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Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920.

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6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch]

nisses beruft der Kreiswahlleiter den Kreiswahlausschuß,
sobald der Eingang sämtlicher Wahlniederschriften aus den Wahl-
bezirken zu erwarten ist. Dann werden die Reststimmen, die
auf verbundene Wahlvorschläge gefallen sind, dem Verbandswahl-
leiter, Reststimmen, die auf Wahlvorschläge gefallen sind, die mit
einem Reichswahlvorschlag angeschlossen sind, dem Reichswahlleiter
mitgeteilt; der Verbandswahlausschuß stellt dann fest, wieviel Ab-
geordnetensitze auf die Reststimmen der verbundenen Kreiswahl-
vorschläge fallen und welchem Kreisvorschlage sie zukommen, und
teilt die Zuteilung der Sitze den beteiligten Kreiswahlleitern,
die im Wahlkreisverband verbrauchten oder nicht berücksichtigten
Reststimmen dem Reichswahlleiter mit. Der Reichswahlaus-
schuß verfügt dann noch über diese Stimmen. Das ist, wie man
sieht, im ganzen doch noch eine ziemlich umständliche Prozedur und
es werden wohl acht Tage vergehen, bis das gesamte Resultat
vorliegt. Und wenn man selbstverständlich ein allgemeines Bild
von dem Wahlergebnis voraussichtlich schon am Montag erhalten
wird, so wird sich doch die vielleicht entscheidende Frage, ob die
bisherige Koalition in ausreichender Stärke aus der Wahlschlacht
zurückkehrt, um die Regierung weiterzuführen, unter Umständen
erst ganz zuletzt entscheiden, weil es dabei auf einige wenige
Mandate ankommen kann. Wünschenswert im Jnteresse der
Stabilität unserer inneren Verhältnisse wäre es zweifellos, wenn
die Stärke der Koalitionsparteien wenigstens zur Not dazu aus-
reichte, denn dann wird sich die Verbreiterung nach links oder
nach rechts leichter herbeiführen lassen. Seine Bedingungen stel-
len, den Frieden diktieren kann ja nur, wer unentbehrlich ist.
Das haben die Demokraten, die in der bisherigen Koalition
nicht unentbehrlich waren, weil Zentrum und Mehrheitssozial-
demokratie mit zusammen 255 von 423 Mandaten für die Mehr-
heitsbildung allein bequem ausreichten, deutlich genug gespürt.
Jnsofern könnte die Demokratische Partei sogar trotz der mit
ziemlicher Sicherheit zu erwartenden Mandatseinbuße an poli-
tischem Einfluß gewinnen.

Das Ergebnis des 6. Juni wird jedenfalls in seiner Art
so wichtig sein wie das der Wahlen zur verfassunggebenden
Nationalversammlung, und wenn man unseres Erachtens nicht
gerade in dem Sinne von einem Schicksalstage reden darf, daß
etwa die Existenz unseres Reiches und Volkes auf dem Spiele
stünde, so ist doch das eine jedenfalls richtig, daß das deutsche
Volk an diesem Tage sein Schicksal sich selber schafft, und daß eine
heilige Pflicht gegen sein Volk unterläßt, wer sich diesem Tage ent-
zieht.



Wissenschaft, Kultur und Technik
Der Germanen-Name.

