Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 7. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
Grabe sich wieder zu betten, bis draußen die Raben nicht mehr krächzen, München, 5 Febr. Die Maskenfeste unserer Künstler bil- Wem in der Seele nie verdorrt Der liebenden Begeistrung Hort, Wer immer sich und froh bewußt Der keimgeschwellten Thatenlust: Hat Frühling auch im Winter! Ja Frühling! Drum scheltet nicht Herrn Winter fein, Und lernt von seinem Schwesterlein Wo blüht die Blum' der Phantasei, Und wo der Hort vergraben sey, Und Frühling ist im Winter, Ja Frühling. Hr. Winter ist befriedigt und umarmt Liebseelchen, Junker Fasching zieht Aus Oberfranken. Die beiden letzten Jahre haben auf den Gr. Hessen. Mainz, 4 Febr. In letzter Nacht hat der Rhein bei K. Sachsen. Dresden, 2 Febr. Ueberblickt man von Zeit zu [Spaltenumbruch]
Grabe ſich wieder zu betten, bis draußen die Raben nicht mehr krächzen, ⨻ München, 5 Febr. Die Maskenfeſte unſerer Künſtler bil- Wem in der Seele nie verdorrt Der liebenden Begeiſtrung Hort, Wer immer ſich und froh bewußt Der keimgeſchwellten Thatenluſt: Hat Frühling auch im Winter! Ja Frühling! Drum ſcheltet nicht Herrn Winter fein, Und lernt von ſeinem Schweſterlein Wo blüht die Blum’ der Phantaſei, Und wo der Hort vergraben ſey, Und Frühling iſt im Winter, Ja Frühling. Hr. Winter iſt befriedigt und umarmt Liebſeelchen, Junker Faſching zieht ⫪ Aus Oberfranken. Die beiden letzten Jahre haben auf den Gr. Heſſen. Mainz, 4 Febr. In letzter Nacht hat der Rhein bei K. Sachſen. ⁑ Dresden, 2 Febr. Ueberblickt man von Zeit zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jCulturalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="595"/><cb/> Grabe ſich wieder zu betten, bis draußen die Raben nicht mehr krächzen,<lb/> die Fledermäuſe von dannen geflogen, und der Birnbaum, unter einer<lb/> Frühlingsſonne von nachhaltigerer Wärme, andere als taube Blüthen trei-<lb/> ben würde. Mit dem Verſchwinden des großen Ghibellinen ſollte die um-<lb/> florte deutſche Fahne ſich trübſelig ſenken, die Stammesfähnlein aller<lb/> Farben im vormärzlichen Winde ſelbſelig flattern. Der Vorſchlag dieſer<lb/> trüb-heitern Parodie ward von der großen Mehrzahl unſerer Künſtler<lb/> verworfen, und man beſchloß, ich weiß nicht ob zur feinern Ironie, auf<lb/> die vorjährige deutſche Reichs-Frühlingsfeier ein deutſches Wintermärchen<lb/> folgen zu laſſen, bei deſſen Anblick wir mit dem Dichter wehmüthig<lb/> ſeufzen können:<lb/><cit><quote>„O Zeit, du biſt verklungen,<lb/> Ein Märchen ſcheinſt Du mir!“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⨻ <hi rendition="#b">München,</hi> 5 Febr.</dateline> <p>Die Maskenfeſte unſerer Künſtler bil-<lb/> den ſeit einer Reihe von Jahren den Mittelpunct und den Hauptglanz<lb/> der Faſchingsvergnügungen in München, und haben ſich mit vollem<lb/> Rechte den Ruhm tiefpoetiſcher Auffaſſung und wahrhaft künſtleriſcher<lb/> Durchführung erworben, die Gedanken ſind immer neu, und das frohe<lb/> Carnevalsſpiel wird unter den Händen der Künftler zur vollendeten all-<lb/> ſeitig durchgebildeten Kunftſchöpfung. Auch dieſes Jahr haben ſie uns<lb/> mit einer das Gewöhnliche weit überragenden Faſchingsgabe beſchenkt.