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Allgemeine Zeitung, Nr. 344, 12. Dezember 1890.

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München, Freitag Allgemeine Zeitung 12. December 1890. Morgenblatt Nr. 344.
[Spaltenumbruch]
absichtigt. Die Sparsamkeit, der man jetzt in Berlin so eifrig das
Wort redet, könnte sich bitter rächen, ja vielleicht das Schicksal
Emin Paschas besiegeln! Später, nach Jahren, falls wieder eine
Krast, wie die Emins zu unsrer Verfügung steht und mehr Ver-
ständniß für den Werth dieser im fernen Nordwesten unsres afri-
kanischen Colonialbesitzes gelegenen Landschaften vorhanden ist,
dann wird man die jetzt mit anscheinend so großer Leichtigkeit ins
Werk gesetzte Unternehmen von neuem und mit vermehrten An-
strengungen zu beginnen haben. Ob das Heraufbeschwören einer
derartigen Zufälligkeit die jetzt angestrebte Ersparniß von
100,000 Mark werth sei, überlasse ich denjenigen zur Entscheidung,
welche sich der Ueberzeugung hingeben, daß eine im Reichsbudget
vorgebrachte Ersparnißziffer von diesem Betrag irgendwelchen Ein-
fluß auf die Haltung der der Regierung oppositionellen Parteien
auszuüben vermag."

Der Kaiser hat bei dem jüngsten Empfange der türlischen
Officiere den General v. Hobe Pascha, welcher Oberstlieutenant
der preußischen Armee ist, zum Obersten befördert.

* Die Rang- und Quartierliste der kaiserlich deut-
schen Marine für das Jahr
1891 (abgeschlossen am 30. No-
vember 1890) ist soeben im Mittler'schen Verlage erschienen. Als
Redaction zeichnet auf dem Titel das Obercommando der Marine.
Eintheilung und Ausstattung gleichen der vorjährigen Rangliste,
doch ist der Vergrößerung der Marine entsprechend die Seitenzahl
von 167 auf 175 angewachsen. Bei den wissenschaftlichen Insti-
tuten ist Contreadmiral v. Reiche, an Stelle des Contreadmirals
Schering, an die Spitze getreten. Bei der Schiffsprüfungscommission
ist die Zahl der Officiere auf 5, beim Torpedoversuchscommando
auf 8 gestiegen. Zu den Lazarethen ist das Lazareth zu Lehe zu-
getreten. Die Zahl der Viceadmirale ist auf 5 gestiegen, die der
Contreadmirale ist sich gleich geblieben (10). In der Liste der
Schiffe und Fahrzeuge finden wir 12 Panzerschiffe, 16 Panzer
fahrzeuge, 4 Kreuzerfregatten, 14 Kreuzercowetten, 5 Kreuzer,
3 Kanonenboote, 8 Avisos, 11 Schulschiffe und Fahrzeuge und
8 Schiffe zu "anderen Zwecken" verzeichnet, unter letzteren Yacht
"Hohenzollern" und "Nachtigal" in Kamerun. Die im Bau befind-
lichen Schiffe sind hier nicht inbegriffen.

Gestern war es ein Jahr, seit die
hochselige Kaiserin Augusta ihren letzten Aufenthalt in
Koblenz beendete. Zu diesem Gedenktage ist von der Groß-
herzogin von Baden
folgendes Telegramm an das
hiesige Oberbürgermeisteramt
gelangt:

"Karlsruhe,
den 9. December 1890. Es ist heute ein Jahr, daß meine theure, in
Gott ruhende Mutter die Stadt verließ, an welcher ihr Herz
mit besonderer Liebe hing. Meine Gedanken weilen in
tiefer Bewegung bei der Abschiedsstunde von damals und dem
schmerzlichen Vermissen von heute. In der tiefen Trauer um die
Unvergeßliche weiß ich mich gerade an diesem Tage ganz besonder-
mit den Einwohnern von Koblenz verbunden, deren Dankbarkei
auch über das Grab hinaus der geliebten Heimgegangenen be-
wahrt bleiben wird. Möge der Segen der Verklärten ferner über
der Stätte ihres langjährigen Wirkens und ihrer reichen Fürsorge
weilen.

Oesterreich-Ungarn.

In Uebereinstimmung mit Berliner
und St. Petersburger Nachrichten über die fortschreitende
russische Mobilisirung
meldet nun auch die hiesige "Reichs-
wehr":

"Schon vor einiger Zeit hatte unser Warschauer Corre-
spondent eine bevorstehende Standeserhöhung der zunächst der
Westgrenze dislocirten russischen Neservebataillone signalisirt.
Diese Maßregel scheint nunmehr wirklich durchgeführt zu werden,
denn in der letzten Nummer des "Invaliden" finden wir die
Vermehrung des 28., 73., 79. und 80. Reservebataillons um
je eine 5. Compagnie, des 33., 44., 47. und 65. Reservebataillons
um je zwei Compagnien, somit auf je sechs Compagnien an-
geordnet. Die Standquartiere dieser Reservebataillone sind folgende:
Nr. 28: Moskau; Nr. 33: Wjasniki (Gouvernement Wladi-
mir); Nr. 44: Sarajek (Gouvernement Rjäsan); Nr. 47:
Gschatsk (Gouvernement Smolensk); Nr. 65: Murom; Nr. 73:
Moskau; Nr. 79: Wladimir; Nr. 80: Nischnij-Nowgorod.
Diesen Standesvermehrungen dürften bald weitere in größerem
Maßstabe folgen und insbesondere soll, wie uns aus Warschau
berichtet wird, die bereits begonnene Umgestaltung der in Con-
greß-Polen und an der Südwestgrenze dislocirten Reserve-
Bataillone in Negimenter allgemein durchgeführt werden. Dies
kommt einer stetigen, wenn auch langsamen Mobi-
[Spaltenumbruch] lisirung der Reserve-Infanterie-Truppendivi-
sionen gleich.
"
Niederlande.

Wie am 20. v. M. als Regentin,
in Folge der Regierungsunfähigkeit des inzwischen verstorbenen
Landesherrn, so hatte die Königin-Wittwe gestern mit
Rücksicht auf die Minderjährigkeit ihrer Tochter, der Königin
Wilhelmine, in einer gemeinschaftlichen Sitzung beider Kammern,
den Eid der Treue als Regentin und Vormünderin zu
leisten. Das Programm beider Feierlichkeiten war überein-
stimmend. Die hohe Frau war diesmal im Trauergewand,
das Antlitz mit einem fast undurchsichtigen Schleier bedeckt,
welcher im Saal zurückgeschlagen wurde. Ebenso hatten die
im Saale und anf den überfüllten Galerien anwesenden
Herren und Damen Trauerabzeichen angelegt. Nachdem die
Königin-Regentin, von einem Ausschusse von Mitgliedern
beider Kammern geführt, den Saal betreten und den neben
dem Thron aufgestellten Sessel eingenommen hatte, wurde sie
von dem Vorsitzenden, Hrn. van Naamen van Eemnes, be-
grüßt. Derselbe wies auf den Schatz hin, welchen der nun
verstorbene König der Nation in der Königin Wilhelmine,
mit der Regentin zur Führerin, hinterlassen habe. "Die
niederländische Nation," fügte der Redner hinzu, "erblickt in
ihrer jugendlichen Königin das Bild einer schönen Zukunft,
denn sie ist überzeugt, daß ihre Heranbildung und Erziehung
in den Händen Ihrer Majestät der Regentin und Vormün-
derin vollkommen gesichert ist." Hierauf erhob sich die
Königin, sichtbar tief gerührt, höchst würdevoll und verlas von
einem Blatt Papier den Eid der Treue gegen die Königin
und gegen die Verfassung, indem sie zugleich versprach, alle
ihr durch die Vormundschaft auferlegten Verpflichtungen
erfüllen und ganz besonders bestrebt sein zu wollen, der
Königin Treue gegen die Verfassung und Liebe zur Nation
inzuflößen. Letzterer Satz wurde von der Regentin ganz be-
sonders betont. Der Vorsitzende ergriff alsdann von neuem
das Wort, indem er den Wunsch zum Ausdruck brachte, daß
der Segen des Allerhöchsten auf der Erfüllung der dankbaren,
aber schwierigen Aufgabe der Regentin und Vormünderin
ruhen möge. Hiemit war der feierliche Act beendigt. Kurz
nachher traten beide Kammern zu einer neuen gemein-
schaftlichen Sitzung zusammen. Diesmal galt es der Eides-
leistung der acht Mitglieder des Vormundschaftsrathes, von
welchen drei vom hochseligen König (ein ernanntes Mitglied,
der chemalige Vorsitzende der Ersten Kammer, Frhr. Schimmel-
venninck van der Oye, ist inzwischen mit Tod abgegangen) und
fünf von den beiden Kammern bestimmt wurden. Erstere drei
sind die Kammerherren des hochseligen Königs, Frhr
van Goltstein tot Oldenaller, Frhr. van Brienen,
van de Groote Lindt und der Abgeordnete Jonkheer
Roell; die von der Kammer Gewählten sind folgende: der
Vicepräsident des Staatsrathes, das älteste Mitglied dieses
Staatskörpers, der Vorsitzende des Nechnungshofes, der Vor-
sitzende und der Generalprocurator des hohen Justizrathes. --
Der Director des königlichen Cabinets veröffentlichte soeben
in der Staatszeitung ein ihm von der Königin-Regentin zu-
gegangenes Handschreiben, in welchem die hohe Frau ihre
innige Erkenntlichkeit für die durch die Nation bei dem Tode
ihres Gemahls entgegengebrachten Beweise der Anhänglichkeit
ausdrückt. -- Zum Gedächtniß des Hinscheidens des hochseligen
Königs wird eine Gedenkmünze geprägt. Nächstens sollen
bereits Münzen mit dem Bilde der Königin Wilhelmine in
Umlauf gesetzt werden. -- Die Regentin hat dem Erzherzog
Friedrich von Oesterreich, welcher den Kaiser bei der Leichen-
feier vertrat, vor seiner Abreise das Großkreuz des nieder-
ländischen Löwen-Ordens überreicht. Auch Prinz Victor von
Savoyen erhielt die nämliche Auszeichnung. -- Die Zweite
Kammer hatte sich kürzlich nicht entschließen können, die Re-
gierung aufzufordern, die diesseitigen Truppen von Flores
zurückzuberufen. Indessen wurde der Zweck doch thatsächlich
erreicht: wie die neuesten Nachrichten aus den Colonien be-
sagen, wurde die an der Südküste der Insel, wo man keine
Zinnlager aufzufinden hofft, gelandete Armee bereits zurück-
berufen. Was die an der Nordküste gelandeten Truppen
betrifft, so scheint man jetzt zu der Ueberzeugung gelangt zu
sein, daß sich eine Ausbeutung etwa dort zu entdeckender
Zinnlager ohne fortwährende Zusammenstöße mit der ein-
[Spaltenumbruch] gebornen Bevölkerung als Unmöglichkeit herausstellen wird.
Somit wird die Wiedereinschiffung der Expedition auch auf
jenem Punkte nicht lange mehr ausbleiben. -- Ein Tagblatt
von Batavia enthält die fast unglaublich klingende Angabe:
die diesseitige Regierung stehe mit der Regierung von Nord-
amerika in Unterhandlung darüber, daß die Werbung von
Negern in Amerika für die diesfeitige Colonialarmee ge-
stattet werde, für den Fall, daß man in Washington glaube,
eine solche Werbung würde den davon erhofften Erfolg ver-
sprechen. Die Nachricht bedarf jedenfalls weiterer Aufklärung.

