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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.

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[Spaltenumbruch]

Das letztere gilt insbesondere auch von dem epigrammatischen Dia-
loge welchen der Dichter den Wortführern des Volkes in den Mund legt.
Abgesehen davon daß das Volk in der Person dieser Leute durchaus nicht
als selbstbetheiligt, als leidenschaftlich bewegt, oder gar als bewegend
auftritt, sondern sich vielmehr rein kritisch zu der Handlung verhält, ist
jener Dialog stellenweise meisterlich gehandhabt, so daß jedes Wort des-
selben schwer ins Gewicht fällt. An andern Stellen hingegen tritt das
Bestreben des Dichters, seine Personen bedeutende Worte sagen zu lassen
welche sie vergebens suchen, mit einer erkältenden Absichtlichkeit und Ver-
geblichkeit hervor.

Man hat bereits wiederholt gesagt, und ich kann es nur bestätigen
daß der Robespierre kein Tendenzstück ist. Republik und Monarchie, Frei-
heit und Herrschaft, Religion und Atheismus, das alles wird mit abso-
luter Unparteilichkeit lediglich als dichterisches Motiv behandelt, derge-
stalt daß kaum irgendein Leser des Robespierre, welcher Partei er auch
angehöre, durch denselben zum Widerspruch gereizt, in seinen Gefühlen
beeinträchtigt, verstimmt werden könnte. Das gilt vom Leser und von
dem Zuhörer des Vorlesens. Für den Zuschauer im Theater stellt sich die
Sache anders. Die Tendenz welche der Dichter nicht in sein Stück gelegt
hat, das Publicum legt sie hinein, und das arglose Kind der Kunst wird
unversehens zum Handlanger der Politik gepreßt. Alle Macht kommt
vom Volk, heißt es auf der Bühne, und das Publicum jubelt Beifall;
es lebe die Republik! ruft Danton oder Robespierre, und das Publicum
stimmt ein; der Festzug auf dem Marsfeld wird von der Marseillaise be-
gleitet, und nachdem sie zehn- oder zwölfmal gespielt, verlangt das Pu-
blicum sie zum elften- oder dreizehntenmal. Das Publicum ist mit dem
allem in seinem Recht, dessen Ausübung man ihm indessen wohl nicht
überall gönnen wird, obgleich es damit wahrhaftig nicht viel auf sich hat.
Wenn von der Republik aus wirklich eine Staatsgefahr droht, so wird
sie, meines Dafürhaltens, weder entfernt noch vermindert dadurch daß
man den Leuten den Mund stopft. Aber freilich, unsere Staatsmänner
und Theaterintendanten müssen das besser wifsen.

Um von der Aufführung des Robespierre als solcher ein paar Worte
hinzuzufügen, so war dieselbe, wie gesagt, zwar mittelmäßig, aber doch
besser als sich von den beschränkten Kräften der hiesigen Bühne erwarten
ließ, die zu diesem Zwecke von außen her ergänzt waren. Von den fünf-
undzwanzig Rollen des Stückes, die zum Theil allerdings sehr unbe-
deutend, ja vollkommen überflüssig sind, waren freilich nur drei oder
vier ziemlich gut besetzt, dagegen wurde aber auch nur eine einzige gänzlich
verpfuscht, die des Danton. Heute haben wir die dritte Vorstellung des
Robespierre, und einer Kälte von 18 Graden zum Trotz sind die Eintritts-
karten längst bis auf die letzte vergriffen.



Berlin und Kopenhagen.

