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Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 1. Februar 1850.

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Beilage zu Nr. 32 der Allg. Zeitung.
Freitag. 1 Februar 1850.


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Uebersicht.

Peter v. Cornelius' Compositionen für die Friedhofhalle in Berlin.
(II.) -- Hannover. -- Lübeck. -- Aus Oberösterreich. (Dr. A. Fischer.)
-- Das neue österreichische Berggesetz. -- Die österreichischen Fabricanten
und die Londoner Industrie-Ausstellung. -- Tirol. -- Paris. (Guizot
über die englische Revolution.)


Peter v. Cornelius' Compositionen für die Friedhof-
halle in Berlin.
II.

# Um den Freunden der Kunst bestimmtere Einsicht in das Geleistete
zu geben, müssen wir einzelne Bilder näher betrachten; und dazu bieten
sich uns vor allem die bereits im Carton ausgeführten dar. Unsere Ab-
sicht kann indeß hier nicht seyn ins kleine Detail zu gehen. Wir haben
anschaulich und verständlich zu machen was dem Meister in diesen Com-
positionen gelungen ist, und dazu reicht die Vergegenwärtigung der we-
sentlichsten Elemente und Züge hin.

Ein außerordentlich schönes und reiches Bild ist die Herabkunft der
himmlischen Jerusalem. Am Gestade des Meeree erblicken wir eine
Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, sitzend und stehend. Die
Einen in ernste Gedanken versenkt, die Andern erfüllt und gehoben von
Ahnungen. Hinter einer Frau die den Arm um ihr jüngstes Kind ge-
schlungen hat, sitzt ein schöner Knabe, den Blick in lieblichem Staunen
nach links gewendet. Zwischen ihm und einem ältern Mann steht eine
Jungfrau, ins Meer hinaussehend. Was ihren Blick anzieht, sind zwei
prächtige Schiffe die mit geblähten Segeln daherziehen. Auf dem näheren
steht ein König mit der Krone auf dem Haupt, die Arme ausgebreitet,
die Augen emporgerichtet. Neben ihm kniet in frommer Demuth die
Königin. Auf beiden Schiffen sehen Männer und Frauen mit allen
Zeichen des Staunens und freudigen Schreckens nach der linken Seite
hin. Eine überschwänglich wunderbare Erscheinung bietet sich ihnen dar!
In der Mitte von zwölf Engeln, die sie in mannichfacher Haltung um-
geben, schwebt eine herrliche Gestalt sanft hernieder. Sie hält in der
rechten Hand einen schlanken Stab, der ein Kreuz andeutet; die linke ist
auf die Schulter eines ihr sich anschmiegenden Engels gelegt. Das
Haupt ist bedeckt mit einem Brautkranz in Kronenform; himmlische Se-
ligkeit, Hoheit und Demuth sprechen aus dem heilig schönen Antlitz.
Das ist die neue Jerusalem, welche die Herrlichkeit Gottes hat und Friede
bringt den Menschen -- wie der Palmzweig andeutet den ein vor ihr
herschwebender Engel emporhält! Das ist das Bild der Stadt Gottes,
zu welcher die Könige kommen mit ihrer Ehre und Macht, und in wel-
cher die Heiden wandeln die da selig werden!

Cornelius hat in dieser Composition alle die Tugenden bewährt die
wir als ihm eigentbümlich bezeichnet haben. Wie reich das Bild ist, so
erscheint es doch als ein Ganzes, das Gefühl eines Moments in uns
erregend. Die Menschengruppe, mit classischer Einfachheit ausgeführt,
ist durch den Knaben und das Mädchen sehr anmuthig abgeschlossen und
auf die andern Theile der Handlung bezogen. Die heransegelnden Schiffe
und die Menschen darauf sind ächt poetisch empfunden. Die Fahrt ist
voller Wahrheit und Leben, und doch sind es keine gewöhnlichen Schiffe,
sondern idealisch gedachte und stylistrte! Der Vorgang hat alle Energie
der Natur, und doch ist es ein Vorgang auf höherem Gebiet! Die
Gruppe der neuen Jerusalem und der sie umgebenden Engel trägt den
Charakter der Sphäre aus der sie kommen, und aus dem Antlitz der ge-
schmückten Braut spricht uns der ganze Himmel, die ganze Seligkeit des
Himmels an.

