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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.

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Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

sich zwischen beiden Stücken ausbreitende musikalische Teil.
Fräulein v. Fladung sang Johann Strauß' "Frühlings-
stimmen-Walzer" und Hugo Wolfs "Er ist's", Kammer-
sänger Burgstaller drei von den Mathilde Wesendonk ge-
widmeten "Tristan-Studien" und Professor Alexander
Petschnikoff spielte mehrere Violinstücke und erwarb sich da-
durch den meisten Beifall.

In das Schauspielhaus sind gleich darauf Friedrich
Kayßler und Helene Fehdmer als Gäste eingekehrt, zwei
Monate früher als sonst. Sie brachten diesmal einen
literarisch ziemlich wertvollen Spielplan mit und begannen
mit Björnsons "Ueber unsere Kraft", was ich leider einer
gleichzeitigen Verpflichtung wegen nicht sehen konnte. Der
nächste Abend brachte Lessings "Mina von Barnhelm", das
erste und wohl beste deutsche Soldatenlustspiel, das für
unsere Zeit wie gemacht ist. Wider Erwarten gefielen mir
aber gerade an diesem Abend in den Hauptrollen der Minna
und ihres Tellheim die beiden Gäste weit weniger als unser
einheimisches Personal, das sich durchaus ganz vortrefflich
gab. Herr Kayßler war als Major merkwürdig nüchtern,
zurückhaltend und unliebenswürdig, und Frau Fehdmers
Minna war sehr ungünstig kostümiert und hielt den ganzen
Abend eine gewisse krampfhafte Lustigkeit fest, die ihr gar
nicht gut zu Gesichte stand und unnatürlich wirkte. Dagegen
war die Aufführung des Kleist'chen "Amphitryon" durchaus
gelungen. Ich habe den Jupiter noch niemals so überlegen
und imponierend spielen sehen, wie von Kayßler, noch
nie auch eine so liebenswerte Alkmene mit solcher keuscher
Innigkeit über bedenkliche Situation wegspielen sehen, wie
Frau Fehdmer. Aber auch unsere eigenen Mitglieder unter-
stützten die Gäste vortrefflich, so daß man wirklich einen
reinen Genuß von diesem Stücke hatte, das so selten auf die
Bretter gelangt, obwohl der Stoff der Weltliteratur an-
gehört und bekanntlich von Plautus bis zu Moliere und
Kleist die besten Köpfe beschäftigt hat. Unsere Berliner
Gäste brachten auch ein Stück mit, daß vor fast vier Jahren
zum erstenmal in unserem Residenztheater zur Aufführung
gelangte und bald darauf verschwand, das vieraktige Schau-
spiel "Berg-Eyvind und sein Weib" von dem Isländer
Johann Sigurjonsson. Ich weiß nicht, ob es so bald ver-
schwunden wäre, wenn die beiden Hauptrollen schon damals
von Herrn Kayßler und Frau Fehdmer gespielt worden
wären. Wenn es jemand gelingt, das peinigende und stark
episch verflachende Stück mundgerecht zu machen, so müßte
es den beiden Gästen gelingen, die auch an diesem Abend
wieder von unserem Schauspielhausensemble würdig um-
rahmt wurden. Es steckt entschieden großes Talent, aber
ein noch größerer zersetzender Pessimismus in dem jungen
Isländer, den das dänische Theater zuerst bekannt gemacht
hat, von dem man aber merkwürdigerweise seit diesem
seinem besten Stücke wenigstens bei uns in Deutschland gar
nichts mehr gehört hat. Ist er gestorben, verdorben, oder
hat er nur die von seinen Landsleuten auf ihn gesetzten
Hoffnungen doch nicht erfüllt?

Vokal-Quartett-Abend.