Ich komme noch einmal auf das von den dä-
nischen Bevollmächtigten zum Behuf der Friedensunterhandlungen über-
gebene Expose zurück, über dessen Inhalt ich folgendes nähere erfahre.
Es bezeichnet als Hauptgegenstand der Unterhandlung die nähere Bestim-
mung der selbständigen Verfassung Schleswigs und der politischen Union
desselben mit Dänemark. Die schleswigische Verfassung soll in einer eige-
nen Ständeversammlung, in gesonderter Legislatur und Verwaltung be-
stehen, d. h. soweit es die "union politique" erlaubt! Dieses ist nach
dänischer Auffassung nur der Fall bei der Civilgesetzgebung, Civiladmi-
nistration, dem Unterrichtswesen und Cultus, dem Gemeinde- und Ge-
werbwesen, und endlich dem Finanzwesen, inwiefern es sich um Einnahme
und Ausgabe handelt, welche die innern Beziehungen des Herzogthums
betreffen. Die schleswig'sche Ständeversammlung wird außer bei der in-
nern Gesetzgebung sich mit der Votirung der Budgetquoten zu befassen
haben, welche zu den gemeinsamen Ausgaben des Königreichs und des Her-
zogthums erforderlich sind, und nicht von den gemeinsamen Einnahmen
gedeckt werden sollten! In der Verfassung des Herzogthums wird die
Gleichberechtigung der Nationalitäten durch genaue Bestimmungen garan-
tirt seyn. Was nun die "politische Union" betrifft, so wird dieselbe von
den dänischen Diplomaten sehr handgreiflich gemacht. Sie besteht in
Gemeinsamkeit: der aufzubringenden Civilliste und der sonstigen kö-
niglichen Dotation, des Gesandtschafts- und des Consularwesens, Gemein-
samkeit des Kriegswesens, des Zoll- und Postwesens, Gemeinsamkeit der
Activa und Passiva, die Staatsdomänen mit inbegriffen, und der auf alle
obigen Punkte bezüglichen Einnahmen und Ausgaben. Dabei wird däni-
scherseits noch behauptet: daß man diejenige Gemeinsamkeit des
Finanzwesens, welche bis zum März
1848 existirt habe, auf-
gebe!
Die gemeinsam verbleibenden Gegenstände sollen überdieß einer ge-
meinsamen Gesetzgebung und Verwaltung untergeordnet werden, wobei
Schleswig auf denselben Fuß wie Dänemark zu stehen kommen soll. Und
[Spaltenumbruch] zwar soll die Budgetquote mit der es an dem gemeinsamen Finanzwesen
participirt, alsbald und unveränderlich nach den jetzigen Bevölkerungs-
verhältnissen festgesetzt werden. Die politische Union soll ewig
seyn!
und die Gränzen zwischen Schleswig und Holstein (d. h. Deutsch-
land) sollen nach einem eigenen Vertrag mit Rücksicht auf die historischen
Documente gezogen werden; auch über Rendsburg wird darin Bestimmung
zu treffen seyn. Das Ganze zu garantiren sollen die Großmächte aufge-
fordert werden. Ueber die Hauptanstöße die man preußischerseits an die-
sen anmuthigen Propositionen nimmt, werde ich Ihnen in meinem nächsten
Schreiben ausführliche Mittheilungen machen. Es sind übrigens, soviel
ich gehört, noch keinerlei Rückäußerungen auf das dänische Expose er-
folgt. -- In der Verfassungskrists hoffen jetzt die Ultraconservativen auf
den neuen Vermittelungsvorschlag der ersten Kammer, der noch nicht for-
mulirt scheint; die Liberalen auf einen in der zweiten Kammer einzubrin-
genden Antrag welcher die Einführung der Pairie bis zum Jahre 1852
hinausschieben, und überdieß eine wesentliche Modification der königlichen
Propositionen hierin fordern würde. Der Aufschub bezweckt die vorherige
Einführung der neuen Grundsteuer- und Ablösungsgesetze, sowie der Ge-
meindeordnung.

