagen iſt den Truppen mitgeteilt worden, die Deut-
ſchen ſeien geſchlagen und mehrere Forts von Metz bereits gefallen.
Tatſächlich haben unſere dort fechtenden Truppen an keiner Stelle
Gelände verloren. Etain iſt nach wie vor in unſerem Beſitz. Die
heftigen franzöſiſchen Angriffe gegen unſere Stellungen bei St. Mi-
hiel ſind ſämtlich abgewieſen worden.


Die franzöſiſchen Torpedoboote 333 und 347 ſind am
9. ds. auf hoher See zuſammengeſtoßen und ſofort geſunken.
Die Beſatzungen wurden gerettet. Ein Matroſe wurde ſchwer ver-
letzt. Die Torpedoboote liegen in einer Tiefe von 300 Metern.

Der Feind im Oſten.

Auf dem öſtlichen Kriegsſchauplatze wurden im Norden alle
Angriffe der 1. und 10. ruſſiſchen Armee gegen die oſtpreußi-
ſchen Armeen von dieſen am 9. und 10. Oktober zurückgeſchla-
gen.
Auch ein Umfaſſungsverſuch der Ruſſen über

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[607/0003] 17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung Die Franzoſen begehen neuerdings den infamen Streich, gleich- zeitig über die Beſchießung der Kathedrale von Reims in aller Welt zu lamentieren und dieſelbe dort als Deckung für ihre Batterien zu verwenden. Es wird darüber gemeldet: Dicht bei der Kathedrale von Reims ſind zwei ſchwere franzö- ſiſche Batterien feſtgeſtellt. Ferner wurden von einem Turm der Kathedrale Lichtſignale beobachtet. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß alle unſeren Truppen nachteiligen feindlichen Maßnahmen und Streit- mittel bekämpft werden ohne Rückſicht auf die Schonung der Kathe- drale. Die Franzoſen tragen alſo jetzt wie früher ſelbſt die Schuld daran, wenn der ehrwürdige Bau weiter ein Opfer des Krieges wird. Es gehört zum kaum minder ſchwierigen diplomatiſchen Kampf mit unſeren Gegnern, wenn die offiziöſe Norddeutſche Allgemeine Zeitung abermals auf Grund der Entdeckung wichtiger Dokumente im Archiv des belgiſchen Generalſtabs neuerdings das Wort ergreift über „den Bruch der belgiſchen Neutralität durch Eng- land und Belgien“. Durch die eigenen Erklärungen Sir Edward Greys iſt die Be- hauptung der engliſchen Regierung bereits als unhaltbar erwieſen, daß die Verletzung der belgiſchen Neutralität durch Deutſchland das Eingreifen Englands in den gegenwärtigen Krieg veranlaßt hat. Das Pathos ſittlicher Entrüſtung, mit dem der deutſche Einmarſch in Belgien von engliſcher Seite zur Stimmungsmache gegen Deutſch- land bei den Neutralen verwertet worden iſt, findet eine neue und eigenartige Beleuchtung durch gewiſſe Dokumente, die die deutſche Heeresverwaltung in den Archiven des belgiſchen Generalſtabs in Brüſſel aufgefunden hat. Aus dem Inhalt einer Mappe, welche die Aufſchrift trägt: „Intervention anglaise en Belgique“ geht hervor, daß ſchon im Jahre 1906 die Entſendung eines engliſchen Expeditionskorps nach Belgien für den Fall eines deutſch-franzöſiſchen Krieges in Aus- ſicht genommen war. Nach einem vorgefundenen Schreiben an den belgiſchen Kriegsminiſter vom 10. April 1906 hat der Chef des belgi- ſchen Generalſtabs mit dem damaligen engliſchen Militärattaché in Brüſſel, Oberſtleutnant Barnardiſton, auf deſſen Anregung in wiederholten Beratungen