Allgemeine Zeitung, Nr. 23, 13. Juni 1920.13. Juni 1920 Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Werke des Strabon. Er sagt, die Germanen seien von den Kelten durch größere Wildheit, Körpergröße und blonderes Haar verschieden, im übrigen aber an Gestalt und Lebens- weise sehr ähnlich. Deshalb -- meint Strabon -- nannten die Römer die Germanen, indem sie diese Völker als "echte (germani) Gallier" bezeichnen wollten. Denn germanus bedeutet im Lateinischen "die Echten". Den Römern waren die Gallier längst als gefährliche Feinde bekannt; als nun in den Cimbern und Teutonen aus dem Norden ihnen ähnlich scheinende Völker erschienen, die ein Schrecken für Rom wurden, sah man in ihnen auch Kelten. Man nannte sie "echte" Kelten, weil sie alle Eigenschaften, durch die die Gallier furchtbar waren, in gesteigertem Maße besaßen. So konnte die Zeit des Marius denken, und diese Anschauung hätte etwa der größte Gelehrte der Zeit, Poseidonios, auf- genommen, von dem Strabon abhängig ist. Man sprach nur einfach von den Germani, den "Echten", und dieser Name blieb an den Völkern haften, die den Römern seit Cäsar in ihrer völkischen und sprachlichen Eigenart bekannt wurden, an den "Deutschen". Aber der Name trit noch früher auf, und zwar wurden So ist der Grundgedanke der Schrift Birts. Zahlreiche, III. Durch Norden aber ist Birts Ausführung allerdings So kommen wir zu der Möglichkeit, daß der Name Ob diese Erklärung zutrifft, hängt von sehr verwickelten [irrelevantes Material]
13. Juni 1920 Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Werke des Strabon. Er ſagt, die Germanen ſeien von den Kelten durch größere Wildheit, Körpergröße und blonderes Haar verſchieden, im übrigen aber an Geſtalt und Lebens- weiſe ſehr ähnlich. Deshalb — meint Strabon — nannten die Römer die Germanen, indem ſie dieſe Völker als „echte (germani) Gallier“ bezeichnen wollten. Denn germanus bedeutet im Lateiniſchen „die Echten“. Den Römern waren die Gallier längſt als gefährliche Feinde bekannt; als nun in den Cimbern und Teutonen aus dem Norden ihnen ähnlich ſcheinende Völker erſchienen, die ein Schrecken für Rom wurden, ſah man in ihnen auch Kelten. Man nannte ſie „echte“ Kelten, weil ſie alle Eigenſchaften, durch die die Gallier furchtbar waren, in geſteigertem Maße beſaßen. So konnte die Zeit des Marius denken, und dieſe Anſchauung hätte etwa der größte Gelehrte der Zeit, Poſeidonios, auf- genommen, von dem Strabon abhängig iſt. Man ſprach nur einfach von den Germani, den „Echten“, und dieſer Name blieb an den Völkern haften, die den Römern ſeit Cäſar in ihrer völkiſchen und ſprachlichen Eigenart bekannt wurden, an den „Deutſchen“. Aber der Name trit noch früher auf, und zwar wurden So iſt der Grundgedanke der Schrift Birts. Zahlreiche, III. Durch Norden aber iſt Birts Ausführung allerdings So kommen wir zu der Möglichkeit, daß der Name Ob dieſe Erklärung zutrifft, hängt von ſehr verwickelten [irrelevantes Material]
