Allgemeine Zeitung, Nr. 337, 5. Dezember 1890.Freitag, Zweites Morgenblatt, Nr. 337 der Allgemeinen Zeitung. 5. December 1890. [Spaltenumbruch] Inhalts-Uebersicht. Deutscher Reichstag. Bayerische Chronik. -- Verschiedenes. -- Handel und Volkswirthschaft. Deutscher Reichstag. Telegraphischer Privatbericht der Allg. Ztg. [] Berlin, 4. Dec.35. Sitzung. Die Sitzung wird um 2 Uhr eröffnet. Abg. Stadthagen (Soc.) beantragt, den zweiten Absatz des Staatssecretär v. Boetticher: Ich freue mich, daß der Vor- Abg. Baumbach (Berlin): Der Abg. Stadthagen hätte doch Abg. Stadthagen: Ich bin nicht gegen die Einverleibung Der Antrag Stadthagen wird abgelehnt und die Dem §. 3, welcher lautet: "Die von der Insel herstammen- Staatssecretär v. Boetticher; Ich könnte mit der Aen- Abg. v. Bar: Ich ziehe nach dieser Declaration meinen §. 3 sowie der Rest des Gesetzes werden angenommen. Darauf wird in nochmaliger Abstimmung der gestern hand- Es folgt die erste Berathung der Novelle zum Staatssecretär v. Boetticher: Die Reform unseres Patent- Abg. Goldschmidt (deutschfreisinnig) erklärt, vorbehaltlich Abg. v. Buol: Ich bin ebenfalls für Commissionsberathung. Freitag, Zweites Morgenblatt, Nr. 337 der Allgemeinen Zeitung. 5. December 1890. [Spaltenumbruch] Inhalts-Ueberſicht. Deutſcher Reichstag. Bayeriſche Chronik. — Verſchiedenes. — Handel und Volkswirthſchaft. Deutſcher Reichstag. Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg. [] Berlin, 4. Dec.35. Sitzung. Die Sitzung wird um 2 Uhr eröffnet. Abg. Stadthagen (Soc.) beantragt, den zweiten Abſatz des Staatsſecretär v. Boetticher: Ich freue mich, daß der Vor- Abg. Baumbach (Berlin): Der Abg. Stadthagen hätte doch Abg. Stadthagen: Ich bin nicht gegen die Einverleibung Der Antrag Stadthagen wird abgelehnt und die Dem §. 3, welcher lautet: „Die von der Inſel herſtammen- Staatsſecretär v. Boetticher; Ich könnte mit der Aen- Abg. v. Bar: Ich ziehe nach dieſer Declaration meinen §. 3 ſowie der Reſt des Geſetzes werden angenommen. Darauf wird in nochmaliger Abſtimmung der geſtern hand- Es folgt die erſte Berathung der Novelle zum Staatsſecretär v. Boetticher: Die Reform unſeres Patent- Abg. Goldſchmidt (deutſchfreiſinnig) erklärt, vorbehaltlich Abg. v. Buol: Ich bin ebenfalls für Commiſſionsberathung. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main">Freitag, <hi rendition="#b">Zweites Morgenblatt, Nr. 337 der Allgemeinen Zeitung.</hi> 5. 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Bojanowski</hi><lb/> und Commiſſarien. Eingegangen iſt eine Nachweiſung über die<lb/> geſammten <hi rendition="#g">Rechnungsergebniſſe der Berufsgenoſſen-<lb/> ſchaften</hi> für das Jahr 1889. Der preußiſche Miniſter für Land-<lb/> wirthſchaft v. <hi rendition="#g">Heyden</hi> iſt zum Bundesrathsbevollmächtigten er-<lb/> nannt worden. Auf der Tagesordnung ſteht zunächſt die zweite<lb/> Berathung des Geſetzentwurfs betreffend die <hi rendition="#g">Vereinigung von<lb/> Helgoland mit dem Deutſchen Reiche.</hi></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Stadthagen</hi> (Soc.) beantragt, den zweiten Abſatz des<lb/> §. 1, welcher beſtimmt, daß das Reich ſeine Zuſtimmung dazu er-<lb/> theilt, daß Helgoland mit dem preußiſchen Staate vereinigt wird,<lb/> zu ſtreichen. Wenn der Staatsſecretär v. Boetticher neulich geſagt<lb/> hat, er bedaure, daß der Reichstag nicht im Stande ſei, Helgoland<lb/> mit Dänemark zu vereinigen, ſo theile ich dieſes Bedauern nicht,<lb/> weil ich es nicht für zweckmäßig halte, Helgoland mit Dänemark<lb/> zu vereinigen. Daraus iſt aber nicht zu deduciren, daß Helgoland<lb/> an Preußen kommen ſoll. Helgoland ſoll deutſch, nicht preußiſch<lb/> werden. Es iſt ein koloſſaler Irrthum, anzunehmen, daß Hamburg<lb/> nicht im Beſitz von Helgoland geweſen ſei. Hamburg iſt ſeit dem<lb/> 15. Jahrhundert mindeſtens Schutzherrin geweſen und erſt ſeit dem<lb/> 17. Jahrhundert iſt Schleswig-Holſtein in den Beſitz der Inſel gekommen.<lb/> Nun gebe ich zu, daß bezüglich der ſanitären Einrichtungen,<lb/> eventuell auch der Errichtung der zoologiſchen Station und der übrigen<lb/> Deſiderien allerdings Preußen die Wünſche der Bewohner erfüllen<lb/> kann. Ich kann dies aber nicht zugeben bezüglich des Lootſen-<lb/> gewerbes. Das Lootſengewerbe der Helgoländer beſteht in dem<lb/> Hineinbugfiren der Schiffe bis nach Cuxhaven, wenn nicht bis<lb/> Hamburg, und darüber hat nicht Preußen, ſondern das Reich zu<lb/> beſtimmen, eventuell Hamburg. Jedenfalls müßte erſt Preußen<lb/> mit Hamburg darüber in Unterhandlungen eintreten. Wenn die<lb/> Helgoländer wirklich mit Vertrauen auf die Regierung blicken, ſo<lb/> geſchieht dies in der Annahme, daß auch ihre Erwartungen er-<lb/> füllt werden. Ueberhaupt glaube ich, daß das Reich am beſten<lb/> in der Lage iſt, die allgemeinen Intereſſen in Helgoland wahr-<lb/> zunehmen. Ich weiſe darauf hin, daß die Geräthe, welche für die<lb/> Rettung Schiffbrüchiger nothwendig ſind, bis jetzt vom Reiche<lb/> nicht geliefert worden ſind und daß der Verein zur Rettung<lb/> Schiffbrüchiger bisher allein die Sache in die Hand genommen<lb/> hat. In dieſer Beziehung müßte noch vieles geſchehen.</p><lb/> <p>Staatsſecretär <hi rendition="#b">v. Boetticher:</hi> Ich freue mich, daß der Vor-<lb/> redner den Gedanken, Helgoland mit Dänemark zu vereinigen,<lb/> nicht als einen ſolchen anſieht, dem eine praktiſche Folge zu geben<lb/> wäre. Ich habe neulich mit meiner Schlußbemerkung auch nur<lb/> andeuten wollen, daß für die Durchführung dieſes Gedankens in<lb/> dieſem Hauſe wohl kaum irgendeine Stimme ſich erheben würde.<lb/> Wenn der Vorredner ſeinem Antrag auf eine ſelbſtändige Geſtal-<lb/> tung Helgolands unter dem Reiche Rachdruck geben will, ſo würde<lb/> es auch wohl nöthig ſein, die Bedingungen für die Organiſation<lb/> vorzuſehen, unter denen Helgoland als ein ſelbſtändiges Glied des<lb/> Reiches oder als ein neues Reichsland ſtehen ſoll. Das hat der<lb/> Vorredner nicht gethan; ich nehme an, daß er ſich das für einen<lb/> ſpäteren geſetzgeberiſchen Vorſchlag vorbehält. Gegen den Vor-<lb/> ſchlag des Vorredners beſtehen aber ſo viele praktiſche Bedenken,<lb/> daß wohl kaum ernſtlich darauf wird eingegangen werden können.