Die zu diesem Bilde gehörige Lunette schildert den Sturz des Dra-
chen und die Predelle von den Werken der Liebe die Speisung und Trän-
kung der Armen. Beide stellen sich dem Hauptbilde in gleicher Schönheit
zur Seite.

Die Predelle erfreut uns durch die Naturfrische der Erfindung und
Behandlung. In der Mitte des Bildes, unter Bäumen, steht die Tafel,
um welche die Hungrigen und Durstigen sitzen und sich erquicken: Män-
ner, Frauen, Alte und Kinder. Ihre Gesellschaft soll vermehrt werden:
vom Herrn des Hauses willkommen geheißen und zur Tafel gewiesen,
wankt ein blinder Greis, von einem Knaben geleitet, am Stabe herein,
eine junge Frau mit zwei Kindern folgt ihm. Für alle ist Fülle der
Gaben vorhanden. Auf der rechten Seite dreht ein Diener den Brat-
[Spaltenumbruch] spieß, ein anderer schlachtet ein Lamm; anmuthige Jungfrauen bringen
Speisen zur Tafel heran. Auf der linken füllt ein dritter Diener aus
ansehnlichem Fasse, das im Baumesschatten daliegt, den Henkelkrug für
eine harrende Jungfrau. An der Tafel steht ein kernhafter älterer Mann,
der mit wackerem Behagen aus vollem Schlauche Wein in die Schale
gießt, die ein Gast ihm vorhält. Das alles macht in der zugleich edeln
und lebendigen Darstellung einen überaus erquickenden Eindruck. Mit
einfachen Mitteln hat der Künstler eine anmuthige heimliche Landschaft
und in ihr die schönste Freude des Gebens und Empfangens dargestellt.
Die Oekonomie in der alles gedacht, der Lebensreichthum in dem es aus-
geführt erscheint, ist ein Geheimniß und ächtes Merkmal genialer Be-
fähigung.

Die Lunette zeigt rechts den Apostel Johannes, der, in sitzender
Stellung und den linken Arm auf das "Buch" gelegt, herniedersteht,
während ein Engel neben ihm mit beiden Armen auf die neue Jerusa-
lem hinweist. Links liegt der Drache mit menschlichem Oberleib, aue-
gespreiteten Flügeln, Schweif und Klauen. Ein Engel schwebt über ihm,
den Schlüffel in der Rechten, und stößt ihn gewaltig in den Abgrund.
Johannes und der Engel neben ihm sind vielleicht das Höchste in edler
Schönheit was Cornelius jemals geschaffen hat. In ihnen vorzugsweise
erkennen wir das Studium und den begeisternden Einfluß antiker Kunst,
von welcher er in den letzten Jahren das meiste in sich aufgenommen und
zu eigen gemacht hat. Der Kopf des Engels ist mehr rund als oval,
umkränzt von prächtigen, strahlenförmigen Haaren. In hoher Ruhe und
Genüge, wie sie dem Eingeweihten geziemt, sieht er auf Johannes, dessen
ovales Antlitz die schöne Freude des Belehrten, Erstaunenden ausdrückt.
Wir bemerken bei dieser Gelegenheit daß Cornelius seine Meisterschaft
besonders auch in der Behandlung von Nebendingen verräth. Er ver-
steht auch hier in künstlerischem Geiste die Wahrheit der Natur darzu-
stellen und in einfachen Linien den vollen Eindruck des Lebens zu |geben.
Kenner wissen daß diese Eigenschaft sehr selten ist, und von jeher nur
den größten Künstlern eigen war.

Das Hauptbild: die vier Reiter der Apokalypse, ist in der Erklä-
rung genauer geschildert und dem Publicum durch einen bei dem Ver-
leger der Entwürfe erschienenen Stich zugänglich gemacht; wir enthalten
uns daher einer näheren Beschreibung. Es ist eine der gewaltigsten Com-
positionen des Campo Santo und eine besonders bedeutende Leistung im
Charakteristischen, in welchem Cornelius als streitender Held seiner Zeit
hervorragt.