Serbien.

Bis zur letzten Stunde zweifelte
man in Serbien, daß Königin Natalie das angekündigte
Memorandum wirklich der Skupschtina überreichen werde. Die
Freunde der Königin-Mutter, welche ihr wahrhaft ergeben sind,
haben bis zum letzten Augenblick gehofft, daß sie einen Schritt
unterlassen werde, der sehr bedenklich ist; auf das entschiedenste
haben es ihr sowohl die Regentschaft, die Regierung und an-
gesehene Männer des Landes widerrathen, und man hoffte um
so mehr auf eine Unterlassung der Memorandumsübergabe an
die Skupschtina, als die Königin Natalie von den maßgebend-
sten Personen unterrichtet wurde, daß ihr Schritt keinen ihr
genügenden Erfolg haben werde. In den entscheidenden
Kreisen Serbiens, der Regentschaft, des Ministeriums und des
königlichen Hofes, ist man durch das Vorgehen der Königin
Natalie sehr unangenehm berührt und bedauert es besonders,
daß die Königin-Mutter dem Umstande keine Nechnung getragen
habe, daß ihr eigener Sohn, der junge König Alexander, der
heute kein Kind mehr ist, sondern im 15. Lebensjahre steht und
binnen 3 Jahren die Regierung selbständig zu übernehmen be-
rufen ist, brieflich die Bitte an sie gerichtet hatte, jeden Schritt
zu unterlassen, welcher einen öffentlichen Eclat hervorzurufen
geeignet sei, da sie ihn sonst nie mehr sehen werde. Daraus
geht hervor, daß die Gründe, welche die Königin-Mutter
zur Zurückhaltung des Memorandums bewegen sollten, von ihr
mißachtet wurden, und daß sie von Stimmungen und dem
Einflusse von Personen beherrscht ist, die sie verleiten, die ge-
botene Rücksichtnahme auf die öffentlichen Interessen und die
Dynastie zur Seite zu setzen und, unbekümmert um ernste
Mahnworte der maßgebendsten Männer und des eigenen Kindes,
sich zum Werkzeuge persönlicher Rancune oder auch verborgener
Parteiumtriebe zu machen. Wenn die Königin Natalie nur
eine Negelung ihres Verkehrs mit ihrem Sohne verlangte, so
war die Erfüllung dieses berechtigten Wunsches in dem Arran-
gement geboten, das ihr der Ministerpräsident Gruitsch vor-
geschlagen und wonach sie in der gleichen Weise, wie König
Milan, zweimal im Jahre zum Besuche des Sohnes für einige
Wochen nach Belgrad kommen sollte. Einem solchen Arrangement
gab König Milan seine Zustimmung. Die Ablehnung dieses
Vorschlages zeigt, daß Königin Natalie Pläne hegt, die den
thatsächlichen wie gesetzlichen Verhältnissen zuwider sind. Dem
entspricht auch die Zusammenstellung des Memorandums und
der ihm beigeschlossenen Actenstücke, worin eine Unmasse klein-
lichen Tratsches aufgetischt wird, der nur den Zweck haben
kann, Staub aufzuwirbeln. Noch klarer erscheint das Ziel,
welches die Königin Natalie anstrebt, durch jenen Satz im
Memorandum, in welchem sie von der Skupschtina die Wieder-
einsetzung in ihre frühere Stellung verlangt ("vratiti svoj
polozaj"
). Königin Natalie will an der Seite ihres
Sohnes als wirkliche Königin stehen, eine Rolle spielen.
Sehr auffallend ist der Umstand, daß die Königin wohl Briefe
von Ristitsch, dem Ministerpräsidenten Gruitsch und anderen
Staatsmännern dem Memorandum beischließt, aber keinen von
ihren jetzigen Freunden aus der Fortschrittspartei, dagegen zeigt
sie im Memorandum eine gewisse Animosität gegen den
Regenten Ristitsch. Dieser Umstand erweckt den Verdacht, daß
die hohe Frau in ihrem maßlosen persönlichen Groll- bewußt
oder unbewußt das Werkzeug politischer Parteiumtriebe ist,
deren verhängnißvolle Ziele die Königin Natalie in ihrer Be-
fangenheit kaum zu ermessen vermag. Der Regent Ristitsch
ist unbestritten der stärkste und bewährteste Pfeiler der dynasti-
schen Ordnung in Serbien, und seiner staatsmännischen Klug-
heit ist es gelungen, den jahrelangen, bereits zu gefährlicher
Schroffheit entartet gewesenen Conflict zwischen der Dynastie
und dem Volke gänzlich zu beseitigen und in herzliche Liebe
und Anhänglichkeit umzuwandeln. In dieses gute Verhältnis

[Spaltenumbruch]

