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Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 22. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 18 Dienstag, den 22. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(22. Fortsetzung)

[Spaltenumbruch]

Der Ire setzte seinen Hut auf. "Rupert,
du mußt mir noch deine sämtlichen Schlüssel
aushändigen; denn die nächsten Tage werde
ich hier der alleinige Herr sein."

Steinmann tat es und seufzte: "Jetzt, wo
es interessant wird, bin ich kalt gestellt."

Frank beruhigte ihn: "Tröste dich. Du
kommst schon zu deinem Nervenkitzel. Am
Tage der Schlacht sollst du wieder zugegen
sein."

"Wenn du mir das gelobst," freute sich
der Maler, "dann gehe ich beinahe leichten
Herzens in den Turm."

"Ich gelob' es!" lachte Frank. "Nun aber
kann der Gefangenentransport beginnen.
Nimm Abschied, Rupert, bis zur großen
Stunde! -- Lund, vergessen Sie die einge-
wickelten Liebesgaben nicht!"

Der Assessor trug das Paket schon sorgsam
auf den Händen. Die drei Männer verließen
die Wohnung.

7.
Der Köder.

Das Stiftungsfest war längst in vollem
Gang, als Lund das Museum betrat. Er
hatte bis spät abends zu tun gehabt, um
sich für den morgigen Vormittag frei zu
machen, der mit dem großen Experiment
ausgefüllt sein würde.

An dem Aufsehen, das sein Erscheinen er-
regte, merkte er bald, daß er der gefeierte
Held der Stunde war. Leute, die sich sonst
wenig um ihn gekümmert hatten, winkten
ihm freundlich oder achtungsvoll zu. Ein
Lächeln der Befriedigung glitt über sein Ge-
sicht, als er Morris in einem größeren
Kreise bemerkte. Sein Verbündeter hatte
offenbar gut manövriert: unter den ihn
Umgebenden befanden sich viele von jenen,
die den beiden Männern verdächtig erscheinen
mußten.

Lund trat auf die Gesellschaft zu. Der
[Spaltenumbruch] erste, der ihn mit krähender Stimme be-
grüßte, war Baron Thott: "Na, Lund, ha-
ben Ihre Folterknechte dem armen Stein-
mann noch kein Geständnis abgepreßt?" Da
sich der Angeredete mit Achselzucken be-
gnügte, fuhr der Kleine fort: "Ich glaube,
so wenig wie Herr Morris an Steinmanns
Schuld. War denn ich -- oder bin ich etwa
der gesuchte Betrüger? Nein, alles Unsinn!
Ich habe mir den Fall gründlich überlegt
und bin zu einer ganz eigenen Ansicht ge-
kommen. Fahnden Sie nur weiter, lieber
Lund, aber fahnden Sie in anderer -- oh,
in durchaus anderer Atmosphäre als in die-
ser hier!" Damit machte er eine großartige
Geste und erklärte dann geheimnisvoll: "--
oder vielmehr, fahnden Sie lieber überhaupt
nicht!"

"Ich begreife wirklich nicht --", entgegnete
der Assessor.

"Fragen Sie mich unter vier Augen.
Dann will ich Rede stehen. Und dann
mögen Sie handeln, wenn Sie zu handeln
da noch vermögen."

"Muki, du fängst an, mir gewaltig zu
imponieren," meinte Estrup gemacht ernst-
haft.

"Ich habe den Baron Thott immer sehr
ernst genommen," mischte sich Morris ins
Gespräch, "und wäre begierig, seine Hypo-
these zu hören. -- A propos, Herr Assessor,
ist keine Wendung eingetreten?"

"Keine."

"Ich muß gestehen, das ist mir mehr als
peinlich. Es tut mir leid -- für Sie und
mich. Da werde ich mich wohl genötigt
sehen, auf eigene Faust zu operieren. Denn
ich muß hier öffentlich erklären, daß ich an
meines Freundes Schuld so wenig glauben
kann, wie ich an die meines Lehrers Ter-
schak geglaubt habe."

Lund machte eine äußerst steife Verbeu-
[Spaltenumbruch] gung. "Ich habe bereits gemutmaßt, hier
würden sich unsere Wege trennen," entgeg-
nete er offiziell. Morris drehte ihm brüsk
den Rücken und erklärte den anderen:
"Gleich übermorgen, wenn ich von meinen
Bekannten aus Lyngby zurück bin, werde
ich beginnen. Ah -- gut, daß ich daran
denke! Weiß einer der Herren, ob morgen
die Banken offen sind?"

"Nein," erklärte Estrup. "Morgen ist ja
gesetzlicher Feiertag."

"Also wirklich!!" rief der Ire unmutig.
"Das ist mir aber höchst fatal."

"Darf ich mir erlauben, verehrter Herr
Morris, mich als Ihren Bankier anzubieten,
falls Sie Mammon nötig haben?" tat
Muki sich wichtig.

"Vielen Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.
Aber es handelt sich gerade um das Gegen-
teil. Ich habe mein ganzes Reisegeld bei
mir, und da ich über Nacht in Lyngby zu
bleiben gedenke, ist es mir sehr unangenehm,
in der Wohnung, die doch jetzt -- nach Stein-
manns Inhaftnahme -- leer stehen wird,
einen größeren Betrag zurückzulassen."

"So nehmen Sie doch Ihr Geld in der
Brieftasche mit, das ist das einfachste,"
meinte Estrup.

"Es handelt sich um einen -- ziemlich
großen Betrag, und solche Summen führe
ich ungern bei mir."

"Dann fordern Sie doch die alte Zu-
geherin Steinmanns auf, den Feiertag über
in der Wohnung zu bleiben und die Nacht
dazu. Die Alte betreut Ihre Schätze besser
als ein Drache von Beruf," lachte der Lega-
tionsrat.