Der Hauptanstoß den Preußen an den däni-
schen Propositionen nimmt, ist erstlich die unerhörte Prätension, die
"union politique" des Herzogthums Schleswig mit Dänemark zu einer
ewigen Union machen zu wollen. Preußen bleibt in dieser Beziehung
unveränderlich bei der Erklärung welche es von Ritter Bunsen am 17
März 1849 in London hatte abgeben lassen: "que les mots de l'article
premier (de la convention projetee du 15 Mars), qui etablissent
que l'union politique entre ce duche et la couronne de Dane-
marc reste intacte, doivent etre entendus en ce sens que cette
union politique reste intacte aussi longtemps que la maison ac-
luellement regnante en Danemarc n'est pas eteinte dans les ma-
les.
Nicht ein Tüttelchen über eine gewöhnliche Personalunion hinaus
ist zu concediren, darüber ist im diesseitigen Cabinet kein Zweifel; dar-
in ist bis jetzt, wie es scheint, auch England ganz entschiedener Ansicht.
Diese Verbindung darf also im einzelnen auch nur auf die gemeinsamen
Verhältnisse zum Ausland von Dänemark ausgedehnt werden, und von
diesem Gesichtspunkt aus ist der Begriff der "Selbständigkeit" Schleswigs
einerseits festzustellen, andrerseits aber von dem Gesichtspunkt des recht-
lich begründeten und materiell ebenfalls nothwendigen inneren Zusam-
menhanges mit Holstein. Die Selbständigkeit betreffend, so ist vor allem
auf strenge Sonderung des Finanzwesens und Kriegswesens zu dringen. Die
Civilliste und die für das Consular- und Gesandtschaftswesen nothwen-
dige Gemeinsamkeit dürften Billigung erfahren. Gemeinsamkeit der öf-
fentlichen Schuld und der Activa niemals. Das Landheer muß nach
preußischer Forderung ein eigenes schleswigisches Contingent bilden, und
ebensowenig nach Dänemark versetzbar seyn wie umgekehrt dänische Trup-
pen im Herzogthum zu verwenden wären. Eine Hauptschwierigkeit bil-
det die Flotte. Da eine schleswigische Flotte nicht gedacht werden kann,
so wird man diesseits wahrscheinlich den Vorschlag machen daß das Her-
zogthum einen Geldbeitrag zur dänischen Flotte liefere, um nicht in den Fall
zu kommen daß Schleswiger gezwungen wären auf der dänischen Flotte
zu dienen. Betreffs der Rechte Holsteins und mittelbar des Bundes an
Schleswig, d. h. also des Zusammenhangs der Herzogthümer, bleibt
Preußen bei seinen früheren Forderungen (wozu Gemeinsamkeit der Ge-
richtsverfassung -- Oberappellationsgericht u. s. w., und des Post- und
Zollwesens zu rechnen). Uebrigens wird von Bundeswegen dieß Recht
wohl noch speciell geltend zu machen seyn. Soviel ich weiß ist auf das dä-
nische Expose noch keine Erwiederung erfolgt. Die letzte hiehergelangte
Nachricht aber, über das nunmehr wirklich an die Vertrauensmänner
(trotz aller diesseitigen Abmahnungen) gerichtete Ansinnen, dient ebenso-
wenig dazu die Stellung der dänischen Bevollmächtigten günstiger zu ma-
chen, als die Artikel der Times, welche auf die ungerechtfertigtste Weise
von der Welt Preußen die Veranlassung der Verzögerung der Friedens-
unterhandlungen zuschieben, und ihm Schuld geben dieselben Aufrührer
in Baden unterdrückt, in Schleswig aber gehegt und gepflegt zu haben!
Gestern ist in der Plenarsitzung des Verwaltungsraths ein förmlicher Be-
schluß über das Festhalten am Ur-Entwurf vom 28 Mai 1849 gefaßt
worden, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Sachsens und Hannovers
Verhalten. Ich schreibe Ihnen das einzelne später. General v. Rado-
witz hat kurz vor seiner Abreise in Frankfurt die Conflicte zwischen Gene-
ralmajor v. Schirnding und Major Deetz selbst erledigt, und zukünftigen
ähnlichen Fällen dadurch vorgebeugt daß er den Commandanten unmittel-
bar unter die Befehle der Bundescommission stellte.



[Spaltenumbruch]

Das letztere gilt insbeſondere auch von dem epigrammatiſchen Dia-
loge welchen der Dichter den Wortführern des Volkes in den Mund legt.
Abgeſehen davon daß das Volk in der Perſon dieſer Leute durchaus nicht
als ſelbſtbetheiligt, als leidenſchaftlich bewegt, oder gar als bewegend
auftritt, ſondern ſich vielmehr rein kritiſch zu der Handlung verhält, iſt
jener Dialog ſtellenweiſe meiſterlich gehandhabt, ſo daß jedes Wort des-
ſelben ſchwer ins Gewicht fällt. An andern Stellen hingegen tritt das
Beſtreben des Dichters, ſeine Perſonen bedeutende Worte ſagen zu laſſen
welche ſie vergebens ſuchen, mit einer erkältenden Abſichtlichkeit und Ver-
geblichkeit hervor.

Man hat bereits wiederholt geſagt, und ich kann es nur beſtätigen
daß der Robespierre kein Tendenzſtück iſt. Republik und Monarchie, Frei-
heit und Herrſchaft, Religion und Atheismus, das alles wird mit abſo-
luter Unparteilichkeit lediglich als dichteriſches Motiv behandelt, derge-
ſtalt daß kaum irgendein Leſer des Robespierre, welcher Partei er auch
angehöre, durch denſelben zum Widerſpruch gereizt, in ſeinen Gefühlen
beeinträchtigt, verſtimmt werden könnte. Das gilt vom Leſer und von
dem Zuhörer des Vorleſens. Für den Zuſchauer im Theater ſtellt ſich die
Sache anders. Die Tendenz welche der Dichter nicht in ſein Stück gelegt
hat, das Publicum legt ſie hinein, und das argloſe Kind der Kunſt wird
unverſehens zum Handlanger der Politik gepreßt. Alle Macht kommt
vom Volk, heißt es auf der Bühne, und das Publicum jubelt Beifall;
es lebe die Republik! ruft Danton oder Robespierre, und das Publicum
ſtimmt ein; der Feſtzug auf dem Marsfeld wird von der Marſeillaiſe be-
gleitet, und nachdem ſie zehn- oder zwölfmal geſpielt, verlangt das Pu-
blicum ſie zum elften- oder dreizehntenmal. Das Publicum iſt mit dem
allem in ſeinem Recht, deſſen Ausübung man ihm indeſſen wohl nicht
überall gönnen wird, obgleich es damit wahrhaftig nicht viel auf ſich hat.
Wenn von der Republik aus wirklich eine Staatsgefahr droht, ſo wird
ſie, meines Dafürhaltens, weder entfernt noch vermindert dadurch daß
man den Leuten den Mund ſtopft. Aber freilich, unſere Staatsmänner
und Theaterintendanten müſſen das beſſer wifſen.