Die zu ihm gehörige Predelle ist in drei Abtheilungen getheilt.
Die erste, auf der rechten Seite, zeigt uns ein Gefängniß. Ein älterer
Mann mit ergebener Miene, und ein jüngerer dessen Gesicht edlen Un-
willen ausdrückt, sitzen gefesselt am Boden. Von der entgegengesetzten
Seite sind ein Jüngling und sein Lehrer hereingetreten; der letztere sieht
bedauernd auf die zwei Gefangenen, der Jüngling spricht mit einem Ehe-
paar, das durch ein Eisengitter von ihm getrennt ist. In der zweiten
sehen wir in die Wohnung einer Familie. Ein liebliches Kind liegt todt
auf einem von brennenden Kerzen umgebenen Gestell; vor ihm ist in
tiefem Schmerz die Mutter hingesunken, eine jugendliche und eine ältere
Frau suchen sie zu trösten. Hinter der Mutter steht der Vater und blickt
trauernd vor sich hin; ein Freund faßt ihn an, ihm Beileid und Trost
zu sagen. Die dritte Abtheilung zeigt uns eine wandernde Familie. Auf
einem Maulthier in der Mitte, dem ein munter sich umsehendes Hünd-
chen vorausläuft, sitzt die Mutter. Sie hat einen Säugling im Arm,
ein Söhnchen reitet hinter ihr und hält sich an ihr. Der Gatte, mit ge-
fülltem Wandersack beschwert, folgt ihr zu Fuße. Der Zug geht durch
einen Wald; er wird sich aber nicht verirren; dem Alten, der ihn an-
führt, wird so eben von einem Jüngling mit liebenswürdigem Eifer der
rechte Weg gezeigt. Ernste Anmuth und classische Einfachheit ist der
Charakter dieser drei Stücke. Die Situationen sind herzlich und männ-
lich empfunden. In dem Wanderbild sind außer den Menschen auch die
Thiere und die Landschaft sehr geistreich und lebendig gezeichnet.

Auf der Lunette erblicken wir Engel, die, schwebend auf die Erde,
in die Sonne und in die Luft die Schalen des Zorns ausgießen. Die
Composition -- die Verbindung herrlicher Engelgestalten in dem gege-
benen Raume -- ist hier so schwungvoll gedacht und ausgeführt daß wir
den Eindruck den das Bild hervorbringt, nur mit dem eines Psalms
vergleichen können, der die Seele nach oben trägt. Das sind nicht Men-
schenkinder mit Flügeln die wir hier vor uns sehen -- es sind die un-
mittelbaren Organe göttlicher Macht. Eine höhere Region ist uns ge-
öffnet, und der Hauch der göttlichen Kraft, die in ihr wirkt, dringt uns
entgegen!

Beilage zu Nr. 32 der Allg. Zeitung.
Freitag. 1 Februar 1850.


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Ueberſicht.

Peter v. Cornelius’ Compoſitionen für die Friedhofhalle in Berlin.
(II.) — Hannover. — Lübeck. — Aus Oberöſterreich. (Dr. A. Fiſcher.)
— Das neue öſterreichiſche Berggeſetz. — Die öſterreichiſchen Fabricanten
und die Londoner Induſtrie-Ausſtellung. — Tirol. — Paris. (Guizot
über die engliſche Revolution.)


Peter v. Cornelius’ Compoſitionen für die Friedhof-
halle in Berlin.
II.

# Um den Freunden der Kunſt beſtimmtere Einſicht in das Geleiſtete
zu geben, müſſen wir einzelne Bilder näher betrachten; und dazu bieten
ſich uns vor allem die bereits im Carton ausgeführten dar. Unſere Ab-
ſicht kann indeß hier nicht ſeyn ins kleine Detail zu gehen. Wir haben
anſchaulich und verſtändlich zu machen was dem Meiſter in dieſen Com-
poſitionen gelungen iſt, und dazu reicht die Vergegenwärtigung der we-
ſentlichſten Elemente und Züge hin.