Die Frage nach Ursprung und Bedeutung des Namens
"Germanen" ist seit langem und vielfach erörtert worden,
ohne daß es bisher gelungen wäre, eine unbestrittene Erklärung
zu gewinnen. Neuerdings sind mehrere höchst gehaltvolle
Arbeiten erschienen, deren Ergebnisse auch in weiteren Kreisen
Beachtung verdienen. Das anziehend geschriebene Buch von
Theod. Birt (Die Germanen. Eine Erklärung der Ueber-
lieferung über Bedeutung und Herkunft des Völkernamens.
München 1917) wird schon durch den weit über die Fachkreise
hinaus bekannten Namen des ausgezeichneten Marburger
Philologen Beachtung und -- vielleicht allzuleicht -- Glauben
finden. Eine freilich sehr gewagte sprachliche Erklärung hat
Fr. Hartmann versucht in der Fachzeitschrift "Glotta" Bd. 9
(1917) S. 1 fs. Er geht mit Birts Erklärung zusammen.
Aber gerade die Grundlagen dieser Auffassung sind aufs
schwerste erschüttert worden durch Ed. Norden (Germani.
Ein grammatisch-ethnologisches Problem. Sitzungsberichte der
Berliner Akademie der Wissenschaften 1918, Heft 5). Es ist
dies wohl die bedeutendste aller bisherigen Untersuchungen
des Namens. Einen dritten Versuch, der an Jakob Grimms
Vermutung anknüpft, hat der Germanist Friedr. Kluge
unternommen (Beilage Nr. 40 zur "Kölnischen Zeitung" vom
6. Okt. 1918). Jhm kommt nahe ein Artikel von R. Much
[Spaltenumbruch] "G. Z. in Hoops" Reallexikon der germanischen Altertums-
kunde (Bd. 2, S. 18 2 ff.).

Die erste Frage gilt dem Ursprung des Namens, seiner
sprachlichen Herkunft. Dann erst läßt sich seine Bedeutung
erörtern. Nun liegt die Sache heute so, daß man für das
Wort "Germani" lateinischen (Birt), keltischen (Norden) oder
germanischen (Kluge) Ursprung nachzuweisen sucht. Daraus
ergeben sich dann ganz verschiedene Bedeutungen. Schon
das noch herrschende Wirrsal der Erklärungen, die doch mit
den feinsten Mitteln moderner Sprachwissenschaft und Geschichts-
forschung unternommen sind, wird auch dem Laien verraten,
daß hier tatsächlich größte Schwierigkeiten vorliegen.

