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Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 26. September 1914.

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26. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenso
wie die vorigen Abende eine große Zuhörerschaft anlockten,
war ja auch der Solist kein geringerer als Heinrich Knote.



Nichts weniger als vaterländischen Charakter hatte die
letzte Operettennovität unseres Theaters am Gärtnerplatz.
Ja, streng genommen handelt es sich gar nicht um eine
Novität, denn "Die schöne Galathea" von Franz von Suppe
die aus dem Jahre 1865 stammt, ist vor Jahrzehnten auf
denselben Brettern unzähligemal aufgeführt worden, ja auch
auf unsere Hofbühne ist sie eines Faschings einmal gelangt
und mit Hoftheaterkräften im vorigen Winter erst im
Gärtnertheater zugunsten der Speisung armer Schulkinder
aufgeführt worden. Seit Jahren habe ich an dieser Stelle
wiederholt die Direktion darauf hingewiesen, daß man durch
Wiedereinstudierung guter, alter und dabei anständiger
Operetten heute vielleicht mehr erreichen könnte, als wenn
man glaubt, jeden Operettenschund nur deshalb aufführen
zu müssen, weil er neu ist. Es scheint, daß es des Krieges
bedurft hat, um diese am Tage liegende Wahrscheinlichkeit
zu beherzigen. Jetzt greift man nach und nach auf diese
älteren Werke zurück, macht aber dabei den nicht genug
zu rügenden Fehler, diese Operetten mit der modernen Tanz-
manie zu verquicken. Nein, man gebe diese Operetten wie
sie gedacht sind und wie sie seinerzeit aufgeführt wurden,
und man wird dadurch nur zur Verbesserung des Ge-
schmackes und auch des Gesanges beitragen, denn jene
Operetten wollen wirklich gesungen und nicht bloß geschrien
und getanzt sein. Suppe hat eine Reihe musikalisch wert-
voller Operetten geschrieben. Die schöne Galathea ist eine
seiner besseren, aber wir erinnern namentlich an seinen
Boccaccio, an seine Fatinitza, an die mit Unrecht ganz ver-
gessene "Frau Meisterin". Die an demselben Abend mit
der "schönen Galathea" zusammengegebene "Leichte Kaval-
lerie" ist minder wertvoll. Die erstere Operette wurde unge-
wöhnlich gut gegeben, ja schwungvoller und temperament-
voller als bei der Wohltätigkeitsvorstellung dieses Winters,
nur laßt um Gotteswillen das blöde Tanzen sein, wo es nicht
hingehört! Fräulein v. Moosburg (Galathea) sang so
hübsch wie selten vorher, Fräulein Feiner war ein prächtiger
Ganymed und unser Seibold ein ebensolcher Mydas; den
Pygmalion sang Herr Gruber ganz hübsch. Aber die
jugendfrische, so ganz unverbildete Tenorstimme Herrn
Mayerhofers, der uns in der "Leichten Kavallerie" durch
ein prächtiges schmelzendes Arioso entzückte, ist uns lieber.
Dieser Abend war etwas besser besucht, auch von unseren
Kriegern, die vermutlich hinter dem Titel "Leichte
Kavallerie" etwas für sie passendes vermutet haben. Hoffent-
lich waren sie nicht zu sehr enttäuscht.

Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand
gehuldigt, werden selbst die Theaterdirektoren Puristen, die
den Deutschen Sprachverein noch überbieten. Seit kurzem
sieht man auf dem Zettel des Theaters am Gärtnerplatz bei
den Preisangaben, daß es keine Logen mehr gibt, sondern
"Lauben". Es gibt also nur eine erste, zweite, dritte Rang-
laube. Wenn dies das Resultat eines Preisausschreibens
ist, von dem man gehört, so ist es sehr unglücklich aus-
gefallen, denn Laube bedeutet uns Deutschen ganz etwas
anderes, und in der Zusammensetzung mit "Rang" nimmt
sie sich doch gar zu possierlich aus. Gewisse Fremdworte
lassen sich eben nicht ganz vermeiden, und sie sind in unseren
Besitz übergegangen wie dies auch umgekehrt bei den frem-
den Sprachen der Fall ist. Wo man sie nicht durch ein gutes
deutsches Wort ersetzen kann, soll man sie lieber behalten.
