Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.[Spaltenumbruch]
und Litteratur Vorlesungen gehalten hat, während die slavischen Spra- * Triest, 25 Jan. Wir haben nun einmal einen Winter mit all' Oesterreichische Monarchie. :: Pesth, 23 Jan. Heute um 7 Uhr Morgens, also nach sech- :: Pesth, 24 Jan. Das heute verkündigte Todesurtheil Georg Portugal. Die neueste Lissaboner Post d. d. 20 Jan. versichert daß Portugal Spanien. Madrid, 21 Jan. Die Debatte in der Deputirtenkammer über Großbritannien. London, 26 Jan. Mit Erstaunen sehen wir aus der neuesten Londoner Post daß auch *) Durch ein Versehen steht in der gestrigen Allg. Ztg. "österreichischer Nun-
cius" anstatt "Internuncius." [Spaltenumbruch]
und Litteratur Vorleſungen gehalten hat, während die ſlaviſchen Spra- * Trieſt, 25 Jan. Wir haben nun einmal einen Winter mit all’ Oeſterreichiſche Monarchie. :: Peſth, 23 Jan. Heute um 7 Uhr Morgens, alſo nach ſech- :: Peſth, 24 Jan. Das heute verkündigte Todesurtheil Georg Portugal. Die neueſte Liſſaboner Poſt d. d. 20 Jan. verſichert daß Portugal Spanien. Madrid, 21 Jan. Die Debatte in der Deputirtenkammer über Großbritannien. London, 26 Jan. Mit Erſtaunen ſehen wir aus der neueſten Londoner Poſt daß auch *) Durch ein Verſehen ſteht in der geſtrigen Allg. Ztg. „öſterreichiſcher Nun-
cius“ anſtatt „Internuncius.“ <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="486"/><cb/> und Litteratur Vorleſungen gehalten hat, während die ſlaviſchen Spra-<lb/> chen in reichſtem Maße gepflegt wurden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Trieſt,</hi> 25 Jan.</dateline> <p>Wir haben nun einmal einen Winter mit all’<lb/> ſeinen Leiden und Freuden. Der melancholiſche Scirocco, der ſonſt die<lb/> Geiſter niederdrückte, kriecht heuer nicht über nebelſeuchtem Boden ein-<lb/> her, ſondern die Bora, des Nordens ſtrenge Tochter, hat ein bleibend<lb/> Winterquartier auf dem ſchneeglänzenden Karſte aufgeſchlagen, und der<lb/> Sturm ſpannt die Nerven ſtraff und hält die Sinne aufgeweckt. Das<lb/> R<gap reason="lost" unit="chars" quantity="1"/>aumur’ſche Thermometer zeigte dieſer Tage 7 bis 8 Grade unter Null; et-<lb/> was für uns ganz ungewöhnliches. Neben der ernſten Börſe verſuchen ſich<lb/> muthwillige Jungen in der unter ihnen ſeltenen Kunſt des Schleifens auf<lb/> einer Bahn die ſie ſich <hi rendition="#aq">„espressamente“</hi> geſchaffen, wie die Alten ihre<lb/> Oper <hi rendition="#aq">„espressamente“</hi> für die Stagione zu haben pflegen. Bunte Mas-<lb/> ken, die der Wind jagt und ſchiebt, huſchen im Dunkeln durch die Stra-<lb/> ßen, und die muthwilligen Lebensgeiſter lärmen wohl auch zuweilen daß<lb/> die erſchreckten Schläfer einen Herentanz zu vernehmen meinen. Drüben<lb/> liegt Venedig ſtill und öde; Venedig, die Stadt des Adels, von ihm nun<lb/> gemieden; Venedig die Stadt der Luſt und des Scherzes, nun lautlos und<lb/> ernſt; Venedig, die Stadt des Reichthums und ein Aſyl vieler Bruſtkran-<lb/> ken, nun arm und ſelbſt an der Schwindſucht leidend. Da zittert man nun<lb/> in manchen Familien wo Vater oder Sohn ſich erſt vom politiſchen Ver-<lb/> dachte reinigen ſoll oder ſchon entlaſſen iſt, da ſieht man mit verlornen<lb/> Privilegien einer troſtloſen Zukunft entgegen. — Viel Aufſehen