einen eingehenden Plan für gemeinſame Operationen eines engliſchen Expeditionskorps von 100,000 Mann mit der belgiſchen Armee gegen Deutſchland ausgearbeitet. Der Plan fand die Billigung des Chefs des engliſchen General- ſtabs Generalmajors Grieſon. Dem belgiſchen Generalſtab wur- den alle Angaben über die Stärke und die Gliederung der engliſchen Truppenteile, über die Zuſammenſetzung des Expeditionskorps, die Ausſchiffungspunkte, eine genaue Zeitberechnung für den Abtrans- port und dergl. geliefert. Auf Grund dieſer Nachrichten hat der bel- giſche Generalſtab den Transport der engliſchen Truppen in das bel- giſche Aufmarſchgebiet, ihre Unterbringung und Ernährung dort ein- gehend vorbereitet. Bis in alle Einzelheiten iſt das Zuſammen- wirken ſorgfältig ausgearbeitet worden. So ſollten der engliſchen Armee eine große Anzahl Dolmetſcher und belgiſche Gendarmen zur Verfügung geſtellt und die nötigen Karten geliefert werden. Selbſt an die Verſorgung engliſcher Verwundeter war bereits gedacht wor- den. Dünkirchen, Calais und Boulogne waren als Ausſchiffungs- punkte für die engliſchen Truppen vorgeſehen. Von hier aus ſollten ſie mit belgiſchem Eiſenbahnmaterial in das Aufmarſchgebiet gebracht werden. Die beabſichtigte Ausladung in den franzöſiſchen Häfen und der Transport durch franzöſiſches Gebiet beweiſt, daß den engliſchen und belgiſchen Vereinbarungen ſolche mit dem franzöſiſchen Generalſtab vorausgegangen waren. Die drei Mächte haben die Pläne für ein Zuſammenarbeiten der „verbündeten Armeen“, wie es in dem Schriftſtück heißt, genau feſtgelegt. Dafür ſpricht auch, daß in den Geheimakten eine Karte des franzöſiſchen Aufmarſches gefunden wor- den iſt. Das erwähnte Schreiben enthält einige Bemerkungen von be- ſonderem Intereſſe. Es heißt dort an einer Stelle, Oberſtleutnant Barnardiſton habe bemerkt, daß man zurzeit auf die Unterſtützung Hollands nicht rechnen könne, er habe ferner vertraulich mitgeteilt, daß die engliſche Regierung die Abſicht habe, die Baſis für den eng- liſchen Verpflegungsnachſchub nach Antwerpen zu verlegen, ſobald die Nordſee von allen deutſchen Kriegsſchiffen geſäubert ſei. Des weiteren regte der engliſche Militärattaché die Einrichtung eines belgiſchen Spionagedienſtes an. Ueber die Kämpfe in Frankreich, insbeſondere in Nord- weſten gibt das Wolffſche Telegraphenbureau nachſtehende Mit- teilungen, zum Teil aus franzöſiſchen Meldungen und Telegrammen aus und zwar aus Bordeaux, 3. Oktober: Nach hier eingetroffenen Meldungen dehnte ſich der große Kampf zwiſchen den Verbündeten und Deutſchen im Nordweſten noch aus. Das Vorrücken der Verbündeten über Arras war ein Gegenzug gegen das Vorrücken der Deutſchen auf der Linie Armen- tieres-Tourcoing. Geſtern fanden heftige Kleinkämpfe zwiſchen deut- ſchen und franzöſiſchen Vorpoſten ſtatt. Neue deutſche Truppenteile rückten heran, was darauf ſchließen läßt, daß die Deutſchen ihre Heere in Nordfrankreich in möglichſt großem Umfange verſtärken. Weſtlich Lille iſt von unſerer Kavallerie am 10. Oktober eine franzöſiſche Kavallerie-Diviſion völlig, bei Hazebrouck eine andere franzöſiſche Kavallerie-Diviſion unter ſchweren