Untersuchen wir einerseits die Angaben, die Cäsar und
Tacitus über den Namen "Germani" machen, andrerseits
den mittelalterlichen Gebrauch des Namens Germanus, so
weist der letztere zweifellos in romanisches Gebiet, und zwar
in das romanisierte Keltenland. Gerade hier aber sind die
lateinische, keltische und germanische Sprache nebeneinander
wirksam gewesen und haben sich vielfach durchdrungen.
Aus dem Ursprungsgebiet können wir also nichts über die
Herkunft des Namens schließen. Versuchen wir es also zunächst
mit der Ableitung aus dem Germanischen. Zunächst seien
zwei Erklärungen erledigt, die in weiteren Kreisen auch heute
noch oft angenommen werden. Ganz unmöglich ist die Er-
klärung "Ger-menner" (Sper-menner), weil damals das
Wort für Ger "Gaiso" gelautet haben muß und weil nicht
die Lanze, sondern Schwert und Axt die charakteristischen
Waffen der Germanen waren. Die zweite Deutung hält
Germani nicht für einen Namen, sondern findet darin den
Sinn Beute, Land oder Gold "begehrende Leute". Dafür
werden die "gerndiu die" (bettelndes oder lohnforderndes
Volk) des Mittelalters angeführt. Auch liegt hier ein
althochdeutsches Zeitwort geron vor. Der Name müßte
dann aus Geramanniz entstanden sein, der sich in der
Tat einmal auf einer lateinischen Jnschrift als Geramanila
(doch neben Germanila) findet. Jndes sind für diese Deutung
wohl weniger sprachliche Gründe entscheidend gewesen, als
vielmehr einige Angaben Cäsars, wonach germanische Scharen
mehrfach als Landsuchende in Gallien erschienen oder auch
gegen Sold in den Dienst gallischer Stammesfürsten traten.
Sollten derartige Fälle geeignet sein, einem Volke den Namen
zu geben? Es war sicher nicht für die Germanen allein be-
zeichnend. So muß auch diese Deutung mindestens fraglich
bleiben. Sodann ist versucht worden, Germanus zu erklären
als Zusammensetzung von Ga-ermans, wobei ga "Zusammen,
gemeinsam" bedeutet (wie in Ge-nossen). Jn erman oder
irman sucht man dann den Volksnamen, so daß Ga-ermans
"Volksgenossen" bedeuten würde (so Wilh. Wackernagel 1844).
Diese Erklärung ist kaum haltbar, da der Vokal der Bildungs-
silbe ga in zusammengesetzten Worten nicht verschwindet.
Zweifellos ist der Name Germanus nur durch römische
Ueberlieferung bekannt. Es liegt also die Vermutung nahe,
daß er eine römische Umbildung eines deutschen Wortes
sein kann. Dafür sprechen zwei Tatsachen: der Name
lautet Germanus; ein langes und betontes a in zweiter Silbe
war dem germanischen für die Zeit unbekannt, wo die
Römer den Namen bezeugen, d. h. für das 1. Jahrh. v. Chr.
bis ins 4. Jahrh. n. Chr. An zweiter Stelle sind nieder-
fränkische und altsächsische Ortsnamen, wie Germenberga,
Germenulf, Girminsburg, Zeugen für den Germanennamen.
Hier ist nicht zweifelhaft, daß bereits die romanisierte Form
des Namens zugrunde liegt. Jst ein deutscher Name aber
romanisiert worden, so fragt sich, wie er lautete. Hier hat
nun Kluge einen Gedanken Jakob Grimms erneuert. Die
Form Germanus macht zweifellos nicht den Eindruck einer
deutschen Wortbildung, wohl aber könnte sie eine volks-
ethymologische römische Umbildung sein, die durch das
lateinische germanus (echt) hervorgerufen sein mag. Dann
dürfen wir wohl in dem Namen ein germanisches Ermanos
vermuten, das uns in dem Ermanarich (d. h. "Volkskönig")
überliefert ist. Altgermanische Männernamen sind öfter aus
Völkernamen abgeleitet, z. B. Bojorix (Bojerkönig), Theu-
dorix (Teutonenkönig), Engelhard (Kühn wie in Angle).
Was aber bedeutet nun Ermanos? Es liegt nahe, an das
vielfach überlieferte Wort erman oder irnim zu denken, in

6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch]

niſſes beruft der Kreiswahlleiter den Kreiswahlausſchuß,
ſobald der Eingang ſämtlicher Wahlniederſchriften aus den Wahl-
bezirken zu erwarten iſt. Dann werden die Reſtſtimmen, die
auf verbundene Wahlvorſchläge gefallen ſind, dem Verbandswahl-
leiter, Reſtſtimmen, die auf Wahlvorſchläge gefallen ſind, die mit
einem Reichswahlvorſchlag angeſchloſſen ſind, dem Reichswahlleiter
mitgeteilt; der Verbandswahlausſchuß ſtellt dann feſt, wieviel Ab-
geordnetenſitze auf die Reſtſtimmen der verbundenen Kreiswahl-
vorſchläge fallen und welchem Kreisvorſchlage ſie zukommen, und
teilt die Zuteilung der Sitze den beteiligten Kreiswahlleitern,
die im Wahlkreisverband verbrauchten oder nicht berückſichtigten
Reſtſtimmen dem Reichswahlleiter mit. Der Reichswahlaus-
ſchuß verfügt dann noch über dieſe Stimmen. Das iſt, wie man
ſieht, im ganzen doch noch eine ziemlich umſtändliche Prozedur und
es werden wohl acht Tage vergehen, bis das geſamte Reſultat
vorliegt. Und wenn man ſelbſtverſtändlich ein allgemeines Bild
von dem Wahlergebnis vorausſichtlich ſchon am Montag erhalten
wird, ſo wird ſich doch die vielleicht entſcheidende Frage, ob die
bisherige Koalition in ausreichender Stärke aus der Wahlſchlacht
zurückkehrt, um die Regierung weiterzuführen, unter Umſtänden
erſt ganz zuletzt entſcheiden, weil es dabei auf einige wenige
Mandate ankommen kann. Wünſchenswert im Jntereſſe der
Stabilität unſerer inneren Verhältniſſe wäre es zweifellos, wenn
die Stärke der Koalitionsparteien wenigſtens zur Not dazu aus-
reichte, denn dann wird ſich die Verbreiterung nach links oder
nach rechts leichter herbeiführen laſſen. Seine Bedingungen ſtel-
len, den Frieden diktieren kann ja nur, wer unentbehrlich iſt.
Das haben die Demokraten, die in der bisherigen Koalition
nicht unentbehrlich waren, weil Zentrum und Mehrheitsſozial-
demokratie mit zuſammen 255 von 423 Mandaten für die Mehr-
heitsbildung allein bequem ausreichten, deutlich genug geſpürt.
Jnſofern könnte die Demokratiſche Partei ſogar trotz der mit
ziemlicher Sicherheit zu erwartenden Mandatseinbuße an poli-
tiſchem Einfluß gewinnen.

