Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Streben vorzüglich zu statten. Aber auch keine der prakti- Seine letzte Hier nun war er eifrig bestrebt, als entschiedener Gegner Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommnisse, dramatischen Kunst hinwirkenden Tendenz gerade nach dem Münchener Theater. Nacht und Morgen. -- Literarisch-musikalischer Festabend zugunsten Unser Residenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von Einer, der von Berufs wegen sich mit kriminalen Din- 15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Streben vorzüglich zu ſtatten. Aber auch keine der prakti- Seine letzte Hier nun war er eifrig beſtrebt, als entſchiedener Gegner Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommniſſe, dramatiſchen Kunſt hinwirkenden Tendenz gerade nach dem Münchener Theater. Nacht und Morgen. — Literariſch-muſikaliſcher Feſtabend zugunſten Unſer Reſidenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von Einer, der von Berufs wegen ſich mit kriminalen Din- <TEI> <text> <body> <div type="jCulturalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0011" n="297"/> <fw place="top" type="header">15. Mai 1915. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/> <cb/> <cit> <quote>Streben vorzüglich zu ſtatten. Aber auch keine der prakti-<lb/> ſchen Eigenſchaften ließ er als ausübender Dramaturg ver-<lb/> miſſen was ſich in der wirkungsvollen Beſetzung der Stücke,<lb/> in der ſorgfältigen Einſtudierung der Rollen und in dem<lb/> fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte.“</quote> </cit><lb/> <p>Seine letzte<lb/> Rolle in Weimar, ſowie überhaupt auf der Bühne, war<lb/> Ferdinand von Drang in „Er muß aufs Land“. Sein nicht<lb/> gerade ſchwaches, jedoch unverläßliches Organ beſtimmte ihn,<lb/> der darſtellenden Kunſt zu entſagen. Aber auch das Be-<lb/> ſtreben, ſich ausſchließlich als Dramaturg und Regiſſeur zu<lb/> betätigen, veranlaßte ihn zu dieſem Schritt. Und ſo über-<lb/> nahm er denn, von Auguſt Förſter empfohlen, die Leitung<lb/> des Mannheimer Hoftheaters (1884—1885). Von dort<lb/> wurde er als Regiſſeur ans Hoftheater nach München be-<lb/> rufen.</p><lb/> <p>Hier nun war er eifrig beſtrebt, als entſchiedener Gegner<lb/> des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer<lb/> Ausſtattung an Malerei, maſchineller Technik uſw. die<lb/> Illuſion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung<lb/> aufhält und ſtört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten,<lb/> was ſie deutlich macht und vertieft, ſowie auch immer be-<lb/> müht, jener Inſzenierung das Wort zu reden, die in der<lb/> lebendigen, durch nichts unterbrochenen und geſtörten Vor-<lb/> führung der dargeſtellten Handlung beſteht — der eigentlich<lb/> dramatiſchen Richtung, die er als panoramatiſche Richtung<lb/> bezeichnet. Laube charakteriſierte dies mit den Worten:<lb/> „Die Bühne braucht Ohrenregiſſeure und keine Augen-<lb/> regiſſeure“. So wirkte er als einer der gewiſſenhafteſten,<lb/> fleißigſten, geiſtvollſten Regiſſeure, dem ſeine hervor-<lb/> ragende Kenntnis der Bühne, ſeine reiche Phantaſie bei<lb/> Inſzenierung und Einrichtung von Bühnenwerken klaſſi-<lb/> ſcher und moderner Werke, weſentlich zu ſtatten kamen.<lb/> S. iſt auch der tatkräftigſte, begeiſterte Ausführer und<lb/> Ausgeſtalter ſowie der unentwegte und überzeugteſte Ver-<lb/> teidiger der Münchener Bühnenreform geweſen. Unter<lb/> ſeiner Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof-<lb/> theater in München die erſte Aufführung auf der<lb/> „Shakeſpeare-Bühne“ (König Lear) ſtatt. So hat er auf<lb/> die verſchiedenſte Art, nicht zum mindeſten durch ſein<lb/> Talent, die Fähigkeit der Bühnenkünſtler zu erkennen und<lb/> zu klaſſifizieren, dem königlichen Inſtitut, dem er unermüd-<lb/> liches Intereſſe zuwendete, wiederholt die ſchätzbarſten Dinge<lb/> erwieſen. Der Künſtler hat ſich aber auch literariſch betätigt.