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Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850.

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Allgemeine Zeitung.
Sonnabend Nr. 33. 2 Februar 1850.


AUGSBURG. Das Abonnement bei al-
len
auch den entferntesten Postämtern
Bayerns beträgt ohne jeden weitern Post-
aufschlag vierteljährlich 4 fl. 15 kr.,
für das ganze Jahr 17 fl. im 24 fl.-Fuss
od. 9 Thlr. 22 Sgr. pr. C.: für aus wärts
bei der hiesigen k. Oberpostamts-Zeitungs-
Expedition, sodaun für Deutschland bei
allen Postämtern, ganzjährig, halbjährig
und auch vierteljährig; für Frankreich
in Strassburg bei G. A. Alexandre, in
Paris bei demselben Nr. 23, rue Notre
Dame de Nazareth und bei der deutschen
Buchhandlung von F. Klincksieck Nr. 11,
rue de Lille, und bei dem Postamt in Karls-
ruhe; für England bei Williams & Nor-
gate.
14 Henriette-Street, Covent-Garden
in London, für Nordamerika bei den Post-
ämtern Bremen u. Hamburg, für Italien bei
den k. k. Postämtern zu Bregenz, Innsbruck,
Verona, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie-
chenland u. die Levante etc. bei dem k. k.
Postamt in Triest. Inserate aller Art werden
aufgenommen und der Raum der dreispal-
tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt-
blatt
mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr.


[Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Deutschland. München (Armenball. Die Kammer der Reichs-
räthe stimmt den Beschlüssen der Abgeordneten über das Jagdgesetz, mit
Einer Ausnahme, zu); Nürnberg (Eisenbahnklagen); Stuttgart (die
bundesstaatliche und die Wahlagitation. Ulmer Festungspolizei. Die
Schwurgerichte); Hanau (ein Schwurgericht über Lichnowsfy's Mord);
Bremen (die Weserzeitung für eine Modification der Verfassung des
engern Bundes, oder für Rücktritt der kleineren Staaten); Hannover
(Detmold); Berlin (die erste Kammer über die königlichen Vorschläge.
Wie ist es gekommen? Die zweite Kammer über die Seehandlung.
Beselers Antrag wegen Mecklenburg. Die Wahlen für Erfurt. Graf
Brandenburg H. v. Gagern gegenübergestellt. Frensdorf über General
Radowitz); Schleswig-Holstein (keine directe Unterhandlung mehr mit
Kopenhagen. Ein angeblich günstiger Beschluß von Frankfurt); Wien
(Theater. Eindruck der Berliner Berichte. v. Würth's Vorlesungen über
Strafproceßordnung. Handelskammer und Hai. delsministerium. Tanz-
überschwemmung. Kolossy. Die öffentliche Wohlthätigkeit. Die Eisen-
bahnen wieder frei. Eine Denkschrist von General v. Schönhals über
das Bundesheer und die Vertheidigung von Westdeutschland); Prag (die
beabfichtigte Handelsschule. Der hohe Adel. Windisch-Grätz); Von der
Etsch (die Hochschule. Der Landtag).
Großbritannien. Vorbereitungen zur Parlamentseröffnung.
Lord Jeffrey +.
Frankreich. Auszüge aus dem "Napoleon." Das Mobilgarden-
gesetz nun definitiv. Die "Mode." Der Arbeitslohn der Weber. Straß-
burg.
Niederland. Amsterdam (die Verlobung).
Italien. Rom (des Papstes Rückkehr immer aufs neue hinaus-
geschoben. Verschwinden eines Gefangenen); Genua (Winterlauneu).
Schweiz. Anordnungen wegen der Heimathlosen.
Dänemark. Kopenhagen (Abgeschie denheit von der übrigen Welt
durch den Winter. Der Alssund zugefroren. Ueber Oehlenschlägers Tod.
Datum der Börsen: London, Amsterdam 28; Paris 29; Franlfurt
31 Jan. Wien: telegraphischer Bericht vom 1 Febr.


Deutschland.
Bayern.