erregt<lb/> hier die Art und Weiſe wie einer unſrer Mitbürger, Hr. Alexander Mau-<lb/> roner, in Wien auftritt, und noch mehr die Huldigung die dem Manne von<lb/> der Wiener Zeitung, dem doch ausgeſprochenen Organe des Miniſteriums,<lb/> zu Theil wird. Hr. Mauroner war theils als Mitarbeiter, theils als Re-<lb/> dacteur bei der im Jahre 1848 entſtandenen und bis zur Activirung des<lb/> Cautionsſyſtems ſich herumtummelnden radicalen Preſſe betheiligt, die<lb/> ihm manchen ſchönen Aufſatz verdankte; überhaupt hatte er ſich als Geg-<lb/> ner des Miniſteriums ſehr bemerkbar gemacht. Cine von ihm ſpäter (im<lb/> September v. J.) herausgegebene Schrift über „die Freihafensfrage“, bei<lb/> der natürlich von ihm, dem Trieſtiner, Trieſt’s Privilegium in Schutz ge-<lb/> nommen wurde, hatte an und für ſich wenig Aufſehen erregt, nur fand<lb/> man es ſonderbar daß der Autor ſeiner Vaterſtadt das Recht zum Frei-<lb/> hafen unter andern auch um jener viel beſprochenen und hie und da bewitzel-<lb/> ten Geſinnungen willen vindicirte, welche allerdings die der Majorität,<lb/> aber nichts weniger als die des Hrn. Mauroner waren. Hr. Mauroner<lb/> geht nach Wien und veröffentlicht ſeine <hi rendition="#aq">„Rivoluzione e Reazione in<lb/> Austria.“</hi> Die Wiener Zeitung bläst in die Ruhmespoſaune. Hrn.<lb/> Mauroners politiſche Freunde von früher ſehen ſich mit langen Geſich-<lb/> tern an, und begreifen nicht was dem Demokraten zugeſloßen ſey. Das<lb/> gibt aber ſeinen politiſchen Gegnern von früher noch kein Vertrauen zum<lb/> neuen unerwarteten Freunde. Sie ſagen es ihm auch ſo ziemlich unver-<lb/> hohlen in unſern Blättern. Hätte die Wiener Zeitung ſich bei der Lobes-<lb/> erhebung an den Inhalt der Mauroner’ſchen Schrift gebunden, ſo ginge<lb/> noch alles hin. Da ſie aber auch den uncorrecten Styl pries, ſo mußte<lb/> man’s mit Händen greifen um was es ſich da handle. Nun kommt Hr.<lb/> Mauroner noch mit dem neuen Journal <hi rendition="#aq">„Corriere italiano“</hi> dem Mini-<lb/> ſterium zu Hülfe. <hi rendition="#aq">Tempora mutantur.</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">:: Peſth,</hi> 23 Jan.</dateline> <p>Heute um 7 Uhr Morgens, alſo nach ſech-<lb/> zehn Monaten ereilte die Hand der Vergeltung den Mörder Koloſſy, der<lb/> bekanntlich am 18 Sept. 1848 auf der Peſt-Ofener Schiffsbrücke dem ed-<lb/> len Graſen Lamberg den erſten Hieb beibrachte und hierauf mit dem blu-<lb/> tigen Schwert triumphirend durch die Straßen Peſths herumſtolzirte. Er<lb/> wurde um jene Stunde nebſt zwei andern Miſſethätern, welche einen Ruſ-<lb/> ſen meuchlings ermorder hatten, auf der Sandſtätte hinter dem Neuge-<lb/> bäude durch den Strang hingerichtet. Die Kälte war ungeheuer und deß-<lb/> halb eine nur ſpärliche Zuſchauerſchaft zugegen. Wir zählten — ein für<lb/> Peſth ſeltener Fall — 20 Grad unter Null.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">:: Peſth,</hi> 24 Jan.