Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929.Donnerstag, den 24. Januar "AZ am Abend" Nr. 20 Seite 3 Der Sonnenburger Zuchthausprozeß Es beginnt der Aufmarsch der Mörder Gefangene widerrufen zum Teil ihre belastenden Aussagen * Was die Berliner Kriminalbeamten erlebten Vor Beginn der gestrigen Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen kam Der Strafgefangene Matz, der eine elfjährige Rechtsanwalt Themal: "Benahm sich Dr. Knob- Zeuge Matz: "Aber selbstverständlich." Rechtsanwalt Themal lehnte hierauf erneut "Ich habe jetzt noch Angst vor dem Druck, Die Berliner Kriminalbeamten, die zur Auf- Auf der Kleinbahn in Sonnenburg gaben Dann begann der Vorsitzender: "Sie haben kein Recht dazu, aber Zeuge Steinbock: "Nein, es sind Umstände ein- Als er darauf abgeführt werden sollte, drehte In der Kirche des Sonnenburger Zuchthauses begann der Prozeß gegen 21 Beamte dieser VON DEN BÜHNEN Perlenkomödie Erstaufführung im Residenztheater Eben recht -- sage ich -- eben recht kommt Dieser Perlen-Symbolismus ist, bei Gott, wahr Denn dieser Perlendieb raubt diese Perlen, ob- Gewandte, bühnensichere Abwandlung dieser Gustl Waldau, dieser wienerische Mensch, Hilde Herterich mit aller Innerlichkeit einer Alfons Pape, der Regisseur, fand mit gutem Mit den Darstellern konnte sich auch der Autor Der fröhliche Weinberg Neueinstudierung Die Wirkung dieses fröhlichen, gutgelaunten Die Besetzung zeigte ein paar nicht un- Der Beifall war groß und diesmal unbestritten. [Spaltenumbruch]Der französische Sachlieferungsschwindel Einer neuen Unternehmung auf die In der Angelegenheit Der wegen Beteiligung an dem Zucker- Fünf Skifahrer durch Lawine verschüttet Erfolgreiche Rettungsarbeiten -- trotzdem zwei Tote Nördlich Das Lawinenunglück spielte sich auf der Brand in den Albatroswerken 4 Personen durch Stichflammen verletzt Gestern nachmittag Beleidigungsprozeß gegen Reichsgerichtsräte Leopold Schwarzschild und "Fall Gestern begann vor Schwarzschild fühlte sich durch Ausdrücke [irrelevantes Material] Deutsche Militär- instrukteure in China Eine Antwort Chamberlains In Erwiderung auf Die Frage, ob dieser Gegenstand vom Schutz den Radfahrern Einführung von Rückstrahlern Um im Interesse der Donnerstag, den 24. Januar „AZ am Abend“ Nr. 20 Seite 3 Der Sonnenburger Zuchthausprozeß Es beginnt der Aufmarſch der Mörder Gefangene widerrufen zum Teil ihre belaſtenden Ausſagen * Was die Berliner Kriminalbeamten erlebten Vor Beginn der geſtrigen Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen kam Der Strafgefangene Matz, der eine elfjährige Rechtsanwalt Themal: „Benahm ſich Dr. Knob- Zeuge Matz: „Aber ſelbſtverſtändlich.“ Rechtsanwalt Themal lehnte hierauf erneut „Ich habe jetzt noch Angſt vor dem Druck, Die Berliner Kriminalbeamten, die zur Auf- Auf der Kleinbahn in Sonnenburg gaben Dann begann der Vorſitzender: „Sie haben kein Recht dazu, aber Zeuge Steinbock: „Nein, es ſind Umſtände ein- Als er darauf abgeführt werden ſollte, drehte In der Kirche des Sonnenburger Zuchthauſes begann der Prozeß gegen 21 Beamte dieſer VON DEN BÜHNEN Perlenkomödie Erſtaufführung im Reſidenztheater Eben recht — ſage ich — eben recht kommt Dieſer Perlen-Symbolismus iſt, bei Gott, wahr Denn dieſer Perlendieb raubt dieſe Perlen, ob- Gewandte, bühnenſichere Abwandlung dieſer Guſtl Waldau, dieſer wieneriſche Menſch, Hilde Herterich mit aller Innerlichkeit einer Alfons Pape, der Regiſſeur, fand mit gutem Mit den Darſtellern konnte ſich auch der Autor Der fröhliche Weinberg Neueinſtudierung Die Wirkung dieſes fröhlichen, gutgelaunten Die Beſetzung zeigte ein paar nicht un- Der Beifall war groß und diesmal unbeſtritten. [Spaltenumbruch]Der franzöſiſche Sachlieferungsſchwindel Einer neuen Unternehmung auf die In der Angelegenheit Der wegen Beteiligung an dem Zucker- Fünf Skifahrer durch Lawine verſchüttet Erfolgreiche Rettungsarbeiten — trotzdem zwei Tote Nördlich Das Lawinenunglück ſpielte ſich auf der Brand in den Albatroswerken 4 Perſonen durch Stichflammen verletzt Geſtern nachmittag Beleidigungsprozeß gegen Reichsgerichtsräte Leopold Schwarzſchild und „Fall Geſtern begann vor Schwarzſchild fühlte ſich durch Ausdrücke [irrelevantes Material] Deutſche Militär- inſtrukteure in China Eine Antwort Chamberlains In Erwiderung auf Die Frage, ob dieſer Gegenſtand vom Schutz den Radfahrern Einführung von Rückſtrahlern Um im Intereſſe der <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <pb facs="#f0003" n="Seite 3[3]"/> <fw place="top" type="header">Donnerstag, den 24. Januar „AZ am Abend“ Nr. 20 Seite 3</fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Der Sonnenburger Zuchthausprozeß</hi><lb/> Es beginnt der Aufmarſch der Mörder</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Gefangene widerrufen zum Teil ihre belaſtenden Ausſagen * Was die Berliner Kriminalbeamten erlebten</hi> </p> </argument><lb/> <cb/> <dateline><hi rendition="#b">Sonnenburg,</hi> 24. Jan.