Die Kammer der Reichsräthe hatte
heute zum drittenmal mit dem Jagdgesetze zu thun. Der Referent, Hr.
v. Niethammer, beantragte Namens des Ausschusses: sämmtlichen
abweichenden Beschlüssen, mit Ausnahme des Wallerstein'schen Zusatzes
-- ausnahmsweise Ausübung der Jagd ohne Jagdkarten -- beizutreten.
Die Kammer stimmte zu. Die Debatte ergab, neben einigen pikanten
Zwischenfällen, als Hauptgesichtspunkt den: daß das Gesetz, insolauge
noch das Princip der Jagdkarten festgehalten werde, immerhin besser sey
als das vorjährige, und man daher, wenn auch mit widerstrebendem Her-
zen, nachgeben müsse. Die Minorität welche gegen die vom Ausschusse
vorgeschlagene Einigung stimmte, und, wie namentlich Hr. v. Aretin sich
äußerte, das Gesetz selbst in Frage stellte, bildeten: der erste Präsident,
die Prinzen Luitpold und Adalbert, die Fürsten Taxis und Wrede,
die Grafen C. und A. Seinsheim, Arco-Valley und Sandizell,
dann die beiden Frhrn. v. Gumppenberg und Frhr. v. Aretin. Für
den Anschluß an die zweite Kammer auch bezüglich des Wallerstein'schen
Zusatzes stimmten nur sieben Reichsräthe: Graf Giech, Präs. Arnold,
Frhr. v. Lotzbeck, Graf Reigersberg, Graf Armansperg,
v. Maurer und Heintz. Die Majorität machte hier geltend daß der
Zusatz das wichtige Princip der Jagdkarte umstoße und auch formell un-
zulässig sey, weil die Abgeordnetenkammer nicht bei einer dritten Bera-
thung noch eine derartige Modification einfügen dürfe. Die Abgeordne-
ten werden auf ihre vierte Berathung nicht lange warten lassen.


Der gestrige Armenball im großen
Odeonsaal verdient schon deßhalb einer besondern Erwähnung in Ihrem
Blatt, weil er gewissermaßen eine Neuerung in unsern geselligen Sitten
[Spaltenumbruch] bezeichnet. Vielleicht zum erstenmal seit Menschengedenken sah man alle
Stände und Individualitäten Münchens ohne Namenscontrolle der Ein-
laßkarten bei einem großartigen Tanzfest vereinigt, die höchsten fürstlichen
Herren und schlichte Handwerker, das Diamantendiadem der Prinzessin
und das Münchener Riegelhäubchen, welches der Gewalt der Mode noch
nicht ganz gewichen ist. Der Ball war bewegt und von ganz heiterm
Charakter, obwohl an Tanzvergnügen bei dem ungeheuern Gedränge und
Gewühl erst gegen Mitternacht zu denken war. Die 3000 Einlaßkarten
waren schon zwei Tage zuvor vergriffen; von den 20,000 Lotterieloosen
welche im Saal selbst beim Trompetenstgnal verkauft wurden, war nach
einer Viertelstunde keines mehr zu haben. Wie leicht fließt doch das
Geld für gute Zwecke, wenn Vergnügen und Gewinnlust betheiligt find!
Wünscht man einmal großartigere Beiträge als bisher für die deutsche
Flotte flüssig zu machen, so empfehlen wir, statt der patriotischen Aufrufe
die uns früher die Allg. Ztg. gebracht, "Ball mit Lotterie" in Stadt und
Städtchen. Da wird man sehen wie die patriotischen Beutel ungleich
ergiebiger schwitzen und die bayerischen Sechser dem edlen Zweck schneller
und unbeschnittener entgegenrollen. Auch wäre zu rathen mit der deut-
schen Reichsflotte stets irgendein einheimisches Spital am Erlös zu be-
theiligen. Um den Reiz des Spiels zu steigern, hatte das Comite unseres
gestrigen Wohlthätigkeitsballs den glücklichen Einfall Münchens schönste
Frauen und Fräulein als Patronessen zum Verkauf der Loose einzu-
laden. In der Auswahl beurkundeten die Herren ihr feines Kenner-
auge. Die Patronessen saßen in grünen Tannenlauben unter schweben-
den Blumen, oder im erhöhten, prächtig decorirten Hintergrund, wo die
Gewinnste, sämmtlich freiwillige Spenden, lockend ausgestellt waren. Zu
dem unbeschreiblich hastigen Andrang an den Lottolauben wirkte unver-
kennbar die Anziehungskraft schöner Augen mit. Wer hätte auch nicht
zu ersahren gewünscht, ob ihm aus *** reizenden Händen ein Treffer be-
stimmt sey! Unbäßlichkeit verhinderte den König Mar dem Feste beizu-
wohnen, dafür erschien die Königin Marie am Arm des Königs Ludwig,
welcher überaus heiter und gesprächig war. Sonst waren noch der Prinz
und die Prinzesstn Luitpold, Prinz Adalbert und die Herzogin von Leuch-
tenberg anwesend. Das Tanzvergnügen endete erst mit der Tageshelle.
Wir bemerken daß unser Carneval doch einen fröhlichern Ton annimmt
als man am Anfang desselben bei der Verstimmung die uns die leidige
Politik gebracht, vermuthete. Der natürliche Zug des Menschen zur Zer-
streung und Lust macht sich geltend, und der Carneval behauptet sein
altes Recht. Warum sollte man ihn nicht fassen, den frohen neckischen
Gesellen, der immer nur ein flüchtiger Gast ist? Verscheucht er uns doch
auf ein paar Wechen die politischen Grillen. Wer weiß, ob eine stürme-
schwangere Zukunft ihm die alljährliche Einkehr, das alte Gastrecht stets
gestatten wird!