</dateline> <p>Das heute verkündigte Todesurtheil Georg<lb/> Koloſſy’s enthält die Beſtätigung aller jener Thatſachen welche wir den Le-<lb/> ſern dieſes Blattes bereits vor mehreren Wochen mittheilten, und fügt<lb/> nur bei daß er katholiſcher Religion, 24 Jahr alt, weiland Hörer der Phi-<lb/> loſophie an der Peſther Univerſität und aus Kövesd im Ober-Weißenbur-<lb/> ger Comitat in Siebenbürgen gebürtig geweſen. Auch ward der Umſtand<lb/> conſtatirt daß er, bevor er zum Schwert griff, mit einer Piſtole auf den un-<lb/> glücklichen Grafen Lamberg angeſchlagen hatte. Koloſſy ſtarb mit großer<lb/> Verſtocktheit, ja er wollte auf der verhängnißvollen Leiter noch eine Rede<lb/> an die verſammelte Menge halten, was ihm jedoch nicht geſtattet wurde.<lb/> Deſto verzagter, unaufhörlich um Pardon winſelnd endeten die zwei an-<lb/> dern Mörder. Es waren ein gewiſſer Johann Markus von Patta im He-<lb/> veſer Comitat geburtig, katholiſch, ledig, Schulgehülfe in Sar, dann ein<lb/> gewiſſer Ignaz Pallik von Solymos in derſelben Geſpanſchaft, gleichfalls<lb/><cb/> katholiſch, ledig, Jäger auf der dortigen erzbiſchöflichen Herrſchaft. Beide<lb/> Burſche ſtanden in ihrem 19ten Jahre und hatten nach hergeſtelltem That-<lb/> beſtand vor Gericht geſtanden, in der Nacht vom 26 Jul., v. J. mit Schieß-<lb/> waffen verſehen, unter Commando eines berüchtigten Guerrillasanführers<lb/> bei der Ermordung und Beraubung des als Courier von Mezökövesd kom-<lb/> menden k. k. Obriſtlieutenants Karl Baron Hacke, ferner bei der Anhal-<lb/> tung, Beraubung und Ablieferung an die Rebellen eines in gleicher Ei-<lb/> genſchaft gemeinſchaftlich mit dem Baron reiſenden kaiſerlich ruſſiſchen<lb/> Stabsofficiers und eines k. k. Botenjägers mitgewirkt zu haben. Alle<lb/> drei Miſſethäter waren alſo gemeine Mörder. Die Leichname blieben bis<lb/> gegen die Mittagsſtunde am Galgen hängen, und waren, als man ſie ab-<lb/> nahm, in Folge der furchtbaren Kälte ſteif gefroren. Abends ſtieg der<lb/> Thermometer bis auf elf Grad unter Null, der Himmel umzog ſich und<lb/> es fielen bis zum ſpäten Morgen neue Schneemaſſen. Da nach Nachrichten<lb/> aus den untern Gegenden die Donau ſo feſt zugefroren iſt daß man an<lb/> manchen Stellen, wie bei Semlin, mit ſchwer belaſteten Frachtwagen über<lb/> das Eis ſeiner ganzen Breite nach fahren kann, ſo wollen Aengſtliche,<lb/> vielleicht nicht mit Unrecht, eine Wiederkehr der ſchauderhaften Ueber-<lb/> ſchwemmungsſcenen vom Jahr 1838 vorausſagen. Gebe der Allbarm-<lb/> herzige daß dieſe Prophezeiung zu Schanden werde! Nach einer neuern<lb/> Verordnung dürfen im hieſigen Verſatzamte fürder keine Gold- und Sil-<lb/> bermünzen mehr als Pfand angenommen werden, ja ſogar die bereits<lb/> hypothekariſch daſelbſt deponirte Summe von etwa einer halben Million<lb/> klingender Münze muß von den Eignern zurückgenommen werden. Die<lb/> menſchenfreundliche Stiftung des Armee-Obercommandanten Baron Ju-<lb/> lius v. Haynau beſitzt bereits einen Fonds von 29,000 fl. in Baarem und<lb/> 43,200 fl. in Obligationen. Der dießjährige Carneval läßt ſich ſehr flau<lb/> an. Der erſte öffentliche Ball im deutſchen Theater war ſpärlich beſucht.<lb/> Zahlreicheres und eleganteres Publicum verſammelte das erſte Pickenick<lb/> im Caſinogebäude. Die glänzendſten Geſchäfte aber dürfte der Unterneh-<lb/> mer der Bälle in der Königsgaſſe in der Thereſienſtadt machen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Portugal.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die neueſte <hi rendition="#g">Liſſaboner</hi> Poſt <hi rendition="#aq">d. d.