Um von der Aufführung des Robespierre als ſolcher ein paar Worte
hinzuzufügen, ſo war dieſelbe, wie geſagt, zwar mittelmäßig, aber doch
beſſer als ſich von den beſchränkten Kräften der hieſigen Bühne erwarten
ließ, die zu dieſem Zwecke von außen her ergänzt waren. Von den fünf-
undzwanzig Rollen des Stückes, die zum Theil allerdings ſehr unbe-
deutend, ja vollkommen überflüſſig ſind, waren freilich nur drei oder
vier ziemlich gut beſetzt, dagegen wurde aber auch nur eine einzige gänzlich
verpfuſcht, die des Danton. Heute haben wir die dritte Vorſtellung des
Robespierre, und einer Kälte von 18 Graden zum Trotz ſind die Eintritts-
karten längſt bis auf die letzte vergriffen.



Berlin und Kopenhagen.

Ich komme noch einmal auf das von den dä-
niſchen Bevollmächtigten zum Behuf der Friedensunterhandlungen über-
gebene Expoſé zurück, über deſſen Inhalt ich folgendes nähere erfahre.
Es bezeichnet als Hauptgegenſtand der Unterhandlung die nähere Beſtim-
mung der ſelbſtändigen Verfaſſung Schleswigs und der politiſchen Union
desſelben mit Dänemark. Die ſchleswigiſche Verfaſſung ſoll in einer eige-
nen Ständeverſammlung, in geſonderter Legislatur und Verwaltung be-
ſtehen, d. h. ſoweit es die „union politique“ erlaubt! Dieſes iſt nach
däniſcher Auffaſſung nur der Fall bei der Civilgeſetzgebung, Civiladmi-
niſtration, dem Unterrichtsweſen und Cultus, dem Gemeinde- und Ge-
werbweſen, und endlich dem Finanzweſen, inwiefern es ſich um Einnahme
und Ausgabe handelt, welche die innern Beziehungen des Herzogthums
betreffen. Die ſchleswig’ſche Ständeverſammlung wird außer bei der in-
nern Geſetzgebung ſich mit der Votirung der Budgetquoten zu befaſſen
haben, welche zu den gemeinſamen Ausgaben des Königreichs und des Her-
zogthums erforderlich ſind, und nicht von den gemeinſamen Einnahmen
gedeckt werden ſollten! In der Verfaſſung des Herzogthums wird die
Gleichberechtigung der Nationalitäten durch genaue Beſtimmungen garan-
tirt ſeyn. Was nun die „politiſche Union“ betrifft, ſo wird dieſelbe von
den däniſchen Diplomaten ſehr handgreiflich gemacht. Sie beſteht in
Gemeinſamkeit: der aufzubringenden Civilliſte und der ſonſtigen kö-
niglichen Dotation, des Geſandtſchafts- und des Conſularweſens, Gemein-
ſamkeit des Kriegsweſens, des Zoll- und Poſtweſens, Gemeinſamkeit der
Activa und Paſſiva, die Staatsdomänen mit inbegriffen, und der auf alle
obigen Punkte bezüglichen Einnahmen und Ausgaben. Dabei wird däni-
ſcherſeits noch behauptet: daß man diejenige Gemeinſamkeit des
Finanzweſens, welche bis zum März
1848 exiſtirt habe, auf-
gebe!
Die gemeinſam verbleibenden Gegenſtände ſollen überdieß einer ge-
meinſamen Geſetzgebung und Verwaltung untergeordnet werden, wobei
Schleswig auf denſelben Fuß wie Dänemark zu ſtehen kommen ſoll. Und
[Spaltenumbruch] zwar ſoll die Budgetquote mit der es an dem gemeinſamen Finanzweſen
participirt, alsbald und unveränderlich nach den jetzigen Bevölkerungs-
verhältniſſen feſtgeſetzt werden. Die politiſche Union ſoll ewig
ſeyn!
und die Gränzen zwiſchen Schleswig und Holſtein (d. h. Deutſch-
land) ſollen nach einem eigenen Vertrag mit Rückſicht auf die hiſtoriſchen
Documente gezogen werden; auch über Rendsburg wird darin Beſtimmung
zu treffen ſeyn. Das Ganze zu garantiren ſollen die Großmächte aufge-
fordert werden. Ueber die Hauptanſtöße die man preußiſcherſeits an die-
ſen anmuthigen Propoſitionen nimmt, werde ich Ihnen in meinem nächſten
Schreiben ausführliche Mittheilungen machen. Es ſind übrigens, ſoviel
ich gehört, noch keinerlei Rückäußerungen auf das däniſche Expoſé er-
folgt. — In der Verfaſſungskriſts hoffen jetzt die Ultraconſervativen auf
den neuen Vermittelungsvorſchlag der erſten Kammer, der noch nicht for-
mulirt ſcheint; die Liberalen auf einen in der zweiten Kammer einzubrin-
genden Antrag welcher die Einführung der Pairie bis zum Jahre 1852
hinausſchieben, und überdieß eine weſentliche Modification der königlichen
Propoſitionen hierin fordern würde. Der Aufſchub bezweckt die vorherige
Einführung der neuen Grundſteuer- und Ablöſungsgeſetze, ſowie der Ge-
meindeordnung.