Ueber den mangelhaften Anschluß der Züge
auf der sächstsch bayerischen an die bayerische Staatseisenbahn in Hof sind
seit dem Beginn der Fahrten auf letzterer schon häufige Klagen geführt
worden, jedoch ohne Erfolg, wie der neueste, mit dem 1 Oct. 1849 einge-
führte bayerische Fahrplan zeigt. Um dieß anschaulich zu machen, ist es
nöthig etwas ausführlicher auf die Sache einzugehen. Von Leipzig gehen
täglich drei Bahnzüge nach Hof ab: Morgens 7 Uhr, Mittags 12 Uhr und
Abends 5 Uhr. Diese treffen in Hof ein: um 41/2 Uhr Nachmittags,
91/2 Uhr Abends und 51/2 Uhr Morgens. Von Hof dagegen gehen die
bayerischen Bahnzüge täglich nur zweimal nach Sünden: um 6 Uhr Mor-
gens und um 11/4 Uhr Mittags, dann ein Güterzug um 21/4 Uhr, der in
Lichtenfels übernachtet. Es ist daraus ersichtlich daß sämmtliche Passa-
giere, Correspondenzen, Zeitungen, Pakete etc., welche drei sächftsche Bahn-
züge an einem Tage nach Hof liefern, nur mit dem um 6 Uhr Morgens
abgehenden bayerischen Zuge weiter befördert werden können, wenn die
des ersten nicht in Lichtenfels übernachten sollen, daß es also ganz gleich-
gültig für die schnellere Beförderung nach Bayern ist ob ein Reisender oder
ein Poststück in Leipzig Morgens um 7 Uhr oder Abends um 5 Uhr ab-
geht! Ein recht auffallen des Bild dieses Mißstandes gibt namentlich das
Schicksal der von Berlin über Leipzig bezogenen telegraphischen Depeschen.
Solche Depeschen müssen nicht nur einmal in Leipzig, wenn sie Abends

Allgemeine Zeitung.
Sonnabend Nr. 33. 2 Februar 1850.


AUGSBURG. Das Abonnement bei al-
len
auch den entferntesten Postämtern
Bayerns beträgt ohne jeden weitern Post-
aufschlag vierteljährlich 4 fl. 15 kr.,
für das ganze Jahr 17 fl. im 24 fl.-Fuss
od. 9 Thlr. 22 Sgr. pr. C.: für aus wärts
bei der hiesigen k. Oberpostamts-Zeitungs-
Expedition, sodaun für Deutschland bei
allen Postämtern, ganzjährig, halbjährig
und auch vierteljährig; für Frankreich
in Strassburg bei G. A. Alexandre, in
Paris bei demselben Nr. 23, rue Notre
Dame de Nazareth und bei der deutschen
Buchhandlung von F. Klincksieck Nr. 11,
rue de Lille, und bei dem Postamt in Karls-
ruhe; für England bei Williams & Nor-
gate.
14 Henriette-Street, Covent-Garden
in London, für Nordamerika bei den Post-
ämtern Bremen u. Hamburg, für Italien bei
den k. k. Postämtern zu Bregenz, Innsbruck,
Verona, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie-
chenland u. die Levante etc. bei dem k. k.
Postamt in Triest. Inserate aller Art werden
aufgenommen und der Raum der dreispal-
tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt-
blatt
mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr.