Unser Theater (und dies gilt im allgemeinen) kann sein
Deutschtum viel besser dadurch beweisen, daß es deutsche
Autoren, vor allem unsere Klassiker mehr aufführt und die
Ueberschwemmung mit fremden, noch dazu minderwertigem
Schrifttum nicht wieder über uns hereinbrechen läßt.



Wenn die Leser des Figaro oder der Times gegen-
wärtig an einem Sonntag Abend ins Hoftheater oder an
einem Mittwoch in die Tonhalle blicken könnten, nichts
wäre geeigneter, ihnen Stimmung, Haltung und Ruhe der
[Spaltenumbruch] Deutschen zu Gemüt zu führen: Die großen Räume bis
zum letzten Platz gefüllt von einem Publikum, so andächtig
wie in einer Kirche, Programme von klassischem Stil und
Ernst wie kaum je vorher, Preise von einer Billigkeit, die
jedermann den Zutritt emöglicht. Da und dort eine feld-
graue Uniform oder Exerziergarnitur, ein Soldat, der den
Arm in der Binde trägt, eine Schwester vom Roten Kreuz
erinnern einzig an den Krieg. Diese Konzertabende, zurück-
zuführen auf eine Anregung des K. Generalmusikdirektors
Bruno Walter, verdanken wohl ihr Entstehen dem Wunsche
die Musiker zu beschäftigen, ihre Möglichkeit und ihren Er-
folg aber der deutschen Seele, deren Verhältnis zur Musik
von religiöser Tiefe und Kraft ist. Derselbe deutsche Geist,
der tapfer, begeistert und unerschütterlich geduldig im Felde
draußen ringt, spricht aus der deutschen Musik; ein zugleich
männlicher und frommer Geist, der Geist Beethovens. Und
wenn Richard Strauß sich an die Spitze des Konzertvereins-
orchesters stellt und Beethovens Ouvertüren und Sym-
phonien mit diesem Tonkörper aufführt, dessen Kommando
er erst ein paar Tage vor der Aufführung übernahm, so ist
es hier, wie im Felde, eine überraschend energische Organi-
sation, die triumphiert. Nicht nur die Daheimgebliebenen,
auch die zurückgekehrten Verwundeten werden der Seelen-
stärkung der Kunst teilhaftig: Bruno Walter zieht mit den
ersten Vokal- und Orchestralsolisten der Hofbühne von
einem Münchener Krankenhaus zum andern, um den ge-
nesenden Kriegern eine Freude zu machen. Der Krieg hat
die früheren hohen Eintrittspreise so reduziert, daß man
nur wünschen kann, sie möchten auch im Frieden ähnlich
bleiben. Volle Konzertsäle, ergriffene Hörer -- das ist das
München, in dem nach französischen und englischen Blättern
die Revolution herrscht!

Feuilleton
Vor der Entscheidung.
Nah den katalaun'schen Feldern, wo sich brach der
Hunnen Macht,
Wogt nun schon seit einer Woche hin und her die
Völkerschlacht.
Darf uns Deutschen, die auf Kunde fern wir harren
Tag für Tag,
Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten
Wetterschlag?
Ungewißheit auf der Seele lastet wie ein Alpdruck
schwer,
Schleudert unsrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm-
wind hin und her.
Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu
Gericht?
Wird ein jäher Umschlag täuschen unsre frohe Zu-
versicht?
Wir vertrau'n auf unsern Kaiser, der sich, da die Zeit
erfüllt,
Viel verkannt bisher, in seiner hehren Mannheit uns
enthüllt.
Wir vertrauen unserm tapfern, unserm todesmut'gen
Heer,
Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutscher Grenzen Wacht
und Wehr.
Höher noch, gen Himmel schwingt sich unser kindliches
Vertrau'n
Zu dem alten Gott der Väter, der sie einst ließ Wunder
schau'n.
Mit dem Kaiser auf die Knie! Alle rufen wir ihn an:
Sei, o Gott, mit unsern Fahnen! Siegen wir, hast Du's
getan.

26. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenſo
wie die vorigen Abende eine große Zuhörerſchaft anlockten,
war ja auch der Soliſt kein geringerer als Heinrich Knote.



Nichts weniger als vaterländiſchen Charakter hatte die
letzte Operettennovität unſeres Theaters am Gärtnerplatz.