<lb/> So ſeien erwähnt ſeine Broſchüre „An das Schauſpielperſonal<lb/> der königlichen Theater in München“, die meiſterhafte Ueber-<lb/> tragung von „Thereſe Raquin“ und „Ren<hi rendition="#aq">é</hi>e“ von Zola, ge-<lb/> ſchichtliche Eſſays über das <hi rendition="#aq">Theâtre français,</hi> über deutſche<lb/> Bühnen und ganz beſonders ſeine Inſzenierungsvorſchläge<lb/> enthaltende reformatoriſche Schrift „Die Shakeſpeare-Bühne<lb/> in München“ (1889), ſowie vor allem ſein grundlegendes<lb/> Werk „Von der Abſicht des Dramas“.</p><lb/> <p>Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommniſſe,<lb/> auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor faſt<lb/> 10 Jahren ſich penſionieren ließ, ſind auch die Dramen ſeines<lb/> Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg ſo<lb/> viel getan, von der Bühne verſchwunden. Auch literariſch<lb/> iſt er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt-<lb/> arbeit galt aber wie geſagt, immer der Shakeſpeare-Bühne<lb/> und ihren. Vorausſetzungen und Folgerungen. Vielen<lb/> unſerer heute noch wirkenden Künſtlern iſt Savits ein ge-<lb/> wiſſenhafter Lehrer und Freund geweſen. Wir nennen nur<lb/> Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Menſchen<lb/> wie als Künſtler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten,<lb/> Geis, Anna Dandler, Emma Berndl uſw. Als Mitbegrün-<lb/> der der Genoſſenſchaft Deutſcher Bühnenangehöriger, des<lb/> Hoftheaterpenſionsvereins und der Penſionsanſtalt deutſcher<lb/> Journaliſten und Schriftſteller iſt er mit aller Aufopferung<lb/> tätig geweſen. Seine Kunſt ging ihm über alles, ihr hat er<lb/> bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der<lb/> ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein<lb/> Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt<lb/> nicht nur in ſeinen Schülern und Schülerinnen, ſondern noch<lb/> mehr in ſeinen Schriften, die, wenn ſie auch nicht durchaus<lb/> bequem und praktiſch angelegt ſind, doch in ihrem geſunden<lb/> Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der</p><lb/> <cb/> <p>dramatiſchen Kunſt hinwirkenden Tendenz gerade nach dem<lb/> Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen,<lb/> ein ſiegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die<lb/> Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der dieſe kommende<lb/> künſtleriſche Regeneration mit heraufführen half, wollen wir<lb/> immer ein dankbares Andenken bewahren.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">A. v. 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Daß man gerade ſein<lb/> vieraktiges Schauſpiel „Nacht und Morgen“, das im De-<lb/> zember 1901 ſeine Uraufführung am Berliner Theater er-<lb/> lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen,<lb/> daß ſich die Handlung, die damals in unſerer Zeitung aus-<lb/> führlich erzählt worden iſt, und die wir nicht wiederholen<lb/> wollen, ſich um den Diebſtahl eines diplomatiſchen Akten-<lb/> ſtückes dreht, das den öſterreichiſch-italieniſchen Bündnis-<lb/> vertrag zum Gegenſtand hat. Ein franzöſiſcher Botſchafts-<lb/> ſekretär in Berlin weiß ſich das für ihn intereſſierende Do-<lb/> kument auf ſchlaue Weiſe zu verſchaffen, die dem betreffen-<lb/> den deutſchen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade<lb/> auf Urlaub geht, faſt zum Verhängnis geworden wäre.