[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Deutſchland. München (Armenball. Die Kammer der Reichs-
räthe ſtimmt den Beſchlüſſen der Abgeordneten über das Jagdgeſetz, mit
Einer Ausnahme, zu); Nürnberg (Eiſenbahnklagen); Stuttgart (die
bundesſtaatliche und die Wahlagitation. Ulmer Feſtungspolizei. Die
Schwurgerichte); Hanau (ein Schwurgericht über Lichnowsfy’s Mord);
Bremen (die Weſerzeitung für eine Modification der Verfaſſung des
engern Bundes, oder für Rücktritt der kleineren Staaten); Hannover
(Detmold); Berlin (die erſte Kammer über die königlichen Vorſchläge.
Wie iſt es gekommen? Die zweite Kammer über die Seehandlung.
Beſelers Antrag wegen Mecklenburg. Die Wahlen für Erfurt. Graf
Brandenburg H. v. Gagern gegenübergeſtellt. Frensdorf über General
Radowitz); Schleswig-Holſtein (keine directe Unterhandlung mehr mit
Kopenhagen. Ein angeblich günſtiger Beſchluß von Frankfurt); Wien
(Theater. Eindruck der Berliner Berichte. v. Würth’s Vorleſungen über
Strafproceßordnung. Handelskammer und Hai. delsminiſterium. Tanz-
überſchwemmung. Koloſſy. Die öffentliche Wohlthätigkeit. Die Eiſen-
bahnen wieder frei. Eine Denkſchriſt von General v. Schönhals über
das Bundesheer und die Vertheidigung von Weſtdeutſchland); Prag (die
beabfichtigte Handelsſchule. Der hohe Adel. Windiſch-Grätz); Von der
Etſch (die Hochſchule. Der Landtag).
Großbritannien. Vorbereitungen zur Parlamentseröffnung.
Lord Jeffrey †.
Frankreich. Auszüge aus dem „Napoleon.“ Das Mobilgarden-
geſetz nun definitiv. Die „Mode.“ Der Arbeitslohn der Weber. Straß-
burg.
Niederland. Amſterdam (die Verlobung).
Italien. Rom (des Papſtes Rückkehr immer aufs neue hinaus-
geſchoben. Verſchwinden eines Gefangenen); Genua (Winterlauneu).
Schweiz. Anordnungen wegen der Heimathloſen.
Dänemark. Kopenhagen (Abgeſchie denheit von der übrigen Welt
durch den Winter. Der Alsſund zugefroren. Ueber Oehlenſchlägers Tod.
Datum der Börſen: London, Amſterdam 28; Paris 29; Franlfurt
31 Jan. Wien: telegraphiſcher Bericht vom 1 Febr.


Deutſchland.
Bayern.

Die Kammer der Reichsräthe hatte
heute zum drittenmal mit dem Jagdgeſetze zu thun. Der Referent, Hr.
v. Niethammer, beantragte Namens des Ausſchuſſes: ſämmtlichen
abweichenden Beſchlüſſen, mit Ausnahme des Wallerſtein’ſchen Zuſatzes
— ausnahmsweiſe Ausübung der Jagd ohne Jagdkarten — beizutreten.
Die Kammer ſtimmte zu. Die Debatte ergab, neben einigen pikanten
Zwiſchenfällen, als Hauptgeſichtspunkt den: daß das Geſetz, inſolauge
noch das Princip der Jagdkarten feſtgehalten werde, immerhin beſſer ſey
als das vorjährige, und man daher, wenn auch mit widerſtrebendem Her-
zen, nachgeben müſſe. Die Minorität welche gegen die vom Ausſchuſſe
vorgeſchlagene Einigung ſtimmte, und, wie namentlich Hr. v. Aretin ſich
äußerte, das Geſetz ſelbſt in Frage ſtellte, bildeten: der erſte Präſident,
die Prinzen Luitpold und Adalbert, die Fürſten Taxis und Wrede,
die Grafen C. und A. Seinsheim, Arco-Valley und Sandizell,
dann die beiden Frhrn. v. Gumppenberg und Frhr. v. Aretin. Für
den Anſchluß an die zweite Kammer auch bezüglich des Wallerſtein’ſchen
Zuſatzes ſtimmten nur ſieben Reichsräthe: Graf Giech, Präſ. Arnold,
Frhr. v. Lotzbeck, Graf Reigersberg, Graf Armanſperg,
v. Maurer und Heintz. Die Majorität machte hier geltend daß der
Zuſatz das wichtige Princip der Jagdkarte umſtoße und auch formell un-
zuläſſig ſey, weil die Abgeordnetenkammer nicht bei einer dritten Bera-
thung noch eine derartige Modification einfügen dürfe. Die Abgeordne-
ten werden auf ihre vierte Berathung nicht lange warten laſſen.


