Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 23. Mai 1920.

Bild:
<< vorherige Seite
23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Sich ihrer Sprache nicht zu schämen. --
Hier dieser Herr, schrie sie, das dächten Sie wohl nicht,
Versteht die Wunderkur, von der die Zeitung spricht,
Und würde sich wohl gar bequemen,
Die Kur mit ihnen vorzunehmen,
Wenn Sie es wünschten. -- Auf einmal
Faßt auf das Wort der Fee die schöne Karoline
Vertrauen zu dem Herrn, den seine gute Miene
Schon ohnedem bei ihr empfahl: --
Herr Voktor -- oder wie ihr Titel
Sonst heißen mag -- besitzen Sie das Mittel,
Von dem die Zeitung Wunder spricht:
So bitt' ich, retten Sie mein jugendlich Gesicht.
Es ist das einzige, was mir das Glück gegeben,
Was mich noch zu erfreu'n vermag.
Ging es verloren: keinen Tag
Würd ich das Unglück überleben.
Ich weiß zwar nicht, ob ich die Müh',
So sehr mein Herz es wünscht, verdiene? --
Nun lieber Herr -- mit unschuldsvoller Miene
Sah sie ihn an -- was meinen Sie? --

Wie pochte nicht das Herz dem jungen Herrn! So nahe
Hat ihm noch nie die Lieb' ein Netz gelegt.
Er fühlt, je mehr er auf sie sahe,
Je mehr sie sprach, sein Innerstes bewegt.
Was soll er tun? Das schmeichelnde Vergnügen,
Dies liebe Kind noch oft zu seh'n,
Verwehrt ihm itzt die Wahrheit zu gesteh'n,
Die Ehrlichkeit verbot es, zu betrügen.
Zuletzt entschloß er sich, durch eine halbe Lügen
Den sichern Mittelweg zu geh'n. --
Ich bin ein deutscher Herr, der in der Nachbarschaft
Auf seinen Gütern lebt, doch misch' ich mich zuweilen
Gern in die Medizin, und kann so meisterhaft,
Als Dimsdal nimmermehr, ein hübsches Mädchen heilen.
In meinem Umgang schon steckt die verborg'ne Kraft,
Die Krankheit andern mitzuteilen.
Es ist ja überhaupt der Blattern Eigenschaft:
Eins steckt das andere an -- doch g'nug, itzt muß ich eilen:
Sie werden dann schon mit der Zeit versteh'n.
Sie leben wohl, auf baldig' Wiederseh'n! --
Hiermit entriß er sich des Fräuleins Schmeicheleien,
Schwung sich aufs Pferd und zog den Hut --
Da hielt es noch die alte Fee für gut
Ihm diese Warnung vorzuschreien:
Der Himmel segne Sie vor Ihre Gütigkeit,
Mein junger Herr, auf viele Jahre!
Nur sorgen Sie, daß vor der Zeit
Des Fräulein Vater nichts von ihrer Kur erfahre.
Das ist ein Mann, der für die schönste Haut
Nicht einen Groschen gibt, und (daß Sie Gott bewahre)
Dem bösen Feinde mehr, als einem Arzte traut.

Dem Leser, welcher das Projekt
Des Ritters nicht etwan von selber schon entdeckt,
Will ich davon, so viel ich weiß, erzählen. --

Er hatte nicht umsonst so manche hübsche Nacht
Des Körpers Wunderbau, das Labyrinth der Seelen,
Als Ritter durchgeirrt, als Weiser durchgedacht,
Und alle Wendungen, die die Verliebten wählen,
Nach Regeln der Natur in einen Plan gebracht.
Er ward seitdem der Liebe nur getreuer,
Und wies, je mehr er itzt mit kritischem Verstand
Beleuchtete, was er empfand,
Nur desto weniger die kleinen Abenteuer
Mit hübschen Kindern von der Hand. --
Unwissenheit berauscht, Erfahrung machet nüchtern.
Wenn itzt die Lieb ihm winkt, flammt seine Einbildung
Nicht mehr so hoch als sonst, und seine Forderung
Ist nicht zu dreust und nicht zu schüchtern.
Sein erster Rausch war zwar schon längst vorbei, doch blieb
Ihm stets davon noch die Erinnerung lieb.
Er sah an andern gern die Lust, die er empfunden,

[Spaltenumbruch]

