Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 1. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
industrielle Zukunft Süddeutschlands so unberechenbar wichtigen Unter- Leutkirch. Gegen die Bewegung für den preußischen Son- Gr. Baden. # Karlsruhe, 27 Jan. Das Tagsgespräch bildet Heidelberg, 24 Jan. In den letzten Tagen find mehreren hiefi- Gr. Hessen. * Darmstadt, 28 Jan. Acht Tage nach Auflösung [Spaltenumbruch]
induſtrielle Zukunft Süddeutſchlands ſo unberechenbar wichtigen Unter- Leutkirch. Gegen die Bewegung für den preußiſchen Son- Gr. Baden. # Karlsruhe, 27 Jan. Das Tagsgeſpräch bildet Heidelberg, 24 Jan. In den letzten Tagen find mehreren hiefi- Gr. Heſſen. ◦ Darmſtadt, 28 Jan. Acht Tage nach Auflöſung <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="499"/><cb/> induſtrielle Zukunft Süddeutſchlands ſo unberechenbar wichtigen Unter-<lb/> nehmen vorzugsweiſe ihre Theilnahme zuwenden, und zugleich in ihren<lb/> Perſönlichkeiten die wünſchenswerthen Garantien bieten. Das Reſultat<lb/> dieſer Beſprechungen war der Beſchluß auf den 10 Febr. eine größere Ver-<lb/> ſammlung von Württembergern und Badenern an einen geeigneten Ort<lb/> zuſammen zu berufen, ſich mit denſelben über die weiter zu unternehmen-<lb/> den Schritte zu berathen, und ein Comité zu bilden deſſen Aufgabe es<lb/> wäre die Conceſſionen beider Regierungen zu erwirken, zu ermitteln<lb/> welche materielle Unterſtützung letztere dem Unternehmen zuzuwenden<lb/> geneigt wären, ſich mit der Art der Beſchaffung der nöthigen Geldmit-<lb/> tel zu befaſſen, mit denjenigen benachbarten Regierungen und Bahn-<lb/> directionen welche bei dem Unternehmen mittelbar betheiligt ſind, die<lb/> geeigneten Verbindungen anzuknüpfen und überhaupt diejenigen Schritte<lb/> zu thun welche irgend förderlich auf das Unternehmen einwirken<lb/> können. Möchten die Beſtrehungen welche ſich in dieſem Augenblick<lb/> auf der ganzen Linie der Oſtweſtbahn von Wien bis an den Rhein zeigen,<lb/> durch ihr gleichzeitiges Auftreten und durch die wechſelſeitigen Garantien<lb/> welche ſie ſich hierdurch bieten, zu einem Erfolg führen welcher ihnen, ein-<lb/> zeln, bisher nicht zu Theil ward!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">Leutkirch.</hi> </dateline><lb/> <p>Gegen die Bewegung für den preußiſchen Son-<lb/> derbund erheben ſich, wie in ganz Oberſchwaben, ſo auch im hiefi-<lb/> gen Oberamtsbezirk laut die Stimmen, auf dem Lande ohne alle und<lb/> jede Ausnahme. Auch in der Stadt ſind Katholiken und Proteſtanten<lb/> hierin einig, und nur wenige wollen es anders, einige von ihnen wohl<lb/> aus Vorliebe zu dem alten Lande dem ſie entſtammen. Es circuliren<lb/> daher in Stadt und Land Adreſſen an das königl. Miniſterium, worin nur<lb/> ein Deutſchland mit Oeſterreich und Bayern gewünſcht und gegen den<lb/> Anſchluß an das preußiſche Bündniß feierliche Verwahrung eingelegt<lb/> wird. (<hi rendition="#g">Schw.</hi> M.)</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. Baden.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Karlsruhe,</hi> 27 Jan.