<lb/> Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach<lb/> vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, ſo geht doch die<lb/> Geſchichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal<lb/> genug aus, da ſeine Unſchuld nur dadurch entdeckt wird, daß<lb/> er eingeſteht, die betreffende Nacht, in der er abgereiſt ſein<lb/> ſollte, bei ſeiner Schwägerin verbracht zu haben. Lindau,<lb/> der von jeher ſich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß<lb/> dieſe Geſchichte leidlich glaubhaft und ſpannend darzuſtellen.<lb/> Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen<lb/> in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen ſehr<lb/> freundlichen Erfolg.</p><lb/> <p>Einer, der von Berufs wegen ſich mit kriminalen Din-<lb/> gen abgeben muß, iſt unſer Münchener Juſtizrat Max Bern-<lb/> ſtein. Er hat ein einaktiges Schauſpiel „Der Richter“ ge-<lb/> ſchrieben, das in dieſen Tagen im Schauſpielhauſe bei einem<lb/> literariſch-muſikaliſchen Feſtabend zugunſten der Münchener<lb/> Oſtpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in<lb/> eigener Sache iſt ein älterer Oberpoſtſekretär, deſſen junge<lb/> Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk-<lb/> meiſter, hat. Der ahnungsloſe Gatte erfährt die grobe Täu-<lb/> ſchung, und es iſt nun hübſch und ergreifend zu ſehen, wie<lb/> der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der erſten<lb/> Abſicht, den Verführer zu erſchlagen und die Frau auf die<lb/> Straße zu ſetzen, langſam zum Verzeihen ſich emporläutern<lb/> läßt, ſo daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer<lb/> die Türe weiſt, der ſchwachen Frau aber, die innerlich längſt<lb/> bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von<lb/> dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und<lb/> Fräulein Roſar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk-<lb/> meiſter ſtellte Herr Weigert, ein altes Dienſtmädchen, durch<lb/> das die Geſchichte aufkommt, Luiſe Fiſcher vorzüglich und<lb/> glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da-<lb/> gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Geſchmack,<lb/> dieſen Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragiſch ver-<lb/> laufenden Ehebruchsgeſchichte ſchließen zu laſſen, mit Hugo<lb/> von Hofmannsthals bekanntem Einakter „Die Frau im<lb/> Fenſter“. Herr Steinrück hatte den Meſſer Braccio ſchon<lb/> in unſerem Hoftheater geſpielt und ſpielte ihn auch hier, und<lb/> ſeine Partnerin war Fräulein Roſar. Das ſehr diſtinguierte<lb/> Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Proteſt,<lb/> was bei einem ſolchen Anlaß gewiß nicht vorkommen ſollte<lb/> und auch noch nicht vorgekommen iſt. Erfreulicher war der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297/0011]
15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung
Streben vorzüglich zu ſtatten. Aber auch keine der prakti-
ſchen Eigenſchaften ließ er als ausübender Dramaturg ver-
miſſen was ſich in der wirkungsvollen Beſetzung der Stücke,
in der ſorgfältigen Einſtudierung der Rollen und in dem
fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte.“
Seine letzte
Rolle in Weimar, ſowie überhaupt auf der Bühne, war
Ferdinand von Drang in „Er muß aufs Land“. Sein nicht
gerade ſchwaches, jedoch unverläßliches Organ beſtimmte ihn,
der darſtellenden Kunſt zu entſagen. Aber auch das Be-
ſtreben, ſich ausſchließlich als Dramaturg und Regiſſeur zu
betätigen, veranlaßte ihn zu dieſem Schritt. Und ſo über-
nahm er denn, von Auguſt Förſter empfohlen, die Leitung
des Mannheimer Hoftheaters (1884—1885). Von dort
wurde er als Regiſſeur ans Hoftheater nach München be-
rufen.