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Den Römern waren<lb/> die Gallier längſt als gefährliche Feinde bekannt; als nun<lb/> in den Cimbern und Teutonen aus dem Norden ihnen ähnlich<lb/> ſcheinende Völker erſchienen, die ein Schrecken für Rom<lb/> wurden, ſah man in ihnen auch Kelten. Man nannte ſie<lb/> „echte“ Kelten, weil ſie alle Eigenſchaften, durch die die<lb/> Gallier furchtbar waren, in geſteigertem Maße beſaßen. So<lb/> konnte die Zeit des Marius denken, und dieſe Anſchauung<lb/> hätte etwa der größte Gelehrte der Zeit, Poſeidonios, auf-<lb/> genommen, von dem Strabon abhängig iſt. Man ſprach<lb/> nur einfach von den Germani, den „Echten“, und dieſer<lb/> Name blieb an den Völkern haften, die den Römern ſeit<lb/> Cäſar in ihrer völkiſchen und ſprachlichen Eigenart bekannt<lb/> wurden, an den „Deutſchen“.</p><lb/> <p>Aber der Name trit noch früher auf, und zwar wurden<lb/> Völker in den Ardennen <hi rendition="#aq">„Germani“</hi> genannt. Als um<lb/> 120 v. Chr. die Provincia Narbonenſis begründet war,<lb/> zogen auch römiſche Kaufleute die alte phoenikiſch-griechiſche<lb/> Handelsſtraße, die von Marſeille an den Niederrhein führte.<lb/> Hier ſaßen die Nervier und Belger, deren rauhe Geſittung<lb/> Cäſar bezeugt; ſie verboten z. B. die Einfuhr von Wein.<lb/> Noch wilderen Charakter ſcheinen die Ardennenvölker, die<lb/> Eburonen, Tungern und andere, gehabt zu haben. Mit<lb/> ihnen war für den römiſchen Kaufmann kein Geſchäſt zu<lb/> machen; es waren die rechten Wilden. Das waren die<lb/> Germani, wie Rom ſie an den Galliern kennengelernt hatte.<lb/> So entſtand der Name <hi rendition="#aq">Germani</hi> dort, wo Germanen links<lb/> vom Rheine ſaßen, oft unter Kelten, und bezeichneten ſie<lb/> als beſonders barbariſche Kelten. Aus Germani iſt dann,<lb/> wohl ſchon bei Poſeidonios, der Landesname Germania<lb/> gebildet worden.</p><lb/> <p>So iſt der Grundgedanke der Schrift Birts. Zahlreiche,<lb/> recht lehrreiche Nebenfragen faſſe ich hier unerörtert. Wer<lb/> ſich genau mit dem Problem bekanntmachen will, muß<lb/> ohnehin Birts und Nordens oben genannte Schriften leſen.</p><lb/> <p>III.</p><lb/> <p>Durch Norden aber iſt Birts Ausführung allerdings<lb/> aufs ſchwerſte erſchüttert worden. Eine Unterſuchung der<lb/> Strabon-Stelle vernichtet die Glaubwürdigkeit ſeiner Angaben<lb/> und entzieht der Beweisführung Birts die Grundlage. Die<lb/> Stelle erweiſt ſich als eine Aeußerung der perſönlichen<lb/><hi rendition="#g">Meinung</hi> Strabons; ſie iſt aber kein Zeugnis für den<lb/> Urſprung und den Sinn des Namens. Seine Anſicht iſt<lb/> ſür uns deshalb wertlos, weil er Grieche war und ſehr<lb/> geringe Lateinkenntniſſe beſaß, wie er denn öfter falſche<lb/> Volkserklärungen gibt. Die Erklärung „<hi rendition="#aq">Germani</hi>“ als „die<lb/> Echten“ iſt eine ſinnloſe Spielerei, die ſich nur auf den<lb/> zufälligen Gleichklang zweier Worte ſtützt. Derartige Er-<lb/> klärungen aber hat es im Altertum und Mittelalter ſehr oft<lb/> gegeben, ja, ſie treten heute noch auf. Oft ſind derartige<lb/> Erklärungen aus Wortanklängen ſogar ſcherzhaft. Der<lb/> Spanier Jſidor bringt es fertig, Germani aus <hi rendition="#aq">Immanis</hi><lb/> (ungeheuerlich) herzuleiten, was kaum ernſt zu nehmen iſt.<lb/> Wenn ferner Germanenſtämme, wie die Zimbern, Teutonen,<lb/> Tiguriner und Ambronen bei Oroſius als „Völker germani-<lb/> ſcher Gallier (Gallorum Germanorum gentes) bezeichnet<lb/> werden, ſo kann dies nichts anderes als „germaniſche<lb/> Gallier“ bedeuten, d. h. dieſe Völker ſaßen in Gallien,<lb/> waren aber germaniſcher Herkunft. Dabei kann es ſich ſehr<lb/> wohl um Miſchvölker handeln, die ſich auf galliſcher Grund-<lb/> lage durch das Eindringen germaniſcher Eroberer in die<lb/> linksrheiniſchen Gebiete bildeten. Germaniſche Wandervölker,<lb/> wie die Teutonen und Ambronen, mögen auch galliſche<lb/> Maſſen in ſich aufgenommen haben.