mit einem Worte zurückzukommen, bietet die Möglichkeit, sich
dieses oder jenes moderne Prachtwerk zu besehen, ohne daß so-
fort ein Bestellschein zum Unterzeichnen vorgelegt wird. Das
fehlte bisher in München. Was er außer einer riesigen Aus-
wahl von photographischen und radirten wie gestochenen Blät-
tern aufweist, ist nicht viel, aber es ist gut. Da wären vor
allem zwei Menzel'sche Aquarelle zu nennen, das eine
ein Kirchen-Interieur mit Figuren, das andere eine kleine, eng-
begrenzte Straßen-Vedute mit Bäumen im Hintergrunde zeigend.
Die Blätter sind nicht groß dem Flächeninhalte nach, dagegen
wirken sie vorzüglich durch ihre vortreffliche Zeichnung, der sich
eine nicht minder hochstehende Farbentechnik zugesellt. Es sind
eben Menzel, und das sagt an sich schon genug. In den "Fünf
Sinnen" von Hans Makart begrüßen wir alte Bekannte --
trügt nicht der Schein, so sind auch sie des ersten jugendlichen
Reizes verlustig gegangen und schauen jetzt aus bedächtigem
Schwabenalter auf ein anders geartetes Geschlecht von Malern.
Des weiteren sind da einige treffliche Gouachen von unserm
Ludwig Dill, Garten-Interieurs mit blübenden Bäumen,
ein schnurgerader holländischer Canal mit Windmühle und
wässerig blauer Luft, wie sie der Tiefebene eigen ist, u. a. m.
Ein treffliches weibliches Bildniß in Pastell von Bruno Pigl-
hein
zeigt des geistreichen Künstlers große und schöne Auffassung;
ein anderes Portrait gleicher Technik rührt von Fritz August
Kaulbach
her und ist in seiner Art nicht weniger hervorhebens-
werth, ebenso verschiedene kleinere Bronzen, deren Autoren mir
unbekannt sind. -- Kupferstich und Radirung wie Holzschnitt
haben in den letzten Wochen einige ganz hervorragende Arbei-
ten gebracht. Dahin zählen vor allem eine Anzahl von außer-
ordentlich frisch gehaltenen, direct nach der Natur radirten
Blättern von Ch. Th. Meyer-Basel (München), der die
Nadel mit einem malerischen Geschick sondergleichen zu führen
versteht. Sein Blatt "Ueberschwemmung der Würm bei Pipin"
hält den Vergleich mit den besten modernen Aquafortisten
aus, nicht weniger jenes, das einen Blick von hügeligem Ge-
lände auf die vielfach gegliederten Buchten des Boden-(Unter-)
Sees gibt mit der Silhouette von Konstanz am Horizont.
Das Blatt erinnert unwillkürlich an gewisse niederländische
Radirungen, mit leichtbewegtem, buchtigem Terrain, Wasser-
tümpeln und den Umrissen der in der Ebene liegenden
Städte mit ihren gothischen Thürmen. Die Platte ist in den
Besitz der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in
Wien übergegangen, die deren Abdrücke binnen kurzem publi-
ciren wird. Aus den rühmlich bekannten Ateliers dieser durch
[Spaltenumbruch] ihre trefflichen Leistungen bekannten Anstalt sind übrigens
einige große Blätter hervorgegangen, die zu München in einer
gewissen Beziehung stehen, einmal dadurch, daß das Sujet
des einen großen Blattes unsrer alten Pinakothek angehört,
das andere Mal, weil der Künstler ein Münchener, Wilhelm
Hecht,
ist. Das erstgenannte Blatt gibt in äußerst farbiger,
tieftoniger Weise das herrliche Portrait des Kupferstechers
Karl Malery von Antoon van Dyck wieder, der, in einen
weiten Mantel gehüllt, die schöne linke Hand in coquetter,
beinahe herausfordernder Weise benutzt, um scheinbar die
Falten zusammenzufassen, während der geistreich-joviale Kopf
des wohlgenährten Herrn mit Schnurr- und Knebelbart sich
leicht nach rechts wendet. Es ist eine ganz vortreffliche Ueber-
setzung in die Kunst der Aquafortisten, die L. Kühn damit ge-
liefert hat. Genial in der Ausführung des Materials --
man möchte kaum mehr an einen Holzschnitt denken -- wirkt
das geradezu großartige Blatt von Wilhelm Hecht, das
ebenfalls ein Original von van Dyck nachbildend, die Züge
Henrictte's von Frankreich, der Gemahlin Karls I. von Eng-
land, gibt (das Original in der Dresdener Galerie, ein ähn-
liches von der gleichen Hand in Windfor Castle). Es zeigt
die Monarchin in weißem Atlasgewande mit reichem Spitzen-
und Perlenbesatz, mit der niederhängenden Linken leicht das
Kleid, mit der Rechten einen Blumenzweig haltend, den an
sich eigentlich nicht gerade schönen, aber äußerst vornehm
wirkenden Kopf von klein gekräuselten Locken umspielt. Hecht
hat damit gezeigt, was der Holzschnitt sein kann, wenn eine
Meisterhand wie die seinige den Stichel führt. Die Weich-
heit der ganzen Erscheinung ist dabei in vorzüglicher Weise
festgehalten. Uebrigens sei im Anschlusse hieran doch noch
ein drittes Blatt erwähnt, das im gleichen Verlage erschien
und den "Feldherrn" (Belvedere in Wien) ebenfalls von van
Dyck in nicht weniger hervorragender Weise wiedergibt, als dies
den Originalen der zwei anderen Blätter gegenüber geschehen
ist. Es ist eigentlicher Stich, ausgeführt von dem lange
schon als vortrefflich bekannten Johannes Sonnenleiter.
Der Stecher hat dabei das äußerste Maß einer eingehend sorg-
fältigen Technik, die all ihre Mittel spielend ins Feld führt,
aufgewandt, um dem köstlichen Vorbilde gerecht zu werden, ist
dies doch eines jener Originale des feinfühligen Niederländers,
das ihn in seiner ganzen Größe, frei von den Schwächen, die
sonst als charakteristische Erscheinungen seiner Art oft auftreten,
zeigt. Die schöne männliche Erscheinung in voller Rüstung, mit
bloßem, unbärtigem Kopfe gehört unter jene Arbeiten
[Spaltenumbruch] van Dycks, denen gegenüber jegliches Wenn und Aber verstummt,
denn es ist eine der bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiete
der Bildnißmalerei und man ist dem Wiener Institute zu Dank
verpflichtet dafür, daß es solche Perlen -- es liegt bereits
eine ganze Reihe von trefflichen Reproductionen nach van Dyck
vor -- größeren Kreisen zugänglich macht, ein Bestreben, das
Anerkennung und Unterstützung in den weitesten Kreisen ver-
dient. Einen neuen, ganz vorzüglichen Stich nach Titians Zins-
groschen (Galerie Dresden), bietet in radistisch-farbiger und,
was wohlthuend wirkt, nicht allzu ängstlicher Weise A. Schult-
heiß
(München) (Verlag von Stiefbold u. Co. in Berlin). Das
wunderbare Original hat schon gar manchen Stecher angezogen,
und es liegen aus verschiedenen Zeiten verschiedene tüchtige
Arbeiten vor. Wir möchten die Schultheiß'sche entschieden zu
jenen zählen, die dem Charakter des Originals, jener eigenen
bezaubernden Weichheit im Ausdrucke des ernsten und doch so
außerordentlich milden Christus-Kopfes, am nächsten kommen, und
auch was die Fertigkeit der Stichelbehandlung betrifft, sich des
unvergleichlich schönen Originals würdig erweisen. Eine andere,
nicht minder treffliche Arbeit desselben Künstlers gibt das Bild
eines mittelalterlichen Brautzuges wieder, das L. Herterich jun.
vor einigen Jahren gemalt hat, da er noch mit beiden Füßen
in den Traditionen der Diez-Schule steckte; das gesunde, wald-
frische Bild ist Jedem erinnerlich, der den Münchener Kunst-
verein besucht: vorn der auf den offenen Plan vor dem
Forste ausreitende Edelknabe, dann die Musikanten, als Haupt-
gruppe der ganz heillos verliebte Reitersmann, dem zur Seite
ein reizend Weib auf schmuckem Zelter trabt, eine bräutliche
Erscheinung in des Wortes schönster Bedeutung, und rückwärts
Ahnherr und Muhme des jungen Schloßherrn. Das ganze
athmet Lebenslust und Freude, und man kann der Schultheiß'schen
Neproduction wohl kaum etwas Besseres nachsagen, als daß
sie die guten Seiten des Bildes in vollem Maße wiedergibt.
Ein drittes Blatt endlich, von gleicher Hand herrührend, zeigt
das liebenswürdige allegorische Bild seines Sohnes, des Malers
Karl Schultheiß "Friedens-Gelänte" (erste Münchener Jahres-
Ausstellung). Neuerdings hat sich, sicherem Vernehmen nach,
ein Radir-Verein gebildet, der die etwas ins Stocken gerathene
frei malerische Arbeit der Nadel wieder aufnehmen und in
Gang bringen will. In welchem Maße das geschieht, hängt
jedenfalls von denen ab, die bei dem Kinde zu Gevatter ge-
standen haben. Man sagt, der eine und andere träume bereits
vom Professorentitel. Natürlich!



München, Freitag Allgemeine Zeitung 12. December 1890. Morgenblatt Nr. 344.
[Spaltenumbruch]
abſichtigt. Die Sparſamkeit, der man jetzt in Berlin ſo eifrig das
Wort redet, könnte ſich bitter rächen, ja vielleicht das Schickſal
Emin Paſchas beſiegeln! Später, nach Jahren, falls wieder eine
Kraſt, wie die Emins zu unſrer Verfügung ſteht und mehr Ver-
ſtändniß für den Werth dieſer im fernen Nordweſten unſres afri-
kaniſchen Colonialbeſitzes gelegenen Landſchaften vorhanden iſt,
dann wird man die jetzt mit anſcheinend ſo großer Leichtigkeit ins
Werk geſetzte Unternehmen von neuem und mit vermehrten An-
ſtrengungen zu beginnen haben. Ob das Heraufbeſchwören einer
derartigen Zufälligkeit die jetzt angeſtrebte Erſparniß von
100,000 Mark werth ſei, überlaſſe ich denjenigen zur Entſcheidung,
welche ſich der Ueberzeugung hingeben, daß eine im Reichsbudget
vorgebrachte Erſparnißziffer von dieſem Betrag irgendwelchen Ein-
fluß auf die Haltung der der Regierung oppoſitionellen Parteien
auszuüben vermag.“

Der Kaiſer hat bei dem jüngſten Empfange der türliſchen
Officiere den General v. Hobe Paſcha, welcher Oberſtlieutenant
der preußiſchen Armee iſt, zum Oberſten befördert.

* Die Rang- und Quartierliſte der kaiſerlich deut-
ſchen Marine für das Jahr
1891 (abgeſchloſſen am 30. No-
vember 1890) iſt ſoeben im Mittler’ſchen Verlage erſchienen. Als
Redaction zeichnet auf dem Titel das Obercommando der Marine.
Eintheilung und Ausſtattung gleichen der vorjährigen Rangliſte,
doch iſt der Vergrößerung der Marine entſprechend die Seitenzahl
von 167 auf 175 angewachſen. Bei den wiſſenſchaftlichen Inſti-
tuten iſt Contreadmiral v. Reiche, an Stelle des Contreadmirals
Schering, an die Spitze getreten. Bei der Schiffsprüfungscommiſſion
iſt die Zahl der Officiere auf 5, beim Torpedoverſuchscommando
auf 8 geſtiegen. Zu den Lazarethen iſt das Lazareth zu Lehe zu-
getreten. Die Zahl der Viceadmirale iſt auf 5 geſtiegen, die der
Contreadmirale iſt ſich gleich geblieben (10). In der Liſte der
Schiffe und Fahrzeuge finden wir 12 Panzerſchiffe, 16 Panzer
fahrzeuge, 4 Kreuzerfregatten, 14 Kreuzercowetten, 5 Kreuzer,
3 Kanonenboote, 8 Aviſos, 11 Schulſchiffe und Fahrzeuge und
8 Schiffe zu „anderen Zwecken“ verzeichnet, unter letzteren Yacht
„Hohenzollern“ und „Nachtigal“ in Kamerun. Die im Bau befind-
lichen Schiffe ſind hier nicht inbegriffen.

Geſtern war es ein Jahr, ſeit die
hochſelige Kaiſerin Auguſta ihren letzten Aufenthalt in
Koblenz beendete. Zu dieſem Gedenktage iſt von der Groß-
herzogin von Baden
folgendes Telegramm an das
hieſige Oberbürgermeiſteramt
gelangt:

„Karlsruhe,
den 9. December 1890. Es iſt heute ein Jahr, daß meine theure, in
Gott ruhende Mutter die Stadt verließ, an welcher ihr Herz
mit beſonderer Liebe hing. Meine Gedanken weilen in
tiefer Bewegung bei der Abſchiedsſtunde von damals und dem
ſchmerzlichen Vermiſſen von heute. In der tiefen Trauer um die
Unvergeßliche weiß ich mich gerade an dieſem Tage ganz beſonder-
mit den Einwohnern von Koblenz verbunden, deren Dankbarkei
auch über das Grab hinaus der geliebten Heimgegangenen be-
wahrt bleiben wird. Möge der Segen der Verklärten ferner über
der Stätte ihres langjährigen Wirkens und ihrer reichen Fürſorge
weilen.