Das Ergebnis des 6. Juni wird jedenfalls in ſeiner Art
ſo wichtig ſein wie das der Wahlen zur verfaſſunggebenden
Nationalverſammlung, und wenn man unſeres Erachtens nicht
gerade in dem Sinne von einem Schickſalstage reden darf, daß
etwa die Exiſtenz unſeres Reiches und Volkes auf dem Spiele
ſtünde, ſo iſt doch das eine jedenfalls richtig, daß das deutſche
Volk an dieſem Tage ſein Schickſal ſich ſelber ſchafft, und daß eine
heilige Pflicht gegen ſein Volk unterläßt, wer ſich dieſem Tage ent-
zieht.



Wiſſenſchaft, Kultur und Technik
Der Germanen-Name.

Die Frage nach Urſprung und Bedeutung des Namens
„Germanen“ iſt ſeit langem und vielfach erörtert worden,
ohne daß es bisher gelungen wäre, eine unbeſtrittene Erklärung
zu gewinnen. Neuerdings ſind mehrere höchſt gehaltvolle
Arbeiten erſchienen, deren Ergebniſſe auch in weiteren Kreiſen
Beachtung verdienen. Das anziehend geſchriebene Buch von
Theod. Birt (Die Germanen. Eine Erklärung der Ueber-
lieferung über Bedeutung und Herkunft des Völkernamens.
München 1917) wird ſchon durch den weit über die Fachkreiſe
hinaus bekannten Namen des ausgezeichneten Marburger
Philologen Beachtung und — vielleicht allzuleicht — Glauben
finden. Eine freilich ſehr gewagte ſprachliche Erklärung hat
Fr. Hartmann verſucht in der Fachzeitſchrift „Glotta“ Bd. 9
(1917) S. 1 fs. Er geht mit Birts Erklärung zuſammen.
Aber gerade die Grundlagen dieſer Auffaſſung ſind aufs
ſchwerſte erſchüttert worden durch Ed. Norden (Germani.
Ein grammatiſch-ethnologiſches Problem. Sitzungsberichte der
Berliner Akademie der Wiſſenſchaften 1918, Heft 5). Es iſt
dies wohl die bedeutendſte aller bisherigen Unterſuchungen
des Namens. Einen dritten Verſuch, der an Jakob Grimms
Vermutung anknüpft, hat der Germaniſt Friedr. Kluge
unternommen (Beilage Nr. 40 zur „Kölniſchen Zeitung“ vom
6. Okt. 1918). Jhm kommt nahe ein Artikel von R. Much
[Spaltenumbruch] „G. Z. in Hoops“ Reallexikon der germaniſchen Altertums-
kunde (Bd. 2, S. 18 2 ff.).