</dateline><lb/> <p>Vor Beginn der geſtrigen<lb/> Verhandlung im Sonnenburger Zuchthausprozeß<lb/> wurde bekannt, daß der als Belaſtungszeuge nach<lb/> Sonnenburg transportierte Schwerverbrecher, der<lb/> Mörder Alex Hoffmann, in der Nacht in einem<lb/> Wutanfall ſeine Bettſtelle demoliert habe.</p><lb/> <p>Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen kam<lb/> es zu einem Zwiſchenfall. Der Vertreter der An-<lb/> klage beantragte, die angeklagten Beamten dar-<lb/> auf hinzuweiſen, daß ſie ſich<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">auch wegen bandenmäßigen Diebſtahls und<lb/> wegen gewerbsmäßiger Hehlerei</hi></hi><lb/> zu verantworten hätten. Darauf erklärte Rechts-<lb/> anwalt <hi rendition="#g">Themal</hi> ſehr erregt, daß, wenn die<lb/> Staatsanwaltſchaft erſt jetzt auf dieſen Gedanken<lb/> komme, der Prozeß ſofort vertagt werden müſſe,<lb/> denn dann würde den Angeklagten nicht mehr<lb/> Vergehen, ſondern Verbrechen vorgeworfen.<lb/> Dieſer neue Geſichtspunkt blieb vorläufig uner-<lb/> ledigt.</p><lb/> <p>Der Strafgefangene <hi rendition="#g">Matz,</hi> der eine elfjährige<lb/> Zuchthausſtrafe wegen ſchweren Einbruchdieb-<lb/> ſtahls verbüßt, war als Schneider im Altver-<lb/> wertungsbetrieb der Anſtalt beſchäftigt. Er wollte<lb/> zunächſt ſeine Ausſage verweigern, entſchloß ſich<lb/> aber ſchließlich, Rede und Antwort zu ſtehen,<lb/> wobei er ſofort betonte, daß ſeine letzte belaſtende<lb/> Ausſage falſch ſei. Alle ſeine Einwürfe ſeien von<lb/> Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch nicht beachtet<lb/> worden, und Dr. Knobloch habe ihm erklärt,<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">wenn er ſeine entlaſtenden Ausſagen nicht<lb/> fallen laſſe, dann würde ſein Gnadengeſuch<lb/> nicht befördert werden.</hi></hi><lb/> Schließlich hätten er und Paaſch ſich entſchloſſen,<lb/> nur Belaſtendes auszuſagen, ſpäter aber dieſe<lb/> Ausſagen wieder zurückzunehmen.</p><lb/> <p>Rechtsanwalt Themal: „Benahm ſich Dr. Knob-<lb/> loch darauf anders zu Ihnen, war er liebens-<lb/> würdiger?“</p><lb/> <p>Zeuge Matz: „Aber ſelbſtverſtändlich.“</p><lb/> <p>Rechtsanwalt Themal lehnte hierauf erneut<lb/> Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch als Sachver-<lb/> ſtändigen ab. Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch<lb/> betonte demgegenüber, daß der Zeuge Matz ein<lb/> völlig unzuverläſſiger Menſch ſei, ſeine Darſtellung<lb/> ſei völlig unzutreffend. Er habe ſtändig geleugnet<lb/> und erſt auf Vorhalt der polizeilichen Ermitt-<lb/> lungsergebniſſe und beſonders, nachdem ſeine<lb/> Angehörigen den Empfang von Paketen mit<lb/> Kleidungsſtücken beſtätigt hätten, ein Geſtändnis<lb/> abgelegt. Auch der wieder vorgeführte Gefangene<lb/> Paaſch beſtritt die Darſtellung ſeines Mit-<lb/> gefangenen Matz und blieb dabei, daß er mit der<lb/> Belaſtung der Beamten die Wahrheit geſagt<lb/> hätte. Der Zeuge Matz blieb demgegenüber bei<lb/> ſeiner Darſtellung und erklärte:</p><lb/> <cb/> <p>„Ich habe jetzt noch Angſt vor dem Druck,<lb/> den das Miniſterium auf mich ausübt.“</p><lb/> <p>Die Berliner Kriminalbeamten, die zur Auf-<lb/> deckung der Schiebungen nach Sonnenburg ent-<lb/> ſandt worden waren, ſchilderten im weiteren<lb/> Verlauf der Verhandlungen ſehr anſchaulich die<lb/> Verhältniſſe, die ſie dort vorfanden.</p><lb/> <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Auf der Kleinbahn in Sonnenburg gaben<lb/> die Gefangenen Kollis bis zu einem Gewicht<lb/> von einem Zentner an ihre Angehörigen auf,</hi></hi><lb/> wobei als Abſender Decknamen benutzt wurden.<lb/> Unerklärlich iſt es bis heute geblieben, wie dieſe<lb/> Kollis aus der Anſtalt ungehindert herans-<lb/> gebracht werden konten. Insgeſamt fehlten ſpäter<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">von den 280 000 Kilogramm Heeresgut, die<lb/> nach Sonnenburg geliefert waren, rund<lb/> 14 000 Kilogramm.</hi></hi></p><lb/> <p>Dann begann der<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Aufmarſch der Mörder.</hi></hi><lb/><cb/> Unter allgemeiner Spannung wurde u. a. der<lb/> erſt 24jährige Mörder <hi rendition="#g">Steinbock</hi> vorgeführt,<lb/> der im Jahre 1924 die Tante eines Freundes er-<lb/> mordet hat, und nun auch lebenslänglich ſitzt.<lb/> Als er über Wachtmeiſter Bär befragt wurde,<lb/> erklärte er trotzig: „Ich verweigere meine Aus-<lb/> ſage.“</p><lb/> <p>Vorſitzender: „Sie haben kein Recht dazu, aber<lb/> wir beſitzen keine Machtmittel, Sie zur Ausſage<lb/> zu zwingen. Wollen Sie nicht doch lieber aus-<lb/> ſagen?“</p><lb/> <p>Zeuge Steinbock: „Nein, es ſind Umſtände ein-<lb/> getreten, die mich zur Verweigerung zwingen.<lb/> Ich habe meine Gründe.