</p><lb/> <p>So kommen wir zu der Möglichkeit, daß der Name<lb/> Germane, der die Völkergemeinſchaft bezeichnete, dieſen<lb/><cb/> Völkern von außen, d. h. von Nachbarn gegeben iſt. Es<lb/> iſt eine bekannte Tatſache, daß ein Volk ſeinen Nachbarn<lb/> eher als eine Einheit erſcheint als ſich ſelbſt. Zuſammen-<lb/> faſſende Völkernamen ſind deshalb oft volksfremden Urſprungs<lb/> oder entſtehen erſt, wenn ein Volk ſich ſeiner Gemeinſchaft<lb/> bewußt wird. Als namengebende Nachbarn können aber<lb/> nur die Kelten in Frage kommen. So iſt denn immer<lb/> wieder verſucht, eine Ableitung aus dem Keltiſchen zu ge-<lb/> winnen, ohne daß man ſagen dürfte, <hi rendition="#g">eine</hi> Erklärung ſei<lb/> zweifellos ſicher. Aug. Pott verſuchte den Namen zu deuten<lb/> als Zuſammenſetzung aus der Präpoſition ge + dir (Oſten)<lb/> + man (Land, Volk), alſo: „Oſtleute“. Leo, Jakob Grimm<lb/> und Ebel wieſen auf keltiſch <hi rendition="#aq">garm, gairm</hi> (Geſchrei) hin und<lb/> erklärten den Namen als „ſtarke Schreier“. Dabei dachte<lb/> man natürlich an den Bericht des Tacitus, wonach die<lb/> Germanen mit lautem Geſchrei in den Kampf zogen. Am<lb/> meiſten Anklang hat wohl die Erklärung von Zeuß als<lb/> „Nachbarn“ nach dem keltiſchen <hi rendition="#aq">ger</hi> „Nachbar“ gefunden.<lb/> Much hat nach der Strabon-Stelle den Namen als die<lb/> „Stammechten“ und Kögel als „Bergbewohner“ (Sanskrit<lb/><hi rendition="#aq">giri</hi> ſlawiſch <hi rendition="#aq">gora</hi> „Berg“) erklären wollen. Der neueſte,<lb/> geiſtreiche Deutungsverſuch von R. Henning erklärt Germani<lb/> als „die an warmen Quellen Wohnenden“. Sachlich wäre<lb/> ſolcher Name denkbar, um den Beſitz warmer Quellen und<lb/> Salzquellen haben oft Kämpfe ſtattgefunden.</p><lb/> <p>Ob dieſe Erklärung zutrifft, hängt von ſehr verwickelten<lb/> lautgeſetzlichen Fragen ab, die im Keltiſchen auftreten. Jm<lb/> ganzen darf man ſagen: obwohl keine der keltiſchen Er-<lb/> klärungen bisher völlig geſichert iſt, bleibt doch die Wahr-<lb/> ſcheinlichkeit keltiſcher Herkunft des Namens beſtehen. Dafür<lb/> macht Norden die Tatſache geltend, daß die Stämme der<lb/> linksrheiniſchen Germanen, die Cacſar nennt, meiſt keltiſche<lb/> Namen führen. Sicher keltiſch ſind die Ebnrones, Condruſi<lb/> und Caeroſi, wahrſcheinlich die Segni. Der Name des<lb/> fünften Stammes, der „Paemani“, weiſt eine Bildung wie<lb/> die keltiſchen Volksnamen der Cenomani, Comani auf und<lb/> erinnert am nächſten an Germani. An dieſen Stämmen<lb/> haſtet aber urſprünglich der Name Germanen als ihre<lb/> gemeinſame Benennung (Caeſar, Bell. gall II, 4). Nach<lb/> dieſen belgiſchen Germanen, die im 2. Jahrh. v. Chr. aus<lb/> Weſtfalen eingewandert waren, ſind dann erſt die über den<lb/> Rhein nachrückenden Germanen benannt worden, die jene<lb/> verdrängten. Offenbar haben die Kelten auch das rechts-<lb/> rheiniſche Land noch als Germanenland betrachtet, als es ſchon<lb/> von Stämmen beſetzt war, die wir Germenen nennen. So<lb/> ſcheint das Ergebnis zu ſein, daß Germani urſprünglich<lb/> der Name für eine Gruppe keltiſcher Stämme war, an<lb/> deren Stelle dann rechtsrheiniſche Völker traten, die mit<lb/> dem Gebiet auch den Namen erhielten. Da dies aber</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0007]