Der geſtrige Armenball im großen
Odeonſaal verdient ſchon deßhalb einer beſondern Erwähnung in Ihrem
Blatt, weil er gewiſſermaßen eine Neuerung in unſern geſelligen Sitten
[Spaltenumbruch] bezeichnet. Vielleicht zum erſtenmal ſeit Menſchengedenken ſah man alle
Stände und Individualitäten Münchens ohne Namenscontrolle der Ein-
laßkarten bei einem großartigen Tanzfeſt vereinigt, die höchſten fürſtlichen
Herren und ſchlichte Handwerker, das Diamantendiadem der Prinzeſſin
und das Münchener Riegelhäubchen, welches der Gewalt der Mode noch
nicht ganz gewichen iſt. Der Ball war bewegt und von ganz heiterm
Charakter, obwohl an Tanzvergnügen bei dem ungeheuern Gedränge und
Gewühl erſt gegen Mitternacht zu denken war. Die 3000 Einlaßkarten
waren ſchon zwei Tage zuvor vergriffen; von den 20,000 Lotterielooſen
welche im Saal ſelbſt beim Trompetenſtgnal verkauft wurden, war nach
einer Viertelſtunde keines mehr zu haben. Wie leicht fließt doch das
Geld für gute Zwecke, wenn Vergnügen und Gewinnluſt betheiligt find!
Wünſcht man einmal großartigere Beiträge als bisher für die deutſche
Flotte flüſſig zu machen, ſo empfehlen wir, ſtatt der patriotiſchen Aufrufe
die uns früher die Allg. Ztg. gebracht, „Ball mit Lotterie“ in Stadt und
Städtchen. Da wird man ſehen wie die patriotiſchen Beutel ungleich
ergiebiger ſchwitzen und die bayeriſchen Sechſer dem edlen Zweck ſchneller
und unbeſchnittener entgegenrollen. Auch wäre zu rathen mit der deut-
ſchen Reichsflotte ſtets irgendein einheimiſches Spital am Erlös zu be-
theiligen. Um den Reiz des Spiels zu ſteigern, hatte das Comité unſeres
geſtrigen Wohlthätigkeitsballs den glücklichen Einfall Münchens ſchönſte
Frauen und Fräulein als Patroneſſen zum Verkauf der Looſe einzu-
laden. In der Auswahl beurkundeten die Herren ihr feines Kenner-
auge. Die Patroneſſen ſaßen in grünen Tannenlauben unter ſchweben-
den Blumen, oder im erhöhten, prächtig decorirten Hintergrund, wo die
Gewinnſte, ſämmtlich freiwillige Spenden, lockend ausgeſtellt waren. Zu
dem unbeſchreiblich haſtigen Andrang an den Lottolauben wirkte unver-
kennbar die Anziehungskraft ſchöner Augen mit. Wer hätte auch nicht
zu erſahren gewünſcht, ob ihm aus *** reizenden Händen ein Treffer be-
ſtimmt ſey! Unbäßlichkeit verhinderte den König Mar dem Feſte beizu-
wohnen, dafür erſchien die Königin Marie am Arm des Königs Ludwig,
welcher überaus heiter und geſprächig war. Sonſt waren noch der Prinz
und die Prinzeſſtn Luitpold, Prinz Adalbert und die Herzogin von Leuch-
tenberg anweſend. Das Tanzvergnügen endete erſt mit der Tageshelle.
Wir bemerken daß unſer Carneval doch einen fröhlichern Ton annimmt
als man am Anfang desſelben bei der Verſtimmung die uns die leidige
Politik gebracht, vermuthete. Der natürliche Zug des Menſchen zur Zer-
ſtreung und Luſt macht ſich geltend, und der Carneval behauptet ſein
altes Recht. Warum ſollte man ihn nicht faſſen, den frohen neckiſchen
Geſellen, der immer nur ein flüchtiger Gaſt iſt? Verſcheucht er uns doch
auf ein paar Wechen die politiſchen Grillen. Wer weiß, ob eine ſtürme-
ſchwangere Zukunft ihm die alljährliche Einkehr, das alte Gaſtrecht ſtets
geſtatten wird!