</hi> 20 Jan. verſichert daß Portugal<lb/> ruhig iſt. Damit widerlegt ſich das Gerücht von der Meuterei zweier Regimen-<lb/> ter an der ſpaniſchen Gränze. Gewiß aber iſt daß in der dortigen Armee wegen<lb/> der langen Soldrückſtände eine ſchwierige Stimmung herrſcht, welche von<lb/> Dom Miguel eventuell benützt werden könnte. Die miniſterielle Adreſſe<lb/> auf die Thronrede ward am 12 Jan. im Senat mit 31 gegen 21 Stimmen<lb/> votirt, und dadurch ein Amendement des Grafen Lavradio verworfen. In<lb/> der Deputirtenkammer begann die Adreßdebatte erſt am 19. Die Oppo-<lb/> ſition beabſichtigte eine förmliche Anklage gegen den Grafen Thomar.<lb/><hi rendition="#g">(Engl. Bl.)</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 21 Jan.</dateline> <p>Die Debatte in der Deputirtenkammer über<lb/> das Budget iſt noch nicht geſchloſſen; der Sieg des Miniſteriums iſt zwar<lb/> nicht zu bezweifeln, aber die oppoſitionelle Minderzahl bereitet ihm einen<lb/> ſchweren Stand, und die Oppoſitionspreſſe tritt muthiger als bisher ge-<lb/> gen Narvaez auf, welcher in den Kammern fortwährend die Taktik befolgt<lb/> jeden politiſchen Gegner perſönlich zu bruskiren. — In Barcelona ſind<lb/> neuerdings 1600 Mann aus Italien gelandet.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 26 Jan.</dateline><lb/> <p>Mit Erſtaunen ſehen wir aus der neueſten Londoner Poſt daß auch<lb/> der M. <hi rendition="#g">Herald</hi> und der Palmerſton’ſche <hi rendition="#g">Globe</hi> in eigenen Corre-<lb/> ſpondenzen aus Konſtantinopel die geſtrige Angabe der Daily News wie-<lb/> derholen.<note place="foot" n="*)">Durch ein Verſehen ſteht in der geſtrigen Allg. Ztg. „öſterreichiſcher Nun-<lb/> cius“ anſtatt <hi rendition="#g">„Internuncius.“</hi></note> In der Ueberzeugung daß es der öſterreichiſchen Regierung leicht<lb/> fallen wird eine ſolche ſchmähliche Verleumdung zurückzuweiſen, über-<lb/> ſetzen wir hier die betreffende Stelle des <hi rendition="#g">Globe:</hi> „Wir haben“, ſagt er,<lb/> „uns Mühe gegeben die genaue Wahrheit in der Sache zu ermitteln, und<lb/> mit Bedauern müſſen wir melden daß die Nachricht des M. Herald ge-<lb/> gründet iſt. Vor ungefähr vier oder fünf Wochen erfuhr Sir Stratford<lb/> Canning von dieſer Verſchwörung <hi rendition="#aq">(conspiracy),</hi> und beim Abgang der<lb/> letzten levantiſchen Poſt war ſolche das allgemeine Geſpräch in Konſtanti-<lb/> nopel geworden. Die Sache verhält ſich alſo. Unter den Flüchtlingen,<lb/> welche Koſſuth über die türkiſche Gränze folgten, war ein ungariſcher<lb/> Soldat der, aus dem kaiſerlichen Dienſt in Italien deſertirt, ſein Vater-<lb/> land vor Beendigung des Kriegs zu erreichen vermocht. Ein öſterreichi-<lb/> ſcher Conſul (welcher?) ſetzte ſich in Verkehr mit dieſem Mann, und ſchlug<lb/> ihm vor die Flucht Koſſuths nach Frankreich oder England bewerkſtelligen<lb/> zu helfen; ſo würde Oeſterreich von der Verlegenheit befreit welche ihm<lb/> die Flüchtlingsfrage bereite. Der ungariſche Soldat ging in die Falle,<lb/> und fing an zur Ausführung des Plans mitzuwirken; aber bald wurde<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [486/0006]
und Litteratur Vorleſungen gehalten hat, während die ſlaviſchen Spra-
chen in reichſtem Maße gepflegt wurden.