Oeſterreich-Ungarn.

In Uebereinſtimmung mit Berliner
und St. Petersburger Nachrichten über die fortſchreitende
ruſſiſche Mobiliſirung
meldet nun auch die hieſige „Reichs-
wehr“:

„Schon vor einiger Zeit hatte unſer Warſchauer Corre-
ſpondent eine bevorſtehende Standeserhöhung der zunächſt der
Weſtgrenze dislocirten ruſſiſchen Neſervebataillone ſignaliſirt.
Dieſe Maßregel ſcheint nunmehr wirklich durchgeführt zu werden,
denn in der letzten Nummer des „Invaliden“ finden wir die
Vermehrung des 28., 73., 79. und 80. Reſervebataillons um
je eine 5. Compagnie, des 33., 44., 47. und 65. Reſervebataillons
um je zwei Compagnien, ſomit auf je ſechs Compagnien an-
geordnet. Die Standquartiere dieſer Reſervebataillone ſind folgende:
Nr. 28: Moskau; Nr. 33: Wjasniki (Gouvernement Wladi-
mir); Nr. 44: Sarajek (Gouvernement Rjäſan); Nr. 47:
Gſchatsk (Gouvernement Smolensk); Nr. 65: Murom; Nr. 73:
Moskau; Nr. 79: Wladimir; Nr. 80: Niſchnij-Nowgorod.
Dieſen Standesvermehrungen dürften bald weitere in größerem
Maßſtabe folgen und insbeſondere ſoll, wie uns aus Warſchau
berichtet wird, die bereits begonnene Umgeſtaltung der in Con-
greß-Polen und an der Südweſtgrenze dislocirten Reſerve-
Bataillone in Negimenter allgemein durchgeführt werden. Dies
kommt einer ſtetigen, wenn auch langſamen Mobi-
[Spaltenumbruch] liſirung der Reſerve-Infanterie-Truppendivi-
ſionen gleich.
Niederlande.

Wie am 20. v. M. als Regentin,
in Folge der Regierungsunfähigkeit des inzwiſchen verſtorbenen
Landesherrn, ſo hatte die Königin-Wittwe geſtern mit
Rückſicht auf die Minderjährigkeit ihrer Tochter, der Königin
Wilhelmine, in einer gemeinſchaftlichen Sitzung beider Kammern,
den Eid der Treue als Regentin und Vormünderin zu
leiſten. Das Programm beider Feierlichkeiten war überein-
ſtimmend. Die hohe Frau war diesmal im Trauergewand,
das Antlitz mit einem faſt undurchſichtigen Schleier bedeckt,
welcher im Saal zurückgeſchlagen wurde. Ebenſo hatten die
im Saale und anf den überfüllten Galerien anweſenden
Herren und Damen Trauerabzeichen angelegt. Nachdem die
Königin-Regentin, von einem Ausſchuſſe von Mitgliedern
beider Kammern geführt, den Saal betreten und den neben
dem Thron aufgeſtellten Seſſel eingenommen hatte, wurde ſie
von dem Vorſitzenden, Hrn. van Naamen van Eemnes, be-
grüßt. Derſelbe wies auf den Schatz hin, welchen der nun
verſtorbene König der Nation in der Königin Wilhelmine,
mit der Regentin zur Führerin, hinterlaſſen habe. „Die
niederländiſche Nation,“ fügte der Redner hinzu, „erblickt in
ihrer jugendlichen Königin das Bild einer ſchönen Zukunft,
denn ſie iſt überzeugt, daß ihre Heranbildung und Erziehung
in den Händen Ihrer Majeſtät der Regentin und Vormün-
derin vollkommen geſichert iſt.“ Hierauf erhob ſich die
Königin, ſichtbar tief gerührt, höchſt würdevoll und verlas von
einem Blatt Papier den Eid der Treue gegen die Königin
und gegen die Verfaſſung, indem ſie zugleich verſprach, alle
ihr durch die Vormundſchaft auferlegten Verpflichtungen
erfüllen und ganz beſonders beſtrebt ſein zu wollen, der
Königin Treue gegen die Verfaſſung und Liebe zur Nation
inzuflößen. Letzterer Satz wurde von der Regentin ganz be-
ſonders betont. Der Vorſitzende ergriff alsdann von neuem
das Wort, indem er den Wunſch zum Ausdruck brachte, daß
der Segen des Allerhöchſten auf der Erfüllung der dankbaren,
aber ſchwierigen Aufgabe der Regentin und Vormünderin
ruhen möge. Hiemit war der feierliche Act beendigt. Kurz
nachher traten beide Kammern zu einer neuen gemein-
ſchaftlichen Sitzung zuſammen. Diesmal galt es der Eides-
leiſtung der acht Mitglieder des Vormundſchaftsrathes, von
welchen drei vom hochſeligen König (ein ernanntes Mitglied,
der chemalige Vorſitzende der Erſten Kammer, Frhr. Schimmel-
venninck van der Oye, iſt inzwiſchen mit Tod abgegangen) und
fünf von den beiden Kammern beſtimmt wurden. Erſtere drei
ſind die Kammerherren des hochſeligen Königs, Frhr
van Goltſtein tot Oldenaller, Frhr. van Brienen,
van de Groote Lindt und der Abgeordnete Jonkheer
Roëll; die von der Kammer Gewählten ſind folgende: der
Vicepräſident des Staatsrathes, das älteſte Mitglied dieſes
Staatskörpers, der Vorſitzende des Nechnungshofes, der Vor-
ſitzende und der Generalprocurator des hohen Juſtizrathes. —
Der Director des königlichen Cabinets veröffentlichte ſoeben
in der Staatszeitung ein ihm von der Königin-Regentin zu-
gegangenes Handſchreiben, in welchem die hohe Frau ihre
innige Erkenntlichkeit für die durch die Nation bei dem Tode
ihres Gemahls entgegengebrachten Beweiſe der Anhänglichkeit
ausdrückt. — Zum Gedächtniß des Hinſcheidens des hochſeligen
Königs wird eine Gedenkmünze geprägt. Nächſtens ſollen
bereits Münzen mit dem Bilde der Königin Wilhelmine in
Umlauf geſetzt werden. — Die Regentin hat dem Erzherzog
Friedrich von Oeſterreich, welcher den Kaiſer bei der Leichen-
feier vertrat, vor ſeiner Abreiſe das Großkreuz des nieder-
ländiſchen Löwen-Ordens überreicht. Auch Prinz Victor von
Savoyen erhielt die nämliche Auszeichnung. — Die Zweite
Kammer hatte ſich kürzlich nicht entſchließen können, die Re-
gierung aufzufordern, die diesſeitigen Truppen von Flores
zurückzuberufen. Indeſſen wurde der Zweck doch thatſächlich
erreicht: wie die neueſten Nachrichten aus den Colonien be-
ſagen, wurde die an der Südküſte der Inſel, wo man keine
Zinnlager aufzufinden hofft, gelandete Armee bereits zurück-
berufen. Was die an der Nordküſte gelandeten Truppen
betrifft, ſo ſcheint man jetzt zu der Ueberzeugung gelangt zu
ſein, daß ſich eine Ausbeutung etwa dort zu entdeckender
Zinnlager ohne fortwährende Zuſammenſtöße mit der ein-
[Spaltenumbruch] gebornen Bevölkerung als Unmöglichkeit herausſtellen wird.
Somit wird die Wiedereinſchiffung der Expedition auch auf
jenem Punkte nicht lange mehr ausbleiben. — Ein Tagblatt
von Batavia enthält die faſt unglaublich klingende Angabe:
die diesſeitige Regierung ſtehe mit der Regierung von Nord-
amerika in Unterhandlung darüber, daß die Werbung von
Negern in Amerika für die diesfeitige Colonialarmee ge-
ſtattet werde, für den Fall, daß man in Waſhington glaube,
eine ſolche Werbung würde den davon erhofften Erfolg ver-
ſprechen. Die Nachricht bedarf jedenfalls weiterer Aufklärung.

Serbien.