Zum Besten des Akademischen Hilfsbundes und der Fürsorge
für die im Kriege verwundeten Akademiker fand im Odeon ein
künstlerisch außerordentlich erfolgreicher Vokal-Quartett-Abend statt.
Das Quartett setzte sich aus lauter guten Namen zusammen: den
Kammersängerinnen Anna Kämpfert und Adrienne v. Kraus-
Osborne und den Kammersängern Dr. Matthaeus Römer und Pro-
fessor Dr. Felix v. Kraus, die auf dem Klavier begleitet wurden
von den Herren Professor Hermann Zilcher und Dr. Hans Titt-
mann. Wie selten kann man heute solche Vokal-Quartette hören,
und doch kann es kaum reinere Konzertgenüsse geben. Das Pro-
gramm räumte dem Namen Johannes Brahms den größten Platz
ein. Wir hörten von ihm u. a. sein wunderbares "An die Heimat",
das Wechsellied "Zum Tanz" und zum Schlusse die stets gern ge-
sungenen, aber heute doch nicht mehr so ganz wirkenden "Liebes-
lieder-Walzer". Fast uns lieber und jedenfalls interessanter, weil
seltener gehört, war die vorgeführte ältere Gesangsmusik: ein pracht-
volles "Ave Maria" von J. Arcadels (1540), ein "Tenebrae facta

[Spaltenumbruch]

sunt" von Davide Perez, der "Zug der Juden nach Babylon" von
Orazio Vechi (1624) und von unserem Orlando di Lasso das herzige
"Annelein". Den Schluß machte Emanuel Geibels "Deutschland"
von Mendelssohn. Der wertvolle Abend war besonders von unseren
akademischen Kreisen, dann aber auch von unseren verwundeten
Kriegern und deren Pflegerinnen stark besucht, und alle wußten
den Veranstaltern und dem illustren Quartett herzlichen Dank für
die seltenen Genüsse.



Bücher-Anzeigen.

Das Problem des Leidens von Dr. Paul Wilhelm von
Keppler,
Bischof von Rottenburg. 6. und 7. Auflage. Frei-
burg i. Br., Herdersche Verlagsbuchhandlung. Preis brosch. 1.20 M,
geb. 1.80 M.

Der Bischof von Rottenburg hat seinem schon berühmt geworde-
nen Buche "Mehr Freude", das eine lange Reihe von Auflagen
erlebt hat, als Gegenstück nun ein Buch vom Leiden an die Seite
gestellt. Dasselbe ist zum Teil aus einer ehemals von ihm gehalte-
nen akademischen Antrittsrede, die nun erweitert vorliegt, entstanden
und behandelt vornehmlich das Problem des Leidens in der antiken
Philosophie mit Ausblicken auf die grundsätzliche Veränderung, die
es durch das Christentum erhalten hat. Leider hat der Verfasser
nur die antike, nicht auch die mittelalterliche (Meister Eckehart:
"Ich spriche, daz nach got nie wart kein dinc, daz edeler sei
denne leiden!"
) und neuere Philosophie in seine Darstellung ein-
bezogen. Das 100 Seiten starke Buch wäre dadurch allerdings
weit umfangreicher geworden. Gerade jetzt in unserer leidensvollen
Zeit empfehlen wir diese anregende Schrift, die wieder alle Vor-
züge der fesselnden Darstellungsgabe Kepplers aufweist, auf das
angelegentlichste. A. v. M.

Die Lieder Franz Schuberts.

Von Prof. Dr. Moritz Bauer,
Privatdozent an der Universität Frankfurt a. M. Breitkopf & Härtel,
Leipzig. Preis geheftet 6 M.

Der Verfasser bietet in diesem Werke eine Monographie über
Franz Schubert als Liederkomponisten. Durch das Ganze hindurch ist
der Plan festgehalten, den Stoff sowohl musiktheorethisch und musik-
geschichtlich als literarisch zu sichten. Dieser Gedanke hat zunächst
einen allgemeinen Abschnitt hervorgerufen, der vieles enthält, was
als Beitrag zu einer allgemeinen Aesthetik des Liedes zu betrachten
ist. Der spezielle Teil gruppiert den Stoff nach literarischen Gesichts-
punkten und stellt sich innerhalb der einzelnen Gruppen als kritischer
Kommentar sämtlicher Lieder Schuberts dar. -- Der vorliegende
erste Band umfaßt die älteren deutschen Dichter bis zu Schiller
und Goethe einschließlich; die folgenden Bände enthalten die Nach-
klassiker, Romantiker, die literarisch nicht klassifizierbaren und die
anonymen, sowie sämtliche österreichische Textdichter. Es werden
außerdem in einem allgemeinen Schlußteil die Schubertschen Lieder
nach textlichen Gesichtspunkten, also auf Deklamation und Metrik
hin untersucht, sowie eine kritische Uebersicht über das Verhälinis
Schuberts zu seinen Textdichtern angeschlossen. Dem Werke liegt
die 20. Serie der bei Breitkopf & Härtel erschienenen großen Ge-
samtausgabe der Werke Schuberts zugrunde.