Sah gern die Liebenden in ihrem ersten Glück
Und rufte, wie ein Kind in seinen Morgenstunden,
Den halbvergess'nen Traum zurück.
Noch lieber ließ er sich mit den vertrauten Scherzen
Zum Unterricht so unerfahr'ner Herzen,
Wie Amor ihm in Karolinen gab,
Mit lehrbegieriger Lust herab.
Es ist, ihr Mädchen hört's! die feine Kunst zu lieben,
Wie das Basset, ein sehr betrüglich Spiel.
Es gibt der Männer gar zu viel,
Die sich in losen Künsten üben,
Wenn Euer Herz, mißtrauisch beim Gefühl
Der Liebe stutzt: gleich unterschieben
Sie Euch ein falsches Wort, das wie der Unschuld dünkt,
Schon mehr erlaubt und besser klingt.
Ein Kuß auf Eure Hand ist nur ein Ehrfurchtszeichen,
Das, wenn es sich auf Euren weichen
Korallenfarb'nen Mund verirrt,
Nicht Liebe, nein, nur Freundschaft wird.
Euch lockt ein süßer Trieb zu schattenreichen Büschen --
Was wollt ihr da? -- Ihr wißt es selber nicht:
Doch Euer Freund erklärt's. Ihr sucht Euch zu erfrischen,
Weil Euch -- weil Euch die Sonne sticht.
Aus Müdigkeit setzt er sich bei dem Bache nieder,
Ihr folgt dem Wink aus gleicher Müdigkeit:
Des Bach's Geräusch ist schuld an der Zufriedenheit,
Die aus Euch scherzt -- und Weissen's Jugendlieder
Vertreiben Euch die kurze Zeit.
Und wenn Ihr Euch aus Zärtlichkeit nun beide
So weit vergeßt, wie ich mich oft vergaß --
Was grübelt Ihr? -- Fragt ihn! es war nur Uebermaß
Der Liebe nicht, nein, nur der Freude.

Nach diesem glücklichen System
Hielt unser junger Herr auch diesmal für bequem,
Das unerfahrene Herz des Fräulein zu behandeln,
Und eine Kur, von der er nichts verstand,
Durch Sympathie in eine zu verwandeln,
Für die er mehr Beruf empfand. --
Mit dem Entschluß ging er zu Bett und träumte,
Wie jeder junge Arzt von seiner ersten Kur:
Doch daß er nicht etwa sein krankes Kind versäumte,
Was manchmal selbst Boerhaven wiederfuhr,
Zog er zuvor an seiner Uhr
Den Wecker auf. Die Mühe war vergebens.
So klein sie war. Das Herz, der Wecker unsers Lebens,
Ermuntert uns weit sicherer zur Zeit,
Von einer solchen Wichtigkeit.
Kaum war er wach, kaum war der Tag erschienen,
Der doch im Mai nicht langsam ist:
So eilt er schon zu Karolinen,
Er fand das muntere Kind im Grünen
Mit einem Blick ward er von ihr gegrüßt,
Der leichter anzuseh'n, als zu beschreiben ist.
Unnötig suchte sie, daß eine sanfte Sprache
Verständlicher ihn nach und nach beredter mache.
Ein Blick, wie dieser war, ist leichter zu versteh'n,
Als manche wohlgesetzte Chrie.
Ich, fing sie stotternd an, komm' wie Sie mich hier seh'n.
Erst aus dem Bett. Und Sie -- Sie geben sich die Mühe
Um mich, ich schäme mich, -- so früh schon auszugeh'n? --
"Ein Liebesdienst kann, rief er, nie zu frühe
Auch selbst um Mitternacht geschehen."
Du armes Kind! so listig hintergangen,
Seitdem es Mädchen gibt, ward keine noch als du;
Du eilest wie du glaubst, mit löblichem Verlangen
Um die Erhaltung deiner Wangen
Dem Arzt -- Betrogne, du eilst der Liebe zu!
Noch unbekannt mit ihren Streitigkeiten
Ergibst du dich ihr gern, nach einer Krankenpflicht.
Wie könntest du mit Amorn streiten,
Du gutes Kind, du kennst ihn nicht! --

Der Arzt fing an zuerst, wie sich's gebührt, zu fragen:
"Wie geht der Puls?" -- "So, so; -- da fühlen Sie mein Herr"
"Er geht sehr frisch" --, allein in wenig Tagen

23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Sich ihrer Sprache nicht zu ſchämen. —
Hier dieſer Herr, ſchrie ſie, das dächten Sie wohl nicht,
Verſteht die Wunderkur, von der die Zeitung ſpricht,
Und würde ſich wohl gar bequemen,
Die Kur mit ihnen vorzunehmen,
Wenn Sie es wünſchten. — Auf einmal
Faßt auf das Wort der Fee die ſchöne Karoline
Vertrauen zu dem Herrn, den ſeine gute Miene
Schon ohnedem bei ihr empfahl: —
Herr Voktor — oder wie ihr Titel
Sonſt heißen mag — beſitzen Sie das Mittel,
Von dem die Zeitung Wunder ſpricht:
So bitt’ ich, retten Sie mein jugendlich Geſicht.
Es iſt das einzige, was mir das Glück gegeben,
Was mich noch zu erfreu’n vermag.
Ging es verloren: keinen Tag
Würd ich das Unglück überleben.
Ich weiß zwar nicht, ob ich die Müh’,
So ſehr mein Herz es wünſcht, verdiene? —
Nun lieber Herr — mit unſchuldsvoller Miene
Sah ſie ihn an — was meinen Sie? —