Ja, ſtreng genommen handelt es ſich gar nicht um eine
Novität, denn „Die ſchöne Galathea“ von Franz von Suppé
die aus dem Jahre 1865 ſtammt, iſt vor Jahrzehnten auf
denſelben Brettern unzähligemal aufgeführt worden, ja auch
auf unſere Hofbühne iſt ſie eines Faſchings einmal gelangt
und mit Hoftheaterkräften im vorigen Winter erſt im
Gärtnertheater zugunſten der Speiſung armer Schulkinder
aufgeführt worden. Seit Jahren habe ich an dieſer Stelle
wiederholt die Direktion darauf hingewieſen, daß man durch
Wiedereinſtudierung guter, alter und dabei anſtändiger
Operetten heute vielleicht mehr erreichen könnte, als wenn
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zu müſſen, weil er neu iſt. Es ſcheint, daß es des Krieges
bedurft hat, um dieſe am Tage liegende Wahrſcheinlichkeit
zu beherzigen. Jetzt greift man nach und nach auf dieſe
älteren Werke zurück, macht aber dabei den nicht genug
zu rügenden Fehler, dieſe Operetten mit der modernen Tanz-
manie zu verquicken. Nein, man gebe dieſe Operetten wie
ſie gedacht ſind und wie ſie ſeinerzeit aufgeführt wurden,
und man wird dadurch nur zur Verbeſſerung des Ge-
ſchmackes und auch des Geſanges beitragen, denn jene
Operetten wollen wirklich geſungen und nicht bloß geſchrien
und getanzt ſein. Suppé hat eine Reihe muſikaliſch wert-
voller Operetten geſchrieben. Die ſchöne Galathea iſt eine
ſeiner beſſeren, aber wir erinnern namentlich an ſeinen
Boccaccio, an ſeine Fatinitza, an die mit Unrecht ganz ver-
geſſene „Frau Meiſterin“. Die an demſelben Abend mit
der „ſchönen Galathea“ zuſammengegebene „Leichte Kaval-
lerie“ iſt minder wertvoll. Die erſtere Operette wurde unge-
wöhnlich gut gegeben, ja ſchwungvoller und temperament-
voller als bei der Wohltätigkeitsvorſtellung dieſes Winters,
nur laßt um Gotteswillen das blöde Tanzen ſein, wo es nicht
hingehört! Fräulein v. Moosburg (Galathea) ſang ſo
hübſch wie ſelten vorher, Fräulein Feiner war ein prächtiger
Ganymed und unſer Seibold ein ebenſolcher Mydas; den
Pygmalion ſang Herr Gruber ganz hübſch. Aber die
jugendfriſche, ſo ganz unverbildete Tenorſtimme Herrn
Mayerhofers, der uns in der „Leichten Kavallerie“ durch
ein prächtiges ſchmelzendes Arioſo entzückte, iſt uns lieber.
Dieſer Abend war etwas beſſer beſucht, auch von unſeren
Kriegern, die vermutlich hinter dem Titel „Leichte
Kavallerie“ etwas für ſie paſſendes vermutet haben. Hoffent-
lich waren ſie nicht zu ſehr enttäuſcht.

Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand
gehuldigt, werden ſelbſt die Theaterdirektoren Puriſten, die
den Deutſchen Sprachverein noch überbieten. Seit kurzem
ſieht man auf dem Zettel des Theaters am Gärtnerplatz bei
den Preisangaben, daß es keine Logen mehr gibt, ſondern
„Lauben“. Es gibt alſo nur eine erſte, zweite, dritte Rang-
laube. Wenn dies das Reſultat eines Preisausſchreibens
iſt, von dem man gehört, ſo iſt es ſehr unglücklich aus-
gefallen, denn Laube bedeutet uns Deutſchen ganz etwas
anderes, und in der Zuſammenſetzung mit „Rang“ nimmt
ſie ſich doch gar zu poſſierlich aus. Gewiſſe Fremdworte
laſſen ſich eben nicht ganz vermeiden, und ſie ſind in unſeren
Beſitz übergegangen wie dies auch umgekehrt bei den frem-
den Sprachen der Fall iſt. Wo man ſie nicht durch ein gutes
deutſches Wort erſetzen kann, ſoll man ſie lieber behalten.