Kriegs-Literatur.
Mit Hindenburg und Mackensen in Russisch-Polen.

Von
Richard Förster, Hauptmann a. D. Preis kartoniert 1.80 M.
Verlag von S. Hirzel in Leipzig.

In fesselnder, dabei durchweg ernster, sachlicher und alles
Ueberflüssige vermeidender Darstellung führt uns dies Buch in das
südliche Operationsgebiet der Hindenburg unterstellten Truppen auf
den Kriegsschauplatz in Russisch-Polen, wo der Verfasser schon seit
fünf vollen Monaten die kriegerischen Ereignisse mit dem klaren,
sachkundigen Blick des Fachmannes verfolgt. Wir begleiten ihn
von Czenstochau aus, gleich nach dem Fall von Lodz, in die
Kämpfe und Stellungen der Armee des Generalobersten von
Mackensen an den heißumstrittenen Ufern der Bzura, Pilica und
Rawka. Land und Leute aus den Gegenden westlich von Warschau
ziehen in scharfgesehenen und treffend gezeichneten Bildern an uns
vorüber, und auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in
den von deutschen und österreichischen Truppen besetzten Gebieten
fallen klärende Lichter. Die Daheimgebliebenen dürften nach
Kenntnisnahme dieser rein objektiven Schilderungen manches mit
vielleicht anderen Augen ansehen als früher, den Mitkämpfern
auf Polens blutgetränktem Boden werden sie die Szenerie des
Kriegstheaters noch einmal entrollen und eine willkommene Er-
innerung sein an schwere Tage aus gewaltiger Zeit. Späterhin,
nach dem Erscheinen der historischen Darstellung des Weltkrieges,
bilden diese anschaulichen Berichte gewiß eine wertvolle Ergänzung
der großzügigen strategischen und taktischen Erörterungen des
Generalstabs. Förster versteht in der Seele des deutschen Soldaten
zu lesen und erzählt uns kleine, aber charakteristische Züge aus dem

Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915.
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ſich zwiſchen beiden Stücken ausbreitende muſikaliſche Teil.
Fräulein v. Fladung ſang Johann Strauß’ „Frühlings-
ſtimmen-Walzer“ und Hugo Wolfs „Er iſt’s“, Kammer-
ſänger Burgſtaller drei von den Mathilde Weſendonk ge-
widmeten „Triſtan-Studien“ und Profeſſor Alexander
Petſchnikoff ſpielte mehrere Violinſtücke und erwarb ſich da-
durch den meiſten Beifall.