Wie pochte nicht das Herz dem jungen Herrn! So nahe
Hat ihm noch nie die Lieb’ ein Netz gelegt.
Er fühlt, je mehr er auf ſie ſahe,
Je mehr ſie ſprach, ſein Innerſtes bewegt.
Was ſoll er tun? Das ſchmeichelnde Vergnügen,
Dies liebe Kind noch oft zu ſeh’n,
Verwehrt ihm itzt die Wahrheit zu geſteh’n,
Die Ehrlichkeit verbot es, zu betrügen.
Zuletzt entſchloß er ſich, durch eine halbe Lügen
Den ſichern Mittelweg zu geh’n. —
Ich bin ein deutſcher Herr, der in der Nachbarſchaft
Auf ſeinen Gütern lebt, doch miſch’ ich mich zuweilen
Gern in die Medizin, und kann ſo meiſterhaft,
Als Dimsdal nimmermehr, ein hübſches Mädchen heilen.
In meinem Umgang ſchon ſteckt die verborg’ne Kraft,
Die Krankheit andern mitzuteilen.
Es iſt ja überhaupt der Blattern Eigenſchaft:
Eins ſteckt das andere an — doch g’nug, itzt muß ich eilen:
Sie werden dann ſchon mit der Zeit verſteh’n.
Sie leben wohl, auf baldig’ Wiederſeh’n! —
Hiermit entriß er ſich des Fräuleins Schmeicheleien,
Schwung ſich aufs Pferd und zog den Hut —
Da hielt es noch die alte Fee für gut
Ihm dieſe Warnung vorzuſchreien:
Der Himmel ſegne Sie vor Ihre Gütigkeit,
Mein junger Herr, auf viele Jahre!
Nur ſorgen Sie, daß vor der Zeit
Des Fräulein Vater nichts von ihrer Kur erfahre.
Das iſt ein Mann, der für die ſchönſte Haut
Nicht einen Groſchen gibt, und (daß Sie Gott bewahre)
Dem böſen Feinde mehr, als einem Arzte traut.

Dem Leſer, welcher das Projekt
Des Ritters nicht etwan von ſelber ſchon entdeckt,
Will ich davon, ſo viel ich weiß, erzählen. —

Er hatte nicht umſonſt ſo manche hübſche Nacht
Des Körpers Wunderbau, das Labyrinth der Seelen,
Als Ritter durchgeirrt, als Weiſer durchgedacht,
Und alle Wendungen, die die Verliebten wählen,
Nach Regeln der Natur in einen Plan gebracht.
Er ward ſeitdem der Liebe nur getreuer,
Und wies, je mehr er itzt mit kritiſchem Verſtand
Beleuchtete, was er empfand,
Nur deſto weniger die kleinen Abenteuer
Mit hübſchen Kindern von der Hand. —
Unwiſſenheit berauſcht, Erfahrung machet nüchtern.
Wenn itzt die Lieb ihm winkt, flammt ſeine Einbildung
Nicht mehr ſo hoch als ſonſt, und ſeine Forderung
Iſt nicht zu dreuſt und nicht zu ſchüchtern.
Sein erſter Rauſch war zwar ſchon längſt vorbei, doch blieb
Ihm ſtets davon noch die Erinnerung lieb.
Er ſah an andern gern die Luſt, die er empfunden,

[Spaltenumbruch]

Sah gern die Liebenden in ihrem erſten Glück
Und rufte, wie ein Kind in ſeinen Morgenſtunden,
Den halbvergeſſ’nen Traum zurück.
Noch lieber ließ er ſich mit den vertrauten Scherzen
Zum Unterricht ſo unerfahr’ner Herzen,
Wie Amor ihm in Karolinen gab,
Mit lehrbegieriger Luſt herab.
Es iſt, ihr Mädchen hört’s! die feine Kunſt zu lieben,
Wie das Baſſet, ein ſehr betrüglich Spiel.
Es gibt der Männer gar zu viel,
Die ſich in loſen Künſten üben,
Wenn Euer Herz, mißtrauiſch beim Gefühl
Der Liebe ſtutzt: gleich unterſchieben
Sie Euch ein falſches Wort, das wie der Unſchuld dünkt,
Schon mehr erlaubt und beſſer klingt.
Ein Kuß auf Eure Hand iſt nur ein Ehrfurchtszeichen,
Das, wenn es ſich auf Euren weichen
Korallenfarb’nen Mund verirrt,
Nicht Liebe, nein, nur Freundſchaft wird.
Euch lockt ein ſüßer Trieb zu ſchattenreichen Büſchen —
Was wollt ihr da? — Ihr wißt es ſelber nicht:
Doch Euer Freund erklärt’s. Ihr ſucht Euch zu erfriſchen,
Weil Euch — weil Euch die Sonne ſticht.
Aus Müdigkeit ſetzt er ſich bei dem Bache nieder,
Ihr folgt dem Wink aus gleicher Müdigkeit:
Des Bach’s Geräuſch iſt ſchuld an der Zufriedenheit,
Die aus Euch ſcherzt — und Weiſſen’s Jugendlieder
Vertreiben Euch die kurze Zeit.
Und wenn Ihr Euch aus Zärtlichkeit nun beide
So weit vergeßt, wie ich mich oft vergaß —
Was grübelt Ihr? — Fragt ihn! es war nur Uebermaß
Der Liebe nicht, nein, nur der Freude.