“</p><lb/> <p>Als er darauf abgeführt werden ſollte, drehte<lb/> ſich Steinbock zuerſt noch einmal in aller Ruhe<lb/> nach allen Seiten um, muſterte die Prozeß-<lb/> beteiligten und die Zuhörer lächelnd und ver-<lb/> ſchwand dann, von den Beamten eskortiert, durch<lb/> die Tür.</p><lb/> <figure> <p>In der Kirche des Sonnenburger Zuchthauſes begann der Prozeß gegen 21 Beamte dieſer<lb/> Strafanſtalt, die des Diebſtahls, der Unterſchlagung. Hehlerei und der Verleitung zum<lb/> Meineid angeklagt ſind.</p> </figure> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">VON DEN BÜHNEN</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Perlenkomödie</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Erſtaufführung im Reſidenztheater</hi> </p> </argument><lb/> <p>Eben recht — ſage ich — eben recht kommt<lb/> dieſer wieneriſch-ſcharmante Perlendieb, um die<lb/> Frau zu übernehmen, deren Mann ſeine Perlen<lb/> über die andere ſtreut. Man kann ſeine echten<lb/> Perlen eben nur über einen Frauennacken wer-<lb/> fen — wenn wirklich mehrere — geht’s nicht<lb/> ohne Imitation — und dann — — —</p><lb/> <p>Dieſer Perlen-Symbolismus iſt, bei Gott, wahr<lb/> — und nur ſo eine Komödie, wenn ſeit drei<lb/> Jahren ſchon der Nachfolger in De- und Edelmut<lb/> bereit ſteht — ſozuſagen mit den Roſen, um mit<lb/> dem Univerſalheftpflaſter der großen Liebe kaum<lb/> empfundene Wunden zu ſchließen.</p><lb/> <p>Denn dieſer Perlendieb raubt dieſe Perlen, ob-<lb/> wohl, oder eben deshalb, weil er weiß, daß ſie<lb/> falſch ſind und die echten ſich um den Hals der<lb/> Freundin des Mannes ſchmiegen — vertauſcht<lb/> die falſchen mit den echten, ahnt den Wutanfall<lb/> dieſer Freundin, die nun die falſchen dankend<lb/> an die legitime Nebenbuhlerin zurückſchickt. —<lb/> Zwei Ketten! — Wahrheit dämmert nur — dem<lb/><gap reason="lost" unit="chars"/>en zuliebe will ſie nicht fragen — der Alte<lb/> zieht ab, beide Ketten in der Taſche — mit Kuß<lb/> und Herz belohnter Edelmut, beharrliche Liebe<lb/> kommt endlich vor den Fall — Moral: Man ſoll<lb/> gleichzeitig nie zwei Frauen Perlen um den<lb/> Nacken werfen — nur hintereinander — ſonſt<lb/> geht’s nicht ohne Imitation — und die ſieht —<lb/> und fühlt man. Alſo!</p><lb/> <p>Gewandte, bühnenſichere Abwandlung dieſer<lb/> Liebenswürdigkeit durch den routinierten Bruno<lb/><hi rendition="#g">Frank</hi> fand die unbedingte Unterſtützung einer<lb/> erſten Beſetzung.</p><lb/> <p>Guſtl <hi rendition="#g">Waldau,</hi> dieſer wieneriſche Menſch,<lb/> warm — menſchlicher Bohemien, ſalopper Edel-<lb/> import, als Perlendieb. Sein erſtes Auftreten<lb/> nach ſeinen Wiener Erfolgen, die ſo ſtark waren,<lb/> daß wir ihn beinahe verloren — ach, nein Guſtl<lb/><hi rendition="#g">Waldau,</hi> wir lieben dich länger, viel länger<lb/> als du die Wera Siethoff — und wir wiſſen von<lb/> deinem Künſtlerherzen — überhaupt von deinem<lb/> Herzen, von dem wir glauben, daß es etwas<lb/> München verbunden iſt, wie München ihm.</p><lb/> <p>Hilde <hi rendition="#g">Herterich</hi> mit aller Innerlichkeit einer<lb/> Frau, die nichts als Frau ſein will, ſenſitiv, be-<lb/> herrſcht, unkonſtriert. Ihre Gegenſpielerin, Ger-<lb/> trud <hi rendition="#g">Donath,</hi> modern, nervös, bewußter und<lb/> richtig erfaßter Gegenſatz. Otto <hi rendition="#g">Wernicke,</hi> der<lb/> kleine Caſanova in Nöten, heilfroh, noch ſo aus<lb/> der Affäre zu kommen, glatte, entſprechende<lb/> Leiſtung, noch Hermann <hi rendition="#g">Pöſchko</hi> vorzüglich in<lb/> verdruckter Komik als Detektiv.</p><lb/> <p>Alfons <hi rendition="#g">Pape,</hi> der Regiſſeur, fand mit gutem<lb/> Geſchmack die Note des heiteren Spiels unbe-<lb/> laſtet und ſo obenhin. Geſchmackvolles Kunſt-<lb/> gewerbe die Bühnenbilder von Adolf <hi rendition="#g">Linne-<lb/> bach.</hi></p><lb/> <p>Mit den Darſtellern konnte ſich auch der Autor<lb/> vor einem freudig geſtimmten Publikum ver-<lb/> neigen. Für graziöſe Unterhaltung gab es herz-<lb/> lichen Beifall.</p><lb/> <byline>Rolf <hi rendition="#g">Flügel.</hi></byline><lb/> <cb/> </div> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der fröhliche Weinberg</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Neueinſtudierung<lb/> in den Kammerſpielen</hi> </p> </argument><lb/> <p>Die Wirkung dieſes fröhlichen, gutgelaunten<lb/> Ulks war in der neuen Einſtudierung und Regie<lb/> von Gellner faſt noch durchſchlagender als bei der<lb/> früheren Darſtellung. Es wurde mit Schmiß und<lb/> Temperament geſpielt und die Raufſzenen der<lb/> wein- und krakeelluſtigen Rheinheſſen in der<lb/> Wirtsſtube waren von derbſter Realiſtik. Einige<lb/> der dickdraſtiſchſten Stellen, die früher hier und<lb/> da Anſtoß und Widerſpruch erregt hatten, waren<lb/> ſchmerzlos entfernt worden, und es iſt ein gutes<lb/> Zeugnis für den Wert des luſtigen Stückes, daß<lb/> es dadurch nur gewonnen hat.