In das Schauſpielhaus ſind gleich darauf Friedrich
Kayßler und Helene Fehdmer als Gäſte eingekehrt, zwei
Monate früher als ſonſt. Sie brachten diesmal einen
literariſch ziemlich wertvollen Spielplan mit und begannen
mit Björnſons „Ueber unſere Kraft“, was ich leider einer
gleichzeitigen Verpflichtung wegen nicht ſehen konnte. Der
nächſte Abend brachte Leſſings „Mina von Barnhelm“, das
erſte und wohl beſte deutſche Soldatenluſtſpiel, das für
unſere Zeit wie gemacht iſt. Wider Erwarten gefielen mir
aber gerade an dieſem Abend in den Hauptrollen der Minna
und ihres Tellheim die beiden Gäſte weit weniger als unſer
einheimiſches Perſonal, das ſich durchaus ganz vortrefflich
gab. Herr Kayßler war als Major merkwürdig nüchtern,
zurückhaltend und unliebenswürdig, und Frau Fehdmers
Minna war ſehr ungünſtig koſtümiert und hielt den ganzen
Abend eine gewiſſe krampfhafte Luſtigkeit feſt, die ihr gar
nicht gut zu Geſichte ſtand und unnatürlich wirkte. Dagegen
war die Aufführung des Kleiſt’chen „Amphitryon“ durchaus
gelungen. Ich habe den Jupiter noch niemals ſo überlegen
und imponierend ſpielen ſehen, wie von Kayßler, noch
nie auch eine ſo liebenswerte Alkmene mit ſolcher keuſcher
Innigkeit über bedenkliche Situation wegſpielen ſehen, wie
Frau Fehdmer. Aber auch unſere eigenen Mitglieder unter-
ſtützten die Gäſte vortrefflich, ſo daß man wirklich einen
reinen Genuß von dieſem Stücke hatte, das ſo ſelten auf die
Bretter gelangt, obwohl der Stoff der Weltliteratur an-
gehört und bekanntlich von Plautus bis zu Molière und
Kleiſt die beſten Köpfe beſchäftigt hat. Unſere Berliner
Gäſte brachten auch ein Stück mit, daß vor faſt vier Jahren
zum erſtenmal in unſerem Reſidenztheater zur Aufführung
gelangte und bald darauf verſchwand, das vieraktige Schau-
ſpiel „Berg-Eyvind und ſein Weib“ von dem Isländer
Johann Sigurjonſſon. Ich weiß nicht, ob es ſo bald ver-
ſchwunden wäre, wenn die beiden Hauptrollen ſchon damals
von Herrn Kayßler und Frau Fehdmer geſpielt worden
wären. Wenn es jemand gelingt, das peinigende und ſtark
epiſch verflachende Stück mundgerecht zu machen, ſo müßte
es den beiden Gäſten gelingen, die auch an dieſem Abend
wieder von unſerem Schauſpielhausenſemble würdig um-
rahmt wurden. Es ſteckt entſchieden großes Talent, aber
ein noch größerer zerſetzender Peſſimismus in dem jungen
Isländer, den das däniſche Theater zuerſt bekannt gemacht
hat, von dem man aber merkwürdigerweiſe ſeit dieſem
ſeinem beſten Stücke wenigſtens bei uns in Deutſchland gar
nichts mehr gehört hat. Iſt er geſtorben, verdorben, oder
hat er nur die von ſeinen Landsleuten auf ihn geſetzten
Hoffnungen doch nicht erfüllt?

Vokal-Quartett-Abend.

Zum Beſten des Akademiſchen Hilfsbundes und der Fürſorge
für die im Kriege verwundeten Akademiker fand im Odeon ein
künſtleriſch außerordentlich erfolgreicher Vokal-Quartett-Abend ſtatt.
Das Quartett ſetzte ſich aus lauter guten Namen zuſammen: den
Kammerſängerinnen Anna Kämpfert und Adrienne v. Kraus-
Osborne und den Kammerſängern Dr. Matthaeus Römer und Pro-
feſſor Dr. Felix v. Kraus, die auf dem Klavier begleitet wurden
von den Herren Profeſſor Hermann Zilcher und Dr. Hans Titt-
mann. Wie ſelten kann man heute ſolche Vokal-Quartette hören,
und doch kann es kaum reinere Konzertgenüſſe geben. Das Pro-
gramm räumte dem Namen Johannes Brahms den größten Platz
ein. Wir hörten von ihm u. a. ſein wunderbares „An die Heimat“,
das Wechſellied „Zum Tanz“ und zum Schluſſe die ſtets gern ge-
ſungenen, aber heute doch nicht mehr ſo ganz wirkenden „Liebes-
lieder-Walzer“. Faſt uns lieber und jedenfalls intereſſanter, weil
ſeltener gehört, war die vorgeführte ältere Geſangsmuſik: ein pracht-
volles „Ave Maria“ von J. Arcadels (1540), ein „Tenebrae facta

[Spaltenumbruch]

sunt“ von Davide Perez, der „Zug der Juden nach Babylon“ von
Orazio Vechi (1624) und von unſerem Orlando di Laſſo das herzige
„Annelein“. Den Schluß machte Emanuel Geibels „Deutſchland“
von Mendelsſohn. Der wertvolle Abend war beſonders von unſeren
akademiſchen Kreiſen, dann aber auch von unſeren verwundeten
Kriegern und deren Pflegerinnen ſtark beſucht, und alle wußten
den Veranſtaltern und dem illuſtren Quartett herzlichen Dank für
die ſeltenen Genüſſe.



Bücher-Anzeigen.