Ueber den mangelhaften Anſchluß der Züge
auf der ſächſtſch bayeriſchen an die bayeriſche Staatseiſenbahn in Hof ſind
ſeit dem Beginn der Fahrten auf letzterer ſchon häufige Klagen geführt
worden, jedoch ohne Erfolg, wie der neueſte, mit dem 1 Oct. 1849 einge-
führte bayeriſche Fahrplan zeigt. Um dieß anſchaulich zu machen, iſt es
nöthig etwas ausführlicher auf die Sache einzugehen. Von Leipzig gehen
täglich drei Bahnzüge nach Hof ab: Morgens 7 Uhr, Mittags 12 Uhr und
Abends 5 Uhr. Dieſe treffen in Hof ein: um 4½ Uhr Nachmittags,
9½ Uhr Abends und 5½ Uhr Morgens. Von Hof dagegen gehen die
bayeriſchen Bahnzüge täglich nur zweimal nach Sünden: um 6 Uhr Mor-
gens und um 1¼ Uhr Mittags, dann ein Güterzug um 2¼ Uhr, der in
Lichtenfels übernachtet. Es iſt daraus erſichtlich daß ſämmtliche Paſſa-
giere, Correſpondenzen, Zeitungen, Pakete ꝛc., welche drei ſächftſche Bahn-
züge an einem Tage nach Hof liefern, nur mit dem um 6 Uhr Morgens
abgehenden bayeriſchen Zuge weiter befördert werden können, wenn die
des erſten nicht in Lichtenfels übernachten ſollen, daß es alſo ganz gleich-
gültig für die ſchnellere Beförderung nach Bayern iſt ob ein Reiſender oder
ein Poſtſtück in Leipzig Morgens um 7 Uhr oder Abends um 5 Uhr ab-
geht! Ein recht auffallen des Bild dieſes Mißſtandes gibt namentlich das
Schickſal der von Berlin über Leipzig bezogenen telegraphiſchen Depeſchen.
Solche Depeſchen müſſen nicht nur einmal in Leipzig, wenn ſie Abends