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Beſetzung</hi> zeigte ein paar nicht un-<lb/> weſentliche Aenderungen. Knuzius, Klärchens<lb/> Verlobter, der ſchönredende, mitgiftangelnde<lb/> Kommentfatzke, den früher Kurt Horwitz ſpielte,<lb/> wurde diesmal von Kurt <hi rendition="#g">Reiß</hi> mit einer<lb/> geradezu erſchütternd komiſchen, blonden Hohlheit<lb/> und Nichtigkeit ausgeſtattet, die von unwider-<lb/> ſtehlicher Wirkung bei jedem Wort und jedem<lb/> Schritt war. Den verliebten, hitzköpfigen Schiffer<lb/> Jochen gab Will <hi rendition="#g">Dohm</hi> mit aller handgreif-<lb/> lichen Derbheit. Heinz <hi rendition="#g">Rühmann</hi> war vom<lb/> Weinhändler der erſten Beſetzung zum wirk-<lb/> ſameren jüdiſchen Weinreiſenden geworden, ein<lb/> echter Kumpan des urgelungenen, unnachahmlich<lb/> drolligen <hi rendition="#g">Eichheim.</hi> Sonſt wären von Neu-<lb/> beſetzungen noch der Landskronenwirt von Walter<lb/><hi rendition="#g">Lantzſch</hi> zu nennen der ſeinem Vorgänger<lb/> Katſch an heiterer, maſſiger Langſamkeit im<lb/> Reden und Denken nichts nachgab, ferner die<lb/> Schweſter des Schiffers Moſt, Maria <hi rendition="#g">Herbot,</hi><lb/> die Weinhändler von <hi rendition="#g">Seger</hi> und <hi rendition="#g">Rücker,</hi> das<lb/> kecke Babettche von Edith <hi rendition="#g">Schulze-Weſtrum,</hi><lb/> Maria <hi rendition="#g">Byk</hi> und Frau <hi rendition="#g">Höcker-Behrens</hi><lb/> als Gänschen Stenz und Frau Rindsfuß, Adolf<lb/><hi rendition="#g">Grell</hi> als Standesbeamter.</p><lb/> <p>Der Beifall war groß und diesmal unbeſtritten.</p><lb/> <byline>H.</byline><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der franzöſiſche<lb/> Sachlieferungsſchwindel</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Einer neuen Unternehmung auf die<lb/> Spur gekommen</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 23. Januar.</dateline><lb/> <p>In der Angelegenheit<lb/> des Sachlieferungsſchwindels ſteht nunmehr<lb/> feſt, daß außer der Lieferung von 9000<lb/> Tonnen Zucker an die Societ<hi rendition="#aq">é</hi> Fermiere<lb/> eine <hi rendition="#g">weitere Lieferung auf Sach-<lb/> lieferungskonto von 30000 Ton-<lb/> nen Zucker an die Franzöſiſch-<lb/> Marokkaniſche Schiffahrts- und<lb/> Handelsgeſellſchaft</hi> erfolgt iſt. Die<lb/> beiden Verträge ſind von den deutſchen Lie-<lb/> feranten in völlig einwandfreier Form ab-<lb/> geſchloſſen und ausgeführt worden. Eine<lb/> Schädigung deutſcher Stellen iſt nicht feſt-<lb/> zuſtellen. Wenn eine Schädigung in Frank-<lb/> reich vorliegt, dann nur für den franzöſiſchen<lb/> Staat. Die Unterſuchung wird eifrig fort-<lb/> geführt. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß<lb/><hi rendition="#g">weitere Anklagen</hi> gegen die Perſo-<lb/> nen, die bei der Kreditgewährung und Ver-<lb/> ſchiebung des Zuckers nach England mitge-<lb/> wirkt haben, erhoben werden.</p><lb/> <p>Der wegen Beteiligung an dem Zucker-<lb/> reparationslieferungsſchwindel verhaftete<lb/> Profeſſor <hi rendition="#g">Polier</hi> hat gegen den in Eng-<lb/> land befindlichen Mitangeklagten <hi rendition="#g">Nentſky</hi><lb/> Anzeige wegen Betrugs erſtattet, weil er<lb/> durch betrügeriſche Manöver durch ihn das<lb/> Geld aus dem 30 000-Tonnen-Zucker-Ge-<lb/> ſchäft in verſchiedene Unternehmungen habe<lb/> einlegen laſſen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fünf Skifahrer durch Lawine verſchüttet</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Erfolgreiche Rettungsarbeiten — trotzdem zwei Tote</hi> </p> </argument><lb/> <cb/> <dateline><hi rendition="#g">Lech</hi> (Vorarlberg), 24. Januar.</dateline><lb/> <p>Nördlich<lb/> der Kriegeralpe im Gemeindebezirk Lech<lb/> ging geſtern mittag eine Lawine nieder, die<lb/> fünf Skifahrer verſchüttete. Eine Rettungs-<lb/> expedition iſt ſofort abgegangen.</p><lb/> <p>Das Lawinenunglück ſpielte ſich auf der<lb/> Sulzenfluh unterhalb der Mohnenfluh ab.<lb/> Eine Geſellſchaft von acht Reichsdeutſchen<lb/> und einer Holländerin beſtieg unter Füh-<lb/> rung des Skilehrers <hi rendition="#g">Jochum</hi> einen Hang,<lb/> als eine Lawine in einer <hi rendition="#g">Breite von<lb/> 50 Meter und einer Länge von<lb/> 70 Meter</hi> abbrach. Die Lawine verſchüt-<lb/><cb/> tete fünf Perſonen, drei Damen und zwei<lb/> Herren. Unter Leitung des Skilehrers, den<lb/> die Lawine nur ein Stück mitgeriſſen hatte,<lb/> begann ſofort die Rettungsarbeit und es<lb/> gelang, zwei Damen und einen Herrn<lb/> lebend aus den Schneemaſſen zu bergen.<lb/> Bei einem Herrn und einer Dame blieben<lb/> die Wiederbelebungsverſuche erfolglos. Ihre<lb/> Namen ſind Dr. <hi rendition="#g">Lutz-Seibuſch</hi>-Frank-<lb/> furt a. M. und Frau <hi rendition="#g">Ninni Rößler,</hi><lb/> geb. 1878, Arztensgattin aus Frankfurt<lb/> am Main. Ihr Mann befand ſich auch bei<lb/> der Partie.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Brand<lb/> in den Albatroswerken</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">4 Perſonen durch Stichflammen verletzt</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 24. Januar.