Das Problem des Leidens von Dr. Paul Wilhelm von
Keppler,
Biſchof von Rottenburg. 6. und 7. Auflage. Frei-
burg i. Br., Herderſche Verlagsbuchhandlung. Preis broſch. 1.20 M,
geb. 1.80 M.

Der Biſchof von Rottenburg hat ſeinem ſchon berühmt geworde-
nen Buche „Mehr Freude“, das eine lange Reihe von Auflagen
erlebt hat, als Gegenſtück nun ein Buch vom Leiden an die Seite
geſtellt. Dasſelbe iſt zum Teil aus einer ehemals von ihm gehalte-
nen akademiſchen Antrittsrede, die nun erweitert vorliegt, entſtanden
und behandelt vornehmlich das Problem des Leidens in der antiken
Philoſophie mit Ausblicken auf die grundſätzliche Veränderung, die
es durch das Chriſtentum erhalten hat. Leider hat der Verfaſſer
nur die antike, nicht auch die mittelalterliche (Meiſter Eckehart:
„Ich spriche, daz nâch got nie wart kein dinc, daz edeler sî
denne lîden!“
) und neuere Philoſophie in ſeine Darſtellung ein-
bezogen. Das 100 Seiten ſtarke Buch wäre dadurch allerdings
weit umfangreicher geworden. Gerade jetzt in unſerer leidensvollen
Zeit empfehlen wir dieſe anregende Schrift, die wieder alle Vor-
züge der feſſelnden Darſtellungsgabe Kepplers aufweiſt, auf das
angelegentlichſte. A. v. M.

Die Lieder Franz Schuberts.

Von Prof. Dr. Moritz Bauer,
Privatdozent an der Univerſität Frankfurt a. M. Breitkopf & Härtel,
Leipzig. Preis geheftet 6 M.

Der Verfaſſer bietet in dieſem Werke eine Monographie über
Franz Schubert als Liederkomponiſten. Durch das Ganze hindurch iſt
der Plan feſtgehalten, den Stoff ſowohl muſiktheorethiſch und muſik-
geſchichtlich als literariſch zu ſichten. Dieſer Gedanke hat zunächſt
einen allgemeinen Abſchnitt hervorgerufen, der vieles enthält, was
als Beitrag zu einer allgemeinen Aeſthetik des Liedes zu betrachten
iſt. Der ſpezielle Teil gruppiert den Stoff nach literariſchen Geſichts-
punkten und ſtellt ſich innerhalb der einzelnen Gruppen als kritiſcher
Kommentar ſämtlicher Lieder Schuberts dar. — Der vorliegende
erſte Band umfaßt die älteren deutſchen Dichter bis zu Schiller
und Goethe einſchließlich; die folgenden Bände enthalten die Nach-
klaſſiker, Romantiker, die literariſch nicht klaſſifizierbaren und die
anonymen, ſowie ſämtliche öſterreichiſche Textdichter. Es werden
außerdem in einem allgemeinen Schlußteil die Schubertſchen Lieder
nach textlichen Geſichtspunkten, alſo auf Deklamation und Metrik
hin unterſucht, ſowie eine kritiſche Ueberſicht über das Verhälinis
Schuberts zu ſeinen Textdichtern angeſchloſſen. Dem Werke liegt
die 20. Serie der bei Breitkopf & Härtel erſchienenen großen Ge-
ſamtausgabe der Werke Schuberts zugrunde.



Kriegs-Literatur.
Mit Hindenburg und Mackenſen in Ruſſiſch-Polen.

Von
Richard Förſter, Hauptmann a. D. Preis kartoniert 1.80 M.
Verlag von S. Hirzel in Leipzig.