</dateline><lb/> <p>Das Tagsgeſpräch bildet<lb/> hier der bevorſtehende Abmarſch der badiſchen Truppen nach Preußen,<lb/> welcher zuverläſſigen Nachrichten zufolge ſchon im nächſten Monat begin-<lb/> nen ſoll, und zwar würden zwei Regimenter Dragoner und eine reitende<lb/> Batterie zuerſt nach dem Norden abgehen. Das dritte Cavallerieregiment<lb/> ſoll nur in der Stärke von zwei Schwadronen organiſirt und zur Hälfte<lb/> hier, zur andern in Raſtadt garniſonirt werden. Ebenſo wird, wie<lb/> wir hören, das treugebliebene Bataillon vom ehemaligen vierten Infan-<lb/> terieregiment als Gardebataillon hierher verlegt werden. Ob gerade<lb/> in dieſem Bataillon wirklich treuer geſinnte Leute ſich befinden, oder ob es<lb/> dieſen ehrenden Beinamen nur dem Umſtande verdankt daß es zur Zeit<lb/> der badiſchen Revolution in Schleßwig-Holſtein ſich befand, wollen wir<lb/> nicht entſcheiden. Jedenfalls macht es einen guten Eindruck wenn dieſe<lb/> Leute beſonders geehrt werden, und es gewährt einige Beruhigung noch<lb/> badiſches Militär zu ſehen welchem die preußiſchen Pikelhauben die<lb/> ſchuldige Achtung nicht verſagen dürfen. Mit der Organiſation der In-<lb/> fanterie wird wohl noch einiger Verzug eintreten, da hierin größere Per-<lb/> ſonalveränderungen bevorſtehen und noch weniger Vorbereitungen getrof-<lb/> fen ſind als in den andern Waffengattungen, deren Wiederaufſtellung<lb/> zuerſt berathen wurde. Die Stärke der Artillerie wird vier Batterien<lb/> betragen, die der Infanterie zehn Bataillone; der Mangel an brauchba-<lb/> rem Material dürfte wohl mit einen Grund abgeben zu dieſer unvollſtän-<lb/> digen Einberufung. Noch immer fehlt es nicht, ſelbſt unter dem Militär,<lb/> an ſolchen welche an einer Verlegung der badiſchen Truppen nach Preu-<lb/> ßen zweifeln; ſie glauben Oeſterreich und die Königreiche würden nicht<lb/> gleichgültig zuſehen wie das achte deutſche Armeecorps von Baden eigen-<lb/> mächtig zerriſſen werde. Auch ſoll Württemberg und Darmſtadt, welche<lb/> mit Baden das achte Armeecorps bilden, bereits einen Proteſt eingelegt<lb/> haben, weil Baden durch Annahme der preußiſchen Uniform und des<lb/> preußiſchen Reglements für das badiſche Militär die mit vieler Mühe und<lb/> in unzähligen Commiſſionsſitzungen angeſtrebte Einheit im Armeecorps<lb/> wieder verletzt habe. Man hatte ſich nämlich über gleiches Commando,<lb/> gleiche Signale und gleiche Auszeichnungen für Officiere und Unterofficiere<lb/> vereinigt gehabt; dieſe Errungenſchaften eines mehr als 30jährigen Frie-<lb/> dens ſind nun dahin! In Folge der Urtheile der Kriegs- und Ehrengerichte<lb/> find ſchon über 30 Officiere entlaſſen worden; manche freilich die neben<lb/> dem Strafbaren auch Verdienſte nachweiſen konnten, mit dem das Urtheil<lb/> ſehr mildernden Beiſatz „auf unterthänigſtes Anſuchen“ oder „mit Erlaub-<lb/> niß in andere Dienſte zu treten;“ andere wurden auch nur in den Ruhe-<lb/> ſtand verſetzt. Eine officielle Bekanntmachung der Urtheile iſt noch nicht<lb/> erſchienen. Die verleumderiſchen Correſpondenzen der Deutſchen Zeitung<lb/> über die badiſchen Ehrengerichte erregen hier viel Judignation, ſie fanden<lb/> eine treffende Erwiederung durch Veröffentlichung der befolgten Grund-<lb/> ſätze in einem ohne Zweifel officiellen Artikel der heutigen Karlsruher<lb/> Zeitung. Das Endergebniß wird zeigen daß Officiere die allzu früh ihre<lb/> Regimenter verließen und überhaupt es an der nöthigen Energie beim Aus-<lb/><cb/> bruch der Revolution fehlen ließen|, ebenſo zur Verantwortung und zur<lb/> Strafe gezogen wurden wie ſolche welche ihren Fahneneid und die geſchworne<lb/> Treue gebrochen haben. Auf der amdern Seite wurde auch nicht ein<lb/> Officier bloß deßhalb beſtraft weil er bei den Truppen ausgeharrt hat;<lb/> übernommene Verbindlichkeiten gegen die proviſoriſche Regierung oder<lb/> gar die Theilnahme an Gefechten führten dieſe allerdings ſtrengen Urtheile<lb/> herbei. Vor wenigen Tagen verließ uns ein aus den Zeiten des Sonder-<lb/> bundes bekannte Perſönlichkeit, nämlich der damalige Chef des General-<lb/> ſtabs Oberſt v. Elgger. Derſelbe hat als badiſcher Officier die Feld-<lb/> züge von 1814 und 1815 mitgemacht, und war nun hieher gekommen<lb/> ſeine alten Kriegsgefähr’en im gemeinſamen Unglück wieder aufzuſuchen.