Unſer Theater (und dies gilt im allgemeinen) kann ſein
Deutſchtum viel beſſer dadurch beweiſen, daß es deutſche
Autoren, vor allem unſere Klaſſiker mehr aufführt und die
Ueberſchwemmung mit fremden, noch dazu minderwertigem
Schrifttum nicht wieder über uns hereinbrechen läßt.



Wenn die Leſer des Figaro oder der Times gegen-
wärtig an einem Sonntag Abend ins Hoftheater oder an
einem Mittwoch in die Tonhalle blicken könnten, nichts
wäre geeigneter, ihnen Stimmung, Haltung und Ruhe der
[Spaltenumbruch] Deutſchen zu Gemüt zu führen: Die großen Räume bis
zum letzten Platz gefüllt von einem Publikum, ſo andächtig
wie in einer Kirche, Programme von klaſſiſchem Stil und
Ernſt wie kaum je vorher, Preiſe von einer Billigkeit, die
jedermann den Zutritt emöglicht. Da und dort eine feld-
graue Uniform oder Exerziergarnitur, ein Soldat, der den
Arm in der Binde trägt, eine Schweſter vom Roten Kreuz
erinnern einzig an den Krieg. Dieſe Konzertabende, zurück-
zuführen auf eine Anregung des K. Generalmuſikdirektors
Bruno Walter, verdanken wohl ihr Entſtehen dem Wunſche
die Muſiker zu beſchäftigen, ihre Möglichkeit und ihren Er-
folg aber der deutſchen Seele, deren Verhältnis zur Muſik
von religiöſer Tiefe und Kraft iſt. Derſelbe deutſche Geiſt,
der tapfer, begeiſtert und unerſchütterlich geduldig im Felde
draußen ringt, ſpricht aus der deutſchen Muſik; ein zugleich
männlicher und frommer Geiſt, der Geiſt Beethovens. Und
wenn Richard Strauß ſich an die Spitze des Konzertvereins-
orcheſters ſtellt und Beethovens Ouvertüren und Sym-
phonien mit dieſem Tonkörper aufführt, deſſen Kommando
er erſt ein paar Tage vor der Aufführung übernahm, ſo iſt
es hier, wie im Felde, eine überraſchend energiſche Organi-
ſation, die triumphiert. Nicht nur die Daheimgebliebenen,
auch die zurückgekehrten Verwundeten werden der Seelen-
ſtärkung der Kunſt teilhaftig: Bruno Walter zieht mit den
erſten Vokal- und Orcheſtralſoliſten der Hofbühne von
einem Münchener Krankenhaus zum andern, um den ge-
neſenden Kriegern eine Freude zu machen. Der Krieg hat
die früheren hohen Eintrittspreiſe ſo reduziert, daß man
nur wünſchen kann, ſie möchten auch im Frieden ähnlich
bleiben. Volle Konzertſäle, ergriffene Hörer — das iſt das
München, in dem nach franzöſiſchen und engliſchen Blättern
die Revolution herrſcht!

Feuilleton
Vor der Entſcheidung.
Nah den katalaun’ſchen Feldern, wo ſich brach der
Hunnen Macht,
Wogt nun ſchon ſeit einer Woche hin und her die
Völkerſchlacht.
Darf uns Deutſchen, die auf Kunde fern wir harren
Tag für Tag,
Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten
Wetterſchlag?
Ungewißheit auf der Seele laſtet wie ein Alpdruck
ſchwer,
Schleudert unſrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm-
wind hin und her.
Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu
Gericht?
Wird ein jäher Umſchlag täuſchen unſre frohe Zu-
verſicht?
Wir vertrau’n auf unſern Kaiſer, der ſich, da die Zeit
erfüllt,
Viel verkannt bisher, in ſeiner hehren Mannheit uns
enthüllt.
Wir vertrauen unſerm tapfern, unſerm todesmut’gen
Heer,
Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutſcher Grenzen Wacht
und Wehr.
Höher noch, gen Himmel ſchwingt ſich unſer kindliches
Vertrau’n
Zu dem alten Gott der Väter, der ſie einſt ließ Wunder
ſchau’n.