* Trieſt, 25 Jan. Wir haben nun einmal einen Winter mit all’
ſeinen Leiden und Freuden. Der melancholiſche Scirocco, der ſonſt die
Geiſter niederdrückte, kriecht heuer nicht über nebelſeuchtem Boden ein-
her, ſondern die Bora, des Nordens ſtrenge Tochter, hat ein bleibend
Winterquartier auf dem ſchneeglänzenden Karſte aufgeſchlagen, und der
Sturm ſpannt die Nerven ſtraff und hält die Sinne aufgeweckt. Das
R_aumur’ſche Thermometer zeigte dieſer Tage 7 bis 8 Grade unter Null; et-
was für uns ganz ungewöhnliches. Neben der ernſten Börſe verſuchen ſich
muthwillige Jungen in der unter ihnen ſeltenen Kunſt des Schleifens auf
einer Bahn die ſie ſich „espressamente“ geſchaffen, wie die Alten ihre
Oper „espressamente“ für die Stagione zu haben pflegen. Bunte Mas-
ken, die der Wind jagt und ſchiebt, huſchen im Dunkeln durch die Stra-
ßen, und die muthwilligen Lebensgeiſter lärmen wohl auch zuweilen daß
die erſchreckten Schläfer einen Herentanz zu vernehmen meinen. Drüben
liegt Venedig ſtill und öde; Venedig, die Stadt des Adels, von ihm nun
gemieden; Venedig die Stadt der Luſt und des Scherzes, nun lautlos und
ernſt; Venedig, die Stadt des Reichthums und ein Aſyl vieler Bruſtkran-
ken, nun arm und ſelbſt an der Schwindſucht leidend. Da zittert man nun
in manchen Familien wo Vater oder Sohn ſich erſt vom politiſchen Ver-
dachte reinigen ſoll oder ſchon entlaſſen iſt, da ſieht man mit verlornen
Privilegien einer troſtloſen Zukunft entgegen. — Viel Aufſehen erregt
hier die Art und Weiſe wie einer unſrer Mitbürger, Hr. Alexander Mau-
roner, in Wien auftritt, und noch mehr die Huldigung die dem Manne von
der Wiener Zeitung, dem doch ausgeſprochenen Organe des Miniſteriums,
zu Theil wird. Hr. Mauroner war theils als Mitarbeiter, theils als Re-
dacteur bei der im Jahre 1848 entſtandenen und bis zur Activirung des
Cautionsſyſtems ſich herumtummelnden radicalen Preſſe betheiligt, die
ihm manchen ſchönen Aufſatz verdankte; überhaupt hatte er ſich als Geg-
ner des Miniſteriums ſehr bemerkbar gemacht. Cine von ihm ſpäter (im
September v. J.) herausgegebene Schrift über „die Freihafensfrage“, bei
der natürlich von ihm, dem Trieſtiner, Trieſt’s Privilegium in Schutz ge-
nommen wurde, hatte an und für ſich wenig Aufſehen erregt, nur fand
man es ſonderbar daß der Autor ſeiner Vaterſtadt das Recht zum Frei-
hafen unter andern auch um jener viel beſprochenen und hie und da bewitzel-
ten Geſinnungen willen vindicirte, welche allerdings die der Majorität,
aber nichts weniger als die des Hrn. Mauroner waren. Hr. Mauroner
geht nach Wien und veröffentlicht ſeine „Rivoluzione e Reazione in
Austria.“ Die Wiener Zeitung bläst in die Ruhmespoſaune. Hrn.
Mauroners politiſche Freunde von früher ſehen ſich mit langen Geſich-
tern an, und begreifen nicht was dem Demokraten zugeſloßen ſey. Das
gibt aber ſeinen politiſchen Gegnern von früher noch kein Vertrauen zum
neuen unerwarteten Freunde. Sie ſagen es ihm auch ſo ziemlich unver-
hohlen in unſern Blättern. Hätte die Wiener Zeitung ſich bei der Lobes-
erhebung an den Inhalt der Mauroner’ſchen Schrift gebunden, ſo ginge
noch alles hin. Da ſie aber auch den uncorrecten Styl pries, ſo mußte
man’s mit Händen greifen um was es ſich da handle. Nun kommt Hr.
Mauroner noch mit dem neuen Journal „Corriere italiano“ dem Mini-
ſterium zu Hülfe. Tempora mutantur.
Oeſterreichiſche Monarchie.