Der Hauptanſtoß den Preußen an den däni-
ſchen Propoſitionen nimmt, iſt erſtlich die unerhörte Prätenſion, die
»union politique« des Herzogthums Schleswig mit Dänemark zu einer
ewigen Union machen zu wollen. Preußen bleibt in dieſer Beziehung
unveränderlich bei der Erklärung welche es von Ritter Bunſen am 17
März 1849 in London hatte abgeben laſſen: »que les mots de l’article
premier (de la convention projetée du 15 Mars), qui établissent
que l’union politique entre ce duché et la couronne de Dane-
marc reste intacte, doivent être entendus en ce sens que cette
union politique reste intacte aussi longtemps que la maison ac-
luellement régnante en Danemarc n’est pas éteinte dans les mâ-
les.
Nicht ein Tüttelchen über eine gewöhnliche Perſonalunion hinaus
iſt zu concediren, darüber iſt im dieſſeitigen Cabinet kein Zweifel; dar-
in iſt bis jetzt, wie es ſcheint, auch England ganz entſchiedener Anſicht.
Dieſe Verbindung darf alſo im einzelnen auch nur auf die gemeinſamen
Verhältniſſe zum Ausland von Dänemark ausgedehnt werden, und von
dieſem Geſichtspunkt aus iſt der Begriff der „Selbſtändigkeit“ Schleswigs
einerſeits feſtzuſtellen, andrerſeits aber von dem Geſichtspunkt des recht-
lich begründeten und materiell ebenfalls nothwendigen inneren Zuſam-
menhanges mit Holſtein. Die Selbſtändigkeit betreffend, ſo iſt vor allem
auf ſtrenge Sonderung des Finanzweſens und Kriegsweſens zu dringen. Die
Civilliſte und die für das Conſular- und Geſandtſchaftsweſen nothwen-
dige Gemeinſamkeit dürften Billigung erfahren. Gemeinſamkeit der öf-
fentlichen Schuld und der Activa niemals. Das Landheer muß nach
preußiſcher Forderung ein eigenes ſchleswigiſches Contingent bilden, und
ebenſowenig nach Dänemark verſetzbar ſeyn wie umgekehrt däniſche Trup-
pen im Herzogthum zu verwenden wären. Eine Hauptſchwierigkeit bil-
det die Flotte. Da eine ſchleswigiſche Flotte nicht gedacht werden kann,
ſo wird man dieſſeits wahrſcheinlich den Vorſchlag machen daß das Her-
zogthum einen Geldbeitrag zur däniſchen Flotte liefere, um nicht in den Fall
zu kommen daß Schleswiger gezwungen wären auf der däniſchen Flotte
zu dienen. Betreffs der Rechte Holſteins und mittelbar des Bundes an
Schleswig, d. h. alſo des Zuſammenhangs der Herzogthümer, bleibt
Preußen bei ſeinen früheren Forderungen (wozu Gemeinſamkeit der Ge-
richtsverfaſſung — Oberappellationsgericht u. ſ. w., und des Poſt- und
Zollweſens zu rechnen). Uebrigens wird von Bundeswegen dieß Recht
wohl noch ſpeciell geltend zu machen ſeyn. Soviel ich weiß iſt auf das dä-
niſche Expoſé noch keine Erwiederung erfolgt. Die letzte hiehergelangte
Nachricht aber, über das nunmehr wirklich an die Vertrauensmänner
(trotz aller dieſſeitigen Abmahnungen) gerichtete Anſinnen, dient ebenſo-
wenig dazu die Stellung der däniſchen Bevollmächtigten günſtiger zu ma-
chen, als die Artikel der Times, welche auf die ungerechtfertigtſte Weiſe
von der Welt Preußen die Veranlaſſung der Verzögerung der Friedens-
unterhandlungen zuſchieben, und ihm Schuld geben dieſelben Aufrührer
in Baden unterdrückt, in Schleswig aber gehegt und gepflegt zu haben!
Geſtern iſt in der Plenarſitzung des Verwaltungsraths ein förmlicher Be-
ſchluß über das Feſthalten am Ur-Entwurf vom 28 Mai 1849 gefaßt
worden, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Sachſens und Hannovers
Verhalten. Ich ſchreibe Ihnen das einzelne ſpäter. General v. Rado-
witz hat kurz vor ſeiner Abreiſe in Frankfurt die Conflicte zwiſchen Gene-
ralmajor v. Schirnding und Major Deetz ſelbſt erledigt, und zukünftigen
ähnlichen Fällen dadurch vorgebeugt daß er den Commandanten unmittel-
bar unter die Befehle der Bundescommiſſion ſtellte.