<lb/> Mit vielem Intereſſe laſen wir die kürzlich erſchienen erſten Lieferungen<lb/> ſeiner Erlebniſſe vom Jahr 1845 und 1847; ſein Beſtreben mit der<lb/> größten Gewiſſenhaftigkeit eine wahrheitsgetreue Schilderung der Ereig-<lb/> niſſe zu geben durch deren unglücklichen Ausgang die radicale Partei in<lb/> der Schweiz zur Herrſchaft kam, und die vielen neuen Aufſchlüſſe die uns<lb/> darin gegeben werden, verſchaffen dem Werke eine große Beachtung.<lb/> Heute früh wurden von der Großherzogin 16 Damen, aus allen Ständen,<lb/> empfangen und denſelben im Namen der Königin von Preußen werthvolle<lb/> goldene Medaillen mit dem Bildniß der Geberin überreicht. Hingebende<lb/> Aufopferung in der Pflege verwundeter Preußen hat die Veranlaſſung zu<lb/> dieſer Auszeichnung gegeben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Heidelberg,</hi> 24 Jan.</dateline><lb/> <p>In den letzten Tagen find mehreren hiefi-<lb/> gen Beamten Briefe in eleganteſter Form, von einer Damenhand über-<lb/> ſchrieben und mit einem adeligen Siegel geſchloſſen, theils von Lörrach,<lb/> theils von Baſel zugekommen, welche eine Flugſchrift „über die Zuſtände<lb/> Badens“ enthielten. Namentlich wird den Unterſuchungsrichtern darin<lb/> der Text geleſen, mit der Verſicherung <cit><quote>„daß eine blutige Vergeltung über<lb/> alle diejenigen kommen werde die ihr Amt und ihre Stellung mißbrau-<lb/> chen, die in gewiſſenloſer Verblendung ganze Familien ins Unglück ſtür-<lb/> zen ꝛc.“ „Wehe! dreimal Wehe euch, ihr Frevler, die ihr eure Macht<lb/> mißbraucht, und euch zu Henkersknechten erniedrigt habt ꝛc.“</quote></cit></p> <byline>(K. Z.)</byline> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. Heſſen.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"><lb/> <dateline>◦ <hi rendition="#b">Darmſtadt,</hi> 28 Jan.</dateline><lb/> <p>Acht Tage nach Auflöſung<lb/> der Kammern ſind vorüber. Noch iſt nichts weiteres erfolgt; keine Ent-<lb/> hüllung über die deutſche Frage und was die Regierung in derſelben zu<lb/> thun gedenkt, keines der vermutheten Manifeſte, weder von Seite dee Re-<lb/> gierung noch von der Linken. Ein ſolches Zögern liegt einigermaßen im<lb/> Syſtem unſrer Regierung; und in den Regionen der Linken, wo ein Ma-<lb/> nifeſt ſich vorbereitet, lauert man wohl ob nichts auf der Gegenſeite ſich<lb/> regt. Ein octroyirtes Reichswahlgeſetz müßte natürlich im Manifeſt kei-<lb/> nen ſchlechten Effect machen. Auch die Beendigung der Berliner Verwick-<lb/> lungen könnte möglicherweiſe von Wirkung ſeyn. Ob man wohl auch<lb/> in höheren Regionen noch zuwartet bis die preußiſchen „Differenzen“ wie-<lb/> der durch irgendein höfiſches Compromiß geſchlichtet ſind? Darauf wird<lb/> es doch wohl hinauslaufen, und ich müßte faſt zurücknehmen was ich Ihnen<lb/> neulich über die Stimmung unſrer Bundesſtaatsmänner ſchrieb: ſo viele<lb/> tapfere Gegner der Botſchaft ſtreichen jetzt wieder die Segel und gehen<lb/> zu irgend einer „Verſtändigung“ über, wenn ſie dieß auch weniger gerade<lb/> herausſagen als mit verblümten Winken zu verſtehen geben. Jedenfalls<lb/> muß ich Jhrem * Correſpondenten aus Baden vollkommen Recht geben<lb/> daß nur eine Schattirung der Bundesſtaatspartei das volle Gewicht der<lb/> Berliner Vorgänge empfindet; und ich darf wohl hinzuſetzen daß gerade<lb/> dieſer Schattirung mit einem Compromiß am wenigſten gedient wäre. Wie<lb/> ſich in unſerm Lande die Zuſtände zunächſt geſtalten werden, läßt ſich bis<lb/> jetzt nicht ſagen. Die bisherige Form der demokratiſchen oder demago-<lb/> giſchen Oppoſition hat ſich zu ſehr überlebt, als daß man ihr bei zuneh-<lb/> mender Beruhigung und ohne ganz beſondere Zwiſchenfälle eine Zukunft<lb/> verſprechen dürfte. Dagegen ſcheint uns unter den ſehr verſchiedenarti-<lb/> gen Elementen welche die Mehrheit der aufgelösten zweiten Kammer ge-<lb/> bildet haben, auch der Keim zur Erneuerung einer Oppoſition zu liegen,<lb/> wie ſie vor dem März und in den dreißiger Jahren war. Daß es einer ſolchen<lb/> Oppoſition nicht an Gegenſtand fehle, dafür ſorgt die Natur des Kleinſtaats.<lb/> Eine Maſſe von ehrenwerthen Männern du Lendemain, welche die Män-<lb/> ner de la Veille mehr in ſich aufnimmt als von ihnen beherrſcht wird,<lb/> umgibt die Regierung, und drängt ſie von allen Seiten mit dem Gewicht<lb/> ihrer Wohlmeinung, mit ihrer ganzen unvermeidlichen Schwerkraft ins<lb/> Alte zurück. In dem kleinen Lande hat die Regierung zu viel Fäden in<lb/> der Hand; ſie ſoll alles, thut alles, wird in alles verwickelt und die Op-<lb/> poſition wird abſtract aus Mangel an praktiſchen Fragen. So war es<lb/> ſchon ganz im Geiſte der vormärzlichen Oppoſition daß die leidige, völlig<lb/> unfruchtbare Verhaftungsfrage ganz in den Vordergrund des Landtags<lb/> trat, und endlich die Auflöſung herbeiführte, ehe die wichtigſte unmittelbar<lb/> praktiſche Staatsfrage auch nur zur Berathung gelangt war. Dieſe Ver-<lb/> haftungsfrage liegt nun keineswegs ſo völlig klar und unzweifel haft zu<lb/> Gunſten der Regierung, wie die kecke Stirn der Parteipolemik dieß viel-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [499/0003]
induſtrielle Zukunft Süddeutſchlands ſo unberechenbar wichtigen Unter-
nehmen vorzugsweiſe ihre Theilnahme zuwenden, und zugleich in ihren
Perſönlichkeiten die wünſchenswerthen Garantien bieten. Das Reſultat
dieſer Beſprechungen war der Beſchluß auf den 10 Febr. eine größere Ver-
ſammlung von Württembergern und Badenern an einen geeigneten Ort
zuſammen zu berufen, ſich mit denſelben über die weiter zu unternehmen-
den Schritte zu berathen, und ein Comité zu bilden deſſen Aufgabe es
wäre die Conceſſionen beider Regierungen zu erwirken, zu ermitteln
welche materielle Unterſtützung letztere dem Unternehmen zuzuwenden
geneigt wären, ſich mit der Art der Beſchaffung der nöthigen Geldmit-
tel zu befaſſen, mit denjenigen benachbarten Regierungen und Bahn-
directionen welche bei dem Unternehmen mittelbar betheiligt ſind, die
geeigneten Verbindungen anzuknüpfen und überhaupt diejenigen Schritte
zu thun welche irgend förderlich auf das Unternehmen einwirken
können. Möchten die Beſtrehungen welche ſich in dieſem Augenblick
auf der ganzen Linie der Oſtweſtbahn von Wien bis an den Rhein zeigen,
durch ihr gleichzeitiges Auftreten und durch die wechſelſeitigen Garantien
welche ſie ſich hierdurch bieten, zu einem Erfolg führen welcher ihnen, ein-
zeln, bisher nicht zu Theil ward!