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[0001] Allgemeine Zeitung. Sonnabend Nr. 33. 2 Februar 1850. AUGSBURG. Das Abonnement bei al- len auch den entferntesten Postämtern Bayerns beträgt ohne jeden weitern Post- aufschlag vierteljährlich 4 fl. 15 kr., für das ganze Jahr 17 fl. im 24 fl.-Fuss od. 9 Thlr. 22 Sgr. pr. C.: für aus wärts bei der hiesigen k. Oberpostamts-Zeitungs- Expedition, sodaun für Deutschland bei allen Postämtern, ganzjährig, halbjährig und auch vierteljährig; für Frankreich in Strassburg bei G. A. Alexandre, in Paris bei demselben Nr. 23, rue Notre Dame de Nazareth und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck Nr. 11, rue de Lille, und bei dem Postamt in Karls- ruhe; für England bei Williams & Nor- gate. 14 Henriette-Street, Covent-Garden in London, für Nordamerika bei den Post- ämtern Bremen u. Hamburg, für Italien bei den k. k. Postämtern zu Bregenz, Innsbruck, Verona, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie- chenland u. die Levante etc. bei dem k. k. Postamt in Triest. Inserate aller Art werden aufgenommen und der Raum der dreispal- tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt- blatt mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr. Ueberſicht. Deutſchland. München (Armenball. Die Kammer der Reichs- räthe ſtimmt den Beſchlüſſen der Abgeordneten über das Jagdgeſetz, mit Einer Ausnahme, zu); Nürnberg (Eiſenbahnklagen); Stuttgart (die bundesſtaatliche und die Wahlagitation. Ulmer Feſtungspolizei. Die Schwurgerichte); Hanau (ein Schwurgericht über Lichnowsfy’s Mord); Bremen (die Weſerzeitung für eine Modification der Verfaſſung des engern Bundes, oder für Rücktritt der kleineren Staaten); Hannover (Detmold); Berlin (die erſte Kammer über die königlichen Vorſchläge. Wie iſt es gekommen? Die zweite Kammer über die Seehandlung. Beſelers Antrag wegen Mecklenburg. Die Wahlen für Erfurt. Graf Brandenburg H. v. Gagern gegenübergeſtellt. Frensdorf über General Radowitz); Schleswig-Holſtein (keine directe Unterhandlung mehr mit Kopenhagen. Ein angeblich günſtiger Beſchluß von Frankfurt); Wien (Theater. Eindruck der Berliner Berichte. v. Würth’s Vorleſungen über Strafproceßordnung. Handelskammer und Hai. delsminiſterium. Tanz- überſchwemmung. Koloſſy. Die öffentliche Wohlthätigkeit. Die Eiſen- bahnen wieder frei. Eine Denkſchriſt von General v. Schönhals über das Bundesheer und die Vertheidigung von Weſtdeutſchland); Prag (die beabfichtigte Handelsſchule. Der hohe Adel. Windiſch-Grätz); Von der Etſch (die Hochſchule. Der Landtag). Großbritannien. Vorbereitungen zur Parlamentseröffnung. Lord Jeffrey †. Frankreich. Auszüge aus dem „Napoleon.“ Das Mobilgarden- geſetz nun definitiv. Die „Mode.“ Der Arbeitslohn der Weber. Straß- burg. Niederland. Amſterdam (die Verlobung). Italien. Rom (des Papſtes Rückkehr immer aufs neue hinaus- geſchoben. Verſchwinden eines Gefangenen); Genua (Winterlauneu). Schweiz. Anordnungen wegen der Heimathloſen. Dänemark. Kopenhagen (Abgeſchie denheit von der übrigen Welt durch den Winter. Der Alsſund zugefroren. Ueber Oehlenſchlägers Tod. Datum der Börſen: London, Amſterdam 28; Paris 29; Franlfurt 31 Jan. Wien: telegraphiſcher Bericht vom 1 Febr. Deutſchland. Bayern. ‖ München, 1 Febr. Die Kammer der Reichsräthe hatte heute zum drittenmal mit dem Jagdgeſetze zu thun. Der Referent, Hr. v. Niethammer, beantragte Namens des Ausſchuſſes: ſämmtlichen abweichenden Beſchlüſſen, mit Ausnahme des Wallerſtein’ſchen Zuſatzes — ausnahmsweiſe Ausübung der Jagd ohne Jagdkarten — beizutreten. Die Kammer ſtimmte zu. Die Debatte ergab, neben einigen pikanten Zwiſchenfällen, als Hauptgeſichtspunkt den: daß das Geſetz, inſolauge noch das Princip der Jagdkarten feſtgehalten werde, immerhin beſſer ſey als das vorjährige, und man daher, wenn auch mit widerſtrebendem Her- zen, nachgeben müſſe. Die Minorität welche gegen die vom Ausſchuſſe vorgeſchlagene Einigung ſtimmte, und, wie namentlich Hr. v. 