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[492/0012] Das letztere gilt insbeſondere auch von dem epigrammatiſchen Dia- loge welchen der Dichter den Wortführern des Volkes in den Mund legt. Abgeſehen davon daß das Volk in der Perſon dieſer Leute durchaus nicht als ſelbſtbetheiligt, als leidenſchaftlich bewegt, oder gar als bewegend auftritt, ſondern ſich vielmehr rein kritiſch zu der Handlung verhält, iſt jener Dialog ſtellenweiſe meiſterlich gehandhabt, ſo daß jedes Wort des- ſelben ſchwer ins Gewicht fällt. An andern Stellen hingegen tritt das Beſtreben des Dichters, ſeine Perſonen bedeutende Worte ſagen zu laſſen welche ſie vergebens ſuchen, mit einer erkältenden Abſichtlichkeit und Ver- geblichkeit hervor. Man hat bereits wiederholt geſagt, und ich kann es nur beſtätigen daß der Robespierre kein Tendenzſtück iſt. Republik und Monarchie, Frei- heit und Herrſchaft, Religion und Atheismus, das alles wird mit abſo- luter Unparteilichkeit lediglich als dichteriſches Motiv behandelt, derge- ſtalt daß kaum irgendein Leſer des Robespierre, welcher Partei er auch angehöre, durch denſelben zum Widerſpruch gereizt, in ſeinen Gefühlen beeinträchtigt, verſtimmt werden könnte. Das gilt vom Leſer und von dem Zuhörer des Vorleſens. Für den Zuſchauer im Theater ſtellt ſich die Sache anders. Die Tendenz welche der Dichter nicht in ſein Stück gelegt hat, das Publicum legt ſie hinein, und das argloſe Kind der Kunſt wird unverſehens zum Handlanger der Politik gepreßt. Alle Macht kommt vom Volk, heißt es auf der Bühne, und das Publicum jubelt Beifall; es lebe die Republik! ruft Danton oder Robespierre, und das Publicum ſtimmt ein; der Feſtzug auf dem Marsfeld wird von der Marſeillaiſe be- gleitet, und nachdem ſie zehn- oder zwölfmal geſpielt, verlangt das Pu- blicum ſie zum elften- oder dreizehntenmal. Das Publicum iſt mit dem allem in ſeinem Recht, deſſen Ausübung man ihm indeſſen wohl nicht überall gönnen wird, obgleich es damit wahrhaftig nicht viel auf ſich hat. Wenn von der Republik aus wirklich eine Staatsgefahr droht, ſo wird ſie, meines Dafürhaltens, weder entfernt noch vermindert dadurch daß man den Leuten den Mund ſtopft. Aber freilich, unſere Staatsmänner und Theaterintendanten müſſen das beſſer wifſen. Um von der Aufführung des Robespierre als ſolcher ein paar Worte hinzuzufügen, ſo war dieſelbe, wie geſagt, zwar mittelmäßig, aber doch beſſer als ſich von den beſchränkten Kräften der hieſigen Bühne erwarten ließ, die zu dieſem Zwecke von außen her ergänzt waren. Von den fünf- undzwanzig Rollen des Stückes, die zum Theil allerdings ſehr unbe- deutend, ja vollkommen überflüſſig ſind, waren freilich nur drei oder vier ziemlich gut beſetzt, dagegen wurde aber auch nur eine einzige gänzlich verpfuſcht, die des Danton. Heute haben wir die dritte Vorſtellung des Robespierre, und einer Kälte von 18 Graden zum Trotz ſind die Eintritts- karten längſt bis auf die letzte vergriffen. Berlin und Kopenhagen. ⠇ Berlin, 25 Jan. Ich komme noch einmal auf das von den dä- niſchen Bevollmächtigten zum Behuf der Friedensunterhandlungen über- gebene Expoſé zurück, über deſſen Inhalt ich folgendes nähere erfahre. Es bezeichnet als Hauptgegenſtand der Unterhandlung die nähere Beſtim- mung der ſelbſtändigen Verfaſſung Schleswigs und der politiſchen Union desſelben mit Dänemark. Die ſchleswigiſche Verfaſſung ſoll