Bis zur letzten Stunde zweifelte
man in Serbien, daß Königin Natalie das angekündigte
Memorandum wirklich der Skupſchtina überreichen werde. Die
Freunde der Königin-Mutter, welche ihr wahrhaft ergeben ſind,
haben bis zum letzten Augenblick gehofft, daß ſie einen Schritt
unterlaſſen werde, der ſehr bedenklich iſt; auf das entſchiedenſte
haben es ihr ſowohl die Regentſchaft, die Regierung und an-
geſehene Männer des Landes widerrathen, und man hoffte um
ſo mehr auf eine Unterlaſſung der Memorandumsübergabe an
die Skupſchtina, als die Königin Natalie von den maßgebend-
ſten Perſonen unterrichtet wurde, daß ihr Schritt keinen ihr
genügenden Erfolg haben werde. In den entſcheidenden
Kreiſen Serbiens, der Regentſchaft, des Miniſteriums und des
königlichen Hofes, iſt man durch das Vorgehen der Königin
Natalie ſehr unangenehm berührt und bedauert es beſonders,
daß die Königin-Mutter dem Umſtande keine Nechnung getragen
habe, daß ihr eigener Sohn, der junge König Alexander, der
heute kein Kind mehr iſt, ſondern im 15. Lebensjahre ſteht und
binnen 3 Jahren die Regierung ſelbſtändig zu übernehmen be-
rufen iſt, brieflich die Bitte an ſie gerichtet hatte, jeden Schritt
zu unterlaſſen, welcher einen öffentlichen Eclat hervorzurufen
geeignet ſei, da ſie ihn ſonſt nie mehr ſehen werde. Daraus
geht hervor, daß die Gründe, welche die Königin-Mutter
zur Zurückhaltung des Memorandums bewegen ſollten, von ihr
mißachtet wurden, und daß ſie von Stimmungen und dem
Einfluſſe von Perſonen beherrſcht iſt, die ſie verleiten, die ge-
botene Rückſichtnahme auf die öffentlichen Intereſſen und die
Dynaſtie zur Seite zu ſetzen und, unbekümmert um ernſte
Mahnworte der maßgebendſten Männer und des eigenen Kindes,
ſich zum Werkzeuge perſönlicher Rancune oder auch verborgener
Parteiumtriebe zu machen. Wenn die Königin Natalie nur
eine Negelung ihres Verkehrs mit ihrem Sohne verlangte, ſo
war die Erfüllung dieſes berechtigten Wunſches in dem Arran-
gement geboten, das ihr der Miniſterpräſident Gruitſch vor-
geſchlagen und wonach ſie in der gleichen Weiſe, wie König
Milan, zweimal im Jahre zum Beſuche des Sohnes für einige
Wochen nach Belgrad kommen ſollte. Einem ſolchen Arrangement
gab König Milan ſeine Zuſtimmung. Die Ablehnung dieſes
Vorſchlages zeigt, daß Königin Natalie Pläne hegt, die den
thatſächlichen wie geſetzlichen Verhältniſſen zuwider ſind. Dem
entſpricht auch die Zuſammenſtellung des Memorandums und
der ihm beigeſchloſſenen Actenſtücke, worin eine Unmaſſe klein-
lichen Tratſches aufgetiſcht wird, der nur den Zweck haben
kann, Staub aufzuwirbeln. Noch klarer erſcheint das Ziel,
welches die Königin Natalie anſtrebt, durch jenen Satz im
Memorandum, in welchem ſie von der Skupſchtina die Wieder-
einſetzung in ihre frühere Stellung verlangt („vratiti svoj
polozaj“
). Königin Natalie will an der Seite ihres
Sohnes als wirkliche Königin ſtehen, eine Rolle ſpielen.
Sehr auffallend iſt der Umſtand, daß die Königin wohl Briefe
von Riſtitſch, dem Miniſterpräſidenten Gruitſch und anderen
Staatsmännern dem Memorandum beiſchließt, aber keinen von
ihren jetzigen Freunden aus der Fortſchrittspartei, dagegen zeigt
ſie im Memorandum eine gewiſſe Animoſität gegen den
Regenten Riſtitſch. Dieſer Umſtand erweckt den Verdacht, daß
die hohe Frau in ihrem maßloſen perſönlichen Groll- bewußt
oder unbewußt das Werkzeug politiſcher Parteiumtriebe iſt,
deren verhängnißvolle Ziele die Königin Natalie in ihrer Be-
fangenheit kaum zu ermeſſen vermag. Der Regent Riſtitſch
iſt unbeſtritten der ſtärkſte und bewährteſte Pfeiler der dynaſti-
ſchen Ordnung in Serbien, und ſeiner ſtaatsmänniſchen Klug-
heit iſt es gelungen, den jahrelangen, bereits zu gefährlicher
Schroffheit entartet geweſenen Conflict zwiſchen der Dynaſtie
und dem Volke gänzlich zu beſeitigen und in herzliche Liebe
und Anhänglichkeit umzuwandeln. In dieſes gute Verhältniſ

[Spaltenumbruch]

mit einem Worte zurückzukommen, bietet die Möglichkeit, ſich
dieſes oder jenes moderne Prachtwerk zu beſehen, ohne daß ſo-
fort ein Beſtellſchein zum Unterzeichnen vorgelegt wird. Das
fehlte bisher in München. Was er außer einer rieſigen Aus-
wahl von photographiſchen und radirten wie geſtochenen Blät-
tern aufweist, iſt nicht viel, aber es iſt gut. Da wären vor
allem zwei Menzel’ſche Aquarelle zu nennen, das eine
ein Kirchen-Intérieur mit Figuren, das andere eine kleine, eng-
begrenzte Straßen-Vedute mit Bäumen im Hintergrunde zeigend.
Die Blätter ſind nicht groß dem Flächeninhalte nach, dagegen
wirken ſie vorzüglich durch ihre vortreffliche Zeichnung, der ſich
eine nicht minder hochſtehende Farbentechnik zugeſellt. Es ſind
eben Menzel, und das ſagt an ſich ſchon genug. In den „Fünf
Sinnen“ von Hans Makart begrüßen wir alte Bekannte —
trügt nicht der Schein, ſo ſind auch ſie des erſten jugendlichen
Reizes verluſtig gegangen und ſchauen jetzt aus bedächtigem
Schwabenalter auf ein anders geartetes Geſchlecht von Malern.
Des weiteren ſind da einige treffliche Gouachen von unſerm
Ludwig Dill, Garten-Intérieurs mit blübenden Bäumen,
ein ſchnurgerader holländiſcher Canal mit Windmühle und
wäſſerig blauer Luft, wie ſie der Tiefebene eigen iſt, u. a. m.
Ein treffliches weibliches Bildniß in Paſtell von Bruno Pigl-
hein
zeigt des geiſtreichen Künſtlers große und ſchöne Auffaſſung;
ein anderes Portrait gleicher Technik rührt von Fritz Auguſt
Kaulbach
her und iſt in ſeiner Art nicht weniger hervorhebens-
werth, ebenſo verſchiedene kleinere Bronzen, deren Autoren mir
unbekannt ſind. — Kupferſtich und Radirung wie Holzſchnitt
haben in den letzten Wochen einige ganz hervorragende Arbei-
ten gebracht. Dahin zählen vor allem eine Anzahl von außer-
ordentlich friſch gehaltenen, direct nach der Natur radirten
Blättern von Ch. Th. Meyer-Baſel (München), der die
Nadel mit einem maleriſchen Geſchick ſondergleichen zu führen
verſteht. Sein Blatt „Ueberſchwemmung der Würm bei Pipin“
hält den Vergleich mit den beſten modernen Aquafortiſten
aus, nicht weniger jenes, das einen Blick von hügeligem Ge-
lände auf die vielfach gegliederten Buchten des Boden-(Unter-)
Sees gibt mit der Silhouette von Konſtanz am Horizont.
Das Blatt erinnert unwillkürlich an gewiſſe niederländiſche
Radirungen, mit leichtbewegtem, buchtigem Terrain, Waſſer-
tümpeln und den Umriſſen der in der Ebene liegenden
Städte mit ihren gothiſchen Thürmen. Die Platte iſt in den
Beſitz der Geſellſchaft für vervielfältigende Kunſt in
Wien übergegangen, die deren Abdrücke binnen kurzem publi-
ciren wird. Aus den rühmlich bekannten Ateliers dieſer durch
[Spaltenumbruch] ihre trefflichen Leiſtungen bekannten Anſtalt ſind übrigens
einige große Blätter hervorgegangen, die zu München in einer
gewiſſen Beziehung ſtehen, einmal dadurch, daß das Sujet
des einen großen Blattes unſrer alten Pinakothek angehört,
das andere Mal, weil der Künſtler ein Münchener, Wilhelm
Hecht,
iſt. Das erſtgenannte Blatt gibt in äußerſt farbiger,
tieftoniger Weiſe das herrliche Portrait des Kupferſtechers
Karl Malery von Antoon van Dyck wieder, der, in einen
weiten Mantel gehüllt, die ſchöne linke Hand in coquetter,
beinahe herausfordernder Weiſe benutzt, um ſcheinbar die
Falten zuſammenzufaſſen, während der geiſtreich-joviale Kopf
des wohlgenährten Herrn mit Schnurr- und Knebelbart ſich
leicht nach rechts wendet. Es iſt eine ganz vortreffliche Ueber-
ſetzung in die Kunſt der Aquafortiſten, die L. Kühn damit ge-
liefert hat. Genial in der Ausführung des Materials —
man möchte kaum mehr an einen Holzſchnitt denken — wirkt
das geradezu großartige Blatt von Wilhelm Hecht, das
ebenfalls ein Original von van Dyck nachbildend, die Züge
Henrictte’s von Frankreich, der Gemahlin Karls I. von Eng-
land, gibt (das Original in der Dresdener Galerie, ein ähn-
liches von der gleichen Hand in Windfor Caſtle). Es zeigt
die Monarchin in weißem Atlasgewande mit reichem Spitzen-
und Perlenbeſatz, mit der niederhängenden Linken leicht das
Kleid, mit der Rechten einen Blumenzweig haltend, den an
ſich eigentlich nicht gerade ſchönen, aber äußerſt vornehm
wirkenden Kopf von klein gekräuſelten Locken umſpielt. Hecht
hat damit gezeigt, was der Holzſchnitt ſein kann, wenn eine
Meiſterhand wie die ſeinige den Stichel führt. Die Weich-
heit der ganzen Erſcheinung iſt dabei in vorzüglicher Weiſe
feſtgehalten. Uebrigens ſei im Anſchluſſe hieran doch noch
ein drittes Blatt erwähnt, das im gleichen Verlage erſchien
und den „Feldherrn“ (Belvedere in Wien) ebenfalls von van
Dyck in nicht weniger hervorragender Weiſe wiedergibt, als dies
den Originalen der zwei anderen Blätter gegenüber geſchehen
iſt. Es iſt eigentlicher Stich, ausgeführt von dem lange
ſchon als vortrefflich bekannten Johannes Sonnenleiter.
Der Stecher hat dabei das äußerſte Maß einer eingehend ſorg-
fältigen Technik, die all ihre Mittel ſpielend ins Feld führt,
aufgewandt, um dem köſtlichen Vorbilde gerecht zu werden, iſt
dies doch eines jener Originale des feinfühligen Niederländers,
das ihn in ſeiner ganzen Größe, frei von den Schwächen, die
ſonſt als charakteriſtiſche Erſcheinungen ſeiner Art oft auftreten,
zeigt. Die ſchöne männliche Erſcheinung in voller Rüſtung, mit
bloßem, unbärtigem Kopfe gehört unter jene Arbeiten
[Spaltenumbruch] van Dycks, denen gegenüber jegliches Wenn und Aber verſtummt,
denn es iſt eine der bedeutendſten Leiſtungen auf dem Gebiete
der Bildnißmalerei und man iſt dem Wiener Inſtitute zu Dank
verpflichtet dafür, daß es ſolche Perlen — es liegt bereits
eine ganze Reihe von trefflichen Reproductionen nach van Dyck
vor — größeren Kreiſen zugänglich macht, ein Beſtreben, das
Anerkennung und Unterſtützung in den weiteſten Kreiſen ver-
dient. Einen neuen, ganz vorzüglichen Stich nach Titians Zins-
groſchen (Galerie Dresden), bietet in radiſtiſch-farbiger und,
was wohlthuend wirkt, nicht allzu ängſtlicher Weiſe A. Schult-
heiß
(München) (Verlag von Stiefbold u. Co. in Berlin). Das
wunderbare Original hat ſchon gar manchen Stecher angezogen,
und es liegen aus verſchiedenen Zeiten verſchiedene tüchtige
Arbeiten vor. Wir möchten die Schultheiß’ſche entſchieden zu
jenen zählen, die dem Charakter des Originals, jener eigenen
bezaubernden Weichheit im Ausdrucke des ernſten und doch ſo
außerordentlich milden Chriſtus-Kopfes, am nächſten kommen, und
auch was die Fertigkeit der Stichelbehandlung betrifft, ſich des
unvergleichlich ſchönen Originals würdig erweiſen. Eine andere,
nicht minder treffliche Arbeit desſelben Künſtlers gibt das Bild
eines mittelalterlichen Brautzuges wieder, das L. Herterich jun.
vor einigen Jahren gemalt hat, da er noch mit beiden Füßen
in den Traditionen der Diez-Schule ſteckte; das geſunde, wald-
friſche Bild iſt Jedem erinnerlich, der den Münchener Kunſt-
verein beſucht: vorn der auf den offenen Plan vor dem
Forſte ausreitende Edelknabe, dann die Muſikanten, als Haupt-
gruppe der ganz heillos verliebte Reitersmann, dem zur Seite
ein reizend Weib auf ſchmuckem Zelter trabt, eine bräutliche
Erſcheinung in des Wortes ſchönſter Bedeutung, und rückwärts
Ahnherr und Muhme des jungen Schloßherrn. Das ganze
athmet Lebensluſt und Freude, und man kann der Schultheiß’ſchen
Neproduction wohl kaum etwas Beſſeres nachſagen, als daß
ſie die guten Seiten des Bildes in vollem Maße wiedergibt.
Ein drittes Blatt endlich, von gleicher Hand herrührend, zeigt
das liebenswürdige allegoriſche Bild ſeines Sohnes, des Malers
Karl Schultheiß „Friedens-Gelänte“ (erſte Münchener Jahres-
Ausſtellung). Neuerdings hat ſich, ſicherem Vernehmen nach,
ein Radir-Verein gebildet, der die etwas ins Stocken gerathene
frei maleriſche Arbeit der Nadel wieder aufnehmen und in
Gang bringen will. In welchem Maße das geſchieht, hängt
jedenfalls von denen ab, die bei dem Kinde zu Gevatter ge-
ſtanden haben. Man ſagt, der eine und andere träume bereits
vom Profeſſorentitel. Natürlich!