</dateline><lb/> <p>Geſtern nachmittag<lb/> brach in einer Verſuchsbaracke der Albatros-<lb/> flugzeugwerke in Adlershof Feuer aus, das<lb/> in kurzer Zeit auch auf die angrenzenden<lb/> Büroräume überſprang. Bevor die Feuer-<lb/> wehr dort eintraf, hatten bereits mehrere<lb/> Angeſtellte verſucht, den Brand zu löſchen.<lb/> Dabei wurden <hi rendition="#g">vier Perſonen durch<lb/> Stichflammen erheblich verletzt.</hi><lb/> Zwei von ihnen trugen ſchwere Brand-<lb/> wunden an den Händen und im Geſicht da-<lb/> von und mußten nach Anlegung von Not-<lb/> verbänden nach dem Krankenhaus gebracht<lb/> werden. Das Büro und die Unterdruck-<lb/> kammer brannten vollſtändig nieder. Erſt<lb/> nach mehrſtündiger Arbeit gelang es der<lb/> Feuerwehr, die Gefahr zu beſeitigen. Das<lb/> Feuer iſt wahrſcheinlich durch Kurzſchluß<lb/> entſtanden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beleidigungsprozeß<lb/> gegen Reichsgerichtsräte</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Leopold Schwarzſchild und „Fall<lb/> Jakubowſki“</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 24. Januar..</dateline><lb/> <p>Geſtern begann vor<lb/> dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg ein<lb/> Privatklageverfahren, das der Herausgeber<lb/> des „Tagebuch“, Leopold <hi rendition="#g">Schwarzſchild,</hi><lb/> gegen den Senatspräſidenten beim Reichs-<lb/> gericht, <hi rendition="#g">Reichert,</hi> und den Reichsgerichts-<lb/> rat J. R. <hi rendition="#g">Bewer</hi> angeſtrengt hatte. Die<lb/> beiden Angeklagten waren vom perſönlichen<lb/> Erſcheinen entbunden und wurden durch<lb/> ihren Verteidiger vertreten. Die Beleidi-<lb/> gung ſoll in einem Artikel der „Deutſchen<lb/> Richterzeitung“ vom 15. März enthalten<lb/> ſein, der den Titel trug „Der Fall Jaku-<lb/> bowſki — ein leeres Gerede“. Verfaſſer des<lb/> Artikels war Bewer. Reichert iſt verantwort-<lb/> licher Redakteur der „Deutſchen Richter-<lb/> zeitung.“ Der Artikel war eine Antwort auf<lb/> einen Aufſatz des Privatklägers Schwarz-<lb/> ſchild „Der fahrläſſige Richter“.</p><lb/> <p>Schwarzſchild fühlte ſich durch Ausdrücke<lb/> wie „abſcheuliche Fahrläſſigkeit“, „bewußte<lb/> Unwahrhaftigkeit“, „rechtsbeugende Litera-<lb/> ten“ beleidigt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſche Militär-<lb/> inſtrukteure in China</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Eine Antwort Chamberlains</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 24. Januar.</dateline><lb/> <p>In Erwiderung auf<lb/> eine Anfrage erklärte Sir Auſten Cham-<lb/> berlain im Unterhaus, er habe Berichte über<lb/> die Ankunft deutſcher Militärinſtrukteure in<lb/> verſchiedenen Teilen Chinas erhalten, ſei<lb/> aber nicht in der Lage, Näheres dazu mit-<lb/> zuteilen.</p><lb/> <p>Die Frage, ob dieſer Gegenſtand vom<lb/> Völkerbund erörtert worden ſei, wurde von<lb/> Chamberlain verneint.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schutz den Radfahrern</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Einführung von Rückſtrahlern<lb/> in Preußen</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 24. Januar.</dateline><lb/> <p>Um im Intereſſe der<lb/> Verkehrsſicherheit Radfahrer bei Dunkel-<lb/> heit dem Führer eines nachfolgenden Kraft-<lb/> fahrzeuges rechtzeitig kenntlich zu machen,<lb/> ordnet, wie der Amtliche Preußiſche Preſſe-<lb/> dienſt mitteilt, ein gemeinſamer Runderlaß<lb/> der Miniſter des Innern, für Landwirtſchaft,<lb/> Domänen und Forſten und für Handel und<lb/> Gewerbe an die nachgeordneten Behörden<lb/> an, daß die von dem Oberpräſidenten er-<lb/> laſſenen Straßenverkehrsordnungen ſofort<lb/> dahin zu ergänzen ſind, daß Fahrräder auch<lb/> mit einem Rückſtrahler, der einfallende<lb/> Lichtſtrahlen in gelbroten Farben deutlich<lb/> zurückwirft, zu verſehen ſind. Um einerſeits<lb/> der Rückſtrahler herſtellenden Induſtrie<lb/> anderſeits den Radfahrern eine Uebergangs-<lb/> zeit für die Durchführung der Verordnung<lb/> zuzubilligen, wird angeordnet, daß dieſe<lb/> Verordnungen erſt <hi rendition="#g">am 1. April dieſes<lb/> Jahres in Kraft zu ſetzen</hi> ſind.<lb/> Ungeeignete Rückſtrahler ſind aus dem Ver-<lb/> kehr zu ziehen.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [Seite 3[3]/0003]
Donnerstag, den 24. Januar „AZ am Abend“ Nr. 20 Seite 3
Der Sonnenburger Zuchthausprozeß
Es beginnt der Aufmarſch der Mörder
Gefangene widerrufen zum Teil ihre belaſtenden Ausſagen * Was die Berliner Kriminalbeamten erlebten
Sonnenburg, 24. Jan.
Vor Beginn der geſtrigen
Verhandlung im Sonnenburger Zuchthausprozeß
wurde bekannt, daß der als Belaſtungszeuge nach
Sonnenburg transportierte Schwerverbrecher, der
Mörder Alex Hoffmann, in der Nacht in einem
Wutanfall ſeine Bettſtelle demoliert habe.
Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen kam
es zu einem Zwiſchenfall. Der Vertreter der An-
klage beantragte, die angeklagten Beamten dar-
auf hinzuweiſen, daß ſie ſich
auch wegen bandenmäßigen Diebſtahls und
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
zu verantworten hätten. Darauf erklärte Rechts-
anwalt Themal ſehr erregt, daß, wenn die
Staatsanwaltſchaft erſt jetzt auf dieſen Gedanken
komme, der Prozeß ſofort vertagt werden müſſe,
denn dann würde den Angeklagten nicht mehr
Vergehen, ſondern Verbrechen vorgeworfen.
Dieſer neue Geſichtspunkt blieb vorläufig uner-
ledigt.
Der Strafgefangene Matz, der eine elfjährige
Zuchthausſtrafe wegen ſchweren Einbruchdieb-
ſtahls verbüßt, war als Schneider im Altver-
wertungsbetrieb der Anſtalt beſchäftigt. Er wollte
zunächſt ſeine Ausſage verweigern, entſchloß ſich
aber ſchließlich, Rede und Antwort zu ſtehen,
wobei er ſofort betonte, daß ſeine letzte belaſtende
Ausſage falſch ſei. Alle ſeine Einwürfe ſeien von
Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch nicht beachtet
worden, und Dr. Knobloch habe ihm erklärt,
wenn er ſeine entlaſtenden Ausſagen nicht
fallen laſſe, dann würde ſein Gnadengeſuch
nicht befördert werden.
Schließlich hätten er und Paaſch ſich entſchloſſen,
nur Belaſtendes auszuſagen, ſpäter aber dieſe
Ausſagen wieder zurückzunehmen.
Rechtsanwalt Themal: „Benahm ſich Dr. Knob-
loch darauf anders zu Ihnen, war er liebens-
würdiger?“
Zeuge Matz: „Aber ſelbſtverſtändlich.“
Rechtsanwalt Themal lehnte hierauf erneut
Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch als Sachver-
ſtändigen ab. Staatsanwaltſchaftsrat Knobloch
betonte demgegenüber, daß der Zeuge Matz ein
völlig unzuverläſſiger Menſch ſei, ſeine Darſtellung
ſei völlig unzutreffend. Er habe ſtändig geleugnet
und erſt auf Vorhalt der polizeilichen Ermitt-
lungsergebniſſe und beſonders, nachdem ſeine
Angehörigen den Empfang von Paketen mit
Kleidungsſtücken beſtätigt hätten, ein Geſtändnis
abgelegt. Auch der wieder vorgeführte Gefangene
Paaſch beſtritt die Darſtellung ſeines Mit-
gefangenen Matz und blieb dabei, daß er mit der
Belaſtung der Beamten die Wahrheit geſagt
hätte. Der Zeuge Matz blieb demgegenüber bei
ſeiner Darſtellung und erklärte:
„Ich habe jetzt noch Angſt vor dem Druck,
den das Miniſterium auf mich ausübt.“
Die Berliner Kriminalbeamten, die zur Auf-
deckung der Schiebungen nach Sonnenburg ent-
ſandt worden waren, ſchilderten im weiteren
Verlauf der Verhandlungen ſehr anſchaulich die
Verhältniſſe, die ſie dort vorfanden.
Auf der Kleinbahn in Sonnenburg gaben
die Gefangenen Kollis bis zu einem Gewicht
von einem Zentner an ihre Angehörigen auf,
wobei als Abſender Decknamen benutzt wurden.
Unerklärlich iſt es bis heute geblieben, wie dieſe
Kollis aus der Anſtalt ungehindert herans-
gebracht werden konten. Insgeſamt fehlten ſpäter
von den 280 000 Kilogramm Heeresgut, die
nach Sonnenburg geliefert waren, rund
14 000 Kilogramm.
Dann begann der
Aufmarſch der Mörder.
Unter allgemeiner Spannung wurde u. a. der
erſt 24jährige Mörder Steinbock vorgeführt,
der im Jahre 1924 die Tante eines Freundes er-
mordet hat, und nun auch lebenslänglich ſitzt.
Als er über Wachtmeiſter Bär befragt wurde,
erklärte er trotzig: „Ich verweigere meine Aus-
ſage.“
Vorſitzender: „Sie haben kein Recht dazu, aber
wir beſitzen keine Machtmittel, Sie zur Ausſage
zu zwingen. Wollen Sie nicht doch lieber aus-
ſagen?“
Zeuge Steinbock: „Nein, es ſind Umſtände ein-
getreten, die mich zur Verweigerung zwingen.
Ich habe meine Gründe.“
Als er darauf abgeführt werden ſollte, drehte
ſich Steinbock zuerſt noch einmal in aller Ruhe
nach allen Seiten um, muſterte die Prozeß-
beteiligten und die Zuhörer lächelnd und ver-
ſchwand dann, von den Beamten eskortiert, durch
die Tür.
[Abbildung In der Kirche des Sonnenburger Zuchthauſes begann der Prozeß gegen 21 Beamte dieſer
Strafanſtalt, die des Diebſtahls, der Unterſchlagung. Hehlerei und der Verleitung zum
Meineid angeklagt ſind.]
VON DEN BÜHNEN
Perlenkomödie
Erſtaufführung im Reſidenztheater
Eben recht — ſage ich — eben recht kommt
dieſer wieneriſch-ſcharmante Perlendieb, um die
Frau zu übernehmen, deren Mann ſeine Perlen
über die andere ſtreut. Man kann ſeine echten
Perlen eben nur über einen Frauennacken wer-
fen — wenn wirklich mehrere — geht’s nicht
ohne Imitation — und dann — — —
Dieſer Perlen-Symbolismus iſt, bei Gott, wahr
— und nur ſo eine Komödie, wenn ſeit drei
Jahren ſchon der Nachfolger in De- und Edelmut
bereit ſteht — ſozuſagen mit den Roſen, um mit
dem Univerſalheftpflaſter der großen Liebe kaum
empfundene Wunden zu ſchließen.