Leutkirch.
Gegen die Bewegung für den preußiſchen Son-
derbund erheben ſich, wie in ganz Oberſchwaben, ſo auch im hiefi-
gen Oberamtsbezirk laut die Stimmen, auf dem Lande ohne alle und
jede Ausnahme. Auch in der Stadt ſind Katholiken und Proteſtanten
hierin einig, und nur wenige wollen es anders, einige von ihnen wohl
aus Vorliebe zu dem alten Lande dem ſie entſtammen. Es circuliren
daher in Stadt und Land Adreſſen an das königl. Miniſterium, worin nur
ein Deutſchland mit Oeſterreich und Bayern gewünſcht und gegen den
Anſchluß an das preußiſche Bündniß feierliche Verwahrung eingelegt
wird. (Schw. M.)
Gr. Baden.
# Karlsruhe, 27 Jan.
Das Tagsgeſpräch bildet
hier der bevorſtehende Abmarſch der badiſchen Truppen nach Preußen,
welcher zuverläſſigen Nachrichten zufolge ſchon im nächſten Monat begin-
nen ſoll, und zwar würden zwei Regimenter Dragoner und eine reitende
Batterie zuerſt nach dem Norden abgehen. Das dritte Cavallerieregiment
ſoll nur in der Stärke von zwei Schwadronen organiſirt und zur Hälfte
hier, zur andern in Raſtadt garniſonirt werden. Ebenſo wird, wie
wir hören, das treugebliebene Bataillon vom ehemaligen vierten Infan-
terieregiment als Gardebataillon hierher verlegt werden. Ob gerade
in dieſem Bataillon wirklich treuer geſinnte Leute ſich befinden, oder ob es
dieſen ehrenden Beinamen nur dem Umſtande verdankt daß es zur Zeit
der badiſchen Revolution in Schleßwig-Holſtein ſich befand, wollen wir
nicht entſcheiden. Jedenfalls macht es einen guten Eindruck wenn dieſe
Leute beſonders geehrt werden, und es gewährt einige Beruhigung noch
badiſches Militär zu ſehen welchem die preußiſchen Pikelhauben die
ſchuldige Achtung nicht verſagen dürfen. Mit der Organiſation der In-
fanterie wird wohl noch einiger Verzug eintreten, da hierin größere Per-
ſonalveränderungen bevorſtehen und noch weniger Vorbereitungen getrof-
fen ſind als in den andern Waffengattungen, deren Wiederaufſtellung
zuerſt berathen wurde. Die Stärke der Artillerie wird vier Batterien
betragen, die der Infanterie zehn Bataillone; der Mangel an brauchba-
rem Material dürfte wohl mit einen Grund abgeben zu dieſer unvollſtän-
digen Einberufung. Noch immer fehlt es nicht, ſelbſt unter dem Militär,
an ſolchen welche an einer Verlegung der badiſchen Truppen nach Preu-
ßen zweifeln; ſie glauben Oeſterreich und die Königreiche würden nicht
gleichgültig zuſehen wie das achte deutſche Armeecorps von Baden eigen-
mächtig zerriſſen werde. Auch ſoll Württemberg und Darmſtadt, welche
mit Baden das achte Armeecorps bilden, bereits einen Proteſt eingelegt
haben, weil Baden durch Annahme der preußiſchen Uniform und des
preußiſchen Reglements für das badiſche Militär die mit vieler Mühe und
in unzähligen Commiſſionsſitzungen angeſtrebte Einheit im Armeecorps
wieder verletzt habe. Man hatte ſich nämlich über gleiches Commando,
gleiche Signale und gleiche Auszeichnungen für Officiere und Unterofficiere
vereinigt gehabt; dieſe Errungenſchaften eines mehr als 30jährigen Frie-