Die erſte Frage gilt dem Urſprung des Namens, ſeiner
ſprachlichen Herkunft. Dann erſt läßt ſich ſeine Bedeutung
erörtern. Nun liegt die Sache heute ſo, daß man für das
Wort „Germani“ lateiniſchen (Birt), keltiſchen (Norden) oder
germaniſchen (Kluge) Urſprung nachzuweiſen ſucht. Daraus
ergeben ſich dann ganz verſchiedene Bedeutungen. Schon
das noch herrſchende Wirrſal der Erklärungen, die doch mit
den feinſten Mitteln moderner Sprachwiſſenſchaft und Geſchichts-
forſchung unternommen ſind, wird auch dem Laien verraten,
daß hier tatſächlich größte Schwierigkeiten vorliegen.

Unterſuchen wir einerſeits die Angaben, die Cäſar und
Tacitus über den Namen „Germani“ machen, andrerſeits
den mittelalterlichen Gebrauch des Namens Germanus, ſo
weiſt der letztere zweifellos in romaniſches Gebiet, und zwar
in das romaniſierte Keltenland. Gerade hier aber ſind die
lateiniſche, keltiſche und germaniſche Sprache nebeneinander
wirkſam geweſen und haben ſich vielfach durchdrungen.
Aus dem Urſprungsgebiet können wir alſo nichts über die
Herkunft des Namens ſchließen. Verſuchen wir es alſo zunächſt
mit der Ableitung aus dem Germaniſchen. Zunächſt ſeien
zwei Erklärungen erledigt, die in weiteren Kreiſen auch heute
noch oft angenommen werden. Ganz unmöglich iſt die Er-
klärung „Ger-menner“ (Sper-menner), weil damals das
Wort für Ger „Gaiso“ gelautet haben muß und weil nicht
die Lanze, ſondern Schwert und Axt die charakteriſtiſchen
Waffen der Germanen waren. Die zweite Deutung hält
Germani nicht für einen Namen, ſondern findet darin den
Sinn Beute, Land oder Gold „begehrende Leute“. Dafür
werden die „gerndiu die“ (bettelndes oder lohnforderndes
Volk) des Mittelalters angeführt. Auch liegt hier ein
althochdeutſches Zeitwort gërôn vor. Der Name müßte
dann aus Geramanniz entſtanden ſein, der ſich in der
Tat einmal auf einer lateiniſchen Jnſchrift als Geramanila
(doch neben Germanila) findet. Jndes ſind für dieſe Deutung
wohl weniger ſprachliche Gründe entſcheidend geweſen, als
vielmehr einige Angaben Cäſars, wonach germaniſche Scharen
mehrfach als Landſuchende in Gallien erſchienen oder auch
gegen Sold in den Dienſt galliſcher Stammesfürſten traten.
Sollten derartige Fälle geeignet ſein, einem Volke den Namen
zu geben? Es war ſicher nicht für die Germanen allein be-
zeichnend. So muß auch dieſe Deutung mindeſtens fraglich
bleiben. Sodann iſt verſucht worden, Germanus zu erklären
als Zuſammenſetzung von Ga-ermans, wobei ga „Zuſammen,
gemeinſam“ bedeutet (wie in Ge-noſſen). Jn erman oder
irman ſucht man dann den Volksnamen, ſo daß Ga-ermans
„Volksgenoſſen“ bedeuten würde (ſo Wilh. Wackernagel 1844).
Dieſe Erklärung iſt kaum haltbar, da der Vokal der Bildungs-
ſilbe ga in zuſammengeſetzten Worten nicht verſchwindet.
Zweifellos iſt der Name Germanus nur durch römiſche
Ueberlieferung bekannt. Es liegt alſo die Vermutung nahe,
daß er eine römiſche Umbildung eines deutſchen Wortes
ſein kann. Dafür ſprechen zwei Tatſachen: der Name
lautet Germānus; ein langes und betontes a in zweiter Silbe
war dem germaniſchen für die Zeit unbekannt, wo die
Römer den Namen bezeugen, d. h. für das 1. Jahrh. v. Chr.