In feſſelnder, dabei durchweg ernſter, ſachlicher und alles
Ueberflüſſige vermeidender Darſtellung führt uns dies Buch in das
ſüdliche Operationsgebiet der Hindenburg unterſtellten Truppen auf
den Kriegsſchauplatz in Ruſſiſch-Polen, wo der Verfaſſer ſchon ſeit
fünf vollen Monaten die kriegeriſchen Ereigniſſe mit dem klaren,
ſachkundigen Blick des Fachmannes verfolgt. Wir begleiten ihn
von Czenſtochau aus, gleich nach dem Fall von Lodz, in die
Kämpfe und Stellungen der Armee des Generaloberſten von
Mackenſen an den heißumſtrittenen Ufern der Bzura, Pilica und
Rawka. Land und Leute aus den Gegenden weſtlich von Warſchau
ziehen in ſcharfgeſehenen und treffend gezeichneten Bildern an uns
vorüber, und auf die ſozialen und wirtſchaftlichen Verhältniſſe in
den von deutſchen und öſterreichiſchen Truppen beſetzten Gebieten
fallen klärende Lichter. Die Daheimgebliebenen dürften nach
Kenntnisnahme dieſer rein objektiven Schilderungen manches mit
vielleicht anderen Augen anſehen als früher, den Mitkämpfern
auf Polens blutgetränktem Boden werden ſie die Szenerie des
Kriegstheaters noch einmal entrollen und eine willkommene Er-
innerung ſein an ſchwere Tage aus gewaltiger Zeit. Späterhin,
nach dem Erſcheinen der hiſtoriſchen Darſtellung des Weltkrieges,
bilden dieſe anſchaulichen Berichte gewiß eine wertvolle Ergänzung
der großzügigen ſtrategiſchen und taktiſchen Erörterungen des
Generalſtabs. Förſter verſteht in der Seele des deutſchen Soldaten
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[298/0012] Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915. ſich zwiſchen beiden Stücken ausbreitende muſikaliſche Teil. Fräulein v. Fladung ſang Johann Strauß’ „Frühlings- ſtimmen-Walzer“ und Hugo Wolfs „Er iſt’s“, Kammer- ſänger Burgſtaller drei von den Mathilde Weſendonk ge- widmeten „Triſtan-Studien“ und Profeſſor Alexander Petſchnikoff ſpielte mehrere Violinſtücke und erwarb ſich da- durch den meiſten Beifall. In das Schauſpielhaus ſind gleich darauf Friedrich Kayßler und Helene Fehdmer als Gäſte eingekehrt, zwei Monate früher als ſonſt. Sie brachten diesmal einen literariſch ziemlich wertvollen Spielplan mit und begannen mit Björnſons „Ueber unſere Kraft“, was ich leider einer gleichzeitigen Verpflichtung wegen nicht ſehen konnte. Der nächſte Abend brachte Leſſings „Mina von Barnhelm“, das erſte und wohl beſte deutſche Soldatenluſtſpiel, das für unſere Zeit wie gemacht iſt. Wider Erwarten gefielen mir aber gerade an dieſem Abend in den Hauptrollen der Minna und ihres Tellheim die beiden Gäſte weit weniger als unſer einheimiſches Perſonal, das ſich durchaus ganz vortrefflich gab. Herr Kayßler war als Major merkwürdig nüchtern, zurückhaltend und unliebenswürdig, und Frau Fehdmers Minna war ſehr ungünſtig koſtümiert und hielt den ganzen Abend eine gewiſſe krampfhafte Luſtigkeit feſt, die ihr gar nicht gut zu Geſichte ſtand und unnatürlich wirkte. Dagegen war die Aufführung des Kleiſt’chen „Amphitryon“ durchaus gelungen. Ich habe den Jupiter noch niemals ſo überlegen und imponierend ſpielen ſehen, wie von Kayßler, noch nie auch eine ſo liebenswerte Alkmene mit ſolcher keuſcher Innigkeit über bedenkliche Situation wegſpielen ſehen, wie Frau Fehdmer. Aber auch unſere eigenen Mitglieder unter- ſtützten die Gäſte vortrefflich, ſo daß man wirklich einen reinen Genuß von dieſem Stücke hatte, das ſo ſelten auf die Bretter gelangt, obwohl der Stoff der Weltliteratur an- gehört und bekanntlich von Plautus bis zu Molière und Kleiſt die beſten Köpfe beſchäftigt