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[2/0002] München, Freitag Allgemeine Zeitung 12. December 1890. Morgenblatt Nr. 344. abſichtigt. Die Sparſamkeit, der man jetzt in Berlin ſo eifrig das Wort redet, könnte ſich bitter rächen, ja vielleicht das Schickſal Emin Paſchas beſiegeln! Später, nach Jahren, falls wieder eine Kraſt, wie die Emins zu unſrer Verfügung ſteht und mehr Ver- ſtändniß für den Werth dieſer im fernen Nordweſten unſres afri- kaniſchen Colonialbeſitzes gelegenen Landſchaften vorhanden iſt, dann wird man die jetzt mit anſcheinend ſo großer Leichtigkeit ins Werk geſetzte Unternehmen von neuem und mit vermehrten An- ſtrengungen zu beginnen haben. Ob das Heraufbeſchwören einer derartigen Zufälligkeit die jetzt angeſtrebte Erſparniß von 100,000 Mark werth ſei, überlaſſe ich denjenigen zur Entſcheidung, welche ſich der Ueberzeugung hingeben, daß eine im Reichsbudget vorgebrachte Erſparnißziffer von dieſem Betrag irgendwelchen Ein- fluß auf die Haltung der der Regierung oppoſitionellen Parteien auszuüben vermag.“ Der Kaiſer hat bei dem jüngſten Empfange der türliſchen Officiere den General v. Hobe Paſcha, welcher Oberſtlieutenant der preußiſchen Armee iſt, zum Oberſten befördert. * Die Rang- und Quartierliſte der kaiſerlich deut- ſchen Marine für das Jahr 1891 (abgeſchloſſen am 30. No- vember 1890) iſt ſoeben im Mittler’ſchen Verlage erſchienen. Als Redaction zeichnet auf dem Titel das Obercommando der Marine. Eintheilung und Ausſtattung gleichen der vorjährigen Rangliſte, doch iſt der Vergrößerung der Marine entſprechend die Seitenzahl von 167 auf 175 angewachſen. Bei den wiſſenſchaftlichen Inſti- tuten iſt Contreadmiral v. Reiche, an Stelle des Contreadmirals Schering, an die Spitze getreten. Bei der Schiffsprüfungscommiſſion iſt die Zahl der Officiere auf 5, beim Torpedoverſuchscommando auf 8 geſtiegen. Zu den Lazarethen iſt das Lazareth zu Lehe zu- getreten. Die Zahl der Viceadmirale iſt auf 5 geſtiegen, die der Contreadmirale iſt ſich gleich geblieben (10). In der Liſte der Schiffe und Fahrzeuge finden wir 12 Panzerſchiffe, 16 Panzer fahrzeuge, 4 Kreuzerfregatten, 14 Kreuzercowetten, 5 Kreuzer, 3 Kanonenboote, 8 Aviſos, 11 Schulſchiffe und Fahrzeuge und 8 Schiffe zu „anderen Zwecken“ verzeichnet, unter letzteren Yacht „Hohenzollern“ und „Nachtigal“ in Kamerun. Die im Bau befind- lichen Schiffe ſind hier nicht inbegriffen. * Koblenz, 10. Dec. Geſtern war es ein Jahr, ſeit die hochſelige Kaiſerin Auguſta ihren letzten Aufenthalt in Koblenz beendete. Zu dieſem Gedenktage iſt von der Groß- herzogin von Baden folgendes Telegramm an das hieſige Oberbürgermeiſteramt gelangt: „Karlsruhe, den 9. December 1890. Es iſt heute ein Jahr, daß meine theure, in Gott ruhende Mutter die Stadt verließ, an welcher ihr Herz mit beſonderer Liebe hing. Meine Gedanken weilen in tiefer Bewegung bei der Abſchiedsſtunde von damals und dem ſchmerzlichen Vermiſſen von heute. In der tiefen Trauer um die Unvergeßliche weiß ich mich gerade an dieſem Tage ganz beſonder- mit den Einwohnern von Koblenz verbunden, deren Dankbarkei auch über das Grab hinaus der geliebten Heimgegangenen be- wahrt bleiben wird. Möge der Segen der Verklärten ferner über der Stätte ihres langjährigen Wirkens und ihrer reichen Fürſorge weilen. Luiſe, Großherzogin.“ Oeſterreich-Ungarn. * Wien, 10. Dec. In Uebereinſtimmung mit Berliner und St. Petersburger Nachrichten über die fortſchreitende ruſſiſche Mobiliſirung meldet nun auch die hieſige „Reichs- wehr“: „Schon vor einiger Zeit hatte unſer Warſchauer Corre- ſpondent eine bevorſtehende Standeserhöhung der zunächſt der Weſtgrenze dislocirten ruſſiſchen Neſervebataillone ſignaliſirt. Dieſe Maßregel ſcheint nunmehr wirklich durchgeführt zu werden, denn in der letzten Nummer des „Invaliden“ finden wir die Vermehrung des 28., 73., 79. und 80. Reſervebataillons um je eine 5. Compagnie, des 33., 44., 47. und 65. Reſervebataillons um je zwei Compagnien, ſomit auf je ſechs Compagnien an- geordnet. Die Standquartiere dieſer Reſervebataillone ſind folgende: Nr. 28: Moskau; Nr. 33: Wjasniki (Gouvernement Wladi- mir); Nr. 44: Sarajek (Gouvernement Rjäſan); Nr. 47: Gſchatsk (Gouvernement Smolensk); Nr. 65: Murom; Nr. 73: Moskau; Nr. 79: Wladimir; Nr. 80: Niſchnij-Nowgorod. Dieſen Standesvermehrungen dürften bald weitere in größerem Maßſtabe folgen und insbeſondere ſoll, wie uns aus Warſchau berichtet wird, die bereits begonnene Umgeſtaltung der in Con- greß-Polen und an der Südweſtgrenze dislocirten Reſerve- Bataillone in Negimenter allgemein durchgeführt werden. Dies kommt einer ſtetigen, wenn auch langſamen Mobi- liſirung der Reſerve-Infanterie-Truppendivi- ſionen gleich.“ Niederlande. .//. Haag, 9. Dec. Wie am 20. v. M. als Regentin, in Folge der Regierungsunfähigkeit des inzwiſchen verſtorbenen Landesherrn, ſo hatte die Königin-Wittwe geſtern mit Rückſicht auf die Minderjährigkeit ihrer Tochter, der Königin Wilhelmine, in einer gemeinſchaftlichen Sitzung beider Kammern, den Eid der Treue als Regentin und Vormünderin zu leiſten. Das Programm beider Feierlichkeiten war überein- ſtimmend. Die hohe Frau war diesmal im Trauergewand, das Antlitz mit einem faſt undurchſichtigen Schleier bedeckt, welcher im Saal zurückgeſchlagen wurde. Ebenſo hatten die im Saale und anf den überfüllten Galerien anweſenden Herren und Damen Trauerabzeichen angelegt. Nachdem die Königin-Regentin, von einem Ausſchuſſe von Mitgliedern beider Kammern geführt, den Saal betreten und den neben dem Thron aufgeſtellten Seſſel eingenommen hatte, wurde ſie von dem Vorſitzenden, Hrn. van Naamen van Eemnes, be- grüßt. Derſelbe wies auf den Schatz hin, welchen der nun verſtorbene König der Nation in der Königin Wilhelmine, mit der Regentin zur Führerin, hinterlaſſen habe. „Die niederländiſche Nation,“ fügte der Redner hinzu, „erblickt in ihrer jugendlichen Königin das Bild einer ſchönen Zukunft, denn ſie iſt überzeugt, daß ihre Heranbildung und Erziehung in den Händen Ihrer Majeſtät der Regentin und Vormün- derin vollkommen geſichert iſt.“ Hierauf erhob ſich die Königin, ſichtbar tief gerührt, höchſt würdevoll und verlas von einem Blatt Papier den Eid der Treue gegen die Königin und gegen die Verfaſſung, indem ſie zugleich verſprach, alle ihr durch die Vormundſchaft auferlegten Verpflichtungen erfüllen und ganz beſonders beſtrebt ſein zu wollen, der Königin Treue gegen die Verfaſſung und Liebe zur Nation inzuflößen. Letzterer Satz wurde von der Regentin ganz be- ſonders betont. Der Vorſitzende ergriff alsdann von neuem das Wort, indem er den Wunſch zum Ausdruck brachte, daß der Segen des Allerhöchſten auf der Erfüllung der dankbaren, aber ſchwierigen Aufgabe der Regentin und Vormünderin ruhen möge. Hiemit war der feierliche Act beendigt. Kurz nachher traten beide Kammern zu einer neuen gemein- ſchaftlichen Sitzung zuſammen. Diesmal galt es der Eides- leiſtung der acht Mitglieder des Vormundſchaftsrathes, von welchen drei vom hochſeligen König (ein ernanntes Mitglied, der chemalige Vorſitzende der Erſten Kammer, Frhr. Schimmel- venninck van der Oye, iſt inzwiſchen mit Tod abgegangen) und fünf von den beiden Kammern