bis ins 4. Jahrh. n. Chr. An zweiter Stelle ſind nieder-
fränkiſche und altſächſiſche Ortsnamen, wie Germenberga,
Germenulf, Girminsburg, Zeugen für den Germanennamen.
Hier iſt nicht zweifelhaft, daß bereits die romaniſierte Form
des Namens zugrunde liegt. Jſt ein deutſcher Name aber
romaniſiert worden, ſo fragt ſich, wie er lautete. Hier hat
nun Kluge einen Gedanken Jakob Grimms erneuert. Die
Form Germānus macht zweifellos nicht den Eindruck einer
deutſchen Wortbildung, wohl aber könnte ſie eine volks-
ethymologiſche römiſche Umbildung ſein, die durch das
lateiniſche germanus (echt) hervorgerufen ſein mag. Dann
dürfen wir wohl in dem Namen ein germaniſches Ermănos
vermuten, das uns in dem Ermanarich (d. h. „Volkskönig“)
überliefert iſt. Altgermaniſche Männernamen ſind öfter aus
Völkernamen abgeleitet, z. B. Bojorix (Bojerkönig), Theu-
dorix (Teutonenkönig), Engelhard (Kühn wie in Angle).
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[211/0005] 6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung niſſes beruft der Kreiswahlleiter den Kreiswahlausſchuß, ſobald der Eingang ſämtlicher Wahlniederſchriften aus den Wahl- bezirken zu erwarten iſt. Dann werden die Reſtſtimmen, die auf verbundene Wahlvorſchläge gefallen ſind, dem Verbandswahl- leiter, Reſtſtimmen, die auf Wahlvorſchläge gefallen ſind, die mit einem Reichswahlvorſchlag angeſchloſſen ſind, dem Reichswahlleiter mitgeteilt; der Verbandswahlausſchuß ſtellt dann feſt, wieviel Ab- geordnetenſitze auf die Reſtſtimmen der verbundenen Kreiswahl- vorſchläge fallen und welchem Kreisvorſchlage ſie zukommen, und teilt die Zuteilung der Sitze den beteiligten Kreiswahlleitern, die im Wahlkreisverband verbrauchten oder nicht berückſichtigten Reſtſtimmen dem Reichswahlleiter mit. Der Reichswahlaus- ſchuß verfügt dann noch über dieſe Stimmen. Das iſt, wie man ſieht, im ganzen doch noch eine ziemlich umſtändliche Prozedur und es werden wohl acht Tage vergehen, bis das geſamte Reſultat vorliegt. Und wenn man ſelbſtverſtändlich ein allgemeines Bild von dem Wahlergebnis vorausſichtlich ſchon am Montag erhalten wird, ſo wird ſich doch die vielleicht entſcheidende Frage, ob die bisherige Koalition in ausreichender Stärke aus der Wahlſchlacht zurückkehrt, um die Regierung weiterzuführen, unter Umſtänden erſt ganz zuletzt entſcheiden, weil es dabei auf einige wenige Mandate ankommen kann. Wünſchenswert im Jntereſſe der Stabilität unſerer inneren Verhältniſſe wäre es zweifellos, wenn die Stärke der Koalitionsparteien wenigſtens zur Not dazu aus- reichte, denn dann wird ſich die Verbreiterung nach links oder nach rechts leichter herbeiführen laſſen. Seine Bedingungen ſtel- len, den Frieden diktieren kann ja nur, wer unentbehrlich iſt. Das haben die Demokraten, die in der bisherigen Koalition nicht unentbehrlich waren, weil Zentrum und Mehrheitsſozial- demokratie mit zuſammen 255 von 423 Mandaten für die Mehr- heitsbildung allein bequem ausreichten, deutlich genug geſpürt. Jnſofern könnte die Demokratiſche Partei ſogar trotz der mit ziemlicher Sicherheit zu erwartenden Mandatseinbuße an poli- tiſchem