:: Peſth, 23 Jan. Heute um 7 Uhr Morgens, alſo nach ſech-
zehn Monaten ereilte die Hand der Vergeltung den Mörder Koloſſy, der
bekanntlich am 18 Sept. 1848 auf der Peſt-Ofener Schiffsbrücke dem ed-
len Graſen Lamberg den erſten Hieb beibrachte und hierauf mit dem blu-
tigen Schwert triumphirend durch die Straßen Peſths herumſtolzirte. Er
wurde um jene Stunde nebſt zwei andern Miſſethätern, welche einen Ruſ-
ſen meuchlings ermorder hatten, auf der Sandſtätte hinter dem Neuge-
bäude durch den Strang hingerichtet. Die Kälte war ungeheuer und deß-
halb eine nur ſpärliche Zuſchauerſchaft zugegen. Wir zählten — ein für
Peſth ſeltener Fall — 20 Grad unter Null.
:: Peſth, 24 Jan. Das heute verkündigte Todesurtheil Georg
Koloſſy’s enthält die Beſtätigung aller jener Thatſachen welche wir den Le-
ſern dieſes Blattes bereits vor mehreren Wochen mittheilten, und fügt
nur bei daß er katholiſcher Religion, 24 Jahr alt, weiland Hörer der Phi-
loſophie an der Peſther Univerſität und aus Kövesd im Ober-Weißenbur-
ger Comitat in Siebenbürgen gebürtig geweſen. Auch ward der Umſtand
conſtatirt daß er, bevor er zum Schwert griff, mit einer Piſtole auf den un-
glücklichen Grafen Lamberg angeſchlagen hatte. Koloſſy ſtarb mit großer
Verſtocktheit, ja er wollte auf der verhängnißvollen Leiter noch eine Rede
an die verſammelte Menge halten, was ihm jedoch nicht geſtattet wurde.
Deſto verzagter, unaufhörlich um Pardon winſelnd endeten die zwei an-
dern Mörder. Es waren ein gewiſſer Johann Markus von Patta im He-
veſer Comitat geburtig, katholiſch, ledig, Schulgehülfe in Sar, dann ein
gewiſſer Ignaz Pallik von Solymos in derſelben Geſpanſchaft, gleichfalls
katholiſch, ledig, Jäger auf der dortigen erzbiſchöflichen Herrſchaft. Beide
Burſche ſtanden in ihrem 19ten Jahre und hatten nach hergeſtelltem That-
beſtand vor Gericht geſtanden, in der Nacht vom 26 Jul., v. J. mit Schieß-
waffen verſehen, unter Commando eines berüchtigten Guerrillasanführers
bei der Ermordung und Beraubung des als Courier von Mezökövesd kom-
menden k. k. Obriſtlieutenants Karl Baron Hacke, ferner bei der Anhal-
tung, Beraubung und Ablieferung an die Rebellen eines in gleicher Ei-
genſchaft gemeinſchaftlich mit dem Baron reiſenden kaiſerlich ruſſiſchen
Stabsofficiers und eines k. k. Botenjägers mitgewirkt zu haben. Alle
drei Miſſethäter waren alſo gemeine Mörder. Die Leichname blieben bis
gegen die Mittagsſtunde am Galgen hängen, und waren, als man ſie ab-
nahm, in Folge der furchtbaren Kälte ſteif gefroren. Abends ſtieg der
Thermometer bis auf elf Grad unter Null, der Himmel umzog ſich und
es fielen bis zum ſpäten Morgen neue Schneemaſſen. Da nach Nachrichten
aus den untern Gegenden die Donau ſo feſt zugefroren iſt daß man an
manchen Stellen, wie bei Semlin, mit ſchwer belaſteten Frachtwagen über
das Eis ſeiner ganzen Breite nach fahren kann, ſo wollen Aengſtliche,
vielleicht nicht mit Unrecht, eine Wiederkehr der ſchauderhaften Ueber-
ſchwemmungsſcenen vom Jahr 1838 vorausſagen. Gebe der Allbarm-
herzige daß dieſe Prophezeiung zu Schanden werde! Nach einer neuern
Verordnung dürfen im hieſigen Verſatzamte fürder keine Gold- und Sil-
bermünzen mehr als Pfand angenommen werden, ja ſogar die bereits
hypothekariſch daſelbſt deponirte Summe von etwa einer halben Million
klingender Münze muß von den Eignern zurückgenommen werden. Die
menſchenfreundliche Stiftung des Armee-Obercommandanten Baron Ju-
lius v. Haynau beſitzt bereits einen Fonds von 29,000 fl. in Baarem und
43,200 fl. in Obligationen. Der dießjährige Carneval läßt ſich ſehr flau
an. Der erſte öffentliche Ball im deutſchen Theater war ſpärlich beſucht.
