Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915. [Spaltenumbruch]
schaft, der Industrie und des Handels unterzeichnet ist, auf, Bei- Das neue, zweite Kriegssemester hat begonnen. "Der die "Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers schlichtem Helden- Theater und Musik Yorza Savits +. Drei Tage vor seinem 68. Geburtstag ist Jocza Savits, Sein Leben hat Savits selbst geschildert in dem "Großen Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök- Universitätshörer zugunsten der akademischen Lesehalle eine Ueber sein Wirken in Weimar entnehme ich einer "Im Lustspiel, Schauspiel und Trauerspiel Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915. [Spaltenumbruch]
ſchaft, der Induſtrie und des Handels unterzeichnet iſt, auf, Bei- Das neue, zweite Kriegsſemeſter hat begonnen. „Der die „Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers ſchlichtem Helden- Theater und Musik Yorza Savits †. Drei Tage vor ſeinem 68. Geburtstag iſt Jocza Savits, Sein Leben hat Savits ſelbſt geſchildert in dem „Großen Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök- Univerſitätshörer zugunſten der akademiſchen Leſehalle eine Ueber ſein Wirken in Weimar entnehme ich einer „Im Luſtſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <pb facs="#f0010" n="296"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 15. Mai 1915.</fw><lb/> <cb/> <p>ſchaft, der Induſtrie und des Handels unterzeichnet iſt, auf, Bei-<lb/> träge und Anmeldungen zur Mitgliedſchaft (Geſchäftsſtelle Linden-<lb/> ſtraße 1, am Belle-Alliance-Platz) einzuſenden.</p><lb/> <p>Das neue, zweite Kriegsſemeſter hat begonnen. „Der die<lb/> Sonne lenket am Himmelszelt, der iſt’s, der unſere Fahne hält“,<lb/> ſo ſangen die Studenten in dem ſchönen Liede „Frei iſt der Burſch“,<lb/> als ſie hinauszogen, um für das Vaterland zu kämpfen. Sie ſind<lb/> ſich klar, daß nur der Allerhöchſte es weiß, ob Krieg oder Friede<lb/> dies Kriegsſemeſter beendet. Aber des ſind ſie gewiß, ob Krieg<lb/> oder Frieden: der Deutſche Burſch, und mit ihm alle Volksgenoſſen<lb/> im Felde ſollen wiſſen, daß unſere Gedanken immer bei ihnen an<lb/> der Front weilen und daß die Heimat beſtrebt iſt, die Dankesſchuld,<lb/> wenn überhaupt, dann in glänzender Weiſe abzutragen. Vor allem<lb/> werden unſere Hochſchulen den müden Kämpfern ihre Türen weit<lb/> öffnen, damit ſie ihren Durſt ſtillen können an dem Lebensquell<lb/> deutſcher Wiſſenſchaft. Sie ſollen nicht fühlen, daß ſie Invalide<lb/> ſind, ſie ſollen in der heiligen Begeiſterung für deutſche Wiſſenſchaft<lb/> ſich als vollkommen gleichwertige Glieder der <hi rendition="#aq">Alma mater</hi> betrach-<lb/> ten. 