<lb/> Wenn Sie bedenken, daß Helgoland mit einem Umfange von wenig<lb/> mehr als einem halben Quadratkilometer und etwa 2000 Einwohnern<lb/> ausgeſtattet iſt, ſo werden Sie kaum der Meinung ſein können, daß<lb/> dieſes neue Staatsweſen, wie es der Vorredner ſich denkt, einebeſondere<lb/> Lebensfähigkeit entwickeln kann. Wollte man es als Reichsland<lb/> hinſtellen, ſo ſtände dem das Bedenken entgegen, daß, um ihm<lb/> eine wirtſame Organiſation auf adminiſtrativem und auf dem Ge-<lb/> biete der Rechtſprechung zu geben, dazu ein ganz außer Verhältniß<lb/> ſtehender Apparat nothwendig wäre, der Koſten verurſachen würde,<lb/> die vielleicht den materiellen und finanziellen Beſitz dieſer Inſel in<lb/> Frage ſtellen würden. Erfolgt dagegen der Anſchluß Helgolands<lb/> an ein anderes Staatsweſen, ſo iſt die Organiſation der Ver-<lb/> waltung und Rechtſprechung verhältnißmäßig eine außerordentlich<lb/> einfache. Wir haben eine ganze Reihe von Rordſeeinſeln, die vom<lb/> Feſtlande verwaltet werden und in veränderten Formen der Organiſa-<lb/> tion der Provinz, zu der ſie gehören, angeſchloſſen ſind. Etwas ähnliches<lb/> wird man ohne ſonderliche Schwierigkeit in Helgoland machen können.<lb/> Daß Hamburg die politiſche Schutzherrſchaft über Helgoland im<lb/> Mittelalter geführt hätte, iſt mir bisher unbekannt geweſen. In<lb/> den Schriften über Helgoland, die ich noch in den letzten Tagen<lb/> geleſen, habe ich nicht gefunden, daß Helgoland in einer politiſchen<lb/> Abhängigkeit von Hamburg jemals geſtanden hätte. Richtig iſt nur,<lb/> daß die wirthſchaftlichen Beziehungen zwiſchen Helgoland und Ham-<lb/> burg ziemlich lebhaft geweſen ſind; das liegt auf der Oberfläche,<lb/> weil eben Hamburg die nächſte größere Seeſtadt iſt. Aus dieſer<lb/> wirthſchaftlichen Affinität folgt aber keineswegs die Rothwendigkeit,<lb/> daß man jetzt, wo es ſich um den politiſchen Anſchluß der Inſel<lb/> handelt, nun auch Hamburg wählt. Ich glaube kaum, daß es<lb/> für Hamburg ein ſehr erſehnter Zuwachs ſein würde, wenn Helgo-<lb/> land ihm angeſchloſſen werden ſollte. Andrerſeits nehme ich gerade<lb/> an, daß mit Rückſicht auf die Reichsintereſſen, die ſich an den<lb/> Beſitz der Inſel Helgoland knüpfen, es viel beſſer iſt, die Inſel<lb/> an Preußen anzuſchließen. Nun ſagt der Vorredner, Preußen<lb/> und das Neich habe bisher ſein Wohlwollen gegenüber Helgoland<lb/> ſehr ſchwach oder vielleicht gar nicht an den Tag gelegt. Ich mache<lb/> ihn darauf aufmerkſam, daß einmal noch keine Veranlaſſung für<lb/> Preußen vorlag, das Wohlwollen zu bethätigen, und daß die Reichs-<lb/> verwaltung während der drei Monate, in denen ſie dort amtirt, eine<lb/> ſolche geweſen iſt, daß die Helgoländer damit vollſtändig zufrieden ſind.<lb/> Welterſchütternde Veränderungen haben wir allerdings nicht vor-<lb/> genommen, aber es war jedenfalls ſehr klug von uns, das der-<lb/> jenigen Regierung zu überlaſſen, welche definitiv ihre Fittige über<lb/> Helgoland breiten wird. Was das Lootſenweſen anbetrifft, ſo<lb/> halte ich es für meine Perſon vollſtändig für ausgeſchloſſen, daß<lb/> die Lootſen, welche jetzt nach den bisherigen Vorſchriften in Helgo-<lb/> land ihre Qualification zum Betriebe des Lootſengewerbes darge-<lb/> legt haben, irgendwie gehindert werden können, das auch in Zu-<lb/> kunft zu thun. Eine ſolche Barbarei pflegt die preußiſche Regie-<lb/> rung nicht zu üben; ſie würde damit einen Beſitzſtand erſchüttern,<lb/> der auf Fortdauer allen Anſpruch hat. Die Helgoländer können<lb/> ſich alſo durchaus darüber beruhigen, daß ſie nach wie<lb/> vor ihr Lootſengewerhe ungehindert ausüben können. Daß die<lb/> Regierung noch nicht einmal für die Geräthe zur Rettung<lb/> Schiffbrüchiger geſorgt hat, darf nicht wundernehmen,<lb/> denn in der Hauptſache ſorgt dafür an der ganzen deutſchen See-<lb/><cb/> küſte gerade der von dem Vorredner gelobte und auch von mir<lb/> zu lobende Verein für die Rettung Schiffbrüchiger. Uebrigens iſt<lb/> gerade dies ein Capitel, bei dem man es ſehr mit der Abneigung<lb/> der Helgoländer, von alten Gewohnheiten abzugehen, zu thun hat,<lb/> und der neueſte Unglücksfall auf Helgoland ſoll gerade darauf<lb/> zurückzuführen ſein, daß die Helgoländer Fiſcher ſich nicht ent-<lb/> ſchließen können, beſſere Rettungsboote anzuſchaffen, als ſie von<lb/> ihren Altvordern übernommen haben. Ich hoffe, daß in dieſer<lb/> Beziehung die techniſchen und wiſſenſchaftlichen Fortſchritte auch<lb/> in Helgoland Eingang finden werden. Darüber iſt gar kein Zweifel,<lb/> daß die preußiſche Regierung Helgoland in wohlwollende Verwaltung<lb/> nehmen wird und daß man auf der Inſel mit vollem Vertrauen<lb/> der Einverleibung in Preußen entgegenſieht. Ich bitte Sie deßhalb,<lb/> den Antrag Stadthagen abzulehnen und der Einverleibung Helgo-<lb/> lands in Preußen Ihre freudige Zuſtimmung zu geben. (Beifall.)</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Baumbach</hi> (Berlin): Der Abg. Stadthagen hätte doch<lb/> zum mindeſten Vorſchläge machen müſſen, wie er ſich die Ausführung<lb/> ſeines Vorſchlages denkt. Es handelt ſich hier lediglich um eine<lb/> Zweckmäßigkeitsfrage; das Gebiet der Inſel iſt für ein beſonderes<lb/> Staatsweſen zu klein; es bleibt nichts übrig, als die Inſel einem<lb/> preußiſchen Bezirke anzuſchließen. Das Territorium der Inſel wird<lb/> von Jahr zu Jahr kleiner, und ein Hauptvorwurf gegen die frühere<lb/> Regierung war immer, daß ſie das nicht in wirkſamer Weiſe ver-<lb/> hinderte. Rach der Rede des Abg. Stadthagen in der erſten<lb/> Leſung nahm ich an, daß derſelbe überhaupt gegen die Vereinigung<lb/> der Inſel mit Deutſchland ſei. Auf der Inſel iſt, wie ich mich<lb/> bei meinem Beſuche überzeugt habe, deutſches Weſen durchaus vor-<lb/> herrſchend, ſogar weit mehr als in manchen Theilen von Elſaß-<lb/> Lothringen. Ich empfehle die Annahme der Vorlage <hi rendition="#aq">sans phrase.