Ein außerordentlich ſchönes und reiches Bild iſt die Herabkunft der
himmliſchen Jeruſalem. Am Geſtade des Meeree erblicken wir eine
Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, ſitzend und ſtehend. Die
Einen in ernſte Gedanken verſenkt, die Andern erfüllt und gehoben von
Ahnungen. Hinter einer Frau die den Arm um ihr jüngſtes Kind ge-
ſchlungen hat, ſitzt ein ſchöner Knabe, den Blick in lieblichem Staunen
nach links gewendet. Zwiſchen ihm und einem ältern Mann ſteht eine
Jungfrau, ins Meer hinausſehend. Was ihren Blick anzieht, ſind zwei
prächtige Schiffe die mit geblähten Segeln daherziehen. Auf dem näheren
ſteht ein König mit der Krone auf dem Haupt, die Arme ausgebreitet,
die Augen emporgerichtet. Neben ihm kniet in frommer Demuth die
Königin. Auf beiden Schiffen ſehen Männer und Frauen mit allen
Zeichen des Staunens und freudigen Schreckens nach der linken Seite
hin. Eine überſchwänglich wunderbare Erſcheinung bietet ſich ihnen dar!
In der Mitte von zwölf Engeln, die ſie in mannichfacher Haltung um-
geben, ſchwebt eine herrliche Geſtalt ſanft hernieder. Sie hält in der
rechten Hand einen ſchlanken Stab, der ein Kreuz andeutet; die linke iſt
auf die Schulter eines ihr ſich anſchmiegenden Engels gelegt. Das
Haupt iſt bedeckt mit einem Brautkranz in Kronenform; himmliſche Se-
ligkeit, Hoheit und Demuth ſprechen aus dem heilig ſchönen Antlitz.
Das iſt die neue Jeruſalem, welche die Herrlichkeit Gottes hat und Friede
bringt den Menſchen — wie der Palmzweig andeutet den ein vor ihr
herſchwebender Engel emporhält! Das iſt das Bild der Stadt Gottes,
zu welcher die Könige kommen mit ihrer Ehre und Macht, und in wel-
cher die Heiden wandeln die da ſelig werden!

Cornelius hat in dieſer Compoſition alle die Tugenden bewährt die
wir als ihm eigentbümlich bezeichnet haben. Wie reich das Bild iſt, ſo
erſcheint es doch als ein Ganzes, das Gefühl eines Moments in uns
erregend. Die Menſchengruppe, mit claſſiſcher Einfachheit ausgeführt,
iſt durch den Knaben und das Mädchen ſehr anmuthig abgeſchloſſen und
auf die andern Theile der Handlung bezogen. Die heranſegelnden Schiffe
und die Menſchen darauf ſind ächt poetiſch empfunden. Die Fahrt iſt
voller Wahrheit und Leben, und doch ſind es keine gewöhnlichen Schiffe,
ſondern idealiſch gedachte und ſtyliſtrte! Der Vorgang hat alle Energie
der Natur, und doch iſt es ein Vorgang auf höherem Gebiet! Die
Gruppe der neuen Jeruſalem und der ſie umgebenden Engel trägt den
Charakter der Sphäre aus der ſie kommen, und aus dem Antlitz der ge-
ſchmückten Braut ſpricht uns der ganze Himmel, die ganze Seligkeit des
Himmels an.

Die zu dieſem Bilde gehörige Lunette ſchildert den Sturz des Dra-
chen und die Predelle von den Werken der Liebe die Speiſung und Trän-
kung der Armen. Beide ſtellen ſich dem Hauptbilde in gleicher Schönheit
zur Seite.

Die Predelle erfreut uns durch die Naturfriſche der Erfindung und
Behandlung. In der Mitte des Bildes, unter Bäumen, ſteht die Tafel,
um welche die Hungrigen und Durſtigen ſitzen und ſich erquicken: Män-
ner, Frauen, Alte und Kinder. Ihre Geſellſchaft ſoll vermehrt werden:
vom Herrn des Hauſes willkommen geheißen und zur Tafel gewieſen,
wankt ein blinder Greis, von einem Knaben geleitet, am Stabe herein,
eine junge Frau mit zwei Kindern folgt ihm. Für alle iſt Fülle der
Gaben vorhanden. Auf der rechten Seite dreht ein Diener den Brat-
[Spaltenumbruch] ſpieß, ein anderer ſchlachtet ein Lamm; anmuthige Jungfrauen bringen
Speiſen zur Tafel heran. Auf der linken füllt ein dritter Diener aus
anſehnlichem Faſſe, das im Baumesſchatten daliegt, den Henkelkrug für
eine harrende Jungfrau. An der Tafel ſteht ein kernhafter älterer Mann,
der mit wackerem Behagen aus vollem Schlauche Wein in die Schale
gießt, die ein Gaſt ihm vorhält. Das alles macht in der zugleich edeln
und lebendigen Darſtellung einen überaus erquickenden Eindruck. Mit
einfachen Mitteln hat der Künſtler eine anmuthige heimliche Landſchaft
und in ihr die ſchönſte Freude des Gebens und Empfangens dargeſtellt.
Die Oekonomie in der alles gedacht, der Lebensreichthum in dem es aus-
geführt erſcheint, iſt ein Geheimniß und ächtes Merkmal genialer Be-
fähigung.