Einfluß gewinnen. Das Ergebnis des 6. Juni wird jedenfalls in ſeiner Art ſo wichtig ſein wie das der Wahlen zur verfaſſunggebenden Nationalverſammlung, und wenn man unſeres Erachtens nicht gerade in dem Sinne von einem Schickſalstage reden darf, daß etwa die Exiſtenz unſeres Reiches und Volkes auf dem Spiele ſtünde, ſo iſt doch das eine jedenfalls richtig, daß das deutſche Volk an dieſem Tage ſein Schickſal ſich ſelber ſchafft, und daß eine heilige Pflicht gegen ſein Volk unterläßt, wer ſich dieſem Tage ent- zieht. — z. Wiſſenſchaft, Kultur und Technik Der Germanen-Name. Von Prof. Dr. R. Stübe. Die Frage nach Urſprung und Bedeutung des Namens „Germanen“ iſt ſeit langem und vielfach erörtert worden, ohne daß es bisher gelungen wäre, eine unbeſtrittene Erklärung zu gewinnen. Neuerdings ſind mehrere höchſt gehaltvolle Arbeiten erſchienen, deren Ergebniſſe auch in weiteren Kreiſen Beachtung verdienen. Das anziehend geſchriebene Buch von Theod. Birt (Die Germanen. Eine Erklärung der Ueber- lieferung über Bedeutung und Herkunft des Völkernamens. München 1917) wird ſchon durch den weit über die Fachkreiſe hinaus bekannten Namen des ausgezeichneten Marburger Philologen Beachtung und — vielleicht allzuleicht — Glauben finden. Eine freilich ſehr gewagte ſprachliche Erklärung hat Fr. Hartmann verſucht in der Fachzeitſchrift „Glotta“ Bd. 9 (1917) S. 1 fs. Er geht mit Birts Erklärung zuſammen. Aber gerade die Grundlagen dieſer Auffaſſung ſind aufs ſchwerſte erſchüttert worden durch Ed. Norden (Germani. Ein grammatiſch-ethnologiſches Problem. Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften 1918, Heft 5). Es iſt dies wohl die bedeutendſte aller bisherigen Unterſuchungen des Namens. Einen dritten Verſuch, der an Jakob Grimms Vermutung anknüpft, hat der Germaniſt Friedr. Kluge unternommen (Beilage Nr. 40 zur „Kölniſchen Zeitung“ vom 6. Okt. 1918). Jhm kommt nahe ein Artikel von R. Much „G. Z. in Hoops“ Reallexikon der germaniſchen Altertums- kunde (Bd. 2, S. 18 2 ff.). Die erſte Frage gilt dem Urſprung des Namens, ſeiner ſprachlichen Herkunft. Dann erſt läßt ſich ſeine Bedeutung erörtern. Nun liegt die Sache heute ſo, daß man für das Wort „Germani“ lateiniſchen (Birt), keltiſchen (Norden) oder germaniſchen (Kluge) Urſprung nachzuweiſen ſucht. Daraus ergeben ſich dann ganz verſchiedene Bedeutungen. Schon das noch herrſchende Wirrſal der Erklärungen, die doch mit den feinſten Mitteln moderner Sprachwiſſenſchaft und Geſchichts- forſchung unternommen ſind, wird auch dem Laien verraten, daß hier tatſächlich größte Schwierigkeiten vorliegen. Unterſuchen wir einerſeits die Angaben, die Cäſar und Tacitus über den Namen „Germani“ machen, andrerſeits den mittelalterlichen Gebrauch des Namens Germanus, ſo weiſt der letztere zweifellos in romaniſches Gebiet, und zwar in das romaniſierte Keltenland. Gerade hier aber ſind die lateiniſche, keltiſche und germaniſche Sprache nebeneinander wirkſam geweſen und haben ſich vielfach durchdrungen. Aus dem Urſprungsgebiet können wir alſo nichts über die Herkunft des Namens ſchließen. Verſuchen wir es alſo zunächſt mit der Ableitung