Nach dieſem glücklichen Syſtem
Hielt unſer junger Herr auch diesmal für bequem,
Das unerfahrene Herz des Fräulein zu behandeln,
Und eine Kur, von der er nichts verſtand,
Durch Sympathie in eine zu verwandeln,
Für die er mehr Beruf empfand. —
Mit dem Entſchluß ging er zu Bett und träumte,
Wie jeder junge Arzt von ſeiner erſten Kur:
Doch daß er nicht etwa ſein krankes Kind verſäumte,
Was manchmal ſelbſt Boerhaven wiederfuhr,
Zog er zuvor an ſeiner Uhr
Den Wecker auf. Die Mühe war vergebens.
So klein ſie war. Das Herz, der Wecker unſers Lebens,
Ermuntert uns weit ſicherer zur Zeit,
Von einer ſolchen Wichtigkeit.
Kaum war er wach, kaum war der Tag erſchienen,
Der doch im Mai nicht langſam iſt:
So eilt er ſchon zu Karolinen,
Er fand das muntere Kind im Grünen
Mit einem Blick ward er von ihr gegrüßt,
Der leichter anzuſeh’n, als zu beſchreiben iſt.
Unnötig ſuchte ſie, daß eine ſanfte Sprache
Verſtändlicher ihn nach und nach beredter mache.
Ein Blick, wie dieſer war, iſt leichter zu verſteh’n,
Als manche wohlgeſetzte Chrie.
Ich, fing ſie ſtotternd an, komm’ wie Sie mich hier ſeh’n.
Erſt aus dem Bett. Und Sie — Sie geben ſich die Mühe
Um mich, ich ſchäme mich, — ſo früh ſchon auszugeh’n? —
„Ein Liebesdienſt kann, rief er, nie zu frühe
Auch ſelbſt um Mitternacht geſchehen.“
Du armes Kind! ſo liſtig hintergangen,
Seitdem es Mädchen gibt, ward keine noch als du;
Du eileſt wie du glaubſt, mit löblichem Verlangen
Um die Erhaltung deiner Wangen
Dem Arzt — Betrogne, du eilſt der Liebe zu!
Noch unbekannt mit ihren Streitigkeiten
Ergibſt du dich ihr gern, nach einer Krankenpflicht.
Wie könnteſt du mit Amorn ſtreiten,
Du gutes Kind, du kennſt ihn nicht! —