Mit dem Kaiſer auf die Knie! Alle rufen wir ihn an:
Sei, o Gott, mit unſern Fahnen! Siegen wir, haſt Du’s
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[583/0009] 26. September 1914. Allgemeine Zeitung Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenſo wie die vorigen Abende eine große Zuhörerſchaft anlockten, war ja auch der Soliſt kein geringerer als Heinrich Knote. Nichts weniger als vaterländiſchen Charakter hatte die letzte Operettennovität unſeres Theaters am Gärtnerplatz. Ja, ſtreng genommen handelt es ſich gar nicht um eine Novität, denn „Die ſchöne Galathea“ von Franz von Suppé die aus dem Jahre 1865 ſtammt, iſt vor Jahrzehnten auf denſelben Brettern unzähligemal aufgeführt worden, ja auch auf unſere Hofbühne iſt ſie eines Faſchings einmal gelangt und mit Hoftheaterkräften im vorigen Winter erſt im Gärtnertheater zugunſten der Speiſung armer Schulkinder aufgeführt worden. Seit Jahren habe ich an dieſer Stelle wiederholt die Direktion darauf hingewieſen, daß man durch Wiedereinſtudierung guter, alter und dabei anſtändiger Operetten heute vielleicht mehr erreichen könnte, als wenn man glaubt, jeden Operettenſchund nur deshalb aufführen zu müſſen, weil er neu iſt. Es ſcheint, daß es des Krieges bedurft hat, um dieſe am Tage liegende Wahrſcheinlichkeit zu beherzigen. Jetzt greift man nach und nach auf dieſe älteren Werke zurück, macht aber dabei den nicht genug zu rügenden Fehler, dieſe Operetten mit der modernen Tanz- manie zu verquicken. Nein, man gebe dieſe Operetten wie ſie gedacht ſind und wie ſie ſeinerzeit aufgeführt wurden, und man wird dadurch nur zur Verbeſſerung des Ge- ſchmackes und auch des Geſanges beitragen, denn jene Operetten wollen wirklich geſungen und nicht bloß geſchrien und getanzt ſein. Suppé hat eine Reihe muſikaliſch wert- voller Operetten geſchrieben. Die ſchöne Galathea iſt eine ſeiner beſſeren, aber wir erinnern namentlich an ſeinen Boccaccio, an ſeine Fatinitza, an die mit Unrecht ganz ver- geſſene „Frau Meiſterin“. Die an demſelben Abend mit der „ſchönen Galathea“ zuſammengegebene „Leichte Kaval- lerie“ iſt minder wertvoll. Die erſtere Operette wurde unge- wöhnlich gut gegeben, ja ſchwungvoller und temperament- voller als bei der Wohltätigkeitsvorſtellung dieſes Winters, nur laßt um Gotteswillen das blöde Tanzen ſein, wo es nicht hingehört! Fräulein v. Moosburg (Galathea) ſang ſo hübſch wie ſelten vorher, Fräulein Feiner war ein prächtiger Ganymed und unſer Seibold ein ebenſolcher Mydas; den Pygmalion ſang Herr Gruber ganz hübſch. Aber die jugendfriſche, ſo ganz unverbildete Tenorſtimme Herrn Mayerhofers, der uns in der „Leichten Kavallerie“ durch ein prächtiges ſchmelzendes Arioſo entzückte, iſt uns lieber. Dieſer Abend war etwas beſſer beſucht, auch von unſeren Kriegern, die vermutlich hinter dem Titel „Leichte Kavallerie“ etwas für ſie paſſendes vermutet haben. Hoffent- lich waren ſie nicht zu ſehr enttäuſcht. Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand gehuldigt, werden ſelbſt die Theaterdirektoren Puriſten, die den Deutſchen Sprachverein noch überbieten. Seit kurzem ſieht man auf dem Zettel des Theaters am Gärtnerplatz bei den Preisangaben, daß es keine Logen mehr gibt, ſondern „Lauben“. Es gibt alſo nur eine erſte, zweite, dritte Rang- laube. Wenn dies das Reſultat eines Preisausſchreibens iſt, von dem man gehört, ſo iſt es ſehr unglücklich aus- gefallen, denn Laube bedeutet uns Deutſchen ganz etwas anderes, und in der Zuſammenſetzung mit „Rang“ nimmt ſie ſich doch gar zu poſſierlich aus. Gewiſſe Fremdworte laſſen ſich eben nicht ganz vermeiden, und ſie ſind in unſeren Beſitz übergegangen wie dies auch umgekehrt bei den frem- den Sprachen