hat. Unſere Berliner Gäſte brachten auch ein Stück mit, daß vor faſt vier Jahren zum erſtenmal in unſerem Reſidenztheater zur Aufführung gelangte und bald darauf verſchwand, das vieraktige Schau- ſpiel „Berg-Eyvind und ſein Weib“ von dem Isländer Johann Sigurjonſſon. Ich weiß nicht, ob es ſo bald ver- ſchwunden wäre, wenn die beiden Hauptrollen ſchon damals von Herrn Kayßler und Frau Fehdmer geſpielt worden wären. Wenn es jemand gelingt, das peinigende und ſtark epiſch verflachende Stück mundgerecht zu machen, ſo müßte es den beiden Gäſten gelingen, die auch an dieſem Abend wieder von unſerem Schauſpielhausenſemble würdig um- rahmt wurden. Es ſteckt entſchieden großes Talent, aber ein noch größerer zerſetzender Peſſimismus in dem jungen Isländer, den das däniſche Theater zuerſt bekannt gemacht hat, von dem man aber merkwürdigerweiſe ſeit dieſem ſeinem beſten Stücke wenigſtens bei uns in Deutſchland gar nichts mehr gehört hat. Iſt er geſtorben, verdorben, oder hat er nur die von ſeinen Landsleuten auf ihn geſetzten Hoffnungen doch nicht erfüllt? Alfred Frhr. v. Menſi. * Vokal-Quartett-Abend. Zum Beſten des Akademiſchen Hilfsbundes und der Fürſorge für die im Kriege verwundeten Akademiker fand im Odeon ein künſtleriſch außerordentlich erfolgreicher Vokal-Quartett-Abend ſtatt. Das Quartett ſetzte ſich aus lauter guten Namen zuſammen: den Kammerſängerinnen Anna Kämpfert und Adrienne v. Kraus- Osborne und den Kammerſängern Dr. Matthaeus Römer und Pro- feſſor Dr. Felix v. Kraus, die auf dem Klavier begleitet wurden von den Herren Profeſſor Hermann Zilcher und Dr. Hans Titt- mann. Wie ſelten kann man heute ſolche Vokal-Quartette hören, und doch kann es kaum reinere Konzertgenüſſe geben. Das Pro- gramm räumte dem Namen Johannes Brahms den größten Platz ein. Wir hörten von ihm u. a. ſein wunderbares „An die Heimat“, das Wechſellied „Zum Tanz“ und zum Schluſſe die ſtets gern ge- ſungenen, aber heute doch nicht mehr ſo ganz wirkenden „Liebes- lieder-Walzer“. Faſt uns lieber und jedenfalls intereſſanter, weil ſeltener gehört, war die vorgeführte ältere Geſangsmuſik: ein pracht- volles „Ave Maria“ von J. Arcadels (1540), ein „Tenebrae facta sunt“ von Davide Perez, der „Zug der Juden nach Babylon“ von Orazio Vechi (1624) und von unſerem Orlando di Laſſo das herzige „Annelein“. Den Schluß machte Emanuel Geibels „Deutſchland“ von Mendelsſohn. Der wertvolle Abend war beſonders von unſeren akademiſchen Kreiſen, dann aber auch von unſeren verwundeten Kriegern und deren Pflegerinnen ſtark beſucht, und alle wußten den Veranſtaltern und dem illuſtren Quartett herzlichen Dank für die ſeltenen Genüſſe. M. Bücher-Anzeigen. Das Problem des Leidens von Dr. Paul Wilhelm von Keppler, Biſchof von Rottenburg. 6. und 7. Auflage. Frei- burg i. Br., Herderſche Verlagsbuchhandlung. Preis broſch. 1.20 M, geb. 1.80 M. Der Biſchof von Rottenburg hat ſeinem ſchon berühmt geworde- nen Buche „Mehr Freude“, das eine lange Reihe von Auflagen erlebt hat, als Gegenſtück nun ein Buch vom Leiden an die Seite geſtellt. Dasſelbe iſt zum Teil aus einer ehemals von ihm gehalte- nen akademiſchen Antrittsrede, die nun erweitert vorliegt, entſtanden und behandelt vornehmlich das Problem des Leidens in der antiken Philoſophie mit Ausblicken auf die grundſätzliche Veränderung, die es durch das Chriſtentum erhalten hat. Leider hat der Verfaſſer nur die antike, nicht auch die mittelalterliche (Meiſter Eckehart: „Ich spriche, daz nâch got nie wart kein dinc, daz edeler sî denne lîden!