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Der geſtrige Armenball im großen Odeonſaal verdient ſchon deßhalb einer beſondern Erwähnung in Ihrem Blatt, weil er gewiſſermaßen eine Neuerung in unſern geſelligen Sitten bezeichnet. Vielleicht zum erſtenmal ſeit Menſchengedenken ſah man alle Stände und Individualitäten Münchens ohne Namenscontrolle der Ein- laßkarten bei einem großartigen Tanzfeſt vereinigt, die höchſten fürſtlichen Herren und ſchlichte Handwerker, das Diamantendiadem der Prinzeſſin und das Münchener Riegelhäubchen, welches der Gewalt der Mode noch nicht ganz gewichen iſt. Der Ball war bewegt und von ganz heiterm Charakter, obwohl an Tanzvergnügen bei dem ungeheuern Gedränge und Gewühl erſt gegen Mitternacht zu denken war. Die 3000 Einlaßkarten waren ſchon zwei Tage zuvor vergriffen; von den 20,000 Lotterielooſen welche im Saal ſelbſt beim Trompetenſtgnal verkauft wurden, war nach einer Viertelſtunde keines mehr zu haben. Wie leicht fließt doch das Geld für gute Zwecke, wenn Vergnügen und Gewinnluſt betheiligt find! Wünſcht man einmal großartigere Beiträge als bisher für die deutſche Flotte flüſſig zu machen, ſo empfehlen wir, ſtatt der patriotiſchen Aufrufe die uns früher die Allg. Ztg. gebracht, „Ball mit Lotterie“ in Stadt und Städtchen. Da wird man ſehen wie die patriotiſchen Beutel ungleich ergiebiger ſchwitzen und die bayeriſchen Sechſer dem edlen Zweck ſchneller und unbeſchnittener entgegenrollen. Auch wäre zu rathen mit der deut- ſchen Reichsflotte ſtets irgendein einheimiſches Spital am Erlös zu be- theiligen. Um den Reiz des Spiels zu ſteigern, hatte das Comité unſeres geſtrigen Wohlthätigkeitsballs den glücklichen Einfall Münchens ſchönſte Frauen und Fräulein als Patroneſſen zum Verkauf der Looſe einzu- laden. In der Auswahl beurkundeten die Herren ihr feines Kenner- auge. Die Patroneſſen ſaßen in grünen Tannenlauben unter ſchweben- den Blumen, oder im erhöhten, prächtig decorirten Hintergrund, wo die Gewinnſte, ſämmtlich freiwillige Spenden, lockend ausgeſtellt waren. Zu dem unbeſchreiblich haſtigen Andrang an den Lottolauben wirkte unver- kennbar die Anziehungskraft ſchöner Augen mit. Wer hätte auch nicht zu erſahren gewünſcht, ob ihm aus *** reizenden Händen ein Treffer be- ſtimmt ſey! Unbäßlichkeit verhinderte den König Mar dem Feſte beizu- wohnen, dafür erſchien die Königin Marie am Arm des Königs Ludwig, welcher überaus heiter und geſprächig war. Sonſt waren noch der Prinz und die Prinzeſſtn Luitpold, Prinz Adalbert und die Herzogin von Leuch- tenberg anweſend. Das Tanzvergnügen endete erſt mit der Tageshelle. Wir bemerken daß unſer Carneval doch einen fröhlichern Ton annimmt als man am Anfang desſelben bei der Verſtimmung die uns die leidige Politik gebracht, vermuthete. Der natürliche Zug des Menſchen zur Zer- ſtreung und Luſt macht ſich geltend, und der Carneval behauptet ſein altes Recht. Warum ſollte man ihn nicht faſſen, den frohen neckiſchen Geſellen, der immer nur ein flüchtiger Gaſt iſt? Verſcheucht er uns doch auf ein paar Wechen die politiſchen Grillen. Wer weiß, ob eine ſtürme- ſchwangere Zukunft ihm die alljährliche Einkehr, das alte Gaſtrecht ſtets geſtatten wird! Nürnberg, 28 Jan. Ueber den mangelhaften Anſchluß der Züge auf der ſächſtſch bayeriſchen an die bayeriſche Staatseiſenbahn in Hof ſind ſeit dem Beginn der Fahrten auf letzterer ſchon häufige Klagen geführt worden, jedoch ohne Erfolg, wie der neueſte, mit dem 1 Oct. 1849 einge- führte bayeriſche Fahrplan zeigt. Um dieß anſchaulich zu machen, iſt es nöthig etwas ausführlicher auf die Sache einzugehen. Von Leipzig gehen täglich drei Bahnzüge nach Hof ab: Morgens 7 Uhr, Mittags 12 Uhr und Abends 5 Uhr. Dieſe treffen in Hof ein: um 4½ Uhr Nachmittags, 9½ Uhr Abends und 5½ Uhr Morgens. Von Hof dagegen gehen die bayeriſchen Bahnzüge täglich nur zweimal nach Sünden: um 6 Uhr Mor- gens und um 1¼ Uhr Mittags, dann ein Güterzug um 2¼ Uhr, der in Lichtenfels übernachtet. Es iſt daraus erſichtlich daß ſämmtliche Paſſa- giere, Correſpondenzen, Zeitungen, Pakete ꝛc., welche drei ſächftſche Bahn- züge an einem Tage nach Hof liefern, nur mit dem um 6 Uhr Morgens abgehenden bayeriſchen Zuge weiter befördert werden können, wenn die des erſten nicht in Lichtenfels übernachten ſollen, daß es alſo ganz gleich- gültig für die ſchnellere Beförderung nach Bayern iſt ob ein Reiſender oder ein Poſtſtück in Leipzig Morgens um 7 Uhr oder Abends um 5 Uhr ab- geht! Ein recht auffallen des Bild dieſes Mißſtandes gibt namentlich das Schickſal der von Berlin über Leipzig bezogenen telegraphiſchen Depeſchen. Solche Depeſchen müſſen nicht nur einmal in Leipzig, wenn ſie Abends

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine33_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.