<lb/> Das Spiel das ſie geftern Abend im großen Odeonſaale vor einer zahllo-<lb/> ſen Menge heiterer Menſchen zur Aufführung brachten, hatte als Gegen-<lb/> ſtand den „Frühling im Winter“, ein Märchen gedichtet von A. Teichlein,<lb/> zu dem Baron v. Perfall die Mufik geſchrieben. Die poetiſche Idee welche<lb/> dem Ganzen zu Grunde liegt iſt kurz die: daß „die Blume heimiſcher Phan-<lb/> taſie“ durch poetiſche Begeiſterung im Stande iſt mitten im kalten Winter<lb/> fich die Luſt und Heiterkeit des Frühlings herbeizuzaubern; denn ihr ent-<lb/> ſproßt das Lied, in dieſem verbindet ſich ſchweſterlich der Wein und die<lb/> Liebe zu frohem Lebensgenuß. Die Form in welche der Dichter dieſen<lb/> Gedanken einkleidet iſt folgende. Der Winterfürſt, ein Junker Sauſe-<lb/> braus hat „Liebſeelchen“, die Repräſentantin der deutſchen Sage, des Lie-<lb/> des, der Poeſie überhaupt, im Spätherbſt in ſeinen ſtolzen kalten Winter-<lb/> palaſt aufgenommen, und hofft von ihr Kurzweil und geſellige Würze für<lb/> die langen Winterabende. Liebſeelchen aber fühlt ſich unheimlich in den<lb/> kalten Räumen, iſt traurig und „hat noch nie gelacht“. Ihr Frühlingsſehnen<lb/> wird getheilt von den Spinnerinnen und bringt den luſtigen Hrn. Winter<lb/> ſchier zur Verzweiflung; da kommt als Retter Junker Faſching, der lu-<lb/> ſtige Rath im Hauſe. Er räth dazu den Frühling nachzuäffen mit pa-<lb/> piernen Blumen, buntem Garn und damit die Frühlingsnarren zu fangen.<lb/> Von allen Seiten ruft er Gäſte zuſammen zum Ball in Hrn. Winters<lb/> Feſtpalaſt, auch von ſeinem Vetter in Welſchland, dem Prinzen Carneval,<lb/> weiß er luſtige Sänger und bunten Mummenſchanz zu erbitten und durch<lb/> Zauber herbeizuſchaffen. Liebſeelchen aber flieht das tolle Gewimmel, und<lb/> alle Mühe ſcheint vergebens fie zur Heiterkeit, zum Reden zu bewegen. Da<lb/> iſt ihr im ſtillen Kämmerlein, ohne daß ſie es ſelbſt weiß wie, gewoben<lb/> von der eigenen Hand, die lang Geſuchte erſtanden, „<hi rendition="#g">die Blume</hi>“; poeti-<lb/> ſche Begeiſterung ergreift ſie mit Macht, ſie eilt hinab in den frohen<lb/> Kreis und erzählt, ohne ſich weiter bitten zu laſſen, die Sage vom Nibe-<lb/> lungenhort; der Hort der iſt das Lied, und des Hortes Gold das iſt der<lb/> edle Traubenſaft. Und wie ſie ſpricht und alle Hörer bezaubert an ihrem<lb/> Munde hängen, treten Winzer in den Saal mit gefüllten Pokalen und ih-<lb/> nen folgen die Rheinweine in Perſon; es drängt ſie dem goldenen Weine<lb/> ein ſchallendes Loblied zu ſingen, unter deſſen Klängen der Saal ſich wie<lb/> durch einen Zauberſchlag in eine blühende Gartenhalle verwandelt. 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Jeder der<lb/> eintretenden Gäſte hatte nämlich beim Eintritt in den Saal eine phrygi-<lb/> ſche Doppelkappe erhalten, außen ein weißer Papier-Ueberzug und drun-<lb/> ter eine zweifarbige Kappe. Die weißen Kappen ließen den ganzen Saal<lb/><cb/> wie mit dichtem Schnee bedeckt erſcheinen, der auf das erwähnte Glocken-<lb/> zeichen ſchmolz und an deſſen Stelle plötzlich die ganze Fläche wie mit<lb/> Blumen überſäet erſchien. Dieß in kurzen Worten der Gang des Feſt-<lb/> ſpiels. Die Idee iſt ſchön und poetiſch, aber viele fanden daß ſie nicht<lb/> klar und verſtändlich genug durchgeführt iſt; der eigentliche Wendepunkt,<lb/> das Finden der Blume, iſt zu wenig motivirt in der Dichtung, und tritt<lb/> nicht ſchlagend genug hervor, auch könnte man an den Verſen am Aus-<lb/> druck manches beſſer wünſchen. Das Architektoniſche aber des Winter-<lb/> palaſtes, die Umwandlung in einen blühenden Garten, die Gruppirung ꝛc.