</hi></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Stadthagen</hi>: Ich bin nicht gegen die Einverleibung<lb/> Helgolands in das Deutſche Reich, ſondern war nur zweifelhaft,<lb/> ob das deutſch-engliſche Abkommen mit dem Deutſchen Reiche oder<lb/> mit dem Kaiſer abgeſchloſſen ſei. Ferner habe ich das Vedenken,<lb/> daß die Helgoländer nicht befragt ſind, ob ſie Deutſche ſein wollen<lb/> oder nicht, und daß ihnen keine Garantie gegeben iſt, daß ſie nicht<lb/> etwa, wenn ſie nicht für Deutſchland optiren, als läſtige Ausländer<lb/> aus ihrer Heimath verbannt werden. Die Helgoländer Lootſen<lb/> können ihr Gewerbe nicht bis Cuxhaven ausdehnen, ſondern dürfen<lb/> nur bis zum Feuerſchiff fahren, von dort muß ein neuer Lootſe<lb/> angenommen werden. Eine Aenderung iſt nur durch Verhand-<lb/> lungen zwiſchen der preußiſchen und der Hamburgiſchen Regierung<lb/> oder durch Hamburg allein möglich.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Antrag Stadthagen</hi> wird <hi rendition="#g">abgelehnt</hi> und die<lb/> §§. 1 und 2 unverändert angenommen.</p><lb/> <p>Dem §. 3, welcher lautet: „Die von der Inſel herſtammen-<lb/> den Perſonen und ihre vor dem 11. Auguſt 1890 geborenen Kin-<lb/> der ſind von der Wehrpflicht befreit“, beantragt Abg. <hi rendition="#b">v. Bar</hi><lb/> folgende Faſſung zu geben: „Die vor dem 11. Auguſt 1890 ge-<lb/> borenen Helgoländer ſind von der Wehrpflicht befreit“ und begrün-<lb/> det dieſen Antrag damit, daß der Ausdruck „herſtammende Per-<lb/> ſonen“ einmal zu Streitigkeiten über die Erfüllung der Wehrpflicht<lb/> Veranlaſſung geben könnte.</p><lb/> <p>Staatsſecretär <hi rendition="#b">v. Boetticher;</hi> Ich könnte mit der Aen-<lb/> derung einverſtanden ſein, aber die Regierungsvorlage mußte ſo<lb/> gefaßt werden, weil der Text des deutſch-engliſchen Abkommens zu<lb/> Grunde gelegt werden mußte. Da iſt dieſelbe Faſſung gewählt,<lb/> und dieſer Text iſt von der engliſchen Regierung vorgeſchlagen.<lb/> Es wäre nun nicht loyal gegenüber dem andern Contrahenten,<lb/> eine Correctur vorzunehmen, die zwar gut, deren Unterlaſſung<lb/> aber nicht ſchädlich iſt. Der Abg. v. Bar wünſcht zu vermeiden,<lb/> daß einmal Jemand ſagen könnte: „Ich ſtamme auch von der<lb/> Inſel her, bin zwar längſt Preuße geworden, aber ich beanſpruche<lb/> auf Grund dieſes Paragraphen die Befreiung von der Wehrpflicht.“<lb/> Bei der Seßhaftigkeit der Helgoländer wird das kaum vorkommen,<lb/> und politiſche Gründe machen es räthlich, bei der vorliegenden<lb/> Faſſung zu bleiben.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">v. Bar:</hi> Ich ziehe nach dieſer Declaration meinen<lb/> Antrag zurück, indem ich conſtatire, daß ein beſonderer<lb/> weiterer Sinn in dieſen Worten nicht enthalten ſein ſoll.<lb/> (Heiterkeit.)</p><lb/> <p>§. 3 ſowie der Reſt des Geſetzes werden angenommen.</p><lb/> <p>Darauf wird in nochmaliger Abſtimmung der geſtern hand-<lb/> ſchriftlich eingebrachte und angenommene Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Rickert,</hi><lb/> die Wahl des Abg. v. <hi rendition="#g">Reden</hi> zu beanſtanden und Erhebungen<lb/> über die Behauptungen des Wahlproteſtes zu veranlaſſen, ange-<lb/> nommen.</p><lb/> <p>Es folgt die erſte <hi rendition="#g">Berathung der Novelle zum<lb/> Patentgeſetz.</hi></p><lb/> <p>Staatsſecretär <hi rendition="#b">v. Boetticher:</hi> Die Reform unſeres Patent-<lb/> geſetzes beſchäftigt ſeit langer Zeit unſere Induſtrie; die Vorbe-<lb/> reitungen für dieſelbe ſind ſo vollſtändig und gründlich geweſen,<lb/> wie kaum bei irgend einem andern Geſetz. Zur Klärung der<lb/> Frage veranſtalteten wir im Jahre 1886 eine Enqu<hi rendition="#aq">ê</hi>te, an welcher<lb/> hervorragende Mitglieder der Induſtrie und hervorragende Rechts-<lb/> verſtändige theilgenommen haben. Im Frühjahr d. J. wurde der<lb/> erſte Entwurf publicirt und eine Reihe Broſchüren und Zeitungs-<lb/> literatur hat ſich damit beſchäftigt. Daraus ergibt ſich, daß die Noth-<lb/> wendigkeit einer Abänderung gewiſſer Beſtimmungen des Patentgeſetzes<lb/> als ein Bedürfniß für unſere induſtriellen Kreiſe empfunden wurde.<lb/> Wenn die Regierung in ihren Vorſchlägen vielleicht nicht ſo weit<lb/> geht, als namentlich eine gewiſſe Strömung in der Induſtrie ver-<lb/> langt, ſo hat ſie dafür ihre guten Gründe. Unſer Patentgeſetz<lb/> hat im Gegenſatz zu den Geſetzen anderer Staaten, in denen das<lb/> Anmeldeverfahren beſteht, das ſogenannte Vorprüfungsverfahren<lb/> acceptirt, ein Verfahren, nach dem das Patent nicht eher er-<lb/> theilt wird, als bis ſich durch die Vorprüfung ergeben hat, daß<lb/> es ſich um eine neue patentfähige Erfindung handelt. Dieſes<lb/> Vorprüfungsverfahren hat ſich, wie Sie bei unbefangener Prüfung<lb/> der Motive und unbefangener Würdigung des beigefügten ſtati-<lb/> ſtiſchen Materials finden werden, durchaus bewährt. Ich beziehe<lb/> mich nicht allein auf die große Zahl der Patentanmeldungen<lb/> innerhalb des Deutſchen Reiches, nicht allein auf die Thatſache,<lb/> daß auch im Auslande ein deutſches Patent als ein ſehr er-<lb/> ſtrebenswerther Gegenſtand angeſehen wird und daß 33⅓ Procent<lb/> aller Patentanmeldungen im Deutſchen Reiche von Ausländern<lb/> eingegangen ſind, ſondern darauf, daß dieſes Vorprüſungsverfahren<lb/> ſowohl den Patentſuchern als der Induſtrie eine weit größere<lb/> Sicherheit gibt, als das Anmeldeverfahren. Das Vorprüfungs-<lb/> verfahren bietet dem Patentſucher die Gewähr, daß die ſachver-<lb/> ſtändige Behörde die angemeldete Erfindung für eine neue hält<lb/> und ſie dieſe Erfindung auch als eine patentfähige betrachtet.