dens ſind nun dahin! In Folge der Urtheile der Kriegs- und Ehrengerichte
find ſchon über 30 Officiere entlaſſen worden; manche freilich die neben
dem Strafbaren auch Verdienſte nachweiſen konnten, mit dem das Urtheil
ſehr mildernden Beiſatz „auf unterthänigſtes Anſuchen“ oder „mit Erlaub-
niß in andere Dienſte zu treten;“ andere wurden auch nur in den Ruhe-
ſtand verſetzt. Eine officielle Bekanntmachung der Urtheile iſt noch nicht
erſchienen. Die verleumderiſchen Correſpondenzen der Deutſchen Zeitung
über die badiſchen Ehrengerichte erregen hier viel Judignation, ſie fanden
eine treffende Erwiederung durch Veröffentlichung der befolgten Grund-
ſätze in einem ohne Zweifel officiellen Artikel der heutigen Karlsruher
Zeitung. Das Endergebniß wird zeigen daß Officiere die allzu früh ihre
Regimenter verließen und überhaupt es an der nöthigen Energie beim Aus-
bruch der Revolution fehlen ließen|, ebenſo zur Verantwortung und zur
Strafe gezogen wurden wie ſolche welche ihren Fahneneid und die geſchworne
Treue gebrochen haben. Auf der amdern Seite wurde auch nicht ein
Officier bloß deßhalb beſtraft weil er bei den Truppen ausgeharrt hat;
übernommene Verbindlichkeiten gegen die proviſoriſche Regierung oder
gar die Theilnahme an Gefechten führten dieſe allerdings ſtrengen Urtheile
herbei. Vor wenigen Tagen verließ uns ein aus den Zeiten des Sonder-
bundes bekannte Perſönlichkeit, nämlich der damalige Chef des General-
ſtabs Oberſt v. Elgger. Derſelbe hat als badiſcher Officier die Feld-
züge von 1814 und 1815 mitgemacht, und war nun hieher gekommen
ſeine alten Kriegsgefähr’en im gemeinſamen Unglück wieder aufzuſuchen.
Mit vielem Intereſſe laſen wir die kürzlich erſchienen erſten Lieferungen
ſeiner Erlebniſſe vom Jahr 1845 und 1847; ſein Beſtreben mit der
größten Gewiſſenhaftigkeit eine wahrheitsgetreue Schilderung der Ereig-
niſſe zu geben durch deren unglücklichen Ausgang die radicale Partei in
der Schweiz zur Herrſchaft kam, und die vielen neuen Aufſchlüſſe die uns
darin gegeben werden, verſchaffen dem Werke eine große Beachtung.
Heute früh wurden von der Großherzogin 16 Damen, aus allen Ständen,
empfangen und denſelben im Namen der Königin von Preußen werthvolle
goldene Medaillen mit dem Bildniß der Geberin überreicht. Hingebende
Aufopferung in der Pflege verwundeter Preußen hat die Veranlaſſung zu
dieſer Auszeichnung gegeben.
Heidelberg, 24 Jan.
In den letzten Tagen find mehreren hiefi-
gen Beamten Briefe in eleganteſter Form, von einer Damenhand über-
ſchrieben und mit einem adeligen Siegel geſchloſſen, theils von Lörrach,
theils von Baſel zugekommen, welche eine Flugſchrift „über die Zuſtände
Badens“ enthielten. Namentlich wird den Unterſuchungsrichtern darin
der Text geleſen, mit der Verſicherung „daß eine blutige Vergeltung über
alle diejenigen kommen werde die ihr Amt und ihre Stellung mißbrau-
chen, die in gewiſſenloſer Verblendung ganze Familien ins Unglück ſtür-
zen ꝛc.“ „Wehe! dreimal Wehe euch, ihr Frevler, die ihr eure Macht
mißbraucht, und euch zu Henkersknechten erniedrigt habt ꝛc.“
(K. Z.)