<lb/> wirkte feenartig. Nach Beendigung des Spieles ordneten ſich ſämmt-<lb/> liche Masken, die Winzer voran, zum Umzuge im Saale, und wie bei allen<lb/> früheren Künſtlerfeſten, ſo konnte man auch dießmal den feinen künſtleri-<lb/> ſchen Geſchmack in den Anzügen der einzelnen bewundern. Unter den<lb/> Anweſenden ſah man den ganzen Hof, mehrere Miniſter, ſehr viele Mit-<lb/> glieder beider Kammern, und auch die Schweſterſtadt Augsburg hatte<lb/> uns eine namhafte Zahl von Gäſten herübergeſendet. Das Feſt wird<lb/> nächſten Samſtag wiederholt, und der Ueberſchuß der Einnahme wieder wie<lb/> früher dem Künſtlerunterſtützungsfonds übergeben werden.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <head> <note type="editorial">[Bayern]</note> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>⫪ <hi rendition="#b">Aus Oberfranken.</hi></dateline> <p>Die beiden letzten Jahre haben auf den<lb/> verſchiedenſten Gebieten Emancipationshoffnungen geweckt. Wir haben<lb/> einige derſelben, z. B. die auf die Emancipation der Juden geſtellten, in Er-<lb/> füllung gehen ſehen, andere find bis jetzt unerfüllt geblieben. Noch warten<lb/> diejenigen welche Kirche und Staat abſolut zu trennen eifrigſt beſtrebt<lb/> waren, auf das trennende Wort, noch ſind die deutſchen Schullehrer unbe-<lb/> friedigt, die unermüdet für die Löſung der Herrſchaft der Kirche über die<lb/> Schule ſprachen, ſchreiben und agitirten. Die Univerſitäten haben auf den<lb/> Verſammlungen zu Jena und Heidelberg ihre unbeſchränkte Selbſtändig-<lb/> keit beſchloſſen, ohne noch vollſtändig in deren Befitz zu ſeyn, und ſo konnte<lb/> man erwarten daß auch die Lehrer der gelehrten Schulen die gewichtige Zeit-<lb/> lage benützen würden jene unabhängige, geficherte und ehrenvolle Lage<lb/> endlich zu erringen die ſie ſeit Jahren anſtreben. Die Forderungen dieſer<lb/> letztgenannten beſchränken ſich im weſentlichen auf zwei Punkte, auf die<lb/> beſſere Stellung der Lehrer in ökonomiſcher und politiſcher Beziehung<lb/> einestheils, und anderntheils auf die Ueberweiſung der Oberleitung der<lb/> Gelehrtenſchulen an Männer vom Fach. Der erſte dieſer Punkte hat<lb/> ſeit einer Reihe von Jahren die Aufmerkſamkeit der Stände in den deut-<lb/> ſchen conſtitutionellen Ländern auf ſich gezogen, der zweite unterliegt im<lb/> allgemeinen keinem Anſtand. Wenn nun aber, weil bisher die ökonomi-<lb/> ſche Lage der Lehrer der Gelehrtenſchulen nicht genügend geweſen iſt, und<lb/> weil die Oberleitung in den Händen von Männern lag die nicht aus dem<lb/> Lehrerſtande genommen waren, die Lage der Anſtalten als nahezu verzwei-<lb/> felt geſchildert wird, ſo würde man nicht einſehen können wie damit der<lb/> von niemanden in Abrede geſtellte Fortſchritt der deutſchen Gelehrten-<lb/> ſchulen ſeit etwa 30 Jahren ſtimme, wenn man ſich nicht erinnerte daß<lb/> bei der vorliegenden Frage die individuelle Begabung der Lehrer die Haupt-<lb/> ſache iſt, und daß die Wirkſamkeit der Gelehrtenſchulen in den Gränzen,<lb/> in welchen ſie überhaupt gefordert werden kann, zum weitaus größeren<lb/> Theile der intellectuellen und ſittlichen Begabung der Lehrer zugeſchrieben<lb/> werden müſſe. Wer der äußern Lage und der Beſchaffenheit der obern<lb/> Leitung einen ſo großen Theil an den Erfolgen zuſchreibt, als dieß neu-<lb/> erlich geſchieht, der ſetzt gerade den Hauptfactor