Denn dieſer Perlendieb raubt dieſe Perlen, ob-
wohl, oder eben deshalb, weil er weiß, daß ſie
falſch ſind und die echten ſich um den Hals der
Freundin des Mannes ſchmiegen — vertauſcht
die falſchen mit den echten, ahnt den Wutanfall
dieſer Freundin, die nun die falſchen dankend
an die legitime Nebenbuhlerin zurückſchickt. —
Zwei Ketten! — Wahrheit dämmert nur — dem
_ en zuliebe will ſie nicht fragen — der Alte
zieht ab, beide Ketten in der Taſche — mit Kuß
und Herz belohnter Edelmut, beharrliche Liebe
kommt endlich vor den Fall — Moral: Man ſoll
gleichzeitig nie zwei Frauen Perlen um den
Nacken werfen — nur hintereinander — ſonſt
geht’s nicht ohne Imitation — und die ſieht —
und fühlt man. Alſo!
Gewandte, bühnenſichere Abwandlung dieſer
Liebenswürdigkeit durch den routinierten Bruno
Frank fand die unbedingte Unterſtützung einer
erſten Beſetzung.
Guſtl Waldau, dieſer wieneriſche Menſch,
warm — menſchlicher Bohemien, ſalopper Edel-
import, als Perlendieb. Sein erſtes Auftreten
nach ſeinen Wiener Erfolgen, die ſo ſtark waren,
daß wir ihn beinahe verloren — ach, nein Guſtl
Waldau, wir lieben dich länger, viel länger
als du die Wera Siethoff — und wir wiſſen von
deinem Künſtlerherzen — überhaupt von deinem
Herzen, von dem wir glauben, daß es etwas
München verbunden iſt, wie München ihm.
Hilde Herterich mit aller Innerlichkeit einer
Frau, die nichts als Frau ſein will, ſenſitiv, be-
herrſcht, unkonſtriert. Ihre Gegenſpielerin, Ger-
trud Donath, modern, nervös, bewußter und
richtig erfaßter Gegenſatz. Otto Wernicke, der
kleine Caſanova in Nöten, heilfroh, noch ſo aus
der Affäre zu kommen, glatte, entſprechende
Leiſtung, noch Hermann Pöſchko vorzüglich in
verdruckter Komik als Detektiv.
Alfons Pape, der Regiſſeur, fand mit gutem
Geſchmack die Note des heiteren Spiels unbe-
laſtet und ſo obenhin. Geſchmackvolles Kunſt-
gewerbe die Bühnenbilder von Adolf Linne-
bach.
Mit den Darſtellern konnte ſich auch der Autor
vor einem freudig geſtimmten Publikum ver-
neigen. Für graziöſe Unterhaltung gab es herz-
lichen Beifall.
Rolf Flügel.
Der fröhliche Weinberg
Neueinſtudierung
in den Kammerſpielen
Die Wirkung dieſes fröhlichen, gutgelaunten
Ulks war in der neuen Einſtudierung und Regie
von Gellner faſt noch durchſchlagender als bei der
früheren Darſtellung. Es wurde mit Schmiß und
Temperament geſpielt und die Raufſzenen der
wein- und krakeelluſtigen Rheinheſſen in der
Wirtsſtube waren von derbſter Realiſtik. Einige
der dickdraſtiſchſten Stellen, die früher hier und
da Anſtoß und Widerſpruch erregt hatten, waren
ſchmerzlos entfernt worden, und es iſt ein gutes
Zeugnis für den Wert des luſtigen Stückes, daß
es dadurch nur gewonnen hat.
Die Beſetzung zeigte ein paar nicht un-
weſentliche Aenderungen. Knuzius, Klärchens
Verlobter, der ſchönredende, mitgiftangelnde
Kommentfatzke, den früher Kurt Horwitz ſpielte,
wurde diesmal von Kurt Reiß mit einer
geradezu erſchütternd komiſchen, blonden Hohlheit
und Nichtigkeit ausgeſtattet, die von unwider-
ſtehlicher Wirkung bei jedem Wort und jedem
Schritt war. Den verliebten, hitzköpfigen Schiffer
Jochen gab Will Dohm mit aller handgreif-
lichen Derbheit. Heinz Rühmann war vom
Weinhändler der erſten Beſetzung zum wirk-
ſameren jüdiſchen Weinreiſenden geworden, ein
echter Kumpan des urgelungenen, unnachahmlich
drolligen Eichheim. Sonſt wären von Neu-
beſetzungen noch der Landskronenwirt von Walter
Lantzſch zu nennen der ſeinem Vorgänger
Katſch an heiterer, maſſiger Langſamkeit im
Reden und Denken nichts nachgab, ferner die
Schweſter des Schiffers Moſt, Maria Herbot,
die Weinhändler von Seger und Rücker, das
kecke Babettche von Edith Schulze-Weſtrum,
Maria Byk und Frau Höcker-Behrens
als Gänschen Stenz und Frau Rindsfuß, Adolf
Grell als Standesbeamter.
Der Beifall war groß und diesmal unbeſtritten.
H.
Der franzöſiſche
Sachlieferungsſchwindel
Einer neuen Unternehmung auf die
Spur gekommen
Paris, 23. Januar.
In der Angelegenheit
des Sachlieferungsſchwindels ſteht nunmehr
feſt, daß außer der Lieferung von 9000
Tonnen Zucker an die Societé Fermiere
eine weitere Lieferung auf Sach-
lieferungskonto von 30000 Ton-
nen Zucker an die Franzöſiſch-
Marokkaniſche Schiffahrts- und
Handelsgeſellſchaft erfolgt iſt. Die
beiden Verträge ſind von den deutſchen Lie-
feranten in völlig einwandfreier Form ab-
geſchloſſen und ausgeführt worden. Eine
Schädigung deutſcher Stellen iſt nicht feſt-
zuſtellen. Wenn eine Schädigung in Frank-
reich vorliegt, dann nur für den franzöſiſchen
Staat. Die Unterſuchung wird eifrig fort-
geführt. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß
weitere Anklagen gegen die Perſo-
nen, die bei der Kreditgewährung und Ver-
ſchiebung des Zuckers nach England mitge-
wirkt haben, erhoben werden.