“) und neuere Philoſophie in ſeine Darſtellung ein- bezogen. Das 100 Seiten ſtarke Buch wäre dadurch allerdings weit umfangreicher geworden. Gerade jetzt in unſerer leidensvollen Zeit empfehlen wir dieſe anregende Schrift, die wieder alle Vor- züge der feſſelnden Darſtellungsgabe Kepplers aufweiſt, auf das angelegentlichſte. A. v. M. Die Lieder Franz Schuberts. Von Prof. Dr. Moritz Bauer, Privatdozent an der Univerſität Frankfurt a. M. Breitkopf & Härtel, Leipzig. Preis geheftet 6 M. Der Verfaſſer bietet in dieſem Werke eine Monographie über Franz Schubert als Liederkomponiſten. Durch das Ganze hindurch iſt der Plan feſtgehalten, den Stoff ſowohl muſiktheorethiſch und muſik- geſchichtlich als literariſch zu ſichten. Dieſer Gedanke hat zunächſt einen allgemeinen Abſchnitt hervorgerufen, der vieles enthält, was als Beitrag zu einer allgemeinen Aeſthetik des Liedes zu betrachten iſt. Der ſpezielle Teil gruppiert den Stoff nach literariſchen Geſichts- punkten und ſtellt ſich innerhalb der einzelnen Gruppen als kritiſcher Kommentar ſämtlicher Lieder Schuberts dar. — Der vorliegende erſte Band umfaßt die älteren deutſchen Dichter bis zu Schiller und Goethe einſchließlich; die folgenden Bände enthalten die Nach- klaſſiker, Romantiker, die literariſch nicht klaſſifizierbaren und die anonymen, ſowie ſämtliche öſterreichiſche Textdichter. Es werden außerdem in einem allgemeinen Schlußteil die Schubertſchen Lieder nach textlichen Geſichtspunkten, alſo auf Deklamation und Metrik hin unterſucht, ſowie eine kritiſche Ueberſicht über das Verhälinis Schuberts zu ſeinen Textdichtern angeſchloſſen. Dem Werke liegt die 20. Serie der bei Breitkopf & Härtel erſchienenen großen Ge- ſamtausgabe der Werke Schuberts zugrunde. Kriegs-Literatur. Mit Hindenburg und Mackenſen in Ruſſiſch-Polen. Von Richard Förſter, Hauptmann a. D. Preis kartoniert 1.80 M. Verlag von S. Hirzel in Leipzig. In feſſelnder, dabei durchweg ernſter, ſachlicher und alles Ueberflüſſige vermeidender Darſtellung führt uns dies Buch in das ſüdliche Operationsgebiet der Hindenburg unterſtellten Truppen auf den Kriegsſchauplatz in Ruſſiſch-Polen, wo der Verfaſſer ſchon ſeit fünf vollen Monaten die kriegeriſchen Ereigniſſe mit dem klaren, ſachkundigen Blick des Fachmannes verfolgt. Wir begleiten ihn von Czenſtochau aus, gleich nach dem Fall von Lodz, in die Kämpfe und Stellungen der Armee des Generaloberſten von Mackenſen an den heißumſtrittenen Ufern der Bzura, Pilica und Rawka. Land und Leute aus den Gegenden weſtlich von Warſchau ziehen in ſcharfgeſehenen und treffend gezeichneten Bildern an uns vorüber, und auf die ſozialen und wirtſchaftlichen Verhältniſſe in den von deutſchen und öſterreichiſchen Truppen beſetzten Gebieten fallen klärende Lichter. Die Daheimgebliebenen dürften nach Kenntnisnahme dieſer rein objektiven Schilderungen manches mit vielleicht anderen Augen anſehen als früher, den Mitkämpfern auf Polens blutgetränktem Boden werden ſie die Szenerie des Kriegstheaters noch einmal entrollen und eine willkommene Er- innerung ſein an ſchwere Tage aus gewaltiger Zeit. Späterhin, nach dem Erſcheinen der hiſtoriſchen Darſtellung des Weltkrieges, bilden dieſe anſchaulichen Berichte gewiß eine wertvolle Ergänzung der großzügigen ſtrategiſchen und taktiſchen Erörterungen des Generalſtabs. Förſter verſteht in der Seele des deutſchen Soldaten zu leſen und erzählt uns kleine, aber charakteriſtiſche Züge aus dem

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915/12>, abgerufen am 23.11.2024.