<lb/> Die Induſtrie erhält die Gewähr, daß die patentirte Erfindung<lb/> auch von Bedeutung für die gewerbliche Benützung iſt. Wollten<lb/> wir nun, was ein kleiner Theil unſrer Induſtrie fordert, zu dem<lb/> Anmeldeverfahren übergehen, ſo würden wir nicht allein den<lb/> Rutzen preisgeben, der aus unſern langjährigen Erfahrungen<lb/> ſtammt, ſondern würden das Anmeldeverſahren auch wieder erſt<lb/> erproben müſſen und ſo einen Rückſchritt thun. Wir würden vor<lb/> allem nicht die Sicherheit haben, daß das deutſche Patent<lb/> auf dem ganzen Erdball ſo hoch geſchätzt wird, wie es in Folge<lb/><cb/> des Vorprüfungsverfahrens gegenwärtig geſchieht. Es gibt eine<lb/> Strömung in der Induſtrie, welche zwar das Vorprüſungs-<lb/> verfahren beibehalten, aber dieſes beſchränken will auf die<lb/> Unterſuchung der Thatſache, ob der Gegenſtand auch wirklich neu<lb/> iſt. Es ſoll alſo das Patentamt ferner nicht die Befugniß<lb/> haben, die Vorprüfung darauf auszudehnen, ob der Inhalt<lb/> der Erfindung patentwürdig iſt. Eine ſolche Beſtimmung<lb/> würde gleichfalls den Werth des deutſchen Patentes erheblich<lb/> herabmindern. Es liegt aber auch keine Veranlaſſung zu einer<lb/> ſolchen vor, da das Ihnen gleichzeitig vorliegende Geſetz über den<lb/> Schutz von Gebrauchsmuſtern eine einfache Regiſtrirung aller der<lb/> Erfindungen vorſchreibt, welche im gewerblichen Leben zwar nutz-<lb/> bringend, aber doch eines Patentes nicht würdig ſind. Obgleich<lb/> ich weiß, daß der größte Theil der deutſchen Induſtrie mit der Bei-<lb/> behaltung des Vorprüfungsverfahrens einverſtanden iſt, ſo ſehe ich<lb/> doch voraus, daß von einzelnen Seiten der Verſuch gemacht werden<lb/> wird, dieſe principielle Grundlage zu erſchüttern. Deßbalb erſuche<lb/> ich Sie, die Gründe für die Beibehaltung einer gründlichen und<lb/> wohlwollenden Erwägung zu unterziehen. Auf einem anderen Ge-<lb/> biete will das Geſetz eine Aenderung in der Organiſation vor-<lb/> nehmen, da die bisherige der fortſchreitenden Entwicklung unſrer<lb/> Induſtrie auch auf dem Gebiete der Erfindungen nicht genügt hat.<lb/> Bisher arbeitete das Patentamt, abgeſehen von der Perſon ſeines<lb/> Präſidenten, der ſtändig angeſtellt iſt, lediglich mit im Rebenamte<lb/> beſchäftigten Mitgliedern. Nach der Seite der Technik hin hat<lb/> dieſe Verwendung ihre Vorzüge, da ſolche Mitglieder in ihrem<lb/> Hauptberuf mitten im wirthſchaftlichen Leben ſtehen und auch ihre<lb/> Kenntniſſe dem Patentamte zugute kommen laſſen, eine einheitliche<lb/> und conſtante Anwendung der Grundſätze über Patentweſen<lb/> aber wird mehr bei dauernd angeſtellten Mitgliedern erzielt<lb/> werden. Dadurch, daß der Entwurf für diejenige Abtheilung,<lb/> welche mit der Prüfung der Anmeldung und der Entſcheidung über<lb/> die Angriffe gegen die Patente betraut iſt, ſtändige Mitglieder<lb/> vorſieht, wird für die erſte Inſtanz die Anwendung conſtanter<lb/> Principien, für die zweite die größtmögliche Gewähr bei der<lb/> Prüfung der Beſchwerde gegeben, da in dieſer zweiten Inſtanz<lb/> Sachverſtändige mitwirken, die mitten im praktiſchen Leben ſtehen.<lb/> Auch in dieſer Beziehung ſind andere Auffaſſungen hervorgetreten.<lb/> Man hat zum Theil durchweg dauernde Mitglieder, zum Theil nur<lb/> vorübergehende verlangt. Die einzelnen Reuerungen, wie etwa die<lb/> ſehr wichtige Beſchränkung in der gutachtlichen Aeußerung des<lb/> Patentamts, will ich nicht weiter anführen. Ich ſchließe mit dem<lb/> Wunſche, daß der Entwurf, von dem ich überzeugt bin, daß er<lb/> unſrer Induſtrie gute Dienſte leiſten wird, auch Ihren Beifall<lb/> finden möge und daß er in einer Form verabſchiedet wird, die zu<lb/> Rutz und Frommen der Induſtrie gereicht. Wir haben keine<lb/> andere Abſicht bei dem Entwurf gehabt, als unſrer Induſtrie einen<lb/> Dienſt zu leiſten. Thun Sie dasſelbe.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Goldſchmidt</hi> (deutſchfreiſinnig) erklärt, vorbehaltlich<lb/> einiger Abweichungen in Einzelheiten, ſich mit der Vorlage ein-<lb/> verſtanden. Das Vorprüfungsverfahren ſei ein Segen für die<lb/> Induſtrie geweſen. Um die Wirkungen des Vorprüfungsverfahrens<lb/> vollſtändig zum Ausdruck kommen zu laſſen, muß aber ein con-<lb/> tradictoriſches Verfahren für die Patentſucher eintreten, ſo daß ſie<lb/> ihr Recht geltend machen können, was ihnen jetzt bei dem rein<lb/> adminiſtrativen Verfahren abgeſchnitten iſt. Es iſt ein Vorzug<lb/> der Vorlage, daß in dieſer Beziehung Abhülfe geſchaſſen iſt. Eine<lb/> weſentliche Verbeſſerung iſt die Ausdehnung des Patentſchutzes<lb/> auf die mittelſt eines geſchützten Verfahrens hergeſtellten Erzeugniſſe.<lb/> Die wichtigſte Aenderung iſt, daß die nicht ſtändigen Mitglieder der<lb/> Anmeldeabtheilung durch auf Lebenszeitangeſtellte Beamte erſetzt werden.<lb/> Es iſt zu befürchten, daß dieſe Beamten leicht den Zuſammenhang mit<lb/> dem praktiſchen Leben verlieren, daß ſie die Patentgeſuche zwar auf<lb/> ihre Reuheit, aber nicht auf ihre praktiſche Verwendbarkeit prüfen<lb/> können. Es iſt überhaupt nicht zu erſehen, woher dieſe Beamten<lb/> genommen werden ſollen. Wird man dafür Induſtrielle gewinnen?<lb/> Nach §. 27 ſoll der Antrag auf Richtigkeitserklärung eines Patentes<lb/> fünf Jahre nach Ertheilung desſelben nicht mehr geſtellt werden<lb/> dürfen. Das iſt eine Ungerechtigkeit, wie zahlreiche Beiſpiele be-<lb/> weiſen. Die Gebühren müſſen ermäßigt werden, denn es kommt<lb/> oſt genug vor, daß die Erfinder die Gebühren nicht bezahlen können<lb/> und deßhalb ihre Patente verfallen laſſen müſſen. Auch induſtrielle<lb/> Vereine haben ſich für die Herabſetzung der Gebühren von 50 auf<lb/> 30 Mark erklärt. Wünſchenswerth wäre auch die Aufnahme einer<lb/> Beſtimmung über die Patentanwaltſchaft, welche in irgendeiner<lb/> Weiſe in das Geſetz eingefügt werden muß. Ich beantrage, die<lb/> Vorlage an eine Commiſſion von 28 Mitgliedern zu verweiſen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">v. Buol:</hi> Ich bin ebenfalls für Commiſſionsberathung.