Zahlreicheres und eleganteres Publicum verſammelte das erſte Pickenick
im Caſinogebäude. Die glänzendſten Geſchäfte aber dürfte der Unterneh-
mer der Bälle in der Königsgaſſe in der Thereſienſtadt machen.
Portugal.
Die neueſte Liſſaboner Poſt d. d. 20 Jan. verſichert daß Portugal
ruhig iſt. Damit widerlegt ſich das Gerücht von der Meuterei zweier Regimen-
ter an der ſpaniſchen Gränze. Gewiß aber iſt daß in der dortigen Armee wegen
der langen Soldrückſtände eine ſchwierige Stimmung herrſcht, welche von
Dom Miguel eventuell benützt werden könnte. Die miniſterielle Adreſſe
auf die Thronrede ward am 12 Jan. im Senat mit 31 gegen 21 Stimmen
votirt, und dadurch ein Amendement des Grafen Lavradio verworfen. In
der Deputirtenkammer begann die Adreßdebatte erſt am 19. Die Oppo-
ſition beabſichtigte eine förmliche Anklage gegen den Grafen Thomar.
(Engl. Bl.)
Spanien.
Madrid, 21 Jan. Die Debatte in der Deputirtenkammer über
das Budget iſt noch nicht geſchloſſen; der Sieg des Miniſteriums iſt zwar
nicht zu bezweifeln, aber die oppoſitionelle Minderzahl bereitet ihm einen
ſchweren Stand, und die Oppoſitionspreſſe tritt muthiger als bisher ge-
gen Narvaez auf, welcher in den Kammern fortwährend die Taktik befolgt
jeden politiſchen Gegner perſönlich zu bruskiren. — In Barcelona ſind
neuerdings 1600 Mann aus Italien gelandet.
Großbritannien.
London, 26 Jan.
Mit Erſtaunen ſehen wir aus der neueſten Londoner Poſt daß auch
der M. Herald und der Palmerſton’ſche Globe in eigenen Corre-
ſpondenzen aus Konſtantinopel die geſtrige Angabe der Daily News wie-
derholen. *) In der Ueberzeugung daß es der öſterreichiſchen Regierung leicht
fallen wird eine ſolche ſchmähliche Verleumdung zurückzuweiſen, über-
ſetzen wir hier die betreffende Stelle des Globe: „Wir haben“, ſagt er,
„uns Mühe gegeben die genaue Wahrheit in der Sache zu ermitteln, und
mit Bedauern müſſen wir melden daß die Nachricht des M. Herald ge-
gründet iſt. Vor ungefähr vier oder fünf Wochen erfuhr Sir Stratford
Canning von dieſer Verſchwörung (conspiracy), und beim Abgang der
letzten levantiſchen Poſt war ſolche das allgemeine Geſpräch in Konſtanti-
nopel geworden. Die Sache verhält ſich alſo. Unter den Flüchtlingen,
welche Koſſuth über die türkiſche Gränze folgten, war ein ungariſcher
Soldat der, aus dem kaiſerlichen Dienſt in Italien deſertirt, ſein Vater-
land vor Beendigung des Kriegs zu erreichen vermocht. Ein öſterreichi-
ſcher Conſul (welcher?) ſetzte ſich in Verkehr mit dieſem Mann, und ſchlug
ihm vor die Flucht Koſſuths nach Frankreich oder England bewerkſtelligen
zu helfen; ſo würde Oeſterreich von der Verlegenheit befreit welche ihm
die Flüchtlingsfrage bereite. Der ungariſche Soldat ging in die Falle,
und fing an zur Ausführung des Plans mitzuwirken; aber bald wurde
*) Durch ein Verſehen ſteht in der geſtrigen Allg. Ztg. „öſterreichiſcher Nun-
cius“ anſtatt „Internuncius.“
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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