13. Juni 1920 Allgemeine Zeitung
Werke des Strabon. Er ſagt, die Germanen ſeien von
den Kelten durch größere Wildheit, Körpergröße und blonderes
Haar verſchieden, im übrigen aber an Geſtalt und Lebens-
weiſe ſehr ähnlich. Deshalb — meint Strabon — nannten
die Römer die Germanen, indem ſie dieſe Völker als „echte
(germani) Gallier“ bezeichnen wollten. Denn germanus
bedeutet im Lateiniſchen „die Echten“. Den Römern waren
die Gallier längſt als gefährliche Feinde bekannt; als nun
in den Cimbern und Teutonen aus dem Norden ihnen ähnlich
ſcheinende Völker erſchienen, die ein Schrecken für Rom
wurden, ſah man in ihnen auch Kelten. Man nannte ſie
„echte“ Kelten, weil ſie alle Eigenſchaften, durch die die
Gallier furchtbar waren, in geſteigertem Maße beſaßen. So
konnte die Zeit des Marius denken, und dieſe Anſchauung
hätte etwa der größte Gelehrte der Zeit, Poſeidonios, auf-
genommen, von dem Strabon abhängig iſt. Man ſprach
nur einfach von den Germani, den „Echten“, und dieſer
Name blieb an den Völkern haften, die den Römern ſeit
Cäſar in ihrer völkiſchen und ſprachlichen Eigenart bekannt
wurden, an den „Deutſchen“.
Aber der Name trit noch früher auf, und zwar wurden
Völker in den Ardennen „Germani“ genannt. Als um
120 v. Chr. die Provincia Narbonenſis begründet war,
zogen auch römiſche Kaufleute die alte phoenikiſch-griechiſche
Handelsſtraße, die von Marſeille an den Niederrhein führte.
Hier ſaßen die Nervier und Belger, deren rauhe Geſittung
Cäſar bezeugt; ſie verboten z. B. die Einfuhr von Wein.
Noch wilderen Charakter ſcheinen die Ardennenvölker, die
Eburonen, Tungern und andere, gehabt zu haben. Mit
ihnen war für den römiſchen Kaufmann kein Geſchäſt zu
machen; es waren die rechten Wilden. Das waren die
Germani, wie Rom ſie an den Galliern kennengelernt hatte.
So entſtand der Name Germani dort, wo Germanen links
vom Rheine ſaßen, oft unter Kelten, und bezeichneten ſie
als beſonders barbariſche Kelten. Aus Germani iſt dann,
wohl ſchon bei Poſeidonios, der Landesname Germania
gebildet worden.
So iſt der Grundgedanke der Schrift Birts. Zahlreiche,
recht lehrreiche Nebenfragen faſſe ich hier unerörtert. Wer
ſich genau mit dem Problem bekanntmachen will, muß
ohnehin Birts und Nordens oben genannte Schriften leſen.
III.
Durch Norden aber iſt Birts Ausführung allerdings
aufs ſchwerſte erſchüttert worden. Eine Unterſuchung der
Strabon-Stelle vernichtet die Glaubwürdigkeit ſeiner Angaben
und entzieht der Beweisführung Birts die Grundlage. Die
Stelle erweiſt ſich als eine Aeußerung der perſönlichen
Meinung Strabons; ſie iſt aber kein Zeugnis für den
Urſprung und den Sinn des Namens. Seine Anſicht iſt
ſür uns deshalb wertlos, weil er Grieche war und ſehr
geringe Lateinkenntniſſe beſaß, wie er denn öfter falſche
Volkserklärungen gibt. Die Erklärung „Germani“ als „die
Echten“ iſt eine ſinnloſe Spielerei, die ſich nur auf den
zufälligen Gleichklang zweier Worte ſtützt. Derartige Er-
klärungen aber hat es im Altertum und Mittelalter ſehr oft
gegeben, ja, ſie treten heute noch auf. Oft ſind derartige
Erklärungen aus Wortanklängen ſogar ſcherzhaft. Der
Spanier Jſidor bringt es fertig, Germani aus Immanis
(ungeheuerlich) herzuleiten, was kaum ernſt zu nehmen iſt.