Der Arzt fing an zuerſt, wie ſich’s gebührt, zu fragen:
„Wie geht der Puls?“ — „So, ſo; — da fühlen Sie mein Herr“
„Er geht ſehr friſch“ —, allein in wenig Tagen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="a01a" next="#a01b" type="jArticle" n="2">
          <pb facs="#f0009" n="195"/>
          <fw place="top" type="header">23. Mai 1920 <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/>
          <cb/>
          <p>Sich ihrer Sprache nicht zu &#x017F;chämen. &#x2014;<lb/>
Hier die&#x017F;er Herr, &#x017F;chrie &#x017F;ie, das dächten Sie wohl nicht,<lb/>
Ver&#x017F;teht die Wunderkur, von der die Zeitung &#x017F;pricht,<lb/>
Und würde &#x017F;ich wohl gar bequemen,<lb/>
Die Kur mit ihnen vorzunehmen,<lb/>
Wenn Sie es wün&#x017F;chten. &#x2014; Auf einmal<lb/>
Faßt auf das Wort der Fee die &#x017F;chöne Karoline<lb/>
Vertrauen zu dem Herrn, den &#x017F;eine gute Miene<lb/>
Schon ohnedem bei ihr empfahl: &#x2014;<lb/>
Herr Voktor &#x2014; oder wie ihr Titel<lb/>
Son&#x017F;t heißen mag &#x2014; be&#x017F;itzen Sie das Mittel,<lb/>
Von dem die Zeitung Wunder &#x017F;pricht:<lb/>
So bitt&#x2019; ich, retten Sie mein jugendlich Ge&#x017F;icht.<lb/>
Es i&#x017F;t das einzige, was mir das Glück gegeben,<lb/>
Was mich noch zu erfreu&#x2019;n vermag.<lb/>
Ging es verloren: keinen Tag<lb/>
Würd ich das Unglück überleben.<lb/>
Ich weiß zwar nicht, ob ich die Müh&#x2019;,<lb/>
So &#x017F;ehr mein Herz es wün&#x017F;cht, verdiene? &#x2014;<lb/>
Nun lieber Herr &#x2014; mit un&#x017F;chuldsvoller Miene<lb/>
Sah &#x017F;ie ihn an &#x2014; was meinen Sie? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wie pochte nicht das Herz dem jungen Herrn! So nahe<lb/>
Hat ihm noch nie die Lieb&#x2019; ein Netz gelegt.<lb/>
Er fühlt, je mehr er auf &#x017F;ie &#x017F;ahe,<lb/>
Je mehr &#x017F;ie &#x017F;prach, &#x017F;ein Inner&#x017F;tes bewegt.<lb/>
Was &#x017F;oll er tun? Das &#x017F;chmeichelnde Vergnügen,<lb/>
Dies liebe Kind noch oft zu &#x017F;eh&#x2019;n,<lb/>
Verwehrt ihm itzt die Wahrheit zu ge&#x017F;teh&#x2019;n,<lb/>
Die Ehrlichkeit verbot es, zu betrügen.<lb/>
Zuletzt ent&#x017F;chloß er &#x017F;ich, durch eine halbe Lügen<lb/>
Den &#x017F;ichern Mittelweg zu geh&#x2019;n. &#x2014;<lb/>
Ich bin ein deut&#x017F;cher Herr, der in der Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
Auf &#x017F;einen Gütern lebt, doch mi&#x017F;ch&#x2019; ich mich zuweilen<lb/>
Gern in die Medizin, und kann &#x017F;o mei&#x017F;terhaft,<lb/>
Als Dimsdal nimmermehr, ein hüb&#x017F;ches Mädchen heilen.<lb/>
In meinem Umgang &#x017F;chon &#x017F;teckt die verborg&#x2019;ne Kraft,<lb/>
Die Krankheit andern mitzuteilen.<lb/>
Es i&#x017F;t ja überhaupt der Blattern Eigen&#x017F;chaft:<lb/>
Eins &#x017F;teckt das andere an &#x2014; doch g&#x2019;nug, itzt muß ich eilen:<lb/>
Sie werden dann &#x017F;chon mit der Zeit ver&#x017F;teh&#x2019;n.<lb/>
Sie leben wohl, auf baldig&#x2019; Wieder&#x017F;eh&#x2019;n! &#x2014;<lb/>
Hiermit entriß er &#x017F;ich des Fräuleins Schmeicheleien,<lb/>
Schwung &#x017F;ich aufs Pferd und zog den Hut &#x2014;<lb/>
Da hielt es noch die alte Fee für gut<lb/>
Ihm die&#x017F;e Warnung vorzu&#x017F;chreien:<lb/>
Der Himmel &#x017F;egne Sie vor Ihre Gütigkeit,<lb/>
Mein junger Herr, auf viele Jahre!<lb/>
Nur &#x017F;orgen Sie, daß vor der Zeit<lb/>
Des Fräulein Vater nichts von ihrer Kur erfahre.<lb/>
Das i&#x017F;t ein Mann, der für die &#x017F;chön&#x017F;te Haut<lb/>
Nicht einen Gro&#x017F;chen gibt, und (daß Sie Gott bewahre)<lb/>
Dem bö&#x017F;en Feinde mehr, als einem Arzte traut.</p><lb/>
          <p>Dem Le&#x017F;er, welcher das Projekt<lb/>
Des Ritters nicht etwan von &#x017F;elber &#x017F;chon entdeckt,<lb/>
Will ich davon, &#x017F;o viel ich weiß, erzählen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er hatte nicht um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o manche hüb&#x017F;che Nacht<lb/>
Des Körpers Wunderbau, das Labyrinth der Seelen,<lb/>
Als Ritter durchgeirrt, als Wei&#x017F;er durchgedacht,<lb/>
Und alle Wendungen, die die Verliebten wählen,<lb/>