Der wegen Beteiligung an dem Zucker-
reparationslieferungsſchwindel verhaftete
Profeſſor Polier hat gegen den in Eng-
land befindlichen Mitangeklagten Nentſky
Anzeige wegen Betrugs erſtattet, weil er
durch betrügeriſche Manöver durch ihn das
Geld aus dem 30 000-Tonnen-Zucker-Ge-
ſchäft in verſchiedene Unternehmungen habe
einlegen laſſen.
Fünf Skifahrer durch Lawine verſchüttet
Erfolgreiche Rettungsarbeiten — trotzdem zwei Tote
Lech (Vorarlberg), 24. Januar.
Nördlich
der Kriegeralpe im Gemeindebezirk Lech
ging geſtern mittag eine Lawine nieder, die
fünf Skifahrer verſchüttete. Eine Rettungs-
expedition iſt ſofort abgegangen.
Das Lawinenunglück ſpielte ſich auf der
Sulzenfluh unterhalb der Mohnenfluh ab.
Eine Geſellſchaft von acht Reichsdeutſchen
und einer Holländerin beſtieg unter Füh-
rung des Skilehrers Jochum einen Hang,
als eine Lawine in einer Breite von
50 Meter und einer Länge von
70 Meter abbrach. Die Lawine verſchüt-
tete fünf Perſonen, drei Damen und zwei
Herren. Unter Leitung des Skilehrers, den
die Lawine nur ein Stück mitgeriſſen hatte,
begann ſofort die Rettungsarbeit und es
gelang, zwei Damen und einen Herrn
lebend aus den Schneemaſſen zu bergen.
Bei einem Herrn und einer Dame blieben
die Wiederbelebungsverſuche erfolglos. Ihre
Namen ſind Dr. Lutz-Seibuſch-Frank-
furt a. M. und Frau Ninni Rößler,
geb. 1878, Arztensgattin aus Frankfurt
am Main. Ihr Mann befand ſich auch bei
der Partie.
Brand
in den Albatroswerken
4 Perſonen durch Stichflammen verletzt
Berlin, 24. Januar.
Geſtern nachmittag
brach in einer Verſuchsbaracke der Albatros-
flugzeugwerke in Adlershof Feuer aus, das
in kurzer Zeit auch auf die angrenzenden
Büroräume überſprang. Bevor die Feuer-
wehr dort eintraf, hatten bereits mehrere
Angeſtellte verſucht, den Brand zu löſchen.
Dabei wurden vier Perſonen durch
Stichflammen erheblich verletzt.
Zwei von ihnen trugen ſchwere Brand-
wunden an den Händen und im Geſicht da-
von und mußten nach Anlegung von Not-
verbänden nach dem Krankenhaus gebracht
werden. Das Büro und die Unterdruck-
kammer brannten vollſtändig nieder. Erſt
nach mehrſtündiger Arbeit gelang es der
Feuerwehr, die Gefahr zu beſeitigen. Das
Feuer iſt wahrſcheinlich durch Kurzſchluß
entſtanden.
Beleidigungsprozeß
gegen Reichsgerichtsräte
Leopold Schwarzſchild und „Fall
Jakubowſki“
Berlin, 24. Januar..
Geſtern begann vor
dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg ein
Privatklageverfahren, das der Herausgeber
des „Tagebuch“, Leopold Schwarzſchild,
gegen den Senatspräſidenten beim Reichs-
gericht, Reichert, und den Reichsgerichts-
rat J. R. Bewer angeſtrengt hatte. Die
beiden Angeklagten waren vom perſönlichen
Erſcheinen entbunden und wurden durch
ihren Verteidiger vertreten. Die Beleidi-
gung ſoll in einem Artikel der „Deutſchen
Richterzeitung“ vom 15. März enthalten
ſein, der den Titel trug „Der Fall Jaku-
bowſki — ein leeres Gerede“. Verfaſſer des
Artikels war Bewer. Reichert iſt verantwort-
licher Redakteur der „Deutſchen Richter-
zeitung.“ Der Artikel war eine Antwort auf
einen Aufſatz des Privatklägers Schwarz-
ſchild „Der fahrläſſige Richter“.
Schwarzſchild fühlte ſich durch Ausdrücke
wie „abſcheuliche Fahrläſſigkeit“, „bewußte
Unwahrhaftigkeit“, „rechtsbeugende Litera-
ten“ beleidigt.
_
Deutſche Militär-
inſtrukteure in China
Eine Antwort Chamberlains
London, 24. Januar.
In Erwiderung auf
eine Anfrage erklärte Sir Auſten Cham-
berlain im Unterhaus, er habe Berichte über
die Ankunft deutſcher Militärinſtrukteure in
verſchiedenen Teilen Chinas erhalten, ſei
aber nicht in der Lage, Näheres dazu mit-
zuteilen.
Die Frage, ob dieſer Gegenſtand vom
Völkerbund erörtert worden ſei, wurde von
Chamberlain verneint.
Schutz den Radfahrern
Einführung von Rückſtrahlern
in Preußen
Berlin, 24. Januar.
Um im Intereſſe der
Verkehrsſicherheit Radfahrer bei Dunkel-
heit dem Führer eines nachfolgenden Kraft-
fahrzeuges rechtzeitig kenntlich zu machen,
ordnet, wie der Amtliche Preußiſche Preſſe-
dienſt mitteilt, ein gemeinſamer Runderlaß
der Miniſter des Innern, für Landwirtſchaft,
Domänen und Forſten und für Handel und
Gewerbe an die nachgeordneten Behörden
an, daß die von dem Oberpräſidenten er-
laſſenen Straßenverkehrsordnungen ſofort
dahin zu ergänzen ſind, daß Fahrräder auch
mit einem Rückſtrahler, der einfallende
Lichtſtrahlen in gelbroten Farben deutlich
zurückwirft, zu verſehen ſind. Um einerſeits
der Rückſtrahler herſtellenden Induſtrie
anderſeits den Radfahrern eine Uebergangs-
zeit für die Durchführung der Verordnung
zuzubilligen, wird angeordnet, daß dieſe
Verordnungen erſt am 1. April dieſes
Jahres in Kraft zu ſetzen ſind.
Ungeeignete Rückſtrahler ſind aus dem Ver-
kehr zu ziehen.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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