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April 1865 veranſtalteten die</p><lb/> <cb/> <p>Univerſitätshörer zugunſten der akademiſchen Leſehalle eine<lb/> Räuber-Vorſtellung (mit Magda Irſchik als Amalie), er<lb/> ſollte den Koſinsky ſpielen, weil Mangel an Talent unter<lb/> den Studenten fühlbar war. Der Darſteller des Karl Moor<lb/> jedoch erſchien auf den Proben ſo unzulänglich, daß man<lb/> S. dieſe wichtige Rolle anvertraute. Sonnenthal, der der<lb/> Aufführung beiwohnte, nahm ſich des jungen Mannes<lb/> liebevoll an, ließ ihn öfters zu ſich kommen und nahm mit<lb/> ihm ſo lange Rollen durch, bis dieſer ſein erſtes Engagement<lb/> in Baſel erhielt (Antrittsrolle: Karl Moll in <hi rendition="#aq">Il baccio</hi> am<lb/> 4. Oktober 1865). Von dort kam der junge Künſtler nach<lb/> St. Gallen und ſchloß während der Tätigkeit an dieſer Bühne<lb/> an das Stadttheater nach Augsburg ab, bewarb ſich<lb/> jedoch gleichzeitig um ein Engagement am Münchener Hof-<lb/> theater. Er gaſtierte in München am 27. April 1866 als<lb/> Eduard in „Die junge Pate“, gefiel und ſollte auch für dieſe<lb/> Hofbühne verpflichtet werden, doch da ihn der Augsburger<lb/> Direktor nicht freigab, blieb nichts anderes übrig, als das<lb/> Engagement in Augsburg anzutreten. Vorher jedoch<lb/> abſolvierte er vom 2. Auguſt bis 9. September ein Gaſtſpiel<lb/> am Gärtnerplatztheater (erſte Rolle: Reinhold in Bade-<lb/> kuren) und trat am 14. September 1866 als Clavigo ſein<lb/> Engagement in Augsburg an. Dort ſah ihn Dingelſtedt am<lb/> 8. November als Masham im „Glas Waſſer“, am 10. No-<lb/> vember als Wilhelm Tell und engagierte ihn für das Hof-<lb/> theater in Weimar. Dingelſtedt ſchätzte S. ſehr hoch und<lb/> verſprach ihm größtmögliche Förderung. Er hat Wort ge-<lb/> halten. Denn als er 1867 als Direktor der Hofoper nach<lb/> Wien berufen wurde, empfahl er ſeinen Schützling ſofort<lb/> dem Freiherrn von Münch-Bellinghauſen (Friedrich Halm)<lb/> zum Engagement ans Burgtheater. Nach kaum zwei-<lb/> jähriger Mitgliedſchaft ſchied er jedoch wieder aus dem<lb/> Verbande der Hofbühne, weil er in jugendlicher Unge-<lb/> duld eine beſſere Beſchäftigung nicht erwarten konnte und<lb/> weil ihm von Weimar, wo er noch im beſten Andenken ſtand,<lb/> im Namen des Großherzogs ein ſehr gutes Angebot zum<lb/> Wiedereintritt gemacht wurde.</p><lb/> <p>Ueber ſein Wirken in Weimar entnehme ich einer<lb/> intereſſanten von Martin Greif verfaßten Lebensſchilderung<lb/> des Künſtlers:</p><lb/> <cit> <quote>„Im Luſtſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel<lb/> gleich verwendbar, bot er durch ſeine hinreißende Darſtellung<lb/> als junger Held, durch ſein temperamentvolles und lebens-<lb/> wahres Spiel als ernſter, wie auch durch ſeinen ſprudelnden<lb/> Witz und ſeine unerſchöpfliche Laune als komiſcher Liebhaber<lb/> ſtets hervorragende Leiſtungen dar, was auch von der<lb/> dortigen Kritik bald einſtimmig anerkannt wurde. Nament-<lb/> lich in den Schöpfungen unſerer großen Dichter und denen<lb/> Shakeſpeares war er Träger oft der wichtigſten Rollen: er<lb/> ſpielte u. a. den Don Carlos, Mortimer, Don Cäſar, den<lb/> Melchthal, Ferdinand in Kabale und Liebe, Egmont,<lb/> Clavigo, Prinz Heinz in Heinrich <hi rendition="#aq">V.,</hi> Richard <hi rendition="#aq">II.</hi> voll Geiſt<lb/> und Empfindung, doch auch als Karl Sittig in Bürgerlich<lb/> und romantiſch und überhaupt in den humoriſtiſchen wie<lb/> ernſten Rollen der bürgerlichen Komödie und des neuen<lb/> Konverſationsſtückes war er ein vornehmer, unterhaltender<lb/> und gerngeſehener Darſteller. 1875 wurde ihm das Amt als<lb/> Regiſſeur übertragen, zu dem ihn ſeine gründliche Bildung,<lb/> ſeine genaue Kenntnis ſämtlicher Kulturſprachen, ſein aus-<lb/> gebildeter, ſicherer Geſchmack, ſein geläuterter Kunſtſinn, ſein<lb/> unbeſtechliches Urteil und ſeine begeiſterte Liebe zur Kunſt<lb/> in hohem Maße befähigten, und er entfaltete auch in dieſem<lb/> ſchwierigen Berufe den gleichen Eifer und hingebungsvollen<lb/> Fleiß, wie als rein darſtellender Künſtler. Sein Wiſſen zu<lb/> erweitern, ſeine Bildung zu vertiefen und ſich dabei künſtle-<lb/> riſch immer tüchtiger ſelbſt heranzuziehen, war, wie ihm<lb/> von berufener Seite im feierlichen Augenblick ſeines Ab-<lb/> ſchiedes von dieſer Bühne bezeugt wurde, ihm zum unent-<lb/> behrlichen Bedürfniſſe geworden und machte jederzeit ſein<lb/> ganzes Trachten aus. Dem Studium der neuhochdeutſchen<lb/> Sprache und aller ſonſtigen Wiſſenszweige, die zur dar-<lb/> ſtellenden Kunſt in näherer Beziehung ſtehen, lag er eben-<lb/> falls mit ſeltener Beharrlichkeit ob und nahm bei der ihm<lb/> nur karg zugemeſſenen Muße freiwillig, um dieſer Aufgabe<lb/> zu genügen, die größten Anſtrengungen auf ſich. Die Nähe<lb/> Jenas mit ſeinen reichen Bildungsanſtalten und ſeinen<lb/> mannigfaltigen geiſtigen Anſtrengungen kam dabei ſeinem</quote> </cit><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0010]
Allgemeine Zeitung 15. Mai 1915.
ſchaft, der Induſtrie und des Handels unterzeichnet iſt, auf, Bei-
träge und Anmeldungen zur Mitgliedſchaft (Geſchäftsſtelle Linden-
ſtraße 1, am Belle-Alliance-Platz) einzuſenden.
Das neue, zweite Kriegsſemeſter hat begonnen. „Der die
Sonne lenket am Himmelszelt, der iſt’s, der unſere Fahne hält“,
ſo ſangen die Studenten in dem ſchönen Liede „Frei iſt der Burſch“,
als ſie hinauszogen, um für das Vaterland zu kämpfen. Sie ſind
ſich klar, daß nur der Allerhöchſte es weiß, ob Krieg oder Friede
dies Kriegsſemeſter beendet. Aber des ſind ſie gewiß, ob Krieg
oder Frieden: der Deutſche Burſch, und mit ihm alle Volksgenoſſen
im Felde ſollen wiſſen, daß unſere Gedanken immer bei ihnen an
der Front weilen und daß die Heimat beſtrebt iſt, die Dankesſchuld,
wenn überhaupt, dann in glänzender Weiſe abzutragen. Vor allem
werden unſere Hochſchulen den müden Kämpfern ihre Türen weit
öffnen, damit ſie ihren Durſt ſtillen können an dem Lebensquell
deutſcher Wiſſenſchaft. Sie ſollen nicht fühlen, daß ſie Invalide
ſind, ſie ſollen in der heiligen Begeiſterung für deutſche Wiſſenſchaft
ſich als vollkommen gleichwertige Glieder der Alma mater betrach-
ten. Jhre Sorge ſei unſere Sorge und Treue um Treue!
„Wir wollen immer Treue halten des Kanzlers ſchlichtem Helden-
wort,
Der ſelber ſtand vor Sturmgewalten, ſo feſt wie unſer Eichen Hort.
Ob donnergleich die Stürme toben, das deutſche Herz bleibt mut-
geſchwellt:
Wir Deutſchen fürchten Gott da droben, ſonſt aber nichts auf dieſer
Welt!“
Theater und Musik
Yorza Savits †.
Drei Tage vor ſeinem 68. Geburtstag iſt Jocza Savits,
der ehemalige Oberregiſſeur unſeres kgl. Schauſpiels
und anhaltiſche Profeſſor, einem tückiſchen langjährigen
Leiden erlegen, das während der langen Krankheit und
durch den Tod ſeiner Frau, der ehemaligen Weimarſchen
Tragödin Luiſe Savits, an der er mit allen Faſern ſeines
Herzens hing, ſich ſchnell verſchlechtert hatte. Auch der Krieg,
von dem er ſich keine gute Rückwirkung auf das Theater
und ſeine Kunſt erwartete, hat auf ſein Befinden ungünſtig
eingewirkt. Mit Savits verſchwindet die bedeutendſte
dramaturgiſche Perſönlichkeit aus unſerer Stadt. Die Allge-
meine Zeitung hat ſein Wirken durch all die Jahre und
Jahrzehnte, die er an unſerer Hofbühne tätig war, wie ſich
unſere Leſer wohl erinnern, mit dem wärmſten Intereſſe
begleitet und ſpäter auch die Bedeutung ſeiner literariſchen
Tätigkeit vollauf gewürdigt. Vom erſten Augenblick an, als
ſeine mit Perfall zuſammen geſchaffene Shakeſpeare-Bühne
ins Leben trat, haben wir, allen Gegnern zum Trotz, bis
auf dieſe Stunde den geſunden Gedanken dieſer verein-
fachten Szene hochgehalten und verteidigt. Shakeſpeare, dem
größten Dramatiker, und ſeiner Bühne galten auch Savits’
letzte Gedanken, letzte Studien und Arbeiten. Er hat ein
Werk über ihn hinterlaſſen, das wohl erſt nach dem Kriege
herauskommen wird, deſſen Korrekturen er aber noch auf
ſeinem Krankenbett geleſen hat.
Sein Leben hat Savits ſelbſt geſchildert in dem „Großen
Biographiſchen Lexikon der Deutſchen Bühne im XIX. Jahr-
hundert“, das ſein bald darauf verſtorbener Freund Ludwig
Eiſenberg 1903 bei Paul Liſt in Leipzig herausgab:
Jocza Savits war geboren am 10. Mai 1847 in Torök-
Becſe (Ungarn) als Sohn eines Kaufmannes. 1854 über-
ſiedelte ſein Vater nach Wien, und dort wurde Jocza in
die Realſchule zu St. Johann geſchickt, da er nach Wunſch der
Eltern Architekt werden ſollte. Kaufmänniſches Mißgeſchick
hinderte ſeinen Vater jedoch, ihn die Studien fortſetzen zu
laſſen, und ſo wurde er in ein großes Geſchäftshaus gegeben,
um in das Getriebe des Handels eingeführt zu werden;
allein er ſpürte gar keine Beſtimmung zum Kaufmann, ſon-
dern verſchaffte ſich durch Stundengeben die Mittel, um, ſeiner
dringenden Neigung folgend, beim Schauſpieler Conradi,
von Lewinsky empfohlen, ſchauſpielkünſtleriſchen Unterricht
nehmen zu können. Am 30. April 1865 veranſtalteten die
Univerſitätshörer zugunſten der akademiſchen Leſehalle eine
Räuber-Vorſtellung (mit Magda Irſchik als Amalie), er
ſollte den Koſinsky ſpielen, weil Mangel an Talent unter
den Studenten fühlbar war. Der Darſteller des Karl Moor
jedoch erſchien auf den Proben ſo unzulänglich, daß man
S. dieſe wichtige Rolle anvertraute. Sonnenthal, der der
Aufführung beiwohnte, nahm ſich des jungen Mannes
liebevoll an, ließ ihn öfters zu ſich kommen und nahm mit
ihm ſo lange Rollen durch, bis dieſer ſein erſtes Engagement
in Baſel erhielt (Antrittsrolle: Karl Moll in Il baccio am
4. Oktober 1865). Von dort kam der junge Künſtler nach
St. Gallen und ſchloß während der Tätigkeit an dieſer Bühne
an das Stadttheater nach Augsburg ab, bewarb ſich
jedoch gleichzeitig um ein Engagement am Münchener Hof-
theater. Er gaſtierte in München am 27. April 1866 als
Eduard in „Die junge Pate“, gefiel und ſollte auch für dieſe
Hofbühne verpflichtet werden, doch da ihn der Augsburger
Direktor nicht freigab, blieb nichts anderes übrig, als das
Engagement in Augsburg anzutreten. Vorher jedoch
abſolvierte er vom 2. Auguſt bis 9. September ein Gaſtſpiel
am Gärtnerplatztheater (erſte Rolle: Reinhold in Bade-
kuren) und trat am 14. September 1866 als Clavigo ſein
Engagement in Augsburg an. Dort ſah ihn Dingelſtedt am
8. November als Masham im „Glas Waſſer“, am 10. No-
vember als Wilhelm Tell und engagierte ihn für das Hof-
theater in Weimar. Dingelſtedt ſchätzte S. ſehr hoch und
verſprach ihm größtmögliche Förderung. Er hat Wort ge-
halten. Denn als er 1867 als Direktor der Hofoper nach
Wien berufen wurde, empfahl er ſeinen Schützling ſofort
dem Freiherrn von Münch-Bellinghauſen (Friedrich Halm)
zum Engagement ans Burgtheater. Nach kaum zwei-
jähriger Mitgliedſchaft ſchied er jedoch wieder aus dem
Verbande der Hofbühne, weil er in jugendlicher Unge-
duld eine beſſere Beſchäftigung nicht erwarten konnte und
weil ihm von Weimar, wo er noch im beſten Andenken ſtand,
im Namen des Großherzogs ein ſehr gutes Angebot zum
Wiedereintritt gemacht wurde.
Ueber ſein Wirken in Weimar entnehme ich einer
intereſſanten von Martin Greif verfaßten Lebensſchilderung
des Künſtlers:
„Im Luſtſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel
gleich verwendbar, bot er durch ſeine hinreißende Darſtellung
als junger Held, durch ſein temperamentvolles und lebens-
wahres Spiel als ernſter, wie auch durch ſeinen ſprudelnden
Witz und ſeine unerſchöpfliche Laune als komiſcher Liebhaber
ſtets hervorragende Leiſtungen dar, was auch von der
dortigen Kritik bald einſtimmig anerkannt wurde. Nament-
lich in den Schöpfungen unſerer großen Dichter und denen
Shakeſpeares war er Träger oft der wichtigſten Rollen: er
ſpielte u. a. den Don Carlos, Mortimer, Don Cäſar, den
Melchthal, Ferdinand in Kabale und Liebe, Egmont,
Clavigo, Prinz Heinz in Heinrich V., Richard II. voll Geiſt
und Empfindung, doch auch als Karl Sittig in Bürgerlich
und romantiſch und überhaupt in den humoriſtiſchen wie
ernſten Rollen der bürgerlichen Komödie und des neuen
Konverſationsſtückes war er ein vornehmer, unterhaltender
und gerngeſehener Darſteller. 1875 wurde ihm das Amt als
Regiſſeur übertragen, zu dem ihn ſeine gründliche Bildung,
ſeine genaue Kenntnis ſämtlicher Kulturſprachen, ſein aus-
gebildeter, ſicherer Geſchmack, ſein geläuterter Kunſtſinn, ſein
unbeſtechliches Urteil und ſeine begeiſterte Liebe zur Kunſt
in hohem Maße befähigten, und er entfaltete auch in dieſem
ſchwierigen Berufe den gleichen Eifer und hingebungsvollen
Fleiß, wie als rein darſtellender Künſtler. Sein Wiſſen zu
erweitern, ſeine Bildung zu vertiefen und ſich dabei künſtle-
riſch immer tüchtiger ſelbſt heranzuziehen, war, wie ihm
von berufener Seite im feierlichen Augenblick ſeines Ab-
ſchiedes von dieſer Bühne bezeugt wurde, ihm zum unent-
behrlichen Bedürfniſſe geworden und machte jederzeit ſein
ganzes Trachten aus. Dem Studium der neuhochdeutſchen
Sprache und aller ſonſtigen Wiſſenszweige, die zur dar-
ſtellenden Kunſt in näherer Beziehung ſtehen, lag er eben-
falls mit ſeltener Beharrlichkeit ob und nahm bei der ihm
nur karg zugemeſſenen Muße freiwillig, um dieſer Aufgabe
zu genügen, die größten Anſtrengungen auf ſich. Die Nähe
Jenas mit ſeinen reichen Bildungsanſtalten und ſeinen
mannigfaltigen geiſtigen Anſtrengungen kam dabei ſeinem
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(2023-04-24T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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