Nach Regeln der Natur in einen Plan gebracht.<lb/>
Er ward &#x017F;eitdem der Liebe nur getreuer,<lb/>
Und wies, je mehr er itzt mit kriti&#x017F;chem Ver&#x017F;tand<lb/>
Beleuchtete, was er empfand,<lb/>
Nur de&#x017F;to weniger die kleinen Abenteuer<lb/>
Mit hüb&#x017F;chen Kindern von der Hand. &#x2014;<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit berau&#x017F;cht, Erfahrung machet nüchtern.<lb/>
Wenn itzt die Lieb ihm winkt, flammt &#x017F;eine Einbildung<lb/>
Nicht mehr &#x017F;o hoch als &#x017F;on&#x017F;t, und &#x017F;eine Forderung<lb/>
I&#x017F;t nicht zu dreu&#x017F;t und nicht zu &#x017F;chüchtern.<lb/>
Sein er&#x017F;ter Rau&#x017F;ch war zwar &#x017F;chon läng&#x017F;t vorbei, doch blieb<lb/>
Ihm &#x017F;tets davon noch die Erinnerung lieb.<lb/>
Er &#x017F;ah an andern gern die Lu&#x017F;t, die er empfunden,</p><lb/>
          <cb/>
          <p>Sah gern die Liebenden in ihrem er&#x017F;ten Glück<lb/>
Und rufte, wie ein Kind in &#x017F;einen Morgen&#x017F;tunden,<lb/>
Den halbverge&#x017F;&#x017F;&#x2019;nen Traum zurück.<lb/>
Noch lieber ließ er &#x017F;ich mit den vertrauten Scherzen<lb/>
Zum Unterricht &#x017F;o unerfahr&#x2019;ner Herzen,<lb/>
Wie Amor ihm in Karolinen gab,<lb/>
Mit lehrbegieriger Lu&#x017F;t herab.<lb/>
Es i&#x017F;t, ihr Mädchen hört&#x2019;s! die feine Kun&#x017F;t zu lieben,<lb/>
Wie das Ba&#x017F;&#x017F;et, ein &#x017F;ehr betrüglich Spiel.<lb/>
Es gibt der Männer gar zu viel,<lb/>
Die &#x017F;ich in lo&#x017F;en Kün&#x017F;ten üben,<lb/>
Wenn Euer Herz, mißtraui&#x017F;ch beim Gefühl<lb/>
Der Liebe &#x017F;tutzt: gleich unter&#x017F;chieben<lb/>
Sie Euch ein fal&#x017F;ches Wort, das wie der Un&#x017F;chuld dünkt,<lb/>
Schon mehr erlaubt und be&#x017F;&#x017F;er klingt.<lb/>
Ein Kuß auf Eure Hand i&#x017F;t nur ein Ehrfurchtszeichen,<lb/>
Das, wenn es &#x017F;ich auf Euren weichen<lb/>
Korallenfarb&#x2019;nen Mund verirrt,<lb/>
Nicht Liebe, nein, nur Freund&#x017F;chaft wird.<lb/>
Euch lockt ein &#x017F;üßer Trieb zu &#x017F;chattenreichen Bü&#x017F;chen &#x2014;<lb/>
Was wollt ihr da? &#x2014; Ihr wißt es &#x017F;elber nicht:<lb/>
Doch Euer Freund erklärt&#x2019;s. Ihr &#x017F;ucht Euch zu erfri&#x017F;chen,<lb/>
Weil Euch &#x2014; weil Euch die Sonne &#x017F;ticht.<lb/>
Aus Müdigkeit &#x017F;etzt er &#x017F;ich bei dem Bache nieder,<lb/>
Ihr folgt dem Wink aus gleicher Müdigkeit:<lb/>
Des Bach&#x2019;s Geräu&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;chuld an der Zufriedenheit,<lb/>
Die aus Euch &#x017F;cherzt &#x2014; und Wei&#x017F;&#x017F;en&#x2019;s Jugendlieder<lb/>
Vertreiben Euch die kurze Zeit.<lb/>
Und wenn Ihr Euch aus Zärtlichkeit nun beide<lb/>
So weit vergeßt, wie ich mich oft vergaß &#x2014;<lb/>
Was grübelt Ihr? &#x2014; Fragt ihn! es war nur Uebermaß<lb/>
Der Liebe nicht, nein, nur der Freude.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;em glücklichen Sy&#x017F;tem<lb/>
Hielt un&#x017F;er junger Herr auch diesmal für bequem,<lb/>
Das unerfahrene Herz des Fräulein zu behandeln,<lb/>
Und eine Kur, von der er nichts ver&#x017F;tand,<lb/>
Durch Sympathie in eine zu verwandeln,<lb/>
Für die er mehr Beruf empfand. &#x2014;<lb/>
Mit dem Ent&#x017F;chluß ging er zu Bett und träumte,<lb/>
Wie jeder junge Arzt von &#x017F;einer er&#x017F;ten Kur:<lb/>
Doch daß er nicht etwa &#x017F;ein krankes Kind ver&#x017F;äumte,<lb/>
Was manchmal &#x017F;elb&#x017F;t Boerhaven wiederfuhr,<lb/>
Zog er zuvor an &#x017F;einer Uhr<lb/>
Den Wecker auf. Die Mühe war vergebens.<lb/>
So klein &#x017F;ie war. Das Herz, der Wecker un&#x017F;ers Lebens,<lb/>
Ermuntert uns weit &#x017F;icherer zur Zeit,<lb/>
Von einer &#x017F;olchen Wichtigkeit.<lb/>
Kaum war er wach, kaum war der Tag er&#x017F;chienen,<lb/>
Der doch im Mai nicht lang&#x017F;am i&#x017F;t:<lb/>
So eilt er &#x017F;chon zu Karolinen,<lb/>
Er fand das muntere Kind im Grünen<lb/>
Mit einem Blick ward er von ihr gegrüßt,<lb/>
Der leichter anzu&#x017F;eh&#x2019;n, als zu be&#x017F;chreiben i&#x017F;t.<lb/>
Unnötig &#x017F;uchte &#x017F;ie, daß eine &#x017F;anfte Sprache<lb/>