in einer eige- nen Ständeverſammlung, in geſonderter Legislatur und Verwaltung be- ſtehen, d. h. ſoweit es die „union politique“ erlaubt! Dieſes iſt nach däniſcher Auffaſſung nur der Fall bei der Civilgeſetzgebung, Civiladmi- niſtration, dem Unterrichtsweſen und Cultus, dem Gemeinde- und Ge- werbweſen, und endlich dem Finanzweſen, inwiefern es ſich um Einnahme und Ausgabe handelt, welche die innern Beziehungen des Herzogthums betreffen. Die ſchleswig’ſche Ständeverſammlung wird außer bei der in- nern Geſetzgebung ſich mit der Votirung der Budgetquoten zu befaſſen haben, welche zu den gemeinſamen Ausgaben des Königreichs und des Her- zogthums erforderlich ſind, und nicht von den gemeinſamen Einnahmen gedeckt werden ſollten! In der Verfaſſung des Herzogthums wird die Gleichberechtigung der Nationalitäten durch genaue Beſtimmungen garan- tirt ſeyn. Was nun die „politiſche Union“ betrifft, ſo wird dieſelbe von den däniſchen Diplomaten ſehr handgreiflich gemacht. Sie beſteht in Gemeinſamkeit: der aufzubringenden Civilliſte und der ſonſtigen kö- niglichen Dotation, des Geſandtſchafts- und des Conſularweſens, Gemein- ſamkeit des Kriegsweſens, des Zoll- und Poſtweſens, Gemeinſamkeit der Activa und Paſſiva, die Staatsdomänen mit inbegriffen, und der auf alle obigen Punkte bezüglichen Einnahmen und Ausgaben. Dabei wird däni- ſcherſeits noch behauptet: daß man diejenige Gemeinſamkeit des Finanzweſens, welche bis zum März 1848 exiſtirt habe, auf- gebe! Die gemeinſam verbleibenden Gegenſtände ſollen überdieß einer ge- meinſamen Geſetzgebung und Verwaltung untergeordnet werden, wobei Schleswig auf denſelben Fuß wie Dänemark zu ſtehen kommen ſoll. Und zwar ſoll die Budgetquote mit der es an dem gemeinſamen Finanzweſen participirt, alsbald und unveränderlich nach den jetzigen Bevölkerungs- verhältniſſen feſtgeſetzt werden. Die politiſche Union ſoll ewig ſeyn! und die Gränzen zwiſchen Schleswig und Holſtein (d. h. Deutſch- land) ſollen nach einem eigenen Vertrag mit Rückſicht auf die hiſtoriſchen Documente gezogen werden; auch über Rendsburg wird darin Beſtimmung zu treffen ſeyn. Das Ganze zu garantiren ſollen die Großmächte aufge- fordert werden. Ueber die Hauptanſtöße die man preußiſcherſeits an die- ſen anmuthigen Propoſitionen nimmt, werde ich Ihnen in meinem nächſten Schreiben ausführliche Mittheilungen machen. Es ſind übrigens, ſoviel ich gehört, noch keinerlei Rückäußerungen auf das däniſche Expoſé er- folgt. — In der Verfaſſungskriſts hoffen jetzt die Ultraconſervativen auf den neuen Vermittelungsvorſchlag der erſten Kammer, der noch nicht for- mulirt ſcheint; die Liberalen auf einen in der zweiten Kammer einzubrin- genden Antrag welcher die Einführung der Pairie bis zum Jahre 1852 hinausſchieben, und überdieß eine weſentliche Modification der königlichen Propoſitionen hierin fordern würde. Der Aufſchub bezweckt die vorherige Einführung der neuen Grundſteuer- und Ablöſungsgeſetze, ſowie der Ge- meindeordnung. ⠇ Berlin, 26 Jan. Der Hauptanſtoß den Preußen an den däni- ſchen Propoſitionen nimmt, iſt erſtlich die unerhörte Prätenſion, die »union politique« des Herzogthums Schleswig mit Dänemark zu einer ewigen Union machen zu wollen. Preußen bleibt in dieſer Beziehung unveränderlich bei der Erklärung welche es von Ritter Bunſen am 17 März 1849 in London hatte abgeben laſſen: »que les mots de l’article