Hier nun war er eifrig beſtrebt, als entſchiedener Gegner
des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer
Ausſtattung an Malerei, maſchineller Technik uſw. die
Illuſion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung
aufhält und ſtört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten,
was ſie deutlich macht und vertieft, ſowie auch immer be-
müht, jener Inſzenierung das Wort zu reden, die in der
lebendigen, durch nichts unterbrochenen und geſtörten Vor-
führung der dargeſtellten Handlung beſteht — der eigentlich
dramatiſchen Richtung, die er als panoramatiſche Richtung
bezeichnet. Laube charakteriſierte dies mit den Worten:
„Die Bühne braucht Ohrenregiſſeure und keine Augen-
regiſſeure“. So wirkte er als einer der gewiſſenhafteſten,
fleißigſten, geiſtvollſten Regiſſeure, dem ſeine hervor-
ragende Kenntnis der Bühne, ſeine reiche Phantaſie bei
Inſzenierung und Einrichtung von Bühnenwerken klaſſi-
ſcher und moderner Werke, weſentlich zu ſtatten kamen.
S. iſt auch der tatkräftigſte, begeiſterte Ausführer und
Ausgeſtalter ſowie der unentwegte und überzeugteſte Ver-
teidiger der Münchener Bühnenreform geweſen. Unter
ſeiner Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof-
theater in München die erſte Aufführung auf der
„Shakeſpeare-Bühne“ (König Lear) ſtatt. So hat er auf
die verſchiedenſte Art, nicht zum mindeſten durch ſein
Talent, die Fähigkeit der Bühnenkünſtler zu erkennen und
zu klaſſifizieren, dem königlichen Inſtitut, dem er unermüd-
liches Intereſſe zuwendete, wiederholt die ſchätzbarſten Dinge
erwieſen. Der Künſtler hat ſich aber auch literariſch betätigt.
So ſeien erwähnt ſeine Broſchüre „An das Schauſpielperſonal
der königlichen Theater in München“, die meiſterhafte Ueber-
tragung von „Thereſe Raquin“ und „Renée“ von Zola, ge-
ſchichtliche Eſſays über das Theâtre français, über deutſche
Bühnen und ganz beſonders ſeine Inſzenierungsvorſchläge
enthaltende reformatoriſche Schrift „Die Shakeſpeare-Bühne
in München“ (1889), ſowie vor allem ſein grundlegendes
Werk „Von der Abſicht des Dramas“.
Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommniſſe,
auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor faſt
10 Jahren ſich penſionieren ließ, ſind auch die Dramen ſeines
Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg ſo
viel getan, von der Bühne verſchwunden. Auch literariſch
iſt er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt-
arbeit galt aber wie geſagt, immer der Shakeſpeare-Bühne
und ihren. Vorausſetzungen und Folgerungen. Vielen
unſerer heute noch wirkenden Künſtlern iſt Savits ein ge-
wiſſenhafter Lehrer und Freund geweſen. Wir nennen nur
Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Menſchen
wie als Künſtler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten,
Geis, Anna Dandler, Emma Berndl uſw. Als Mitbegrün-
der der Genoſſenſchaft Deutſcher Bühnenangehöriger, des
Hoftheaterpenſionsvereins und der Penſionsanſtalt deutſcher
Journaliſten und Schriftſteller iſt er mit aller Aufopferung
tätig geweſen. Seine Kunſt ging ihm über alles, ihr hat er
bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der
ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein
Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt
nicht nur in ſeinen Schülern und Schülerinnen, ſondern noch
mehr in ſeinen Schriften, die, wenn ſie auch nicht durchaus
bequem und praktiſch angelegt ſind, doch in ihrem geſunden
Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der
dramatiſchen Kunſt hinwirkenden Tendenz gerade nach dem
Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen,
ein ſiegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die
Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der dieſe kommende
künſtleriſche Regeneration mit heraufführen half, wollen wir
immer ein dankbares Andenken bewahren.
A. v. M.
Münchener Theater.