Ver&#x017F;tändlicher ihn nach und nach beredter mache.<lb/>
Ein Blick, wie die&#x017F;er war, i&#x017F;t leichter zu ver&#x017F;teh&#x2019;n,<lb/>
Als manche wohlge&#x017F;etzte Chrie.<lb/>
Ich, fing &#x017F;ie &#x017F;totternd an, komm&#x2019; wie Sie mich hier &#x017F;eh&#x2019;n.<lb/>
Er&#x017F;t aus dem Bett. Und Sie &#x2014; Sie geben &#x017F;ich die Mühe<lb/>
Um mich, ich &#x017F;chäme mich, &#x2014; &#x017F;o früh &#x017F;chon auszugeh&#x2019;n? &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ein Liebesdien&#x017F;t kann, rief er, nie zu frühe<lb/>
Auch &#x017F;elb&#x017F;t um Mitternacht ge&#x017F;chehen.&#x201C;<lb/>
Du armes Kind! &#x017F;o li&#x017F;tig hintergangen,<lb/>
Seitdem es Mädchen gibt, ward keine noch als du;<lb/>
Du eile&#x017F;t wie du glaub&#x017F;t, mit löblichem Verlangen<lb/>
Um die Erhaltung deiner Wangen<lb/>
Dem Arzt &#x2014; Betrogne, du eil&#x017F;t der Liebe zu!<lb/>
Noch unbekannt mit ihren Streitigkeiten<lb/>
Ergib&#x017F;t du dich ihr gern, nach einer Krankenpflicht.<lb/>
Wie könnte&#x017F;t du mit Amorn &#x017F;treiten,<lb/>
Du gutes Kind, du kenn&#x017F;t ihn nicht! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Arzt fing an zuer&#x017F;t, wie &#x017F;ich&#x2019;s gebührt, zu fragen:<lb/>
&#x201E;Wie geht der Puls?&#x201C; &#x2014; &#x201E;So, &#x017F;o; &#x2014; da fühlen Sie mein Herr&#x201C;<lb/>
&#x201E;Er geht &#x017F;ehr fri&#x017F;ch&#x201C; &#x2014;, allein in wenig Tagen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0009] 23. Mai 1920 Allgemeine Zeitung Sich ihrer Sprache nicht zu ſchämen. — Hier dieſer Herr, ſchrie ſie, das dächten Sie wohl nicht, Verſteht die Wunderkur, von der die Zeitung ſpricht, Und würde ſich wohl gar bequemen, Die Kur mit ihnen vorzunehmen, Wenn Sie es wünſchten. — Auf einmal Faßt auf das Wort der Fee die ſchöne Karoline Vertrauen zu dem Herrn, den ſeine gute Miene Schon ohnedem bei ihr empfahl: — Herr Voktor — oder wie ihr Titel Sonſt heißen mag — beſitzen Sie das Mittel, Von dem die Zeitung Wunder ſpricht: So bitt’ ich, retten Sie mein jugendlich Geſicht. Es iſt das einzige, was mir das Glück gegeben, Was mich noch zu erfreu’n vermag. Ging es verloren: keinen Tag Würd ich das Unglück überleben. Ich weiß zwar nicht, ob ich die Müh’, So ſehr mein Herz es wünſcht, verdiene? — Nun lieber Herr — mit unſchuldsvoller Miene Sah ſie ihn an — was meinen Sie? — Wie pochte nicht das Herz dem jungen Herrn! So nahe Hat ihm noch nie die Lieb’ ein Netz gelegt. Er fühlt, je mehr er auf ſie ſahe, Je mehr ſie ſprach, ſein Innerſtes bewegt. Was ſoll er tun? Das ſchmeichelnde Vergnügen, Dies liebe Kind noch oft zu ſeh’n, Verwehrt ihm itzt die Wahrheit zu geſteh’n, Die Ehrlichkeit verbot es, zu betrügen. Zuletzt entſchloß er ſich, durch eine halbe Lügen Den ſichern Mittelweg zu geh’n. — Ich bin ein deutſcher Herr, der in der Nachbarſchaft Auf ſeinen Gütern lebt, doch miſch’ ich mich zuweilen Gern in die Medizin, und kann ſo meiſterhaft, Als Dimsdal nimmermehr, ein hübſches Mädchen heilen. In meinem Umgang ſchon ſteckt die verborg’ne Kraft, Die Krankheit andern mitzuteilen. Es iſt ja überhaupt der Blattern Eigenſchaft: Eins ſteckt das andere an — doch g’nug, itzt muß ich eilen: Sie werden dann ſchon mit der Zeit verſteh’n. Sie leben wohl, auf baldig’ Wiederſeh’n! — Hiermit entriß er ſich des Fräuleins Schmeicheleien, Schwung ſich aufs Pferd und zog den Hut — Da hielt es noch die alte Fee für gut Ihm dieſe Warnung vorzuſchreien: Der Himmel ſegne Sie vor Ihre Gütigkeit, Mein junger Herr, auf viele Jahre! Nur ſorgen Sie, daß vor der Zeit Des Fräulein Vater nichts von ihrer Kur erfahre. Das iſt ein Mann, der für die ſchönſte Haut Nicht einen Groſchen gibt, und (daß Sie Gott bewahre) Dem böſen Feinde mehr, als einem Arzte traut. Dem Leſer, welcher das Projekt Des Ritters nicht etwan von ſelber ſchon entdeckt, Will ich davon, ſo viel ich weiß, erzählen. — Er hatte nicht umſonſt ſo manche hübſche Nacht Des Körpers Wunderbau, das Labyrinth der Seelen, Als Ritter durchgeirrt, als Weiſer durchgedacht, Und