<lb/> Auch von dieſem Geſetzentwurf gilt das Sprichwort: Gut Ding<lb/> will Weile haben. Die Verbeſſerung des Patentgeſetzes hat ſchon<lb/> lange auf der Tagesordnung der öffentlichen Meinung geſtanden,<lb/> und ich freue mich, daß die Reichsregierung alle Wünſche gehört<lb/> und gewürdigt hat. In principieller Beziehung ſcheint jetzt ziem-<lb/> liche Uebereinſtimmung darüber zu herrſchen, daß der Patentſchutz<lb/> im Sinne des Entwurfes zuläſſig und nützlich iſt. Noch bei dem<lb/> Geſetz von 1877 waren Viele entgegengeſetzter Anſicht. Dieſe<lb/> Stimmen ſind zum Schweigen gekommen. Selbſt die Gegner er-<lb/> kennen an, daß der Schutz der Erfindung berechtigt und ſogar für<lb/> das Volkswohl nothwendig iſt. Das in der Vorlage vorgeſchlagene<lb/> Vorprüfungsverfahren wird von der überwiegenden Mehrheit der<lb/> Sachverſtändigen und Intereſſenten für werthvoll bezeichnet. Was die<lb/> Nebenpunkte betrifft. ſo hoffe ich, daß wir in der Commiſſion zu einer<lb/> vollen Verſtändigung gelangen werden. Ich begrüße es, daß der<lb/> Grundſatz ausgeſprochen wird, daß das Patent nicht nur dazu be-<lb/> ſtimmt iſt, daß der Inhaber befugt iſt, gewerbsmäßig den Gegen-<lb/> ſtand der Erfindung herzuſtellen, ſondern daß das Patent ſich auch<lb/> auf die mittelſt des Verfahrens hergeſtellten Erzeugniſſe erſtreckt.<lb/> Was das Patentamt betrifft, ſo begrüße ich es, daß hier voll-<lb/> ſtändig getrennte und übereinander ſtehende Abtheilungen<lb/> geſchaffen werden, daß nicht dieſelben Richter und Techniker<lb/> in beiden Abtheilungen ihre Anſicht ausſprechen können,<lb/> und endlich, daß in allen Anmeldeabtheilungen nur ſtän-<lb/> dige techniſche Mitglieder angeſtellt werden können. Die<lb/> Vereinfachung des Zuſtellungsweſens iſt mir beſonders an-<lb/> genehm, und ich hoffe, daß dies auf andere Gebiete übertragen<lb/> wird. Nach §. 27 ſoll die Richtigkeitsklage nach Verlauf von<lb/> fünf Jahren, von dem Tage der über die Ertheilung des Patents<lb/> erfolgten Bekanntmachung, in beſtimmten Fällen unſtatthaft ſein.<lb/> Der Vorredner hat mit Unrecht den Vorwurf erhoben, daß hier<lb/> unter Umſtänden ein Unrecht dauernd gemacht werde. Die Nichtig-<lb/> keitsklage ſoll nur da eintreten, wo ſie geſtützt werden kann darauf,<lb/> daß der Gegenſtand nicht patentfähig und keine Erfindung im<lb/> Sinne des Geſetzes war. Die Entſcheidung, ob etwas neu oder<lb/> eine Erfindung im Sinne des Geſetzes iſt, unterliegt abſolut dem<lb/> ſubjectiven Ermeſſen; und es ſoll deßhalb der Patentinhaber da-<lb/> gegen geſchützt werden, daß nicht fortdauernd immer die<lb/> Nichtigkeitsklage auf Grund ſolcher wechſelnden ſubjec-<lb/> tiven Urtheile erhoben werden kann. Die Ausdebnung der<lb/> Haſtpflicht wenigſtens hinſichtlich einer Entſchädigungspflicht<lb/> in Bezug auf grobe Fahrläſſigkeit halte ich für gerechtfertigt. Es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Freitag, Zweites Morgenblatt, Nr. 337 der Allgemeinen Zeitung. 5. December 1890.
Inhalts-Ueberſicht.
Deutſcher Reichstag.
Bayeriſche Chronik. — Verſchiedenes. — Handel und
Volkswirthſchaft.
Deutſcher Reichstag.
Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg.
35. Sitzung.
 Berlin, 4. Dec.Die Sitzung wird um 2 Uhr eröffnet.
Am Tiſche des Bundesraths: v. Boetticher, v. Bojanowski
und Commiſſarien. Eingegangen iſt eine Nachweiſung über die
geſammten Rechnungsergebniſſe der Berufsgenoſſen-
ſchaften für das Jahr 1889. Der preußiſche Miniſter für Land-
wirthſchaft v. Heyden iſt zum Bundesrathsbevollmächtigten er-
nannt worden. Auf der Tagesordnung ſteht zunächſt die zweite
Berathung des Geſetzentwurfs betreffend die Vereinigung von
Helgoland mit dem Deutſchen Reiche.
Abg. Stadthagen (Soc.) beantragt, den zweiten Abſatz des
§. 1, welcher beſtimmt, daß das Reich ſeine Zuſtimmung dazu er-
theilt, daß Helgoland mit dem preußiſchen Staate vereinigt wird,
zu ſtreichen. Wenn der Staatsſecretär v. Boetticher neulich geſagt
hat, er bedaure, daß der Reichstag nicht im Stande ſei, Helgoland
mit Dänemark zu vereinigen, ſo theile ich dieſes Bedauern nicht,
weil ich es nicht für zweckmäßig halte, Helgoland mit Dänemark
zu vereinigen. Daraus iſt aber nicht zu deduciren, daß Helgoland
an Preußen kommen ſoll. Helgoland ſoll deutſch, nicht preußiſch
werden. Es iſt ein koloſſaler Irrthum, anzunehmen, daß Hamburg
nicht im Beſitz von Helgoland geweſen ſei. Hamburg iſt ſeit dem
15. Jahrhundert mindeſtens Schutzherrin geweſen und erſt ſeit dem
17. Jahrhundert iſt Schleswig-Holſtein in den Beſitz der Inſel gekommen.
Nun gebe ich zu, daß bezüglich der ſanitären Einrichtungen,
eventuell auch der Errichtung der zoologiſchen Station und der übrigen
Deſiderien allerdings Preußen die Wünſche der Bewohner erfüllen
kann. Ich kann dies aber nicht zugeben bezüglich des Lootſen-
gewerbes. Das Lootſengewerbe der Helgoländer beſteht in dem
Hineinbugfiren der Schiffe bis nach Cuxhaven, wenn nicht bis
Hamburg, und darüber hat nicht Preußen, ſondern das Reich zu
beſtimmen, eventuell Hamburg. Jedenfalls müßte erſt Preußen
mit Hamburg darüber in Unterhandlungen eintreten. Wenn die
Helgoländer wirklich mit Vertrauen auf die Regierung blicken, ſo
geſchieht dies in der Annahme, daß auch ihre Erwartungen er-
füllt werden. Ueberhaupt glaube ich, daß das Reich am beſten
in der Lage iſt, die allgemeinen Intereſſen in Helgoland wahr-
zunehmen. Ich weiſe darauf hin, daß die Geräthe, welche für die
Rettung Schiffbrüchiger nothwendig ſind, bis jetzt vom Reiche
nicht geliefert worden ſind und daß der Verein zur Rettung
Schiffbrüchiger bisher allein die Sache in die Hand genommen
hat. In dieſer Beziehung müßte noch vieles geſchehen.
Staatsſecretär v. Boetticher: Ich freue mich, daß der Vor-
redner den Gedanken, Helgoland mit Dänemark zu vereinigen,
nicht als einen ſolchen anſieht, dem eine praktiſche Folge zu geben
wäre. Ich habe neulich mit meiner Schlußbemerkung auch nur
andeuten wollen, daß für die Durchführung dieſes Gedankens in
dieſem Hauſe wohl kaum irgendeine Stimme ſich erheben würde.
Wenn der Vorredner ſeinem Antrag auf eine ſelbſtändige Geſtal-
tung Helgolands unter dem Reiche Rachdruck geben will, ſo würde
es auch wohl nöthig ſein, die Bedingungen für die Organiſation
vorzuſehen, unter denen Helgoland als ein ſelbſtändiges Glied des
Reiches oder als ein neues Reichsland ſtehen ſoll. Das hat der
Vorredner nicht gethan; ich nehme an, daß er ſich das für einen
ſpäteren geſetzgeberiſchen Vorſchlag vorbehält. Gegen den Vor-
ſchlag des Vorredners beſtehen aber ſo viele praktiſche Bedenken,
daß wohl kaum ernſtlich darauf wird eingegangen werden können.