Die Lunette zeigt rechts den Apoſtel Johannes, der, in ſitzender
Stellung und den linken Arm auf das „Buch“ gelegt, herniederſteht,
während ein Engel neben ihm mit beiden Armen auf die neue Jeruſa-
lem hinweist. Links liegt der Drache mit menſchlichem Oberleib, aue-
geſpreiteten Flügeln, Schweif und Klauen. Ein Engel ſchwebt über ihm,
den Schlüffel in der Rechten, und ſtößt ihn gewaltig in den Abgrund.
Johannes und der Engel neben ihm ſind vielleicht das Höchſte in edler
Schönheit was Cornelius jemals geſchaffen hat. In ihnen vorzugsweiſe
erkennen wir das Studium und den begeiſternden Einfluß antiker Kunſt,
von welcher er in den letzten Jahren das meiſte in ſich aufgenommen und
zu eigen gemacht hat. Der Kopf des Engels iſt mehr rund als oval,
umkränzt von prächtigen, ſtrahlenförmigen Haaren. In hoher Ruhe und
Genüge, wie ſie dem Eingeweihten geziemt, ſieht er auf Johannes, deſſen
ovales Antlitz die ſchöne Freude des Belehrten, Erſtaunenden ausdrückt.
Wir bemerken bei dieſer Gelegenheit daß Cornelius ſeine Meiſterſchaft
beſonders auch in der Behandlung von Nebendingen verräth. Er ver-
ſteht auch hier in künſtleriſchem Geiſte die Wahrheit der Natur darzu-
ſtellen und in einfachen Linien den vollen Eindruck des Lebens zu |geben.
Kenner wiſſen daß dieſe Eigenſchaft ſehr ſelten iſt, und von jeher nur
den größten Künſtlern eigen war.

Das Hauptbild: die vier Reiter der Apokalypſe, iſt in der Erklä-
rung genauer geſchildert und dem Publicum durch einen bei dem Ver-
leger der Entwürfe erſchienenen Stich zugänglich gemacht; wir enthalten
uns daher einer näheren Beſchreibung. Es iſt eine der gewaltigſten Com-
poſitionen des Campo Santo und eine beſonders bedeutende Leiſtung im
Charakteriſtiſchen, in welchem Cornelius als ſtreitender Held ſeiner Zeit
hervorragt.

Die zu ihm gehörige Predelle iſt in drei Abtheilungen getheilt.
Die erſte, auf der rechten Seite, zeigt uns ein Gefängniß. Ein älterer
Mann mit ergebener Miene, und ein jüngerer deſſen Geſicht edlen Un-
willen ausdrückt, ſitzen gefeſſelt am Boden. Von der entgegengeſetzten
Seite ſind ein Jüngling und ſein Lehrer hereingetreten; der letztere ſieht
bedauernd auf die zwei Gefangenen, der Jüngling ſpricht mit einem Ehe-
paar, das durch ein Eiſengitter von ihm getrennt iſt. In der zweiten
ſehen wir in die Wohnung einer Familie. Ein liebliches Kind liegt todt
auf einem von brennenden Kerzen umgebenen Geſtell; vor ihm iſt in
tiefem Schmerz die Mutter hingeſunken, eine jugendliche und eine ältere
Frau ſuchen ſie zu tröſten. Hinter der Mutter ſteht der Vater und blickt
trauernd vor ſich hin; ein Freund faßt ihn an, ihm Beileid und Troſt
zu ſagen. Die dritte Abtheilung zeigt uns eine wandernde Familie. Auf
einem Maulthier in der Mitte, dem ein munter ſich umſehendes Hünd-
chen vorausläuft, ſitzt die Mutter. Sie hat einen Säugling im Arm,
ein Söhnchen reitet hinter ihr und hält ſich an ihr. Der Gatte, mit ge-
fülltem Wanderſack beſchwert, folgt ihr zu Fuße. Der Zug geht durch
einen Wald; er wird ſich aber nicht verirren; dem Alten, der ihn an-
führt, wird ſo eben von einem Jüngling mit liebenswürdigem Eifer der
rechte Weg gezeigt. Ernſte Anmuth und claſſiſche Einfachheit iſt der
Charakter dieſer drei Stücke. Die Situationen ſind herzlich und männ-
lich empfunden. In dem Wanderbild ſind außer den Menſchen auch die
Thiere und die Landſchaft ſehr geiſtreich und lebendig gezeichnet.