herab, auf den es hierbei an-<lb/> kommt, der Gefahr zu geſchweigen die für die Freiheit des Wirkens in der<lb/> geforderten Aenderung in der Oberleitung möglicherweiſe liegt. Denn das<lb/> iſt wohl jedem Einfichtigen klar daß man von dem Dirigenten des gelehr-<lb/> ten Schulweſens nicht nur fordern müſſe daß er mit dieſem vertraut ſey,<lb/> ſondern daß es ebenſo unerläßlich ſey auf der andern Seite zu fordern<lb/> daß er mit dem Intereſſe für die gelehrte Schule auch das für das<lb/> Staatswohl im allgemeinen und die nöthige Einſicht hiezu verbinde, und<lb/> daß er jenen überſchauenden Blick beſitze der vor einſeitigen Forderungen<lb/> bewahrt. 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Grabe ſich wieder zu betten, bis draußen die Raben nicht mehr krächzen,
die Fledermäuſe von dannen geflogen, und der Birnbaum, unter einer
Frühlingsſonne von nachhaltigerer Wärme, andere als taube Blüthen trei-
ben würde. Mit dem Verſchwinden des großen Ghibellinen ſollte die um-
florte deutſche Fahne ſich trübſelig ſenken, die Stammesfähnlein aller
Farben im vormärzlichen Winde ſelbſelig flattern. Der Vorſchlag dieſer
trüb-heitern Parodie ward von der großen Mehrzahl unſerer Künſtler
verworfen, und man beſchloß, ich weiß nicht ob zur feinern Ironie, auf
die vorjährige deutſche Reichs-Frühlingsfeier ein deutſches Wintermärchen
folgen zu laſſen, bei deſſen Anblick wir mit dem Dichter wehmüthig
ſeufzen können:
„O Zeit, du biſt verklungen,
Ein Märchen ſcheinſt Du mir!“
⨻ München, 5 Febr. Die Maskenfeſte unſerer Künſtler bil-
den ſeit einer Reihe von Jahren den Mittelpunct und den Hauptglanz
der Faſchingsvergnügungen in München, und haben ſich mit vollem
Rechte den Ruhm tiefpoetiſcher Auffaſſung und wahrhaft künſtleriſcher
Durchführung erworben, die Gedanken ſind immer neu, und das frohe
Carnevalsſpiel wird unter den Händen der Künftler zur vollendeten all-
ſeitig durchgebildeten Kunftſchöpfung. Auch dieſes Jahr haben ſie uns
mit einer das Gewöhnliche weit überragenden Faſchingsgabe beſchenkt.
Das Spiel das ſie geftern Abend im großen Odeonſaale vor einer zahllo-
ſen Menge heiterer Menſchen zur Aufführung brachten, hatte als Gegen-
ſtand den „Frühling im Winter“, ein Märchen gedichtet von A. Teichlein,
zu dem Baron v. Perfall die Mufik geſchrieben. Die poetiſche Idee welche
dem Ganzen zu Grunde liegt iſt kurz die: daß „die Blume heimiſcher Phan-
taſie“ durch poetiſche Begeiſterung im Stande iſt mitten im kalten Winter
fich die Luſt und Heiterkeit des Frühlings herbeizuzaubern; denn ihr ent-
ſproßt das Lied, in dieſem verbindet ſich ſchweſterlich der Wein und die
Liebe zu frohem Lebensgenuß. Die Form in welche der Dichter dieſen
Gedanken einkleidet iſt folgende. Der Winterfürſt, ein Junker Sauſe-
braus hat „Liebſeelchen“, die Repräſentantin der deutſchen Sage, des Lie-
des, der Poeſie überhaupt, im Spätherbſt in ſeinen ſtolzen kalten Winter-
palaſt aufgenommen, und hofft von ihr Kurzweil und geſellige Würze für
die langen Winterabende. Liebſeelchen aber fühlt ſich unheimlich in den
kalten Räumen, iſt traurig und „hat noch nie gelacht“. Ihr Frühlingsſehnen
wird getheilt von den Spinnerinnen und bringt den luſtigen Hrn. Winter
ſchier zur Verzweiflung; da kommt als Retter Junker Faſching, der lu-
ſtige Rath im Hauſe. Er räth dazu den Frühling nachzuäffen mit pa-
piernen Blumen, buntem Garn und damit die Frühlingsnarren zu fangen.