Wenn Sie bedenken, daß Helgoland mit einem Umfange von wenig
mehr als einem halben Quadratkilometer und etwa 2000 Einwohnern
ausgeſtattet iſt, ſo werden Sie kaum der Meinung ſein können, daß
dieſes neue Staatsweſen, wie es der Vorredner ſich denkt, einebeſondere
Lebensfähigkeit entwickeln kann. Wollte man es als Reichsland
hinſtellen, ſo ſtände dem das Bedenken entgegen, daß, um ihm
eine wirtſame Organiſation auf adminiſtrativem und auf dem Ge-
biete der Rechtſprechung zu geben, dazu ein ganz außer Verhältniß
ſtehender Apparat nothwendig wäre, der Koſten verurſachen würde,
die vielleicht den materiellen und finanziellen Beſitz dieſer Inſel in
Frage ſtellen würden. Erfolgt dagegen der Anſchluß Helgolands
an ein anderes Staatsweſen, ſo iſt die Organiſation der Ver-
waltung und Rechtſprechung verhältnißmäßig eine außerordentlich
einfache. Wir haben eine ganze Reihe von Rordſeeinſeln, die vom
Feſtlande verwaltet werden und in veränderten Formen der Organiſa-
tion der Provinz, zu der ſie gehören, angeſchloſſen ſind. Etwas ähnliches
wird man ohne ſonderliche Schwierigkeit in Helgoland machen können.
Daß Hamburg die politiſche Schutzherrſchaft über Helgoland im
Mittelalter geführt hätte, iſt mir bisher unbekannt geweſen. In
den Schriften über Helgoland, die ich noch in den letzten Tagen
geleſen, habe ich nicht gefunden, daß Helgoland in einer politiſchen
Abhängigkeit von Hamburg jemals geſtanden hätte. Richtig iſt nur,
daß die wirthſchaftlichen Beziehungen zwiſchen Helgoland und Ham-
burg ziemlich lebhaft geweſen ſind; das liegt auf der Oberfläche,
weil eben Hamburg die nächſte größere Seeſtadt iſt. Aus dieſer
wirthſchaftlichen Affinität folgt aber keineswegs die Rothwendigkeit,
daß man jetzt, wo es ſich um den politiſchen Anſchluß der Inſel
handelt, nun auch Hamburg wählt. Ich glaube kaum, daß es
für Hamburg ein ſehr erſehnter Zuwachs ſein würde, wenn Helgo-
land ihm angeſchloſſen werden ſollte. Andrerſeits nehme ich gerade
an, daß mit Rückſicht auf die Reichsintereſſen, die ſich an den
Beſitz der Inſel Helgoland knüpfen, es viel beſſer iſt, die Inſel
an Preußen anzuſchließen. Nun ſagt der Vorredner, Preußen
und das Neich habe bisher ſein Wohlwollen gegenüber Helgoland
ſehr ſchwach oder vielleicht gar nicht an den Tag gelegt. Ich mache
ihn darauf aufmerkſam, daß einmal noch keine Veranlaſſung für
Preußen vorlag, das Wohlwollen zu bethätigen, und daß die Reichs-
verwaltung während der drei Monate, in denen ſie dort amtirt, eine
ſolche geweſen iſt, daß die Helgoländer damit vollſtändig zufrieden ſind.
Welterſchütternde Veränderungen haben wir allerdings nicht vor-
genommen, aber es war jedenfalls ſehr klug von uns, das der-
jenigen Regierung zu überlaſſen, welche definitiv ihre Fittige über
Helgoland breiten wird. Was das Lootſenweſen anbetrifft, ſo
halte ich es für meine Perſon vollſtändig für ausgeſchloſſen, daß
die Lootſen, welche jetzt nach den bisherigen Vorſchriften in Helgo-
land ihre Qualification zum Betriebe des Lootſengewerbes darge-
legt haben, irgendwie gehindert werden können, das auch in Zu-
kunft zu thun. Eine ſolche Barbarei pflegt die preußiſche Regie-
rung nicht zu üben; ſie würde damit einen Beſitzſtand erſchüttern,
der auf Fortdauer allen Anſpruch hat. Die Helgoländer können
ſich alſo durchaus darüber beruhigen, daß ſie nach wie
vor ihr Lootſengewerhe ungehindert ausüben können. Daß die
Regierung noch nicht einmal für die Geräthe zur Rettung
Schiffbrüchiger geſorgt hat, darf nicht wundernehmen,
denn in der Hauptſache ſorgt dafür an der ganzen deutſchen See-
küſte gerade der von dem Vorredner gelobte und auch von mir
zu lobende Verein für die Rettung Schiffbrüchiger. Uebrigens iſt
gerade dies ein Capitel, bei dem man es ſehr mit der Abneigung
der Helgoländer, von alten Gewohnheiten abzugehen, zu thun hat,
und der neueſte Unglücksfall auf Helgoland ſoll gerade darauf
zurückzuführen ſein, daß die Helgoländer Fiſcher ſich nicht ent-
ſchließen können, beſſere Rettungsboote anzuſchaffen, als ſie von
ihren Altvordern übernommen haben. Ich hoffe, daß in dieſer
Beziehung die techniſchen und wiſſenſchaftlichen Fortſchritte auch
in Helgoland Eingang finden werden. Darüber iſt gar kein Zweifel,
daß die preußiſche Regierung Helgoland in wohlwollende Verwaltung
nehmen wird und daß man auf der Inſel mit vollem Vertrauen
der Einverleibung in Preußen entgegenſieht. Ich bitte Sie deßhalb,
den Antrag Stadthagen abzulehnen und der Einverleibung Helgo-
lands in Preußen Ihre freudige Zuſtimmung zu geben. (Beifall.)
Abg. Baumbach (Berlin): Der Abg. Stadthagen hätte doch
zum mindeſten Vorſchläge machen müſſen, wie er ſich die Ausführung
ſeines Vorſchlages denkt. Es handelt ſich hier lediglich um eine
Zweckmäßigkeitsfrage; das Gebiet der Inſel iſt für ein beſonderes
Staatsweſen zu klein; es bleibt nichts übrig, als die Inſel einem
preußiſchen Bezirke anzuſchließen. Das Territorium der Inſel wird
von Jahr zu Jahr kleiner, und ein Hauptvorwurf gegen die frühere
Regierung war immer, daß ſie das nicht in wirkſamer Weiſe ver-
hinderte. Rach der Rede des Abg. Stadthagen in der erſten
Leſung nahm ich an, daß derſelbe überhaupt gegen die Vereinigung
der Inſel mit Deutſchland ſei. Auf der Inſel iſt, wie ich mich
bei meinem Beſuche überzeugt habe, deutſches Weſen durchaus vor-
herrſchend, ſogar weit mehr als in manchen Theilen von Elſaß-
Lothringen. Ich empfehle die Annahme der Vorlage sans phrase.
Abg. Stadthagen: Ich bin nicht gegen die Einverleibung
Helgolands in das Deutſche Reich, ſondern war nur zweifelhaft,
ob das deutſch-engliſche Abkommen mit dem Deutſchen Reiche oder
mit dem Kaiſer abgeſchloſſen ſei. Ferner habe ich das Vedenken,
daß die Helgoländer nicht befragt ſind, ob ſie Deutſche ſein wollen
oder nicht, und daß ihnen keine Garantie gegeben iſt, daß ſie nicht
etwa, wenn ſie nicht für Deutſchland optiren, als läſtige Ausländer
aus ihrer Heimath verbannt werden. Die Helgoländer Lootſen
können ihr Gewerbe nicht bis Cuxhaven ausdehnen, ſondern dürfen
nur bis zum Feuerſchiff fahren, von dort muß ein neuer Lootſe
angenommen werden. Eine Aenderung iſt nur durch Verhand-
lungen zwiſchen der preußiſchen und der Hamburgiſchen Regierung
oder durch Hamburg allein möglich.