premier (de la convention projetée du 15 Mars), qui établissent que l’union politique entre ce duché et la couronne de Dane- marc reste intacte, doivent être entendus en ce sens que cette union politique reste intacte aussi longtemps que la maison ac- luellement régnante en Danemarc n’est pas éteinte dans les mâ- les. Nicht ein Tüttelchen über eine gewöhnliche Perſonalunion hinaus iſt zu concediren, darüber iſt im dieſſeitigen Cabinet kein Zweifel; dar- in iſt bis jetzt, wie es ſcheint, auch England ganz entſchiedener Anſicht. Dieſe Verbindung darf alſo im einzelnen auch nur auf die gemeinſamen Verhältniſſe zum Ausland von Dänemark ausgedehnt werden, und von dieſem Geſichtspunkt aus iſt der Begriff der „Selbſtändigkeit“ Schleswigs einerſeits feſtzuſtellen, andrerſeits aber von dem Geſichtspunkt des recht- lich begründeten und materiell ebenfalls nothwendigen inneren Zuſam- menhanges mit Holſtein. Die Selbſtändigkeit betreffend, ſo iſt vor allem auf ſtrenge Sonderung des Finanzweſens und Kriegsweſens zu dringen. Die Civilliſte und die für das Conſular- und Geſandtſchaftsweſen nothwen- dige Gemeinſamkeit dürften Billigung erfahren. Gemeinſamkeit der öf- fentlichen Schuld und der Activa niemals. Das Landheer muß nach preußiſcher Forderung ein eigenes ſchleswigiſches Contingent bilden, und ebenſowenig nach Dänemark verſetzbar ſeyn wie umgekehrt däniſche Trup- pen im Herzogthum zu verwenden wären. Eine Hauptſchwierigkeit bil- det die Flotte. Da eine ſchleswigiſche Flotte nicht gedacht werden kann, ſo wird man dieſſeits wahrſcheinlich den Vorſchlag machen daß das Her- zogthum einen Geldbeitrag zur däniſchen Flotte liefere, um nicht in den Fall zu kommen daß Schleswiger gezwungen wären auf der däniſchen Flotte zu dienen. Betreffs der Rechte Holſteins und mittelbar des Bundes an Schleswig, d. h. alſo des Zuſammenhangs der Herzogthümer, bleibt Preußen bei ſeinen früheren Forderungen (wozu Gemeinſamkeit der Ge- richtsverfaſſung — Oberappellationsgericht u. ſ. w., und des Poſt- und Zollweſens zu rechnen). Uebrigens wird von Bundeswegen dieß Recht wohl noch ſpeciell geltend zu machen ſeyn. Soviel ich weiß iſt auf das dä- niſche Expoſé noch keine Erwiederung erfolgt. Die letzte hiehergelangte Nachricht aber, über das nunmehr wirklich an die Vertrauensmänner (trotz aller dieſſeitigen Abmahnungen) gerichtete Anſinnen, dient ebenſo- wenig dazu die Stellung der däniſchen Bevollmächtigten günſtiger zu ma- chen, als die Artikel der Times, welche auf die ungerechtfertigtſte Weiſe von der Welt Preußen die Veranlaſſung der Verzögerung der Friedens- unterhandlungen zuſchieben, und ihm Schuld geben dieſelben Aufrührer in Baden unterdrückt, in Schleswig aber gehegt und gepflegt zu haben! Geſtern iſt in der Plenarſitzung des Verwaltungsraths ein förmlicher Be- ſchluß über das Feſthalten am Ur-Entwurf vom 28 Mai 1849 gefaßt worden, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Sachſens und Hannovers Verhalten. Ich ſchreibe Ihnen das einzelne ſpäter. General v. Rado- witz hat kurz vor ſeiner Abreiſe in Frankfurt die Conflicte zwiſchen Gene- ralmajor v. Schirnding und Major Deetz ſelbſt erledigt, und zukünftigen ähnlichen Fällen dadurch vorgebeugt daß er den Commandanten unmittel- bar unter die Befehle der Bundescommiſſion ſtellte.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1850/12>, abgerufen am 27.11.2024.