Auf der Lunette erblicken wir Engel, die, ſchwebend auf die Erde,
in die Sonne und in die Luft die Schalen des Zorns ausgießen. Die
Compoſition — die Verbindung herrlicher Engelgeſtalten in dem gege-
benen Raume — iſt hier ſo ſchwungvoll gedacht und ausgeführt daß wir
den Eindruck den das Bild hervorbringt, nur mit dem eines Pſalms
vergleichen können, der die Seele nach oben trägt. Das ſind nicht Men-
ſchenkinder mit Flügeln die wir hier vor uns ſehen — es ſind die un-
mittelbaren Organe göttlicher Macht. Eine höhere Region iſt uns ge-
öffnet, und der Hauch der göttlichen Kraft, die in ihr wirkt, dringt uns
entgegen!

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[0009] Beilage zu Nr. 32 der Allg. Zeitung.Freitag. 1 Februar 1850. Ueberſicht. Peter v. Cornelius’ Compoſitionen für die Friedhofhalle in Berlin. (II.) — Hannover. — Lübeck. — Aus Oberöſterreich. (Dr. A. Fiſcher.) — Das neue öſterreichiſche Berggeſetz. — Die öſterreichiſchen Fabricanten und die Londoner Induſtrie-Ausſtellung. — Tirol. — Paris. (Guizot über die engliſche Revolution.) Peter v. Cornelius’ Compoſitionen für die Friedhof- halle in Berlin. II. # Um den Freunden der Kunſt beſtimmtere Einſicht in das Geleiſtete zu geben, müſſen wir einzelne Bilder näher betrachten; und dazu bieten ſich uns vor allem die bereits im Carton ausgeführten dar. Unſere Ab- ſicht kann indeß hier nicht ſeyn ins kleine Detail zu gehen. Wir haben anſchaulich und verſtändlich zu machen was dem Meiſter in dieſen Com- poſitionen gelungen iſt, und dazu reicht die Vergegenwärtigung der we- ſentlichſten Elemente und Züge hin. Ein außerordentlich ſchönes und reiches Bild iſt die Herabkunft der himmliſchen Jeruſalem. Am Geſtade des Meeree erblicken wir eine Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, ſitzend und ſtehend. Die Einen in ernſte Gedanken verſenkt, die Andern erfüllt und gehoben von Ahnungen. Hinter einer Frau die den Arm um ihr jüngſtes Kind ge- ſchlungen hat, ſitzt ein ſchöner Knabe, den Blick in lieblichem Staunen nach links gewendet. Zwiſchen ihm und einem ältern Mann ſteht eine Jungfrau, ins Meer hinausſehend. Was ihren Blick anzieht, ſind zwei prächtige Schiffe die mit geblähten Segeln daherziehen. Auf dem näheren ſteht ein König mit der Krone auf dem Haupt, die Arme ausgebreitet, die Augen emporgerichtet. Neben ihm kniet in frommer Demuth die Königin. Auf beiden Schiffen ſehen Männer und Frauen mit allen Zeichen des Staunens und freudigen Schreckens nach der linken Seite hin. Eine überſchwänglich wunderbare Erſcheinung bietet ſich ihnen dar! In der Mitte von zwölf Engeln, die ſie in mannichfacher Haltung um- geben, ſchwebt eine herrliche Geſtalt ſanft hernieder. Sie hält in der rechten Hand einen ſchlanken Stab, der ein Kreuz andeutet; die linke iſt auf die Schulter eines ihr ſich anſchmiegenden Engels gelegt. Das Haupt iſt bedeckt mit einem Brautkranz in Kronenform; himmliſche Se- ligkeit, Hoheit und Demuth ſprechen aus dem heilig ſchönen Antlitz. Das iſt die neue Jeruſalem, welche die Herrlichkeit Gottes hat und Friede bringt den Menſchen — wie der Palmzweig andeutet den ein vor ihr herſchwebender Engel emporhält! Das iſt das Bild der Stadt Gottes, zu welcher die Könige kommen mit ihrer Ehre und Macht, und in wel- cher die Heiden wandeln die da ſelig werden! Cornelius