der Fall iſt. Wo man ſie nicht durch ein gutes deutſches Wort erſetzen kann, ſoll man ſie lieber behalten. Unſer Theater (und dies gilt im allgemeinen) kann ſein Deutſchtum viel beſſer dadurch beweiſen, daß es deutſche Autoren, vor allem unſere Klaſſiker mehr aufführt und die Ueberſchwemmung mit fremden, noch dazu minderwertigem Schrifttum nicht wieder über uns hereinbrechen läßt. Alfred Frhr. v. Menſi. Wenn die Leſer des Figaro oder der Times gegen- wärtig an einem Sonntag Abend ins Hoftheater oder an einem Mittwoch in die Tonhalle blicken könnten, nichts wäre geeigneter, ihnen Stimmung, Haltung und Ruhe der Deutſchen zu Gemüt zu führen: Die großen Räume bis zum letzten Platz gefüllt von einem Publikum, ſo andächtig wie in einer Kirche, Programme von klaſſiſchem Stil und Ernſt wie kaum je vorher, Preiſe von einer Billigkeit, die jedermann den Zutritt emöglicht. Da und dort eine feld- graue Uniform oder Exerziergarnitur, ein Soldat, der den Arm in der Binde trägt, eine Schweſter vom Roten Kreuz erinnern einzig an den Krieg. Dieſe Konzertabende, zurück- zuführen auf eine Anregung des K. Generalmuſikdirektors Bruno Walter, verdanken wohl ihr Entſtehen dem Wunſche die Muſiker zu beſchäftigen, ihre Möglichkeit und ihren Er- folg aber der deutſchen Seele, deren Verhältnis zur Muſik von religiöſer Tiefe und Kraft iſt. Derſelbe deutſche Geiſt, der tapfer, begeiſtert und unerſchütterlich geduldig im Felde draußen ringt, ſpricht aus der deutſchen Muſik; ein zugleich männlicher und frommer Geiſt, der Geiſt Beethovens. Und wenn Richard Strauß ſich an die Spitze des Konzertvereins- orcheſters ſtellt und Beethovens Ouvertüren und Sym- phonien mit dieſem Tonkörper aufführt, deſſen Kommando er erſt ein paar Tage vor der Aufführung übernahm, ſo iſt es hier, wie im Felde, eine überraſchend energiſche Organi- ſation, die triumphiert. Nicht nur die Daheimgebliebenen, auch die zurückgekehrten Verwundeten werden der Seelen- ſtärkung der Kunſt teilhaftig: Bruno Walter zieht mit den erſten Vokal- und Orcheſtralſoliſten der Hofbühne von einem Münchener Krankenhaus zum andern, um den ge- neſenden Kriegern eine Freude zu machen. Der Krieg hat die früheren hohen Eintrittspreiſe ſo reduziert, daß man nur wünſchen kann, ſie möchten auch im Frieden ähnlich bleiben. Volle Konzertſäle, ergriffene Hörer — das iſt das München, in dem nach franzöſiſchen und engliſchen Blättern die Revolution herrſcht! H. Feuilleton Vor der Entſcheidung. Nah den katalaun’ſchen Feldern, wo ſich brach der Hunnen Macht, Wogt nun ſchon ſeit einer Woche hin und her die Völkerſchlacht. Darf uns Deutſchen, die auf Kunde fern wir harren Tag für Tag, Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten Wetterſchlag? Ungewißheit auf der Seele laſtet wie ein Alpdruck ſchwer, Schleudert unſrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm- wind hin und her. Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu Gericht? Wird ein jäher Umſchlag täuſchen unſre frohe Zu- verſicht? Wir vertrau’n auf unſern Kaiſer, der ſich, da die Zeit erfüllt, Viel verkannt bisher, in ſeiner hehren Mannheit uns enthüllt. Wir vertrauen unſerm tapfern, unſerm todesmut’gen Heer, Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutſcher Grenzen Wacht und Wehr. Höher noch, gen Himmel ſchwingt ſich unſer kindliches Vertrau’n Zu dem alten Gott der Väter, der ſie einſt ließ Wunder ſchau’n. Mit dem Kaiſer auf die Knie! Alle rufen wir ihn an: Sei, o Gott, mit unſern Fahnen! Siegen wir, haſt Du’s getan. Bernhard Hofmann.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 26. September 1914, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine39_1914/9>, abgerufen am 18.12.2024.