Von allen Seiten ruft er Gäſte zuſammen zum Ball in Hrn. Winters
Feſtpalaſt, auch von ſeinem Vetter in Welſchland, dem Prinzen Carneval,
weiß er luſtige Sänger und bunten Mummenſchanz zu erbitten und durch
Zauber herbeizuſchaffen. Liebſeelchen aber flieht das tolle Gewimmel, und
alle Mühe ſcheint vergebens fie zur Heiterkeit, zum Reden zu bewegen. Da
iſt ihr im ſtillen Kämmerlein, ohne daß ſie es ſelbſt weiß wie, gewoben
von der eigenen Hand, die lang Geſuchte erſtanden, „die Blume“; poeti-
ſche Begeiſterung ergreift ſie mit Macht, ſie eilt hinab in den frohen
Kreis und erzählt, ohne ſich weiter bitten zu laſſen, die Sage vom Nibe-
lungenhort; der Hort der iſt das Lied, und des Hortes Gold das iſt der
edle Traubenſaft. Und wie ſie ſpricht und alle Hörer bezaubert an ihrem
Munde hängen, treten Winzer in den Saal mit gefüllten Pokalen und ih-
nen folgen die Rheinweine in Perſon; es drängt ſie dem goldenen Weine
ein ſchallendes Loblied zu ſingen, unter deſſen Klängen der Saal ſich wie
durch einen Zauberſchlag in eine blühende Gartenhalle verwandelt. Frau
Primavera Frühlingsluſt erſcheint auf frühling – ſtrahlendem Hinter-
grunde und ſingt:
Wem in der Seele nie verdorrt
Der liebenden Begeiſtrung Hort,
Wer immer ſich und froh bewußt
Der keimgeſchwellten Thatenluſt:
Hat Frühling auch im Winter!
Ja Frühling!
Drum ſcheltet nicht Herrn Winter fein,
Und lernt von ſeinem Schweſterlein
Wo blüht die Blum’ der Phantaſei,
Und wo der Hort vergraben ſey,
Und Frühling iſt im Winter,
Ja Frühling.
Hr. Winter iſt befriedigt und umarmt Liebſeelchen, Junker Faſching zieht
die Faſtnachtsglocke, gibt damit das Zeichen zum Beginn des allgemeinen
Balles und zugleich zur Umwandlung des winterlichen Anblicks den der
ganze Saal bis jetzt gewährt hat, in bunte Frühlingsfarben. Jeder der
eintretenden Gäſte hatte nämlich beim Eintritt in den Saal eine phrygi-
ſche Doppelkappe erhalten, außen ein weißer Papier-Ueberzug und drun-
ter eine zweifarbige Kappe. Die weißen Kappen ließen den ganzen Saal
wie mit dichtem Schnee bedeckt erſcheinen, der auf das erwähnte Glocken-
zeichen ſchmolz und an deſſen Stelle plötzlich die ganze Fläche wie mit
Blumen überſäet erſchien. Dieß in kurzen Worten der Gang des Feſt-
ſpiels. Die Idee iſt ſchön und poetiſch, aber viele fanden daß ſie nicht
klar und verſtändlich genug durchgeführt iſt; der eigentliche Wendepunkt,
das Finden der Blume, iſt zu wenig motivirt in der Dichtung, und tritt
nicht ſchlagend genug hervor, auch könnte man an den Verſen am Aus-
druck manches beſſer wünſchen. Das Architektoniſche aber des Winter-
palaſtes, die Umwandlung in einen blühenden Garten, die Gruppirung ꝛc.
wirkte feenartig. Nach Beendigung des Spieles ordneten ſich ſämmt-
liche Masken, die Winzer voran, zum Umzuge im Saale, und wie bei allen
früheren Künſtlerfeſten, ſo konnte man auch dießmal den feinen künſtleri-
ſchen Geſchmack in den Anzügen der einzelnen bewundern. Unter den
Anweſenden ſah man den ganzen Hof, mehrere Miniſter, ſehr viele Mit-
glieder beider Kammern, und auch die Schweſterſtadt Augsburg hatte
uns eine namhafte Zahl von Gäſten herübergeſendet. Das Feſt wird
nächſten Samſtag wiederholt, und der Ueberſchuß der Einnahme wieder wie
früher dem Künſtlerunterſtützungsfonds übergeben werden.