beſtimmt wurden. Erſtere drei ſind die Kammerherren des hochſeligen Königs, Frhr van Goltſtein tot Oldenaller, Frhr. van Brienen, van de Groote Lindt und der Abgeordnete Jonkheer Roëll; die von der Kammer Gewählten ſind folgende: der Vicepräſident des Staatsrathes, das älteſte Mitglied dieſes Staatskörpers, der Vorſitzende des Nechnungshofes, der Vor- ſitzende und der Generalprocurator des hohen Juſtizrathes. — Der Director des königlichen Cabinets veröffentlichte ſoeben in der Staatszeitung ein ihm von der Königin-Regentin zu- gegangenes Handſchreiben, in welchem die hohe Frau ihre innige Erkenntlichkeit für die durch die Nation bei dem Tode ihres Gemahls entgegengebrachten Beweiſe der Anhänglichkeit ausdrückt. — Zum Gedächtniß des Hinſcheidens des hochſeligen Königs wird eine Gedenkmünze geprägt. Nächſtens ſollen bereits Münzen mit dem Bilde der Königin Wilhelmine in Umlauf geſetzt werden. — Die Regentin hat dem Erzherzog Friedrich von Oeſterreich, welcher den Kaiſer bei der Leichen- feier vertrat, vor ſeiner Abreiſe das Großkreuz des nieder- ländiſchen Löwen-Ordens überreicht. Auch Prinz Victor von Savoyen erhielt die nämliche Auszeichnung. — Die Zweite Kammer hatte ſich kürzlich nicht entſchließen können, die Re- gierung aufzufordern, die diesſeitigen Truppen von Flores zurückzuberufen. Indeſſen wurde der Zweck doch thatſächlich erreicht: wie die neueſten Nachrichten aus den Colonien be- ſagen, wurde die an der Südküſte der Inſel, wo man keine Zinnlager aufzufinden hofft, gelandete Armee bereits zurück- berufen. Was die an der Nordküſte gelandeten Truppen betrifft, ſo ſcheint man jetzt zu der Ueberzeugung gelangt zu ſein, daß ſich eine Ausbeutung etwa dort zu entdeckender Zinnlager ohne fortwährende Zuſammenſtöße mit der ein- gebornen Bevölkerung als Unmöglichkeit herausſtellen wird. Somit wird die Wiedereinſchiffung der Expedition auch auf jenem Punkte nicht lange mehr ausbleiben. — Ein Tagblatt von Batavia enthält die faſt unglaublich klingende Angabe: die diesſeitige Regierung ſtehe mit der Regierung von Nord- amerika in Unterhandlung darüber, daß die Werbung von Negern in Amerika für die diesfeitige Colonialarmee ge- ſtattet werde, für den Fall, daß man in Waſhington glaube, eine ſolche Werbung würde den davon erhofften Erfolg ver- ſprechen. Die Nachricht bedarf jedenfalls weiterer Aufklärung. Serbien. ## Belgrad, 9. Dec. Bis zur letzten Stunde zweifelte man in Serbien, daß Königin Natalie das angekündigte Memorandum wirklich der Skupſchtina überreichen werde. Die Freunde der Königin-Mutter, welche ihr wahrhaft ergeben ſind, haben bis zum letzten Augenblick gehofft, daß ſie einen Schritt unterlaſſen werde, der ſehr bedenklich iſt; auf das entſchiedenſte haben es ihr ſowohl die Regentſchaft, die Regierung und an- geſehene Männer des Landes widerrathen, und man hoffte um ſo mehr auf eine Unterlaſſung der Memorandumsübergabe an die Skupſchtina, als die Königin Natalie von den maßgebend- ſten Perſonen unterrichtet wurde, daß ihr Schritt keinen ihr genügenden Erfolg haben werde. In den entſcheidenden Kreiſen Serbiens, der Regentſchaft, des Miniſteriums und des königlichen Hofes, iſt man durch das Vorgehen der Königin Natalie ſehr unangenehm berührt und bedauert es beſonders, daß die Königin-Mutter dem Umſtande keine Nechnung getragen habe, daß ihr eigener Sohn, der junge König Alexander, der heute kein Kind mehr iſt, ſondern im 15. Lebensjahre ſteht und binnen 3 Jahren die Regierung ſelbſtändig zu übernehmen be- rufen iſt, brieflich die Bitte an ſie gerichtet hatte, jeden Schritt zu unterlaſſen, welcher einen öffentlichen Eclat hervorzurufen geeignet ſei, da ſie ihn ſonſt nie mehr ſehen werde. Daraus geht hervor, daß die Gründe, welche die Königin-Mutter zur Zurückhaltung des Memorandums bewegen ſollten, von ihr mißachtet wurden, und daß ſie von Stimmungen und dem Einfluſſe von Perſonen beherrſcht iſt, die ſie verleiten, die ge- botene Rückſichtnahme auf die öffentlichen Intereſſen und die Dynaſtie zur Seite zu ſetzen und, unbekümmert um ernſte Mahnworte der maßgebendſten Männer und des eigenen Kindes, ſich zum Werkzeuge perſönlicher Rancune oder auch verborgener Parteiumtriebe zu machen. Wenn die Königin Natalie nur eine Negelung ihres Verkehrs mit ihrem Sohne verlangte, ſo war die Erfüllung dieſes berechtigten Wunſches in dem Arran- gement geboten, das ihr der Miniſterpräſident Gruitſch vor- geſchlagen und wonach ſie in der gleichen Weiſe, wie König Milan, zweimal im Jahre zum Beſuche des Sohnes für einige Wochen nach Belgrad kommen ſollte. Einem ſolchen Arrangement gab König Milan ſeine Zuſtimmung. Die Ablehnung dieſes Vorſchlages zeigt, daß Königin Natalie Pläne hegt, die den thatſächlichen wie geſetzlichen Verhältniſſen zuwider ſind. Dem entſpricht auch die Zuſammenſtellung des Memorandums und der ihm beigeſchloſſenen Actenſtücke, worin eine Unmaſſe klein- lichen Tratſches aufgetiſcht wird, der nur den Zweck haben kann, Staub aufzuwirbeln. Noch klarer erſcheint das Ziel, welches die Königin Natalie anſtrebt, durch jenen Satz im Memorandum, in welchem ſie von der Skupſchtina die Wieder- einſetzung in ihre frühere Stellung verlangt („vratiti svoj polozaj“). Königin Natalie will an der Seite ihres Sohnes als wirkliche Königin ſtehen, eine Rolle ſpielen. Sehr auffallend iſt der Umſtand, daß die Königin wohl Briefe von Riſtitſch, dem Miniſterpräſidenten Gruitſch und anderen Staatsmännern dem Memorandum beiſchließt, aber keinen von ihren jetzigen Freunden aus der Fortſchrittspartei, dagegen zeigt ſie im Memorandum eine gewiſſe Animoſität gegen den Regenten Riſtitſch. Dieſer Umſtand erweckt den Verdacht, daß die hohe Frau in ihrem maßloſen perſönlichen Groll- bewußt oder unbewußt das Werkzeug politiſcher Parteiumtriebe iſt, deren verhängnißvolle Ziele die Königin Natalie in ihrer Be- fangenheit kaum zu ermeſſen vermag. Der Regent Riſtitſch iſt unbeſtritten der ſtärkſte und bewährteſte Pfeiler der dynaſti- ſchen Ordnung in Serbien, und ſeiner ſtaatsmänniſchen Klug- heit iſt es gelungen, den jahrelangen, bereits zu gefährlicher Schroffheit entartet geweſenen Conflict zwiſchen der Dynaſtie und dem Volke gänzlich zu beſeitigen und in herzliche Liebe und Anhänglichkeit umzuwandeln. In dieſes gute Verhältniſ mit einem Worte zurückzukommen, bietet die Möglichkeit, ſich dieſes oder jenes moderne Prachtwerk zu beſehen, ohne daß ſo- fort ein Beſtellſchein zum Unterzeichnen vorgelegt wird. Das fehlte bisher in München. Was er außer einer rieſigen Aus- wahl von photographiſchen und radirten wie geſtochenen Blät- tern aufweist, iſt nicht viel, aber es iſt gut. Da wären vor allem zwei Menzel’ſche Aquarelle zu nennen, das eine ein Kirchen-Intérieur mit Figuren, das andere eine kleine, eng- begrenzte Straßen-Vedute mit Bäumen im Hintergrunde zeigend. Die Blätter ſind nicht groß dem Flächeninhalte nach, dagegen wirken ſie vorzüglich durch ihre vortreffliche Zeichnung, der ſich eine nicht minder hochſtehende Farbentechnik zugeſellt. Es ſind eben Menzel, und das ſagt an ſich ſchon genug. In den „Fünf Sinnen“ von Hans Makart begrüßen wir alte Bekannte — trügt nicht der Schein, ſo ſind auch ſie