alle Wendungen, die die Verliebten wählen, Nach Regeln der Natur in einen Plan gebracht. Er ward ſeitdem der Liebe nur getreuer, Und wies, je mehr er itzt mit kritiſchem Verſtand Beleuchtete, was er empfand, Nur deſto weniger die kleinen Abenteuer Mit hübſchen Kindern von der Hand. — Unwiſſenheit berauſcht, Erfahrung machet nüchtern. Wenn itzt die Lieb ihm winkt, flammt ſeine Einbildung Nicht mehr ſo hoch als ſonſt, und ſeine Forderung Iſt nicht zu dreuſt und nicht zu ſchüchtern. Sein erſter Rauſch war zwar ſchon längſt vorbei, doch blieb Ihm ſtets davon noch die Erinnerung lieb. Er ſah an andern gern die Luſt, die er empfunden, Sah gern die Liebenden in ihrem erſten Glück Und rufte, wie ein Kind in ſeinen Morgenſtunden, Den halbvergeſſ’nen Traum zurück. Noch lieber ließ er ſich mit den vertrauten Scherzen Zum Unterricht ſo unerfahr’ner Herzen, Wie Amor ihm in Karolinen gab, Mit lehrbegieriger Luſt herab. Es iſt, ihr Mädchen hört’s! die feine Kunſt zu lieben, Wie das Baſſet, ein ſehr betrüglich Spiel. Es gibt der Männer gar zu viel, Die ſich in loſen Künſten üben, Wenn Euer Herz, mißtrauiſch beim Gefühl Der Liebe ſtutzt: gleich unterſchieben Sie Euch ein falſches Wort, das wie der Unſchuld dünkt, Schon mehr erlaubt und beſſer klingt. Ein Kuß auf Eure Hand iſt nur ein Ehrfurchtszeichen, Das, wenn es ſich auf Euren weichen Korallenfarb’nen Mund verirrt, Nicht Liebe, nein, nur Freundſchaft wird. Euch lockt ein ſüßer Trieb zu ſchattenreichen Büſchen — Was wollt ihr da? — Ihr wißt es ſelber nicht: Doch Euer Freund erklärt’s. Ihr ſucht Euch zu erfriſchen, Weil Euch — weil Euch die Sonne ſticht. Aus Müdigkeit ſetzt er ſich bei dem Bache nieder, Ihr folgt dem Wink aus gleicher Müdigkeit: Des Bach’s Geräuſch iſt ſchuld an der Zufriedenheit, Die aus Euch ſcherzt — und Weiſſen’s Jugendlieder Vertreiben Euch die kurze Zeit. Und wenn Ihr Euch aus Zärtlichkeit nun beide So weit vergeßt, wie ich mich oft vergaß — Was grübelt Ihr? — Fragt ihn! es war nur Uebermaß Der Liebe nicht, nein, nur der Freude. Nach dieſem glücklichen Syſtem Hielt unſer junger Herr auch diesmal für bequem, Das unerfahrene Herz des Fräulein zu behandeln, Und eine Kur, von der er nichts verſtand, Durch Sympathie in eine zu verwandeln, Für die er mehr Beruf empfand. — Mit dem Entſchluß ging er zu Bett und träumte, Wie jeder junge Arzt von ſeiner erſten Kur: Doch daß er nicht etwa ſein krankes Kind verſäumte, Was manchmal ſelbſt Boerhaven wiederfuhr, Zog er zuvor an ſeiner Uhr Den Wecker auf. Die Mühe war vergebens. So klein ſie war. Das Herz, der Wecker unſers Lebens, Ermuntert uns weit ſicherer zur Zeit, Von einer ſolchen Wichtigkeit. Kaum war er wach, kaum war der Tag erſchienen, Der doch im Mai nicht langſam iſt: So eilt er ſchon zu Karolinen, Er fand das muntere Kind im Grünen Mit einem Blick ward er von ihr gegrüßt, Der leichter anzuſeh’n, als zu beſchreiben iſt. Unnötig ſuchte ſie, daß eine ſanfte Sprache Verſtändlicher ihn nach und nach beredter mache. Ein Blick, wie dieſer war, iſt leichter zu verſteh’n, Als manche wohlgeſetzte Chrie. Ich, fing ſie ſtotternd an, komm’ wie Sie mich hier ſeh’n. Erſt aus dem Bett. Und Sie — Sie geben ſich die Mühe Um mich, ich ſchäme mich, — ſo früh ſchon auszugeh’n? — „Ein Liebesdienſt kann, rief er, nie zu frühe Auch ſelbſt um Mitternacht geſchehen.“ Du armes Kind! ſo liſtig hintergangen, Seitdem es Mädchen gibt, ward keine noch als du; Du eileſt wie du glaubſt, mit löblichem Verlangen Um die Erhaltung deiner Wangen Dem Arzt — Betrogne, du eilſt der Liebe zu! Noch unbekannt mit ihren Streitigkeiten Ergibſt du dich ihr gern, nach einer Krankenpflicht. Wie könnteſt du mit Amorn ſtreiten, Du gutes Kind, du kennſt ihn nicht! — Der Arzt fing an zuerſt, wie ſich’s gebührt, zu fragen: „Wie geht der Puls?“ — „So, ſo; — da fühlen Sie mein Herr“ „Er geht ſehr friſch“ —, allein in wenig Tagen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1920/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 23. Mai 1920, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1920/9>, abgerufen am 27.07.2024.