⫪ Aus Oberfranken. Die beiden letzten Jahre haben auf den
verſchiedenſten Gebieten Emancipationshoffnungen geweckt. Wir haben
einige derſelben, z. B. die auf die Emancipation der Juden geſtellten, in Er-
füllung gehen ſehen, andere find bis jetzt unerfüllt geblieben. Noch warten
diejenigen welche Kirche und Staat abſolut zu trennen eifrigſt beſtrebt
waren, auf das trennende Wort, noch ſind die deutſchen Schullehrer unbe-
friedigt, die unermüdet für die Löſung der Herrſchaft der Kirche über die
Schule ſprachen, ſchreiben und agitirten. Die Univerſitäten haben auf den
Verſammlungen zu Jena und Heidelberg ihre unbeſchränkte Selbſtändig-
keit beſchloſſen, ohne noch vollſtändig in deren Befitz zu ſeyn, und ſo konnte
man erwarten daß auch die Lehrer der gelehrten Schulen die gewichtige Zeit-
lage benützen würden jene unabhängige, geficherte und ehrenvolle Lage
endlich zu erringen die ſie ſeit Jahren anſtreben. Die Forderungen dieſer
letztgenannten beſchränken ſich im weſentlichen auf zwei Punkte, auf die
beſſere Stellung der Lehrer in ökonomiſcher und politiſcher Beziehung
einestheils, und anderntheils auf die Ueberweiſung der Oberleitung der
Gelehrtenſchulen an Männer vom Fach. Der erſte dieſer Punkte hat
ſeit einer Reihe von Jahren die Aufmerkſamkeit der Stände in den deut-
ſchen conſtitutionellen Ländern auf ſich gezogen, der zweite unterliegt im
allgemeinen keinem Anſtand. Wenn nun aber, weil bisher die ökonomi-
ſche Lage der Lehrer der Gelehrtenſchulen nicht genügend geweſen iſt, und
weil die Oberleitung in den Händen von Männern lag die nicht aus dem
Lehrerſtande genommen waren, die Lage der Anſtalten als nahezu verzwei-
felt geſchildert wird, ſo würde man nicht einſehen können wie damit der
von niemanden in Abrede geſtellte Fortſchritt der deutſchen Gelehrten-
ſchulen ſeit etwa 30 Jahren ſtimme, wenn man ſich nicht erinnerte daß
bei der vorliegenden Frage die individuelle Begabung der Lehrer die Haupt-
ſache iſt, und daß die Wirkſamkeit der Gelehrtenſchulen in den Gränzen,
in welchen ſie überhaupt gefordert werden kann, zum weitaus größeren
Theile der intellectuellen und ſittlichen Begabung der Lehrer zugeſchrieben
werden müſſe. Wer der äußern Lage und der Beſchaffenheit der obern
Leitung einen ſo großen Theil an den Erfolgen zuſchreibt, als dieß neu-
erlich geſchieht, der ſetzt gerade den Hauptfactor herab, auf den es hierbei an-
kommt, der Gefahr zu geſchweigen die für die Freiheit des Wirkens in der
geforderten Aenderung in der Oberleitung möglicherweiſe liegt. Denn das
iſt wohl jedem Einfichtigen klar daß man von dem Dirigenten des gelehr-
ten Schulweſens nicht nur fordern müſſe daß er mit dieſem vertraut ſey,
ſondern daß es ebenſo unerläßlich ſey auf der andern Seite zu fordern
daß er mit dem Intereſſe für die gelehrte Schule auch das für das
Staatswohl im allgemeinen und die nöthige Einſicht hiezu verbinde, und
daß er jenen überſchauenden Blick beſitze der vor einſeitigen Forderungen
bewahrt. Je wichtiger gerade in unſrer Zeit eine geſunde Bildung der
Jugend iſt, wenn eine glückliche Zukunft begründet werden ſoll, je vor-
urtheilsfreier und unbeſchränkter müſſen wir den Blick der Männer wün-
ſchen die an der Spitze dieſes wichtigen Zweiges der Verwaltung ſtehen.
Gr. Heſſen.
Mainz, 4 Febr. In letzter Nacht hat der Rhein bei
unſerer Stadt die Ufer überſchritten, ſo daß heute die dem Strom zunächſt
gelegenen Straßen unter Waſſer ſtehen: das Waſſer iſt noch im Wachſen.
K. Sachſen.
⁑ Dresden, 2 Febr. Ueberblickt man von Zeit zu
Zeit die Thätigkeit unſerer Kammern, ſo fühlt man daß ſie wahrlich
nicht auf Roſen gebettet ſind, indem ſie am Aufräumen des Schuttes
unſrer Zuſtände arbeiten. Schon hört man bei den oft wiederkehrenden
Verhandlungen über Beſchwerden Suspendirter, über Kriegszuſtand und
Einquartierungslaſt hie und da klagen wieviel Geld dieß dem Lande koſte,
und daneben die anerkannte Nothwendigkeit außergewöhnlicher Opfer, der
Steuererhöhungen! Zu einer Steuerdebatte kam es in der erſten Kammer
hinſichtlich des der Regierungsvorlage beifälligen Beſchluſſes der zweiten
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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