des erſten jugendlichen Reizes verluſtig gegangen und ſchauen jetzt aus bedächtigem Schwabenalter auf ein anders geartetes Geſchlecht von Malern. Des weiteren ſind da einige treffliche Gouachen von unſerm Ludwig Dill, Garten-Intérieurs mit blübenden Bäumen, ein ſchnurgerader holländiſcher Canal mit Windmühle und wäſſerig blauer Luft, wie ſie der Tiefebene eigen iſt, u. a. m. Ein treffliches weibliches Bildniß in Paſtell von Bruno Pigl- hein zeigt des geiſtreichen Künſtlers große und ſchöne Auffaſſung; ein anderes Portrait gleicher Technik rührt von Fritz Auguſt Kaulbach her und iſt in ſeiner Art nicht weniger hervorhebens- werth, ebenſo verſchiedene kleinere Bronzen, deren Autoren mir unbekannt ſind. — Kupferſtich und Radirung wie Holzſchnitt haben in den letzten Wochen einige ganz hervorragende Arbei- ten gebracht. Dahin zählen vor allem eine Anzahl von außer- ordentlich friſch gehaltenen, direct nach der Natur radirten Blättern von Ch. Th. Meyer-Baſel (München), der die Nadel mit einem maleriſchen Geſchick ſondergleichen zu führen verſteht. Sein Blatt „Ueberſchwemmung der Würm bei Pipin“ hält den Vergleich mit den beſten modernen Aquafortiſten aus, nicht weniger jenes, das einen Blick von hügeligem Ge- lände auf die vielfach gegliederten Buchten des Boden-(Unter-) Sees gibt mit der Silhouette von Konſtanz am Horizont. Das Blatt erinnert unwillkürlich an gewiſſe niederländiſche Radirungen, mit leichtbewegtem, buchtigem Terrain, Waſſer- tümpeln und den Umriſſen der in der Ebene liegenden Städte mit ihren gothiſchen Thürmen. Die Platte iſt in den Beſitz der Geſellſchaft für vervielfältigende Kunſt in Wien übergegangen, die deren Abdrücke binnen kurzem publi- ciren wird. Aus den rühmlich bekannten Ateliers dieſer durch ihre trefflichen Leiſtungen bekannten Anſtalt ſind übrigens einige große Blätter hervorgegangen, die zu München in einer gewiſſen Beziehung ſtehen, einmal dadurch, daß das Sujet des einen großen Blattes unſrer alten Pinakothek angehört, das andere Mal, weil der Künſtler ein Münchener, Wilhelm Hecht, iſt. Das erſtgenannte Blatt gibt in äußerſt farbiger, tieftoniger Weiſe das herrliche Portrait des Kupferſtechers Karl Malery von Antoon van Dyck wieder, der, in einen weiten Mantel gehüllt, die ſchöne linke Hand in coquetter, beinahe herausfordernder Weiſe benutzt, um ſcheinbar die Falten zuſammenzufaſſen, während der geiſtreich-joviale Kopf des wohlgenährten Herrn mit Schnurr- und Knebelbart ſich leicht nach rechts wendet. Es iſt eine ganz vortreffliche Ueber- ſetzung in die Kunſt der Aquafortiſten, die L. Kühn damit ge- liefert hat. Genial in der Ausführung des Materials — man möchte kaum mehr an einen Holzſchnitt denken — wirkt das geradezu großartige Blatt von Wilhelm Hecht, das ebenfalls ein Original von van Dyck nachbildend, die Züge Henrictte’s von Frankreich, der Gemahlin Karls I. von Eng- land, gibt (das Original in der Dresdener Galerie, ein ähn- liches von der gleichen Hand in Windfor Caſtle). Es zeigt die Monarchin in weißem Atlasgewande mit reichem Spitzen- und Perlenbeſatz, mit der niederhängenden Linken leicht das Kleid, mit der Rechten einen Blumenzweig haltend, den an ſich eigentlich nicht gerade ſchönen, aber äußerſt vornehm wirkenden Kopf von klein gekräuſelten Locken umſpielt. Hecht hat damit gezeigt, was der Holzſchnitt ſein kann, wenn eine Meiſterhand wie die ſeinige den Stichel führt. Die Weich- heit der ganzen Erſcheinung iſt dabei in vorzüglicher Weiſe feſtgehalten. Uebrigens ſei im Anſchluſſe hieran doch noch ein drittes Blatt erwähnt, das im gleichen Verlage erſchien und den „Feldherrn“ (Belvedere in Wien) ebenfalls von van Dyck in nicht weniger hervorragender Weiſe wiedergibt, als dies den Originalen der zwei anderen Blätter gegenüber geſchehen iſt. Es iſt eigentlicher Stich, ausgeführt von dem lange ſchon als vortrefflich bekannten Johannes Sonnenleiter. Der Stecher hat dabei das äußerſte Maß einer eingehend ſorg- fältigen Technik, die all ihre Mittel ſpielend ins Feld führt, aufgewandt, um dem köſtlichen Vorbilde gerecht zu werden, iſt dies doch eines jener Originale des feinfühligen Niederländers, das ihn in ſeiner ganzen Größe, frei von den Schwächen, die ſonſt als charakteriſtiſche Erſcheinungen ſeiner Art oft auftreten, zeigt. Die ſchöne männliche Erſcheinung in voller Rüſtung, mit bloßem, unbärtigem Kopfe gehört unter jene Arbeiten van Dycks, denen gegenüber jegliches Wenn und Aber verſtummt, denn es iſt eine der bedeutendſten Leiſtungen auf dem Gebiete der Bildnißmalerei und man iſt dem Wiener Inſtitute zu Dank verpflichtet dafür, daß es ſolche Perlen — es liegt bereits eine ganze Reihe von trefflichen Reproductionen nach van Dyck vor — größeren Kreiſen zugänglich macht, ein Beſtreben, das Anerkennung und Unterſtützung in den weiteſten Kreiſen ver- dient. Einen neuen, ganz vorzüglichen Stich nach Titians Zins- groſchen (Galerie Dresden), bietet in radiſtiſch-farbiger und, was wohlthuend wirkt, nicht allzu ängſtlicher Weiſe A. Schult- heiß (München) (Verlag von Stiefbold u. Co. in Berlin). Das wunderbare Original hat ſchon gar manchen Stecher angezogen, und es liegen aus verſchiedenen Zeiten verſchiedene tüchtige Arbeiten vor. Wir möchten die Schultheiß’ſche entſchieden zu jenen zählen, die dem Charakter des Originals, jener eigenen bezaubernden Weichheit im Ausdrucke des ernſten und doch ſo außerordentlich milden Chriſtus-Kopfes, am nächſten kommen, und auch was die Fertigkeit der Stichelbehandlung betrifft, ſich des unvergleichlich ſchönen Originals würdig erweiſen. Eine andere, nicht minder treffliche Arbeit desſelben Künſtlers gibt das Bild eines mittelalterlichen Brautzuges wieder, das L. Herterich jun. vor einigen Jahren gemalt hat, da er noch mit beiden Füßen in den Traditionen der Diez-Schule ſteckte; das geſunde, wald- friſche Bild iſt Jedem erinnerlich, der den Münchener Kunſt- verein beſucht: vorn der auf den offenen Plan vor dem Forſte ausreitende Edelknabe, dann die Muſikanten, als Haupt- gruppe der ganz heillos verliebte Reitersmann, dem zur Seite ein reizend Weib auf ſchmuckem Zelter trabt, eine bräutliche Erſcheinung in des Wortes ſchönſter Bedeutung, und rückwärts Ahnherr und Muhme des jungen Schloßherrn. Das ganze athmet Lebensluſt und Freude, und man kann der Schultheiß’ſchen Neproduction wohl kaum etwas Beſſeres nachſagen, als daß ſie die guten Seiten des Bildes in vollem Maße wiedergibt. Ein drittes Blatt endlich, von gleicher Hand herrührend, zeigt das liebenswürdige allegoriſche Bild ſeines Sohnes, des Malers Karl Schultheiß „Friedens-Gelänte“ (erſte Münchener Jahres- Ausſtellung). Neuerdings hat ſich, ſicherem Vernehmen nach, ein Radir-Verein gebildet, der die etwas ins Stocken gerathene frei maleriſche Arbeit der Nadel wieder aufnehmen und in Gang bringen will. In welchem Maße das geſchieht, hängt jedenfalls von denen ab, die bei dem Kinde zu Gevatter ge- ſtanden haben. Man ſagt, der eine und andere träume bereits vom Profeſſorentitel. Natürlich!

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 344, 12. Dezember 1890, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine344_1890/2>, abgerufen am 27.11.2024.