hat in dieſer Compoſition alle die Tugenden bewährt die wir als ihm eigentbümlich bezeichnet haben. Wie reich das Bild iſt, ſo erſcheint es doch als ein Ganzes, das Gefühl eines Moments in uns erregend. Die Menſchengruppe, mit claſſiſcher Einfachheit ausgeführt, iſt durch den Knaben und das Mädchen ſehr anmuthig abgeſchloſſen und auf die andern Theile der Handlung bezogen. Die heranſegelnden Schiffe und die Menſchen darauf ſind ächt poetiſch empfunden. Die Fahrt iſt voller Wahrheit und Leben, und doch ſind es keine gewöhnlichen Schiffe, ſondern idealiſch gedachte und ſtyliſtrte! Der Vorgang hat alle Energie der Natur, und doch iſt es ein Vorgang auf höherem Gebiet! Die Gruppe der neuen Jeruſalem und der ſie umgebenden Engel trägt den Charakter der Sphäre aus der ſie kommen, und aus dem Antlitz der ge- ſchmückten Braut ſpricht uns der ganze Himmel, die ganze Seligkeit des Himmels an. Die zu dieſem Bilde gehörige Lunette ſchildert den Sturz des Dra- chen und die Predelle von den Werken der Liebe die Speiſung und Trän- kung der Armen. Beide ſtellen ſich dem Hauptbilde in gleicher Schönheit zur Seite. Die Predelle erfreut uns durch die Naturfriſche der Erfindung und Behandlung. In der Mitte des Bildes, unter Bäumen, ſteht die Tafel, um welche die Hungrigen und Durſtigen ſitzen und ſich erquicken: Män- ner, Frauen, Alte und Kinder. Ihre Geſellſchaft ſoll vermehrt werden: vom Herrn des Hauſes willkommen geheißen und zur Tafel gewieſen, wankt ein blinder Greis, von einem Knaben geleitet, am Stabe herein, eine junge Frau mit zwei Kindern folgt ihm. Für alle iſt Fülle der Gaben vorhanden. Auf der rechten Seite dreht ein Diener den Brat- ſpieß, ein anderer ſchlachtet ein Lamm; anmuthige Jungfrauen bringen Speiſen zur Tafel heran. Auf der linken füllt ein dritter Diener aus anſehnlichem Faſſe, das im Baumesſchatten daliegt, den Henkelkrug für eine harrende Jungfrau. An der Tafel ſteht ein kernhafter älterer Mann, der mit wackerem Behagen aus vollem Schlauche Wein in die Schale gießt, die ein Gaſt ihm vorhält. Das alles macht in der zugleich edeln und lebendigen Darſtellung einen überaus erquickenden Eindruck. Mit einfachen Mitteln hat der Künſtler eine anmuthige heimliche Landſchaft und in ihr die ſchönſte Freude des Gebens und Empfangens dargeſtellt. Die Oekonomie in der alles gedacht, der Lebensreichthum in dem es aus- geführt erſcheint, iſt ein Geheimniß und ächtes Merkmal genialer Be- fähigung. Die Lunette zeigt rechts den Apoſtel Johannes, der, in ſitzender Stellung und den linken Arm auf das „Buch“ gelegt, herniederſteht, während ein Engel neben ihm mit beiden Armen auf die neue Jeruſa- lem hinweist. Links liegt der Drache mit menſchlichem Oberleib, aue- geſpreiteten Flügeln, Schweif und Klauen. Ein Engel ſchwebt über ihm, den Schlüffel in der Rechten, und ſtößt ihn gewaltig in den Abgrund. Johannes und der Engel neben ihm ſind vielleicht das Höchſte in edler Schönheit was Cornelius jemals geſchaffen hat. In ihnen vorzugsweiſe erkennen wir das Studium und den begeiſternden Einfluß antiker Kunſt, von welcher er in den letzten Jahren das meiſte in ſich aufgenommen und zu eigen gemacht hat. Der Kopf des Engels iſt mehr rund als oval, umkränzt von prächtigen, ſtrahlenförmigen Haaren. In hoher Ruhe und Genüge, wie ſie dem Eingeweihten geziemt, ſieht