aus dem Germaniſchen. Zunächſt ſeien zwei Erklärungen erledigt, die in weiteren Kreiſen auch heute noch oft angenommen werden. Ganz unmöglich iſt die Er- klärung „Ger-menner“ (Sper-menner), weil damals das Wort für Ger „Gaiso“ gelautet haben muß und weil nicht die Lanze, ſondern Schwert und Axt die charakteriſtiſchen Waffen der Germanen waren. Die zweite Deutung hält Germani nicht für einen Namen, ſondern findet darin den Sinn Beute, Land oder Gold „begehrende Leute“. Dafür werden die „gerndiu die“ (bettelndes oder lohnforderndes Volk) des Mittelalters angeführt. Auch liegt hier ein althochdeutſches Zeitwort gërôn vor. Der Name müßte dann aus Geramanniz entſtanden ſein, der ſich in der Tat einmal auf einer lateiniſchen Jnſchrift als Geramanila (doch neben Germanila) findet. Jndes ſind für dieſe Deutung wohl weniger ſprachliche Gründe entſcheidend geweſen, als vielmehr einige Angaben Cäſars, wonach germaniſche Scharen mehrfach als Landſuchende in Gallien erſchienen oder auch gegen Sold in den Dienſt galliſcher Stammesfürſten traten. Sollten derartige Fälle geeignet ſein, einem Volke den Namen zu geben? Es war ſicher nicht für die Germanen allein be- zeichnend. So muß auch dieſe Deutung mindeſtens fraglich bleiben. Sodann iſt verſucht worden, Germanus zu erklären als Zuſammenſetzung von Ga-ermans, wobei ga „Zuſammen, gemeinſam“ bedeutet (wie in Ge-noſſen). Jn erman oder irman ſucht man dann den Volksnamen, ſo daß Ga-ermans „Volksgenoſſen“ bedeuten würde (ſo Wilh. Wackernagel 1844). Dieſe Erklärung iſt kaum haltbar, da der Vokal der Bildungs- ſilbe ga in zuſammengeſetzten Worten nicht verſchwindet. Zweifellos iſt der Name Germanus nur durch römiſche Ueberlieferung bekannt. Es liegt alſo die Vermutung nahe, daß er eine römiſche Umbildung eines deutſchen Wortes ſein kann. Dafür ſprechen zwei Tatſachen: der Name lautet Germānus; ein langes und betontes a in zweiter Silbe war dem germaniſchen für die Zeit unbekannt, wo die Römer den Namen bezeugen, d. h. für das 1. Jahrh. v. Chr. bis ins 4. Jahrh. n. Chr. An zweiter Stelle ſind nieder- fränkiſche und altſächſiſche Ortsnamen, wie Germenberga, Germenulf, Girminsburg, Zeugen für den Germanennamen. Hier iſt nicht zweifelhaft, daß bereits die romaniſierte Form des Namens zugrunde liegt. Jſt ein deutſcher Name aber romaniſiert worden, ſo fragt ſich, wie er lautete. Hier hat nun Kluge einen Gedanken Jakob Grimms erneuert. Die Form Germānus macht zweifellos nicht den Eindruck einer deutſchen Wortbildung, wohl aber könnte ſie eine volks- ethymologiſche römiſche Umbildung ſein, die durch das lateiniſche germanus (echt) hervorgerufen ſein mag. Dann dürfen wir wohl in dem Namen ein germaniſches Ermănos vermuten, das uns in dem Ermanarich (d. h. „Volkskönig“) überliefert iſt. Altgermaniſche Männernamen ſind öfter aus Völkernamen abgeleitet, z. B. Bojorix (Bojerkönig), Theu- dorix (Teutonenkönig), Engelhard (Kühn wie in Angle). Was aber bedeutet nun Ermanos? Es liegt nahe, an das vielfach überlieferte Wort erman oder irnim zu denken, in

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/5>, abgerufen am 24.11.2024.