Verluſten geſchlagen worden. Die Kämpfe in der Front führten im Weſten bisher zu keiner Entſcheidung. Dem „Temps“ zufolge ſind drei Pariſer Stadträte in Bor- deaux eingetroffen zwecks Beratung mit den Miniſtern wegen des rieſigen Ausfalles in den Pariſer Finanzen. Die Arbeits- loſigkeit verurſachte Ausgaben in Höhe von 9 Millionen Franks monatlich. Ueberdies wurden 3 Millionen verausgabt für die Frauen und Kinder Eingezogener, bevor der Staat eingriff. Seit Auguſt gingen z. B. die Erträge aus den Verbrauchsſteuern und dem Oktroi um faſt 60 Prozent zurück. Daher droht ein rieſiges Defizit. In einer Sitzung der Handelskammer mit Vertretern von acht großen Syndikaten wurden die Transport- und Verkehrs- ſchwierigkeiten beſprochen, beſonders im Poſtdienſt, und ein- mütig ſcharf kritiſiert. Man ſprach ſich dahin aus, das die Arbeits- möglichkeiten vermehrt werden müßten, beſonders für Gebrauchs- gegenſtände, wie Schuhwerk, Winterkleidung, Hemden, Strumpf- waren uſw. Hinſichtlich der bisher größtenteils aus Deutſchland kommenden pharmazeutiſchen Präparate wurde empfohlen, das Publikum auf die gleichen franzöſiſchen und belgiſchen Artikel hinzuweiſen, jedoch nicht zu Mitteln zu greifen, wie England bei den deutſchen Patenten. Unterm 13. ds. meldet die Oberſte Heeresleitung aus dem Großen Hauptquartier (ſeit dem Abgang des Generalquatiermeiſters v. Stein zur Truppe ſind die Mitteilungen aus dem Großen Haupt- quartier nicht mehr mit Namen unterzeichnet) über die Lage im Weſten: Vom weſtlichen Kriegsſchauplatz liegen Nachrichten von Bedeu- tung nicht vor. Heftige Angriffe des Feindes öſtlich Soiſſons ſind abgewieſen worden. Im Argonner-Wald finden andauernd erbitterte Kämpfe ſtatt. Unſere Truppen arbeiten ſich in dichtem Unterholz und äußerſt ſchwierigem Gelände mit allen Mitteln des Feſtungskrieges Schritt für Schritt vorwärts. Die Franzoſen leiſten hartnäckigen Wider- ſtand, ſchießen von den Bäumen und mit Maſchinengewehren von Baumkanzeln und haben neben etagenweiſe angelegten Schützen- gräben ſtarke feſtungsartige Stützpunkte eingerichtet. Die von der franzöſiſchen Heeresleitung verbreiteten Nachrichten über Erfolge ihrer Truppen in der Woëvre-Ebene ſind unwahr. Nach Gefangenenausſagen iſt den Truppen mitgeteilt worden, die Deut- ſchen ſeien geſchlagen und mehrere Forts von Metz bereits gefallen. Tatſächlich haben unſere dort fechtenden Truppen an keiner Stelle Gelände verloren. Etain iſt nach wie vor in unſerem Beſitz. Die heftigen franzöſiſchen Angriffe gegen unſere Stellungen bei St. Mi- hiel ſind ſämtlich abgewieſen worden. Die franzöſiſchen Torpedoboote 333 und 347 ſind am 9. ds. auf hoher See zuſammengeſtoßen und ſofort geſunken. Die Beſatzungen wurden gerettet. Ein Matroſe wurde ſchwer ver- letzt. Die Torpedoboote liegen in einer Tiefe von 300 Metern. Der Feind im Oſten. Auf dem öſtlichen Kriegsſchauplatze wurden im Norden alle Angriffe der 1. und 10. ruſſiſchen Armee gegen die oſtpreußi- ſchen Armeen von dieſen am 9. und 10. Oktober zurückgeſchla- gen. Auch ein Umfaſſungsverſuch der Ruſſen über

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine42_1914/3>, abgerufen am 23.11.2024.