er auf Johannes, deſſen ovales Antlitz die ſchöne Freude des Belehrten, Erſtaunenden ausdrückt. Wir bemerken bei dieſer Gelegenheit daß Cornelius ſeine Meiſterſchaft beſonders auch in der Behandlung von Nebendingen verräth. Er ver- ſteht auch hier in künſtleriſchem Geiſte die Wahrheit der Natur darzu- ſtellen und in einfachen Linien den vollen Eindruck des Lebens zu |geben. Kenner wiſſen daß dieſe Eigenſchaft ſehr ſelten iſt, und von jeher nur den größten Künſtlern eigen war. Das Hauptbild: die vier Reiter der Apokalypſe, iſt in der Erklä- rung genauer geſchildert und dem Publicum durch einen bei dem Ver- leger der Entwürfe erſchienenen Stich zugänglich gemacht; wir enthalten uns daher einer näheren Beſchreibung. Es iſt eine der gewaltigſten Com- poſitionen des Campo Santo und eine beſonders bedeutende Leiſtung im Charakteriſtiſchen, in welchem Cornelius als ſtreitender Held ſeiner Zeit hervorragt. Die zu ihm gehörige Predelle iſt in drei Abtheilungen getheilt. Die erſte, auf der rechten Seite, zeigt uns ein Gefängniß. Ein älterer Mann mit ergebener Miene, und ein jüngerer deſſen Geſicht edlen Un- willen ausdrückt, ſitzen gefeſſelt am Boden. Von der entgegengeſetzten Seite ſind ein Jüngling und ſein Lehrer hereingetreten; der letztere ſieht bedauernd auf die zwei Gefangenen, der Jüngling ſpricht mit einem Ehe- paar, das durch ein Eiſengitter von ihm getrennt iſt. In der zweiten ſehen wir in die Wohnung einer Familie. Ein liebliches Kind liegt todt auf einem von brennenden Kerzen umgebenen Geſtell; vor ihm iſt in tiefem Schmerz die Mutter hingeſunken, eine jugendliche und eine ältere Frau ſuchen ſie zu tröſten. Hinter der Mutter ſteht der Vater und blickt trauernd vor ſich hin; ein Freund faßt ihn an, ihm Beileid und Troſt zu ſagen. Die dritte Abtheilung zeigt uns eine wandernde Familie. Auf einem Maulthier in der Mitte, dem ein munter ſich umſehendes Hünd- chen vorausläuft, ſitzt die Mutter. Sie hat einen Säugling im Arm, ein Söhnchen reitet hinter ihr und hält ſich an ihr. Der Gatte, mit ge- fülltem Wanderſack beſchwert, folgt ihr zu Fuße. Der Zug geht durch einen Wald; er wird ſich aber nicht verirren; dem Alten, der ihn an- führt, wird ſo eben von einem Jüngling mit liebenswürdigem Eifer der rechte Weg gezeigt. Ernſte Anmuth und claſſiſche Einfachheit iſt der Charakter dieſer drei Stücke. Die Situationen ſind herzlich und männ- lich empfunden. In dem Wanderbild ſind außer den Menſchen auch die Thiere und die Landſchaft ſehr geiſtreich und lebendig gezeichnet. Auf der Lunette erblicken wir Engel, die, ſchwebend auf die Erde, in die Sonne und in die Luft die Schalen des Zorns ausgießen. Die Compoſition — die Verbindung herrlicher Engelgeſtalten in dem gege- benen Raume — iſt hier ſo ſchwungvoll gedacht und ausgeführt daß wir den Eindruck den das Bild hervorbringt, nur mit dem eines Pſalms vergleichen können, der die Seele nach oben trägt. Das ſind nicht Men- ſchenkinder mit Flügeln die wir hier vor uns ſehen — es ſind die un- mittelbaren Organe göttlicher Macht. Eine höhere Region iſt uns ge- öffnet, und der Hauch der göttlichen Kraft, die in ihr wirkt, dringt uns entgegen!

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 1. Februar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine32_1850/9>, abgerufen am 21.11.2024.