Nacht und Morgen. — Literariſch-muſikaliſcher Feſtabend zugunſten
der Oſtpreußen. — Das Gaſtſpiel Kayßler-Fehdmer: Minna von
Barnhelm, Amphitryon, Berg-Eyvind und ſein Weib.
Unſer Reſidenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von
Paul Lindau aufgegriffen und zum erſtenmal aufgeführt.
Paul Lindau iſt im letzten Jahrzehnt in der Münchener
Theatergeſchichte nicht von uns verwöhnt worden: er galt
faſt als abgetan. Vielleicht mit Unrecht, da er noch immer
ein beſſerer Theatertechniker iſt, als viele ſeiner jungen Nach-
folger, wenn auch ſeine Technik ſtets einen ausgeſprochen
franzöſiſchen Charakter an ſich trug. Daß man gerade ſein
vieraktiges Schauſpiel „Nacht und Morgen“, das im De-
zember 1901 ſeine Uraufführung am Berliner Theater er-
lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen,
daß ſich die Handlung, die damals in unſerer Zeitung aus-
führlich erzählt worden iſt, und die wir nicht wiederholen
wollen, ſich um den Diebſtahl eines diplomatiſchen Akten-
ſtückes dreht, das den öſterreichiſch-italieniſchen Bündnis-
vertrag zum Gegenſtand hat. Ein franzöſiſcher Botſchafts-
ſekretär in Berlin weiß ſich das für ihn intereſſierende Do-
kument auf ſchlaue Weiſe zu verſchaffen, die dem betreffen-
den deutſchen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade
auf Urlaub geht, faſt zum Verhängnis geworden wäre.
Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach
vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, ſo geht doch die
Geſchichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal
genug aus, da ſeine Unſchuld nur dadurch entdeckt wird, daß
er eingeſteht, die betreffende Nacht, in der er abgereiſt ſein
ſollte, bei ſeiner Schwägerin verbracht zu haben. Lindau,
der von jeher ſich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß
dieſe Geſchichte leidlich glaubhaft und ſpannend darzuſtellen.
Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen
in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen ſehr
freundlichen Erfolg.
Einer, der von Berufs wegen ſich mit kriminalen Din-
gen abgeben muß, iſt unſer Münchener Juſtizrat Max Bern-
ſtein. Er hat ein einaktiges Schauſpiel „Der Richter“ ge-
ſchrieben, das in dieſen Tagen im Schauſpielhauſe bei einem
literariſch-muſikaliſchen Feſtabend zugunſten der Münchener
Oſtpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in
eigener Sache iſt ein älterer Oberpoſtſekretär, deſſen junge
Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk-
meiſter, hat. Der ahnungsloſe Gatte erfährt die grobe Täu-
ſchung, und es iſt nun hübſch und ergreifend zu ſehen, wie
der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der erſten
Abſicht, den Verführer zu erſchlagen und die Frau auf die
Straße zu ſetzen, langſam zum Verzeihen ſich emporläutern
läßt, ſo daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer
die Türe weiſt, der ſchwachen Frau aber, die innerlich längſt
bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von
dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und
Fräulein Roſar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk-
meiſter ſtellte Herr Weigert, ein altes Dienſtmädchen, durch
das die Geſchichte aufkommt, Luiſe Fiſcher vorzüglich und
glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da-
gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Geſchmack,
dieſen Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragiſch ver-
laufenden Ehebruchsgeſchichte ſchließen zu laſſen, mit Hugo
von Hofmannsthals bekanntem Einakter „Die Frau im
Fenſter“. Herr Steinrück hatte den Meſſer Braccio ſchon
in unſerem Hoftheater geſpielt und ſpielte ihn auch hier, und
ſeine Partnerin war Fräulein Roſar. Das ſehr diſtinguierte
Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Proteſt,
was bei einem ſolchen Anlaß gewiß nicht vorkommen ſollte
und auch noch nicht vorgekommen iſt. Erfreulicher war der
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(2023-04-24T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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