Der Antrag Stadthagen wird abgelehnt und die
§§. 1 und 2 unverändert angenommen.
Dem §. 3, welcher lautet: „Die von der Inſel herſtammen-
den Perſonen und ihre vor dem 11. Auguſt 1890 geborenen Kin-
der ſind von der Wehrpflicht befreit“, beantragt Abg. v. Bar
folgende Faſſung zu geben: „Die vor dem 11. Auguſt 1890 ge-
borenen Helgoländer ſind von der Wehrpflicht befreit“ und begrün-
det dieſen Antrag damit, daß der Ausdruck „herſtammende Per-
ſonen“ einmal zu Streitigkeiten über die Erfüllung der Wehrpflicht
Veranlaſſung geben könnte.
Staatsſecretär v. Boetticher; Ich könnte mit der Aen-
derung einverſtanden ſein, aber die Regierungsvorlage mußte ſo
gefaßt werden, weil der Text des deutſch-engliſchen Abkommens zu
Grunde gelegt werden mußte. Da iſt dieſelbe Faſſung gewählt,
und dieſer Text iſt von der engliſchen Regierung vorgeſchlagen.
Es wäre nun nicht loyal gegenüber dem andern Contrahenten,
eine Correctur vorzunehmen, die zwar gut, deren Unterlaſſung
aber nicht ſchädlich iſt. Der Abg. v. Bar wünſcht zu vermeiden,
daß einmal Jemand ſagen könnte: „Ich ſtamme auch von der
Inſel her, bin zwar längſt Preuße geworden, aber ich beanſpruche
auf Grund dieſes Paragraphen die Befreiung von der Wehrpflicht.“
Bei der Seßhaftigkeit der Helgoländer wird das kaum vorkommen,
und politiſche Gründe machen es räthlich, bei der vorliegenden
Faſſung zu bleiben.
Abg. v. Bar: Ich ziehe nach dieſer Declaration meinen
Antrag zurück, indem ich conſtatire, daß ein beſonderer
weiterer Sinn in dieſen Worten nicht enthalten ſein ſoll.
(Heiterkeit.)
§. 3 ſowie der Reſt des Geſetzes werden angenommen.
Darauf wird in nochmaliger Abſtimmung der geſtern hand-
ſchriftlich eingebrachte und angenommene Antrag des Abg. Rickert,
die Wahl des Abg. v. Reden zu beanſtanden und Erhebungen
über die Behauptungen des Wahlproteſtes zu veranlaſſen, ange-
nommen.
Es folgt die erſte Berathung der Novelle zum
Patentgeſetz.
Staatsſecretär v. Boetticher: Die Reform unſeres Patent-
geſetzes beſchäftigt ſeit langer Zeit unſere Induſtrie; die Vorbe-
reitungen für dieſelbe ſind ſo vollſtändig und gründlich geweſen,
wie kaum bei irgend einem andern Geſetz. Zur Klärung der
Frage veranſtalteten wir im Jahre 1886 eine Enquête, an welcher
hervorragende Mitglieder der Induſtrie und hervorragende Rechts-
verſtändige theilgenommen haben. Im Frühjahr d. J. wurde der
erſte Entwurf publicirt und eine Reihe Broſchüren und Zeitungs-
literatur hat ſich damit beſchäftigt. Daraus ergibt ſich, daß die Noth-
wendigkeit einer Abänderung gewiſſer Beſtimmungen des Patentgeſetzes
als ein Bedürfniß für unſere induſtriellen Kreiſe empfunden wurde.
Wenn die Regierung in ihren Vorſchlägen vielleicht nicht ſo weit
geht, als namentlich eine gewiſſe Strömung in der Induſtrie ver-
langt, ſo hat ſie dafür ihre guten Gründe. Unſer Patentgeſetz
hat im Gegenſatz zu den Geſetzen anderer Staaten, in denen das
Anmeldeverfahren beſteht, das ſogenannte Vorprüfungsverfahren
acceptirt, ein Verfahren, nach dem das Patent nicht eher er-
theilt wird, als bis ſich durch die Vorprüfung ergeben hat, daß
es ſich um eine neue patentfähige Erfindung handelt. Dieſes
Vorprüfungsverfahren hat ſich, wie Sie bei unbefangener Prüfung
der Motive und unbefangener Würdigung des beigefügten ſtati-
ſtiſchen Materials finden werden, durchaus bewährt. Ich beziehe
mich nicht allein auf die große Zahl der Patentanmeldungen
innerhalb des Deutſchen Reiches, nicht allein auf die Thatſache,
daß auch im Auslande ein deutſches Patent als ein ſehr er-
ſtrebenswerther Gegenſtand angeſehen wird und daß 33⅓ Procent
aller Patentanmeldungen im Deutſchen Reiche von Ausländern
eingegangen ſind, ſondern darauf, daß dieſes Vorprüſungsverfahren
ſowohl den Patentſuchern als der Induſtrie eine weit größere
Sicherheit gibt, als das Anmeldeverfahren. Das Vorprüfungs-
verfahren bietet dem Patentſucher die Gewähr, daß die ſachver-
ſtändige Behörde die angemeldete Erfindung für eine neue hält
und ſie dieſe Erfindung auch als eine patentfähige betrachtet.
Die Induſtrie erhält die Gewähr, daß die patentirte Erfindung
auch von Bedeutung für die gewerbliche Benützung iſt. Wollten
wir nun, was ein kleiner Theil unſrer Induſtrie fordert, zu dem
Anmeldeverfahren übergehen, ſo würden wir nicht allein den
Rutzen preisgeben, der aus unſern langjährigen Erfahrungen
ſtammt, ſondern würden das Anmeldeverſahren auch wieder erſt
erproben müſſen und ſo einen Rückſchritt thun. Wir würden vor
allem nicht die Sicherheit haben, daß das deutſche Patent
auf dem ganzen Erdball ſo hoch geſchätzt wird, wie es in Folge
des Vorprüfungsverfahrens gegenwärtig geſchieht. Es gibt eine
Strömung in der Induſtrie, welche zwar das Vorprüſungs-
verfahren beibehalten, aber dieſes beſchränken will auf die
Unterſuchung der Thatſache, ob der Gegenſtand auch wirklich neu
iſt. Es ſoll alſo das Patentamt ferner nicht die Befugniß
haben, die Vorprüfung darauf auszudehnen, ob der Inhalt
der Erfindung patentwürdig iſt. Eine ſolche Beſtimmung
würde gleichfalls den Werth des deutſchen Patentes erheblich
herabmindern. Es liegt aber auch keine Veranlaſſung zu einer
ſolchen vor, da das Ihnen gleichzeitig vorliegende Geſetz über den
Schutz von Gebrauchsmuſtern eine einfache Regiſtrirung aller der
Erfindungen vorſchreibt, welche im gewerblichen Leben zwar nutz-
bringend, aber doch eines Patentes nicht würdig ſind. Obgleich
ich weiß, daß der größte Theil der deutſchen Induſtrie mit der Bei-
behaltung des Vorprüfungsverfahrens einverſtanden iſt, ſo ſehe ich
doch voraus, daß von einzelnen Seiten der Verſuch gemacht werden
wird, dieſe principielle Grundlage zu erſchüttern. Deßbalb erſuche
ich Sie, die Gründe für die Beibehaltung einer gründlichen und
wohlwollenden Erwägung zu unterziehen. Auf einem anderen Ge-
biete will das Geſetz eine Aenderung in der Organiſation vor-
nehmen, da die bisherige der fortſchreitenden Entwicklung unſrer
Induſtrie auch auf dem Gebiete der Erfindungen nicht genügt hat.