Gr. Heſſen.
◦ Darmſtadt, 28 Jan.
Acht Tage nach Auflöſung
der Kammern ſind vorüber. Noch iſt nichts weiteres erfolgt; keine Ent-
hüllung über die deutſche Frage und was die Regierung in derſelben zu
thun gedenkt, keines der vermutheten Manifeſte, weder von Seite dee Re-
gierung noch von der Linken. Ein ſolches Zögern liegt einigermaßen im
Syſtem unſrer Regierung; und in den Regionen der Linken, wo ein Ma-
nifeſt ſich vorbereitet, lauert man wohl ob nichts auf der Gegenſeite ſich
regt. Ein octroyirtes Reichswahlgeſetz müßte natürlich im Manifeſt kei-
nen ſchlechten Effect machen. Auch die Beendigung der Berliner Verwick-
lungen könnte möglicherweiſe von Wirkung ſeyn. Ob man wohl auch
in höheren Regionen noch zuwartet bis die preußiſchen „Differenzen“ wie-
der durch irgendein höfiſches Compromiß geſchlichtet ſind? Darauf wird
es doch wohl hinauslaufen, und ich müßte faſt zurücknehmen was ich Ihnen
neulich über die Stimmung unſrer Bundesſtaatsmänner ſchrieb: ſo viele
tapfere Gegner der Botſchaft ſtreichen jetzt wieder die Segel und gehen
zu irgend einer „Verſtändigung“ über, wenn ſie dieß auch weniger gerade
herausſagen als mit verblümten Winken zu verſtehen geben. Jedenfalls
muß ich Jhrem * Correſpondenten aus Baden vollkommen Recht geben
daß nur eine Schattirung der Bundesſtaatspartei das volle Gewicht der
Berliner Vorgänge empfindet; und ich darf wohl hinzuſetzen daß gerade
dieſer Schattirung mit einem Compromiß am wenigſten gedient wäre. Wie
ſich in unſerm Lande die Zuſtände zunächſt geſtalten werden, läßt ſich bis
jetzt nicht ſagen. Die bisherige Form der demokratiſchen oder demago-
giſchen Oppoſition hat ſich zu ſehr überlebt, als daß man ihr bei zuneh-
mender Beruhigung und ohne ganz beſondere Zwiſchenfälle eine Zukunft
verſprechen dürfte. Dagegen ſcheint uns unter den ſehr verſchiedenarti-
gen Elementen welche die Mehrheit der aufgelösten zweiten Kammer ge-
bildet haben, auch der Keim zur Erneuerung einer Oppoſition zu liegen,
wie ſie vor dem März und in den dreißiger Jahren war. Daß es einer ſolchen
Oppoſition nicht an Gegenſtand fehle, dafür ſorgt die Natur des Kleinſtaats.
Eine Maſſe von ehrenwerthen Männern du Lendemain, welche die Män-
ner de la Veille mehr in ſich aufnimmt als von ihnen beherrſcht wird,
umgibt die Regierung, und drängt ſie von allen Seiten mit dem Gewicht
ihrer Wohlmeinung, mit ihrer ganzen unvermeidlichen Schwerkraft ins
Alte zurück. In dem kleinen Lande hat die Regierung zu viel Fäden in
der Hand; ſie ſoll alles, thut alles, wird in alles verwickelt und die Op-
poſition wird abſtract aus Mangel an praktiſchen Fragen. So war es
ſchon ganz im Geiſte der vormärzlichen Oppoſition daß die leidige, völlig
unfruchtbare Verhaftungsfrage ganz in den Vordergrund des Landtags
trat, und endlich die Auflöſung herbeiführte, ehe die wichtigſte unmittelbar
praktiſche Staatsfrage auch nur zur Berathung gelangt war. Dieſe Ver-
haftungsfrage liegt nun keineswegs ſo völlig klar und unzweifel haft zu
Gunſten der Regierung, wie die kecke Stirn der Parteipolemik dieß viel-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-02-11T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |