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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.

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Mittwoch, den 23. Januar "AZ am Abend" Nr. 19
Der 70. Geburtstag
des Exkaisers

Feier im engsten Kreis

[Abbildung]

Der Exkaiser wird
seinen 70. Geburtstag am 27. Januar ledig-
lich im Familienkreise begehen. Hierzu wer-
den in Doorn sämtliche Kinder, Stiefkinder,
Schwiegerkinder und Enkel, sowie die Ge-
schwister des Exkaisers erwartet.

Wie die Generalverwaltung des Hauses
Hohenzollern mitteilt, sollen alle größeren
Veranstaltungen, insbesondere Kundgebun-
gen aus Anlaß dieses Geburtstages im Hin-
blick auf die Umstände, unter denen der
Kaiser diesen Tag in Holland begeht, auf
seinen ausdrücklichen Wunsch unterbleiben.

Die Angst vor dem "Unglück"

Ein Gütler in einem oberpfälzischen
Dörfchen, der sich das Heiraten bis in das
vorgeschrittene Alter gespart hatte, bekam
plötzlich Heiratsgelüste und gewann auch
das Herz einer Holden. Kürzlich wurde die
Trauung festgesetzt, zu der man, um das
"Goschau" zu vermeiden, die Kreishaupt-
stadt ausersehen hatte. Auf dem Wege zur
Kirche stürzte aber, oh Unglück, der ausge-
fahrene Hochzeitswagen um und
die ganze Gesellschaft wurde in den
Straßengraben geworfen.

Das Malheur verlief sonst noch glimpflich,
aber der Bräutigam erklärte plötzlich kate-
gorisch: "Jetzt mag i' nimmer. Mit an Un-
glück gehts o, mit an Unglücks gangats
weiter und mit an Unglück hörats auf --
na, na, mir gangst!" Sprachs und eilte auf
und davon Alles Zureden der empörten
Braut, die bereits zwei "Selige" beweinte,
half nichts und auch die Einflüsterungen
der Hochzeitsgäste waren vergebens. Der
Bräutigam mochte einfach nicht mehr.

Die gefräßige Ziege

Einen nicht gelinden Schrecken erlebte die-
ser Tage ein Landwirt in der Nähe Falken-
steins. Er war gerade mit Geldzählen be-
schäftigt und wurde hierbei von einem Be-
kannten aus dem Zimmr gerufen. Dabei
beging der Landwirt die Unvorsichtigkeit,
das abgezählte Papiergeld auf der Bank lie-
gen zu lassen. Im nächsten Augenblick
spazierte eine im Stalle losgewordene Ziege
durch die unverschlossene Tür in die Stube,
kam zu dem Papiergeld und fraß alle
Scheine, insgesamt 400 Mark Wert, auf.
Als der Besitzer zurückkehrte, verschluckte
der "Vielfraß" gerade den letzten Geldschein.
Der Landwirt soll, wie die Dorfbewohner
erzählten, den vierbeinigen Dieb sofort ge-
schlachtet haben; sein Geld dürfte er aber
kaum mehr im Magen des Räubers vorge-
funden haben.

VON DEN BÜHNEN
Nationaltheater.

Samstag, 26. Januar, wird
"Die Fledermaus" erstmals wiederholt. -- Die
Vorstellung "Palestrina" am Sonntag 27. Jan.,
wird Generalmusikdirektor Professor Dr. Hans
Pfitzner selbst dirigieren.

Kammerspiele im Schauspielhaus.

In der Neu-
einstudierung von Karl Zuckmayers "Fröhlichen
Weinberg" am Mittwoch, den 23. Januar, abends
71/2 Uhr, (Regie: Julius Gellner), wirken außer
Otto Framer als "Gunderloch" noch mit die Da-
men: Dorothea Wieck, Edith Schulze Westrum,
Maria Herbot und Maria Byk und die Herren:
Walter Lantzsch, Kurt Reiß, Will Dohm, Ernst
Schück, Franz Rücker, Adolf Grell, Heinz Rüh-
mann, Richard Revy, Josef Eichheim und Julius
Seger. Die ersten drei Wiederholugen des Stückes
finden am Donnerstag, den 24., Freitag, den 25.
und Sonntag, den 27. Januar, jeweils 71/2 Uhr
abends, statt.

[Spaltenumbruch]
14 Jahre in China verschollen

Das Abenteurerleben eines Goldsucherpaares

In den Bergen der chinesischen Provinz
Kwansu wurde vor kurzem ein Europäer
aufgefunden, der sein Gedächtnis verloren
hatte und nach ziellosem Umherwandern
halb verhungert war. Er wurde in das
Provinzialkrankenhaus eingeliefert, wo er
auf Befragen in verschiedenen europäischen
Sprachen keine andere Antwort zu geben
wußte, als das eine Wort "Katie". In der
Nähe der Stelle, an der er aufgefunden
worden war, entdeckte man dann auch
ein Grab mit einem roh gezimmerten
Kreuz,

das den Namen "Katie" trug. Weitere
Nachforschungen ergaben, daß der Europäer
in der Gesellschaft einer Amerikanerin
14 Jahre lang in dem Dorfe Ling-Fu gelebt
hatte, wo er sich jedem Verkehr, auch mit
anderen Europäern, fernhielt. Die Bevölke-
rung nannte ihn den "Einsiedler". Von dem
Dorfe aus machte er häufig Ausflüge in die
Berge, wo er Gold suchte. Seiner Meinung

[Spaltenumbruch]

nach mußte das edle Metall dort in Mengen
vorhanden sein, doch fand er nichts. Eines
Tages verschwand er mit seiner Gefährtin,
ohne sich je wieder blicken zu lassen. Die
Behörden haben nach längeren Nachforschun-
gen das Rätsel dieses geheimnisvollen
Goldsuchers nunmehr gelöst. Es handelt
sich um einen italienischen Matrosen namens
Gaetano Amodio, der von seinem in Rom
lebenden Bruder nach den vorgelegten
Photographien und Beschreibungen genau
wiedererkannt worden ist. Er tat bis zum
Jahre 1914 auf einem Ueberseedampfer
Dienst, der zwischen England und Amerika
verkehrte, lernte dann in Neuyork eine
Amerikanerin kennen, mit der er nach China
fuhr, um dort sein Glück zu versuchen. Seit-
dem hat sein Bruder
niemals wieder etwas von ihm gehört.
Was der Goldsucher nach dem Verlassen des
chinesischen Dorfes erlebte und wie seine Ge-
fährtin umgekommen ist -- dies alles liegt
noch unvollständig im dunkeln.

Wie ein Tonfilm entsteht
[Abbildung]

Der Regisseur (rechts) gibt den Filmschauspielern Anweisungen für die Szene, die gedreht
werden soll. Hinter ihm befindet sich das Mikrophon, das die Stimmen aufnehmen wird.
Der Operateur (im Hintergrund) photographiert aus einer Kabine heraus, die durch schall-
sichere Wände und doppelte Glasplatten des Fensters undurchlässig für Geräusche gemacht
ist, so daß das Mikrophon keine Nebengeräusche aufnehmen kann.

Vor dem Richter
Von Milzwurst, von "Dicke" und der Leberwurst

Milzwurst und "Dicke"

"Ich wünsch" Ihnen, daß es Ihnen in Ihrem
Geschäft mal gerade so gehen wird, wie mir,"
sagt der angeklagte Metzgermeister und
wirft einen springgiftigen Blick auf seinen ehe-
maligen Gehilfen, der als Zeuge gegen ihn aus-
sagt.

Es riecht übel in dieser Verhandlung. Die Lust
ist verdorben, man hält sich im Geiste die Nase
zu und wünscht sich einen Kognak für den Ma-
gen, der leise zu rumoren anfangen will.

Der üble Duft kommt aus einem Bottich mit
Fleisch. Kalbfleisch. Der Bottich steht nicht im Ge-
richtssaal, aber man sieht ihn in der Schilderung
des Metzgergehilfen deutlich vor sich, und kann
sich ebenso nach der Beschreibung ein Bild von
seinem Inhalt machen.

Dieser Inhalt duftete so stark wie Rosen, aber
lange nicht so gut. Es war verdorbenes
Kalbfleisch,
Halsgratstücke, Brust, Züngerl
und Kotelette-Stücke, alles mehrere Tage alt,
schon in Fäulnis übergegangen grün, schmierig,
stinkend und -- --

Wir wollen mit der genauen Beschreibung
lieber aufhören, um dem Leser nicht auf Tage den
Appetit zu verderben. Nur das eine sei noch
gesagt: Es stank aus diesem Bottich zum Himmel.

Der Meister kommt hinzu, steckt die Nase hinein,
zieht sie gleich wieder zurück und befiehlt den
beiden Gehilfen -- -- nun, was befiehlt er?
Das Zeug wegzuwerfen?

O nein! Er befiehlt, Milzwürste und
Dicke daraus zu machen!
Und vorher die
Knochen sauber abzufieseln. Damit nichts um-
komme an dem edlen Sach.

Die Gehilfen? Sie waren vernünftiger und
verständiger, als der Meister. Sie warfen das
Zeug weg, und so hat sich niemand an den köst-
lichen Würsten den Magen verdorben oder krank
gegessen.

Das kommt auch dem Meister noch zugute,
denn so ist sein Tun beim Versuch geblieben. Er
erhält 250 Mark Geldstrafe, schämt sich
aber nicht seiner duftenden Handlungsweise und
bedauert nicht, sondern ist nur giftig auf den
Gehilfen, weil ders angezeigt hat.

[Spaltenumbruch]

Leberwurst

Diese Leberwurst duftet ebenfalls. Der Bezirks-
oberinspektor hat sie im Laden eines hiesigen
Schweinemetzgers beschlagnahmt, denn sie fiel
ziemlich auf. Sie war graugelb, dick-schmierig und
von Schimmelpilzen durchsetzt.

Man hatte sie zwar, offenbar weil man ihr
verderbtes Innere erkannte, heftig geräuchert.
Aber das hatte nicht viel geholfen. Das infer-
nalische Aroma drang durch. So wie sich das
Gute Bahn bricht, so ringt sich auch die Schlech-
tigkeit durch und kommt ans Licht. Wenigstens
bei der Wurst.

[irrelevantes Material]

Diese Leberwurst war aber außerdem noch ein
Vexierbild. Man konnte bei ihr fragen: Wo ist
die Leber?
Und man fragte vergebens. Der
Sachverständige hatte sie mit nach Hause genom-
men und machte sich hier eifrig auf die Suche
nach Leber. Weil doch die Wurst Leberwurst hieß
und sogar noch den vornehmen Namen "Konsum-
Leberwurst" trug.

Aber der Mann fand keine Leber. Kein Schnip-
selchen. Kein Atom. Er forschte weiter, er nahm
sogar das Mikroskop zu Hilfe -- und
schließlich stieß er auf winzige Spuren, die man
vielleicht am Ende möglicherweise allenfalls un-
ter Umständen bei schwärmerischer Phantasie als
Leber begrüßen konnte.

Der Metzger, der zu 100 Mark Geldstrafe
verurteilt wird,
will sich damit heraus-
reden, daß diese duftenden Leberwürste ohne Le-
ber nur zu Hundefutter bestimmt gewesen seien.
Aber ob solcher Ausrede lachen die Hühner.
Denn für die Hunde macht man keine "Konsum-
würste."

Residenztheater.

Mittwoch, 23. Jan., wird das
Spiel in drei Akten "Perlenkomödie" von
Bruno Frank zum erstenmal aufgeführt. In-
ßenierung: Pape; Bühnenbild: Linnebach.

[Spaltenumbruch]
Der künftige Führer der Heilsarmee
[Abbildung]

als Nachfolger des wegen seines hohen Alters
abgesetzten Generals Booth wird voraussichtlich
der "Kommissionär" Higgins sein, der jahrelang
die rechte Hand von Booth war und ihn auch
während seiner Krankheit vertreten hat.

Deutsche Stunde in Bayern

6.45 Morgengymnastik.

12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schallplat-
ten vom Odeon-Musithaus Julius Jacob,
München, Neuhauserstraße 12.

16.30 Lesestunde: Aus dem Schaffen von Rainer
Maria Rilke: Wie der Verrat nach Rußland
kam.
Eine der "Geschichten vom lieben
Gott". Gelesen von Albert Spenger.

17.00 Schachfunk für die Jugend.

17.30 Johannes-Brahms-Stunde. Mathilde Ber-
ger (Alt), Joseph Köhler (Violoncello), Ri-
chard Staab (Klavier).

19.00--19.30 Nürnberger Sendung: Hörkurs:
Esperanto.

19.30 Die Entstehung der großen Vermögen (II).
Eine Vortragsreihe von Geheimrat Pro-
fessor Dr. Jacob Strieder.

20.00 Symphoniekonzert. Das Rundfunkorchester
unter Leitung von Hans A. Winter. Solist:
Willy Stuhlfauth (Violine).

21.15 Postfunk: Briefe, die ihn nie erreichten.
Plauderei von Oberpostrat Dr. R. Krinner.

21.30 Unterhaltungs-Konzert des Rundfunktrios.
Mitwirkend Paula Menarl und Karl König
mit Schlagern der Saison (II).

22.20 Bekanntgabe der nächsten Opernübertragung.
Abendmeldungen.

22.45 Unterhaltungs-Konzert. Ausgeführt mit
Schallplatten von der Sprechmaschinen- und
Schallplattenabteilung der Radio-Industrie,
G. m. b. H., München, Bayerstraße 25.

[irrelevantes Material]
Mittwoch, den 23. Januar „AZ am Abend“ Nr. 19
Der 70. Geburtstag
des Exkaiſers

Feier im engſten Kreis

[Abbildung]

Der Exkaiſer wird
ſeinen 70. Geburtstag am 27. Januar ledig-
lich im Familienkreiſe begehen. Hierzu wer-
den in Doorn ſämtliche Kinder, Stiefkinder,
Schwiegerkinder und Enkel, ſowie die Ge-
ſchwiſter des Exkaiſers erwartet.

Wie die Generalverwaltung des Hauſes
Hohenzollern mitteilt, ſollen alle größeren
Veranſtaltungen, insbeſondere Kundgebun-
gen aus Anlaß dieſes Geburtstages im Hin-
blick auf die Umſtände, unter denen der
Kaiſer dieſen Tag in Holland begeht, auf
ſeinen ausdrücklichen Wunſch unterbleiben.

Die Angſt vor dem „Unglück“

Ein Gütler in einem oberpfälziſchen
Dörfchen, der ſich das Heiraten bis in das
vorgeſchrittene Alter geſpart hatte, bekam
plötzlich Heiratsgelüſte und gewann auch
das Herz einer Holden. Kürzlich wurde die
Trauung feſtgeſetzt, zu der man, um das
„Goſchau“ zu vermeiden, die Kreishaupt-
ſtadt auserſehen hatte. Auf dem Wege zur
Kirche ſtürzte aber, oh Unglück, der ausge-
fahrene Hochzeitswagen um und
die ganze Geſellſchaft wurde in den
Straßengraben geworfen.

Das Malheur verlief ſonſt noch glimpflich,
aber der Bräutigam erklärte plötzlich kate-
goriſch: „Jetzt mag i’ nimmer. Mit an Un-
glück gehts o, mit an Unglücks gangats
weiter und mit an Unglück hörats auf —
na, na, mir gangſt!“ Sprachs und eilte auf
und davon Alles Zureden der empörten
Braut, die bereits zwei „Selige“ beweinte,
half nichts und auch die Einflüſterungen
der Hochzeitsgäſte waren vergebens. Der
Bräutigam mochte einfach nicht mehr.

Die gefräßige Ziege

Einen nicht gelinden Schrecken erlebte die-
ſer Tage ein Landwirt in der Nähe Falken-
ſteins. Er war gerade mit Geldzählen be-
ſchäftigt und wurde hierbei von einem Be-
kannten aus dem Zimmr gerufen. Dabei
beging der Landwirt die Unvorſichtigkeit,
das abgezählte Papiergeld auf der Bank lie-
gen zu laſſen. Im nächſten Augenblick
ſpazierte eine im Stalle losgewordene Ziege
durch die unverſchloſſene Tür in die Stube,
kam zu dem Papiergeld und fraß alle
Scheine, insgeſamt 400 Mark Wert, auf.
Als der Beſitzer zurückkehrte, verſchluckte
der „Vielfraß“ gerade den letzten Geldſchein.
Der Landwirt ſoll, wie die Dorfbewohner
erzählten, den vierbeinigen Dieb ſofort ge-
ſchlachtet haben; ſein Geld dürfte er aber
kaum mehr im Magen des Räubers vorge-
funden haben.

VON DEN BÜHNEN
Nationaltheater.

Samstag, 26. Januar, wird
„Die Fledermaus“ erſtmals wiederholt. — Die
Vorſtellung „Paleſtrina“ am Sonntag 27. Jan.,
wird Generalmuſikdirektor Profeſſor Dr. Hans
Pfitzner ſelbſt dirigieren.

Kammerſpiele im Schauſpielhaus.

In der Neu-
einſtudierung von Karl Zuckmayers „Fröhlichen
Weinberg“ am Mittwoch, den 23. Januar, abends
7½ Uhr, (Regie: Julius Gellner), wirken außer
Otto Framer als „Gunderloch“ noch mit die Da-
men: Dorothea Wieck, Edith Schulze Weſtrum,
Maria Herbot und Maria Byk und die Herren:
Walter Lantzſch, Kurt Reiß, Will Dohm, Ernſt
Schück, Franz Rücker, Adolf Grell, Heinz Rüh-
mann, Richard Revy, Joſef Eichheim und Julius
Seger. Die erſten drei Wiederholugen des Stückes
finden am Donnerstag, den 24., Freitag, den 25.
und Sonntag, den 27. Januar, jeweils 7½ Uhr
abends, ſtatt.

[Spaltenumbruch]
14 Jahre in China verſchollen

Das Abenteurerleben eines Goldſucherpaares

In den Bergen der chineſiſchen Provinz
Kwanſu wurde vor kurzem ein Europäer
aufgefunden, der ſein Gedächtnis verloren
hatte und nach zielloſem Umherwandern
halb verhungert war. Er wurde in das
Provinzialkrankenhaus eingeliefert, wo er
auf Befragen in verſchiedenen europäiſchen
Sprachen keine andere Antwort zu geben
wußte, als das eine Wort „Katie“. In der
Nähe der Stelle, an der er aufgefunden
worden war, entdeckte man dann auch
ein Grab mit einem roh gezimmerten
Kreuz,

das den Namen „Katie“ trug. Weitere
Nachforſchungen ergaben, daß der Europäer
in der Geſellſchaft einer Amerikanerin
14 Jahre lang in dem Dorfe Ling-Fu gelebt
hatte, wo er ſich jedem Verkehr, auch mit
anderen Europäern, fernhielt. Die Bevölke-
rung nannte ihn den „Einſiedler“. Von dem
Dorfe aus machte er häufig Ausflüge in die
Berge, wo er Gold ſuchte. Seiner Meinung

[Spaltenumbruch]

nach mußte das edle Metall dort in Mengen
vorhanden ſein, doch fand er nichts. Eines
Tages verſchwand er mit ſeiner Gefährtin,
ohne ſich je wieder blicken zu laſſen. Die
Behörden haben nach längeren Nachforſchun-
gen das Rätſel dieſes geheimnisvollen
Goldſuchers nunmehr gelöſt. Es handelt
ſich um einen italieniſchen Matroſen namens
Gaetano Amodio, der von ſeinem in Rom
lebenden Bruder nach den vorgelegten
Photographien und Beſchreibungen genau
wiedererkannt worden iſt. Er tat bis zum
Jahre 1914 auf einem Ueberſeedampfer
Dienſt, der zwiſchen England und Amerika
verkehrte, lernte dann in Neuyork eine
Amerikanerin kennen, mit der er nach China
fuhr, um dort ſein Glück zu verſuchen. Seit-
dem hat ſein Bruder
niemals wieder etwas von ihm gehört.
Was der Goldſucher nach dem Verlaſſen des
chineſiſchen Dorfes erlebte und wie ſeine Ge-
fährtin umgekommen iſt — dies alles liegt
noch unvollſtändig im dunkeln.

Wie ein Tonfilm entſteht
[Abbildung]

Der Regiſſeur (rechts) gibt den Filmſchauſpielern Anweiſungen für die Szene, die gedreht
werden ſoll. Hinter ihm befindet ſich das Mikrophon, das die Stimmen aufnehmen wird.
Der Operateur (im Hintergrund) photographiert aus einer Kabine heraus, die durch ſchall-
ſichere Wände und doppelte Glasplatten des Fenſters undurchläſſig für Geräuſche gemacht
iſt, ſo daß das Mikrophon keine Nebengeräuſche aufnehmen kann.

Vor dem Richter
Von Milzwurſt, von „Dicke“ und der Leberwurſt

Milzwurſt und „Dicke“

„Ich wünſch“ Ihnen, daß es Ihnen in Ihrem
Geſchäft mal gerade ſo gehen wird, wie mir,“
ſagt der angeklagte Metzgermeiſter und
wirft einen ſpringgiftigen Blick auf ſeinen ehe-
maligen Gehilfen, der als Zeuge gegen ihn aus-
ſagt.

Es riecht übel in dieſer Verhandlung. Die Luſt
iſt verdorben, man hält ſich im Geiſte die Naſe
zu und wünſcht ſich einen Kognak für den Ma-
gen, der leiſe zu rumoren anfangen will.

Der üble Duft kommt aus einem Bottich mit
Fleiſch. Kalbfleiſch. Der Bottich ſteht nicht im Ge-
richtsſaal, aber man ſieht ihn in der Schilderung
des Metzgergehilfen deutlich vor ſich, und kann
ſich ebenſo nach der Beſchreibung ein Bild von
ſeinem Inhalt machen.

Dieſer Inhalt duftete ſo ſtark wie Roſen, aber
lange nicht ſo gut. Es war verdorbenes
Kalbfleiſch,
Halsgratſtücke, Bruſt, Züngerl
und Kotelette-Stücke, alles mehrere Tage alt,
ſchon in Fäulnis übergegangen grün, ſchmierig,
ſtinkend und — —

Wir wollen mit der genauen Beſchreibung
lieber aufhören, um dem Leſer nicht auf Tage den
Appetit zu verderben. Nur das eine ſei noch
geſagt: Es ſtank aus dieſem Bottich zum Himmel.

Der Meiſter kommt hinzu, ſteckt die Naſe hinein,
zieht ſie gleich wieder zurück und befiehlt den
beiden Gehilfen — — nun, was befiehlt er?
Das Zeug wegzuwerfen?

O nein! Er befiehlt, Milzwürſte und
Dicke daraus zu machen!
Und vorher die
Knochen ſauber abzufieſeln. Damit nichts um-
komme an dem edlen Sach.

Die Gehilfen? Sie waren vernünftiger und
verſtändiger, als der Meiſter. Sie warfen das
Zeug weg, und ſo hat ſich niemand an den köſt-
lichen Würſten den Magen verdorben oder krank
gegeſſen.

Das kommt auch dem Meiſter noch zugute,
denn ſo iſt ſein Tun beim Verſuch geblieben. Er
erhält 250 Mark Geldſtrafe, ſchämt ſich
aber nicht ſeiner duftenden Handlungsweiſe und
bedauert nicht, ſondern iſt nur giftig auf den
Gehilfen, weil ders angezeigt hat.

[Spaltenumbruch]

Leberwurſt

Dieſe Leberwurſt duftet ebenfalls. Der Bezirks-
oberinſpektor hat ſie im Laden eines hieſigen
Schweinemetzgers beſchlagnahmt, denn ſie fiel
ziemlich auf. Sie war graugelb, dick-ſchmierig und
von Schimmelpilzen durchſetzt.

Man hatte ſie zwar, offenbar weil man ihr
verderbtes Innere erkannte, heftig geräuchert.
Aber das hatte nicht viel geholfen. Das infer-
naliſche Aroma drang durch. So wie ſich das
Gute Bahn bricht, ſo ringt ſich auch die Schlech-
tigkeit durch und kommt ans Licht. Wenigſtens
bei der Wurſt.

[irrelevantes Material]

Dieſe Leberwurſt war aber außerdem noch ein
Vexierbild. Man konnte bei ihr fragen: Wo iſt
die Leber?
Und man fragte vergebens. Der
Sachverſtändige hatte ſie mit nach Hauſe genom-
men und machte ſich hier eifrig auf die Suche
nach Leber. Weil doch die Wurſt Leberwurſt hieß
und ſogar noch den vornehmen Namen „Konſum-
Leberwurſt“ trug.

Aber der Mann fand keine Leber. Kein Schnip-
ſelchen. Kein Atom. Er forſchte weiter, er nahm
ſogar das Mikroſkop zu Hilfe — und
ſchließlich ſtieß er auf winzige Spuren, die man
vielleicht am Ende möglicherweiſe allenfalls un-
ter Umſtänden bei ſchwärmeriſcher Phantaſie als
Leber begrüßen konnte.

Der Metzger, der zu 100 Mark Geldſtrafe
verurteilt wird,
will ſich damit heraus-
reden, daß dieſe duftenden Leberwürſte ohne Le-
ber nur zu Hundefutter beſtimmt geweſen ſeien.
Aber ob ſolcher Ausrede lachen die Hühner.
Denn für die Hunde macht man keine „Konſum-
würſte.“

Reſidenztheater.

Mittwoch, 23. Jan., wird das
Spiel in drei Akten „Perlenkomödie“ von
Bruno Frank zum erſtenmal aufgeführt. In-
ſzenierung: Pape; Bühnenbild: Linnebach.

[Spaltenumbruch]
Der künftige Führer der Heilsarmee
[Abbildung]

als Nachfolger des wegen ſeines hohen Alters
abgeſetzten Generals Booth wird vorausſichtlich
der „Kommiſſionär“ Higgins ſein, der jahrelang
die rechte Hand von Booth war und ihn auch
während ſeiner Krankheit vertreten hat.

Deutsche Stunde in Bayern

6.45 Morgengymnaſtik.

12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schallplat-
ten vom Odeon-Muſithaus Julius Jacob,
München, Neuhauſerſtraße 12.

16.30 Leſeſtunde: Aus dem Schaffen von Rainer
Maria Rilke: Wie der Verrat nach Rußland
kam.
Eine der „Geſchichten vom lieben
Gott“. Geleſen von Albert Spenger.

17.00 Schachfunk für die Jugend.

17.30 Johannes-Brahms-Stunde. Mathilde Ber-
ger (Alt), Joſeph Köhler (Violoncello), Ri-
chard Staab (Klavier).

19.00—19.30 Nürnberger Sendung: Hörkurs:
Eſperanto.

19.30 Die Entſtehung der großen Vermögen (II).
Eine Vortragsreihe von Geheimrat Pro-
feſſor Dr. Jacob Strieder.

20.00 Symphoniekonzert. Das Rundfunkorcheſter
unter Leitung von Hans A. Winter. Soliſt:
Willy Stuhlfauth (Violine).

21.15 Poſtfunk: Briefe, die ihn nie erreichten.
Plauderei von Oberpoſtrat Dr. R. Krinner.

21.30 Unterhaltungs-Konzert des Rundfunktrios.
Mitwirkend Paula Menarl und Karl König
mit Schlagern der Saiſon (II).

22.20 Bekanntgabe der nächſten Opernübertragung.
Abendmeldungen.

22.45 Unterhaltungs-Konzert. Ausgeführt mit
Schallplatten von der Sprechmaſchinen- und
Schallplattenabteilung der Radio-Induſtrie,
G. m. b. H., München, Bayerſtraße 25.

[irrelevantes Material]
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[Seite 9[9]/0009] Mittwoch, den 23. Januar „AZ am Abend“ Nr. 19 Der 70. Geburtstag des Exkaiſers Feier im engſten Kreis [Abbildung] Berlin, 23. Januar. Der Exkaiſer wird ſeinen 70. Geburtstag am 27. Januar ledig- lich im Familienkreiſe begehen. Hierzu wer- den in Doorn ſämtliche Kinder, Stiefkinder, Schwiegerkinder und Enkel, ſowie die Ge- ſchwiſter des Exkaiſers erwartet. Wie die Generalverwaltung des Hauſes Hohenzollern mitteilt, ſollen alle größeren Veranſtaltungen, insbeſondere Kundgebun- gen aus Anlaß dieſes Geburtstages im Hin- blick auf die Umſtände, unter denen der Kaiſer dieſen Tag in Holland begeht, auf ſeinen ausdrücklichen Wunſch unterbleiben. Die Angſt vor dem „Unglück“ Ein Gütler in einem oberpfälziſchen Dörfchen, der ſich das Heiraten bis in das vorgeſchrittene Alter geſpart hatte, bekam plötzlich Heiratsgelüſte und gewann auch das Herz einer Holden. Kürzlich wurde die Trauung feſtgeſetzt, zu der man, um das „Goſchau“ zu vermeiden, die Kreishaupt- ſtadt auserſehen hatte. Auf dem Wege zur Kirche ſtürzte aber, oh Unglück, der ausge- fahrene Hochzeitswagen um und die ganze Geſellſchaft wurde in den Straßengraben geworfen. Das Malheur verlief ſonſt noch glimpflich, aber der Bräutigam erklärte plötzlich kate- goriſch: „Jetzt mag i’ nimmer. Mit an Un- glück gehts o, mit an Unglücks gangats weiter und mit an Unglück hörats auf — na, na, mir gangſt!“ Sprachs und eilte auf und davon Alles Zureden der empörten Braut, die bereits zwei „Selige“ beweinte, half nichts und auch die Einflüſterungen der Hochzeitsgäſte waren vergebens. Der Bräutigam mochte einfach nicht mehr. Die gefräßige Ziege Einen nicht gelinden Schrecken erlebte die- ſer Tage ein Landwirt in der Nähe Falken- ſteins. Er war gerade mit Geldzählen be- ſchäftigt und wurde hierbei von einem Be- kannten aus dem Zimmr gerufen. Dabei beging der Landwirt die Unvorſichtigkeit, das abgezählte Papiergeld auf der Bank lie- gen zu laſſen. Im nächſten Augenblick ſpazierte eine im Stalle losgewordene Ziege durch die unverſchloſſene Tür in die Stube, kam zu dem Papiergeld und fraß alle Scheine, insgeſamt 400 Mark Wert, auf. Als der Beſitzer zurückkehrte, verſchluckte der „Vielfraß“ gerade den letzten Geldſchein. Der Landwirt ſoll, wie die Dorfbewohner erzählten, den vierbeinigen Dieb ſofort ge- ſchlachtet haben; ſein Geld dürfte er aber kaum mehr im Magen des Räubers vorge- funden haben. VON DEN BÜHNEN Nationaltheater. Samstag, 26. Januar, wird „Die Fledermaus“ erſtmals wiederholt. — Die Vorſtellung „Paleſtrina“ am Sonntag 27. Jan., wird Generalmuſikdirektor Profeſſor Dr. Hans Pfitzner ſelbſt dirigieren. Kammerſpiele im Schauſpielhaus. In der Neu- einſtudierung von Karl Zuckmayers „Fröhlichen Weinberg“ am Mittwoch, den 23. Januar, abends 7½ Uhr, (Regie: Julius Gellner), wirken außer Otto Framer als „Gunderloch“ noch mit die Da- men: Dorothea Wieck, Edith Schulze Weſtrum, Maria Herbot und Maria Byk und die Herren: Walter Lantzſch, Kurt Reiß, Will Dohm, Ernſt Schück, Franz Rücker, Adolf Grell, Heinz Rüh- mann, Richard Revy, Joſef Eichheim und Julius Seger. Die erſten drei Wiederholugen des Stückes finden am Donnerstag, den 24., Freitag, den 25. und Sonntag, den 27. Januar, jeweils 7½ Uhr abends, ſtatt. 14 Jahre in China verſchollen Das Abenteurerleben eines Goldſucherpaares In den Bergen der chineſiſchen Provinz Kwanſu wurde vor kurzem ein Europäer aufgefunden, der ſein Gedächtnis verloren hatte und nach zielloſem Umherwandern halb verhungert war. Er wurde in das Provinzialkrankenhaus eingeliefert, wo er auf Befragen in verſchiedenen europäiſchen Sprachen keine andere Antwort zu geben wußte, als das eine Wort „Katie“. In der Nähe der Stelle, an der er aufgefunden worden war, entdeckte man dann auch ein Grab mit einem roh gezimmerten Kreuz, das den Namen „Katie“ trug. Weitere Nachforſchungen ergaben, daß der Europäer in der Geſellſchaft einer Amerikanerin 14 Jahre lang in dem Dorfe Ling-Fu gelebt hatte, wo er ſich jedem Verkehr, auch mit anderen Europäern, fernhielt. Die Bevölke- rung nannte ihn den „Einſiedler“. Von dem Dorfe aus machte er häufig Ausflüge in die Berge, wo er Gold ſuchte. Seiner Meinung nach mußte das edle Metall dort in Mengen vorhanden ſein, doch fand er nichts. Eines Tages verſchwand er mit ſeiner Gefährtin, ohne ſich je wieder blicken zu laſſen. Die Behörden haben nach längeren Nachforſchun- gen das Rätſel dieſes geheimnisvollen Goldſuchers nunmehr gelöſt. Es handelt ſich um einen italieniſchen Matroſen namens Gaetano Amodio, der von ſeinem in Rom lebenden Bruder nach den vorgelegten Photographien und Beſchreibungen genau wiedererkannt worden iſt. Er tat bis zum Jahre 1914 auf einem Ueberſeedampfer Dienſt, der zwiſchen England und Amerika verkehrte, lernte dann in Neuyork eine Amerikanerin kennen, mit der er nach China fuhr, um dort ſein Glück zu verſuchen. Seit- dem hat ſein Bruder niemals wieder etwas von ihm gehört. Was der Goldſucher nach dem Verlaſſen des chineſiſchen Dorfes erlebte und wie ſeine Ge- fährtin umgekommen iſt — dies alles liegt noch unvollſtändig im dunkeln. Wie ein Tonfilm entſteht [Abbildung Der Regiſſeur (rechts) gibt den Filmſchauſpielern Anweiſungen für die Szene, die gedreht werden ſoll. Hinter ihm befindet ſich das Mikrophon, das die Stimmen aufnehmen wird. Der Operateur (im Hintergrund) photographiert aus einer Kabine heraus, die durch ſchall- ſichere Wände und doppelte Glasplatten des Fenſters undurchläſſig für Geräuſche gemacht iſt, ſo daß das Mikrophon keine Nebengeräuſche aufnehmen kann.] Vor dem Richter Von Milzwurſt, von „Dicke“ und der Leberwurſt Von Tuli Milzwurſt und „Dicke“ „Ich wünſch“ Ihnen, daß es Ihnen in Ihrem Geſchäft mal gerade ſo gehen wird, wie mir,“ ſagt der angeklagte Metzgermeiſter und wirft einen ſpringgiftigen Blick auf ſeinen ehe- maligen Gehilfen, der als Zeuge gegen ihn aus- ſagt. Es riecht übel in dieſer Verhandlung. Die Luſt iſt verdorben, man hält ſich im Geiſte die Naſe zu und wünſcht ſich einen Kognak für den Ma- gen, der leiſe zu rumoren anfangen will. Der üble Duft kommt aus einem Bottich mit Fleiſch. Kalbfleiſch. Der Bottich ſteht nicht im Ge- richtsſaal, aber man ſieht ihn in der Schilderung des Metzgergehilfen deutlich vor ſich, und kann ſich ebenſo nach der Beſchreibung ein Bild von ſeinem Inhalt machen. Dieſer Inhalt duftete ſo ſtark wie Roſen, aber lange nicht ſo gut. Es war verdorbenes Kalbfleiſch, Halsgratſtücke, Bruſt, Züngerl und Kotelette-Stücke, alles mehrere Tage alt, ſchon in Fäulnis übergegangen grün, ſchmierig, ſtinkend und — — Wir wollen mit der genauen Beſchreibung lieber aufhören, um dem Leſer nicht auf Tage den Appetit zu verderben. Nur das eine ſei noch geſagt: Es ſtank aus dieſem Bottich zum Himmel. Der Meiſter kommt hinzu, ſteckt die Naſe hinein, zieht ſie gleich wieder zurück und befiehlt den beiden Gehilfen — — nun, was befiehlt er? Das Zeug wegzuwerfen? O nein! Er befiehlt, Milzwürſte und Dicke daraus zu machen! Und vorher die Knochen ſauber abzufieſeln. Damit nichts um- komme an dem edlen Sach. Die Gehilfen? Sie waren vernünftiger und verſtändiger, als der Meiſter. Sie warfen das Zeug weg, und ſo hat ſich niemand an den köſt- lichen Würſten den Magen verdorben oder krank gegeſſen. Das kommt auch dem Meiſter noch zugute, denn ſo iſt ſein Tun beim Verſuch geblieben. Er erhält 250 Mark Geldſtrafe, ſchämt ſich aber nicht ſeiner duftenden Handlungsweiſe und bedauert nicht, ſondern iſt nur giftig auf den Gehilfen, weil ders angezeigt hat. Leberwurſt Dieſe Leberwurſt duftet ebenfalls. Der Bezirks- oberinſpektor hat ſie im Laden eines hieſigen Schweinemetzgers beſchlagnahmt, denn ſie fiel ziemlich auf. Sie war graugelb, dick-ſchmierig und von Schimmelpilzen durchſetzt. Man hatte ſie zwar, offenbar weil man ihr verderbtes Innere erkannte, heftig geräuchert. Aber das hatte nicht viel geholfen. Das infer- naliſche Aroma drang durch. So wie ſich das Gute Bahn bricht, ſo ringt ſich auch die Schlech- tigkeit durch und kommt ans Licht. Wenigſtens bei der Wurſt. _ Dieſe Leberwurſt war aber außerdem noch ein Vexierbild. Man konnte bei ihr fragen: Wo iſt die Leber? Und man fragte vergebens. Der Sachverſtändige hatte ſie mit nach Hauſe genom- men und machte ſich hier eifrig auf die Suche nach Leber. Weil doch die Wurſt Leberwurſt hieß und ſogar noch den vornehmen Namen „Konſum- Leberwurſt“ trug. Aber der Mann fand keine Leber. Kein Schnip- ſelchen. Kein Atom. Er forſchte weiter, er nahm ſogar das Mikroſkop zu Hilfe — und ſchließlich ſtieß er auf winzige Spuren, die man vielleicht am Ende möglicherweiſe allenfalls un- ter Umſtänden bei ſchwärmeriſcher Phantaſie als Leber begrüßen konnte. Der Metzger, der zu 100 Mark Geldſtrafe verurteilt wird, will ſich damit heraus- reden, daß dieſe duftenden Leberwürſte ohne Le- ber nur zu Hundefutter beſtimmt geweſen ſeien. Aber ob ſolcher Ausrede lachen die Hühner. Denn für die Hunde macht man keine „Konſum- würſte.“ Reſidenztheater. Mittwoch, 23. Jan., wird das Spiel in drei Akten „Perlenkomödie“ von Bruno Frank zum erſtenmal aufgeführt. In- ſzenierung: Pape; Bühnenbild: Linnebach. Der künftige Führer der Heilsarmee [Abbildung als Nachfolger des wegen ſeines hohen Alters abgeſetzten Generals Booth wird vorausſichtlich der „Kommiſſionär“ Higgins ſein, der jahrelang die rechte Hand von Booth war und ihn auch während ſeiner Krankheit vertreten hat.] Deutsche Stunde in Bayern Donnerstag, 24. Januar 1929 6.45 Morgengymnaſtik. 12.55 Mittagskonzert. Ausgeführt mit Schallplat- ten vom Odeon-Muſithaus Julius Jacob, München, Neuhauſerſtraße 12. 16.30 Leſeſtunde: Aus dem Schaffen von Rainer Maria Rilke: Wie der Verrat nach Rußland kam. Eine der „Geſchichten vom lieben Gott“. Geleſen von Albert Spenger. 17.00 Schachfunk für die Jugend. 17.30 Johannes-Brahms-Stunde. Mathilde Ber- ger (Alt), Joſeph Köhler (Violoncello), Ri- chard Staab (Klavier). 19.00—19.30 Nürnberger Sendung: Hörkurs: Eſperanto. 19.30 Die Entſtehung der großen Vermögen (II). Eine Vortragsreihe von Geheimrat Pro- feſſor Dr. Jacob Strieder. 20.00 Symphoniekonzert. Das Rundfunkorcheſter unter Leitung von Hans A. Winter. Soliſt: Willy Stuhlfauth (Violine). 21.15 Poſtfunk: Briefe, die ihn nie erreichten. Plauderei von Oberpoſtrat Dr. R. Krinner. 21.30 Unterhaltungs-Konzert des Rundfunktrios. Mitwirkend Paula Menarl und Karl König mit Schlagern der Saiſon (II). 22.20 Bekanntgabe der nächſten Opernübertragung. Abendmeldungen. 22.45 Unterhaltungs-Konzert. Ausgeführt mit Schallplatten von der Sprechmaſchinen- und Schallplattenabteilung der Radio-Induſtrie, G. m. b. H., München, Bayerſtraße 25. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929, S. Seite 9[9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929/9>, abgerufen am 24.11.2024.