Bisher arbeitete das Patentamt, abgeſehen von der Perſon ſeines
Präſidenten, der ſtändig angeſtellt iſt, lediglich mit im Rebenamte
beſchäftigten Mitgliedern. Nach der Seite der Technik hin hat
dieſe Verwendung ihre Vorzüge, da ſolche Mitglieder in ihrem
Hauptberuf mitten im wirthſchaftlichen Leben ſtehen und auch ihre
Kenntniſſe dem Patentamte zugute kommen laſſen, eine einheitliche
und conſtante Anwendung der Grundſätze über Patentweſen
aber wird mehr bei dauernd angeſtellten Mitgliedern erzielt
werden. Dadurch, daß der Entwurf für diejenige Abtheilung,
welche mit der Prüfung der Anmeldung und der Entſcheidung über
die Angriffe gegen die Patente betraut iſt, ſtändige Mitglieder
vorſieht, wird für die erſte Inſtanz die Anwendung conſtanter
Principien, für die zweite die größtmögliche Gewähr bei der
Prüfung der Beſchwerde gegeben, da in dieſer zweiten Inſtanz
Sachverſtändige mitwirken, die mitten im praktiſchen Leben ſtehen.
Auch in dieſer Beziehung ſind andere Auffaſſungen hervorgetreten.
Man hat zum Theil durchweg dauernde Mitglieder, zum Theil nur
vorübergehende verlangt. Die einzelnen Reuerungen, wie etwa die
ſehr wichtige Beſchränkung in der gutachtlichen Aeußerung des
Patentamts, will ich nicht weiter anführen. Ich ſchließe mit dem
Wunſche, daß der Entwurf, von dem ich überzeugt bin, daß er
unſrer Induſtrie gute Dienſte leiſten wird, auch Ihren Beifall
finden möge und daß er in einer Form verabſchiedet wird, die zu
Rutz und Frommen der Induſtrie gereicht. Wir haben keine
andere Abſicht bei dem Entwurf gehabt, als unſrer Induſtrie einen
Dienſt zu leiſten. Thun Sie dasſelbe.
Abg. Goldſchmidt (deutſchfreiſinnig) erklärt, vorbehaltlich
einiger Abweichungen in Einzelheiten, ſich mit der Vorlage ein-
verſtanden. Das Vorprüfungsverfahren ſei ein Segen für die
Induſtrie geweſen. Um die Wirkungen des Vorprüfungsverfahrens
vollſtändig zum Ausdruck kommen zu laſſen, muß aber ein con-
tradictoriſches Verfahren für die Patentſucher eintreten, ſo daß ſie
ihr Recht geltend machen können, was ihnen jetzt bei dem rein
adminiſtrativen Verfahren abgeſchnitten iſt. Es iſt ein Vorzug
der Vorlage, daß in dieſer Beziehung Abhülfe geſchaſſen iſt. Eine
weſentliche Verbeſſerung iſt die Ausdehnung des Patentſchutzes
auf die mittelſt eines geſchützten Verfahrens hergeſtellten Erzeugniſſe.
Die wichtigſte Aenderung iſt, daß die nicht ſtändigen Mitglieder der
Anmeldeabtheilung durch auf Lebenszeitangeſtellte Beamte erſetzt werden.
Es iſt zu befürchten, daß dieſe Beamten leicht den Zuſammenhang mit
dem praktiſchen Leben verlieren, daß ſie die Patentgeſuche zwar auf
ihre Reuheit, aber nicht auf ihre praktiſche Verwendbarkeit prüfen
können. Es iſt überhaupt nicht zu erſehen, woher dieſe Beamten
genommen werden ſollen. Wird man dafür Induſtrielle gewinnen?
Nach §. 27 ſoll der Antrag auf Richtigkeitserklärung eines Patentes
fünf Jahre nach Ertheilung desſelben nicht mehr geſtellt werden
dürfen. Das iſt eine Ungerechtigkeit, wie zahlreiche Beiſpiele be-
weiſen. Die Gebühren müſſen ermäßigt werden, denn es kommt
oſt genug vor, daß die Erfinder die Gebühren nicht bezahlen können
und deßhalb ihre Patente verfallen laſſen müſſen. Auch induſtrielle
Vereine haben ſich für die Herabſetzung der Gebühren von 50 auf
30 Mark erklärt. Wünſchenswerth wäre auch die Aufnahme einer
Beſtimmung über die Patentanwaltſchaft, welche in irgendeiner
Weiſe in das Geſetz eingefügt werden muß. Ich beantrage, die
Vorlage an eine Commiſſion von 28 Mitgliedern zu verweiſen.
Abg. v. Buol: Ich bin ebenfalls für Commiſſionsberathung.
Auch von dieſem Geſetzentwurf gilt das Sprichwort: Gut Ding
will Weile haben. Die Verbeſſerung des Patentgeſetzes hat ſchon
lange auf der Tagesordnung der öffentlichen Meinung geſtanden,
und ich freue mich, daß die Reichsregierung alle Wünſche gehört
und gewürdigt hat. In principieller Beziehung ſcheint jetzt ziem-
liche Uebereinſtimmung darüber zu herrſchen, daß der Patentſchutz
im Sinne des Entwurfes zuläſſig und nützlich iſt. Noch bei dem
Geſetz von 1877 waren Viele entgegengeſetzter Anſicht. Dieſe
Stimmen ſind zum Schweigen gekommen. Selbſt die Gegner er-
kennen an, daß der Schutz der Erfindung berechtigt und ſogar für
das Volkswohl nothwendig iſt. Das in der Vorlage vorgeſchlagene
Vorprüfungsverfahren wird von der überwiegenden Mehrheit der
Sachverſtändigen und Intereſſenten für werthvoll bezeichnet. Was die
Nebenpunkte betrifft. ſo hoffe ich, daß wir in der Commiſſion zu einer
vollen Verſtändigung gelangen werden. Ich begrüße es, daß der
Grundſatz ausgeſprochen wird, daß das Patent nicht nur dazu be-
ſtimmt iſt, daß der Inhaber befugt iſt, gewerbsmäßig den Gegen-
ſtand der Erfindung herzuſtellen, ſondern daß das Patent ſich auch
auf die mittelſt des Verfahrens hergeſtellten Erzeugniſſe erſtreckt.
Was das Patentamt betrifft, ſo begrüße ich es, daß hier voll-
ſtändig getrennte und übereinander ſtehende Abtheilungen
geſchaffen werden, daß nicht dieſelben Richter und Techniker
in beiden Abtheilungen ihre Anſicht ausſprechen können,
und endlich, daß in allen Anmeldeabtheilungen nur ſtän-
dige techniſche Mitglieder angeſtellt werden können. Die
Vereinfachung des Zuſtellungsweſens iſt mir beſonders an-
genehm, und ich hoffe, daß dies auf andere Gebiete übertragen
wird. Nach §. 27 ſoll die Richtigkeitsklage nach Verlauf von
fünf Jahren, von dem Tage der über die Ertheilung des Patents
erfolgten Bekanntmachung, in beſtimmten Fällen unſtatthaft ſein.
Der Vorredner hat mit Unrecht den Vorwurf erhoben, daß hier
unter Umſtänden ein Unrecht dauernd gemacht werde. Die Nichtig-
keitsklage ſoll nur da eintreten, wo ſie geſtützt werden kann darauf,
daß der Gegenſtand nicht patentfähig und keine Erfindung im
Sinne des Geſetzes war. Die Entſcheidung, ob etwas neu oder
eine Erfindung im Sinne des Geſetzes iſt, unterliegt abſolut dem
ſubjectiven Ermeſſen; und es ſoll deßhalb der Patentinhaber da-
gegen geſchützt werden, daß nicht fortdauernd immer die
Nichtigkeitsklage auf Grund ſolcher wechſelnden ſubjec-
tiven Urtheile erhoben werden kann. Die Ausdebnung der
Haſtpflicht wenigſtens hinſichtlich einer Entſchädigungspflicht
in Bezug auf grobe Fahrläſſigkeit halte ich für gerechtfertigt. Es
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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