Wenn ferner Germanenſtämme, wie die Zimbern, Teutonen,
Tiguriner und Ambronen bei Oroſius als „Völker germani-
ſcher Gallier (Gallorum Germanorum gentes) bezeichnet
werden, ſo kann dies nichts anderes als „germaniſche
Gallier“ bedeuten, d. h. dieſe Völker ſaßen in Gallien,
waren aber germaniſcher Herkunft. Dabei kann es ſich ſehr
wohl um Miſchvölker handeln, die ſich auf galliſcher Grund-
lage durch das Eindringen germaniſcher Eroberer in die
linksrheiniſchen Gebiete bildeten. Germaniſche Wandervölker,
wie die Teutonen und Ambronen, mögen auch galliſche
Maſſen in ſich aufgenommen haben.
So kommen wir zu der Möglichkeit, daß der Name
Germane, der die Völkergemeinſchaft bezeichnete, dieſen
Völkern von außen, d. h. von Nachbarn gegeben iſt. Es
iſt eine bekannte Tatſache, daß ein Volk ſeinen Nachbarn
eher als eine Einheit erſcheint als ſich ſelbſt. Zuſammen-
faſſende Völkernamen ſind deshalb oft volksfremden Urſprungs
oder entſtehen erſt, wenn ein Volk ſich ſeiner Gemeinſchaft
bewußt wird. Als namengebende Nachbarn können aber
nur die Kelten in Frage kommen. So iſt denn immer
wieder verſucht, eine Ableitung aus dem Keltiſchen zu ge-
winnen, ohne daß man ſagen dürfte, eine Erklärung ſei
zweifellos ſicher. Aug. Pott verſuchte den Namen zu deuten
als Zuſammenſetzung aus der Präpoſition ge + dir (Oſten)
+ man (Land, Volk), alſo: „Oſtleute“. Leo, Jakob Grimm
und Ebel wieſen auf keltiſch garm, gairm (Geſchrei) hin und
erklärten den Namen als „ſtarke Schreier“. Dabei dachte
man natürlich an den Bericht des Tacitus, wonach die
Germanen mit lautem Geſchrei in den Kampf zogen. Am
meiſten Anklang hat wohl die Erklärung von Zeuß als
„Nachbarn“ nach dem keltiſchen ger „Nachbar“ gefunden.
Much hat nach der Strabon-Stelle den Namen als die
„Stammechten“ und Kögel als „Bergbewohner“ (Sanskrit
giri ſlawiſch gora „Berg“) erklären wollen. Der neueſte,
geiſtreiche Deutungsverſuch von R. Henning erklärt Germani
als „die an warmen Quellen Wohnenden“. Sachlich wäre
ſolcher Name denkbar, um den Beſitz warmer Quellen und
Salzquellen haben oft Kämpfe ſtattgefunden.
Ob dieſe Erklärung zutrifft, hängt von ſehr verwickelten
lautgeſetzlichen Fragen ab, die im Keltiſchen auftreten. Jm
ganzen darf man ſagen: obwohl keine der keltiſchen Er-
klärungen bisher völlig geſichert iſt, bleibt doch die Wahr-
ſcheinlichkeit keltiſcher Herkunft des Namens beſtehen. Dafür
macht Norden die Tatſache geltend, daß die Stämme der
linksrheiniſchen Germanen, die Cacſar nennt, meiſt keltiſche
Namen führen. Sicher keltiſch ſind die Ebnrones, Condruſi
und Caeroſi, wahrſcheinlich die Segni. Der Name des
fünften Stammes, der „Paemani“, weiſt eine Bildung wie
die keltiſchen Volksnamen der Cenomani, Comani auf und
erinnert am nächſten an Germani. An dieſen Stämmen
haſtet aber urſprünglich der Name Germanen als ihre
gemeinſame Benennung (Caeſar, Bell. gall II, 4). Nach
dieſen belgiſchen Germanen, die im 2. Jahrh. v. Chr. aus
Weſtfalen eingewandert waren, ſind dann erſt die über den
Rhein nachrückenden Germanen benannt worden, die jene
verdrängten. Offenbar haben die Kelten auch das rechts-
rheiniſche Land noch als Germanenland betrachtet, als es ſchon
von Stämmen beſetzt war, die wir Germenen nennen. So
ſcheint das Ergebnis zu ſein, daß Germani urſprünglich
der Name für eine Gruppe keltiſcher Stämme war, an
deren Stelle dann rechtsrheiniſche Völker traten, die mit
dem Gebiet auch den Namen erhielten. Da dies aber
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(2023-04-24T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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