"Ist auch unmöglich," erklärte Morris.
"Ich habe ihr bereits für morgen Urlaub
gegeben. Sie will den Feiertag bei ihrer
derheirateten Tochter auf dem Lande zu-
bringen und ist heute schon abgereist. --
Ich sehe: mir bleibt nichts anderes übrig,
als mit dem letzten Zug morgen wieder
heim zu fahren."

"Da müssen Sie aber früh dort aufbre-
chen," warf der kleine Baron ein. "Scheuß-
liche Zugverbindung. Kenne das! Habe
leider da oben eine Jagd gepachtet. Der
erste Zug geht vor fünf Uhr."

"Schon vor fünf? Das ist mir zu früh.
[Spaltenumbruch] Was tue ich? Da mache ich den Ausflug
lieber im Auto."

"Tun Sie das, lieber Morris. Wenn Sie
solche Reichtümer zu hüten haben, können
Sie sich die Ausgabe ruhig leisten," meckerte
Muki.

Morris lachte und sagte: "Ich danke
Ihnen für die Auskunft. Entschuldigen Sie
mich jetzt, dort drüben steht Professor Ter-
schak, den will ich begrüßen. Er ist ja zum
ersteg Male seit seinem Mißgeschick wieder
in Gesellschaft."

"Ist denn der Ire so wohlhabend?" fragte,
nach Franks Weggang, eine alte Dame, die
sehr interessiert zugehört hatte.

"O, die Familie Morris ist eine reiche,
über die ganze Welt verstreute Familie,"
schrie der kleine Baron.

"Zudem wird er wohl auch Steinmanns
Gelder in Verwahrung haben," mutmaßte
Estrup.

Lund war hinzugetreten. Er warf sich
streng in die Brust. "Da irren Sie, Herr
Legationsrat. Die hat das Gericht beschlag-
nahmt."

"Ach, der Aermste!" rief die alte Dame
pathetisch. "Was nützt es ihm jetzt, daß er
sein neues Bild so gut verkauft hat."

"Ja, das ist Unglück im Glück," meinte
Ussing trocken.

"Und solche Summe!" sagte die alte
Dame, ihren Kopf schief zur Seite legend.
"Mein Növöh malt doch auch recht hübsche
Bilder, aber zwanzigtausend Kronen hat
ihm noch keiner geboten."

"Fünfundzwanzigtausend!" glaubte je-
mand verbessern zu müssen.

"Ja, hat denn Steinmann kürzlich ein
Bild verkauft --?" fragte Lund und spielte
den finster Erstaunten.

"-- und bar bezahlt bekommen. Das
wissen Sie nicht? Sonst weiß die Polizet
doch alles über unsereinen."

"Und noch ein bißchen mehr!

"Das erste, was ich höre."

"Die ganze Stadt spricht aber davon,
keifte die alte Dame, entrüstet darüber, wie
einer so wenig orientiert sein konnte.
(Fortsetzung folgt)

[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 18 Dienstag, den 22. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(22. Fortſetzung)

[Spaltenumbruch]

Der Ire ſetzte ſeinen Hut auf. „Rupert,
du mußt mir noch deine ſämtlichen Schlüſſel
aushändigen; denn die nächſten Tage werde
ich hier der alleinige Herr ſein.“

Steinmann tat es und ſeufzte: „Jetzt, wo
es intereſſant wird, bin ich kalt geſtellt.“

Frank beruhigte ihn: „Tröſte dich. Du
kommſt ſchon zu deinem Nervenkitzel. Am
Tage der Schlacht ſollſt du wieder zugegen
ſein.“

„Wenn du mir das gelobſt,“ freute ſich
der Maler, „dann gehe ich beinahe leichten
Herzens in den Turm.“

„Ich gelob’ es!“ lachte Frank. „Nun aber
kann der Gefangenentransport beginnen.
Nimm Abſchied, Rupert, bis zur großen
Stunde! — Lund, vergeſſen Sie die einge-
wickelten Liebesgaben nicht!“

Der Aſſeſſor trug das Paket ſchon ſorgſam
auf den Händen. Die drei Männer verließen
die Wohnung.

7.
Der Köder.

Das Stiftungsfeſt war längſt in vollem
Gang, als Lund das Muſeum betrat. Er
hatte bis ſpät abends zu tun gehabt, um
ſich für den morgigen Vormittag frei zu
machen, der mit dem großen Experiment
ausgefüllt ſein würde.

An dem Aufſehen, das ſein Erſcheinen er-
regte, merkte er bald, daß er der gefeierte
Held der Stunde war. Leute, die ſich ſonſt
wenig um ihn gekümmert hatten, winkten
ihm freundlich oder achtungsvoll zu. Ein
Lächeln der Befriedigung glitt über ſein Ge-
ſicht, als er Morris in einem größeren
Kreiſe bemerkte. Sein Verbündeter hatte
offenbar gut manövriert: unter den ihn
Umgebenden befanden ſich viele von jenen,
die den beiden Männern verdächtig erſcheinen
mußten.

Lund trat auf die Geſellſchaft zu. Der
[Spaltenumbruch] erſte, der ihn mit krähender Stimme be-
grüßte, war Baron Thott: „Na, Lund, ha-
ben Ihre Folterknechte dem armen Stein-
mann noch kein Geſtändnis abgepreßt?“ Da
ſich der Angeredete mit Achſelzucken be-
gnügte, fuhr der Kleine fort: „Ich glaube,
ſo wenig wie Herr Morris an Steinmanns
Schuld. War denn ich — oder bin ich etwa
der geſuchte Betrüger? Nein, alles Unſinn!
Ich habe mir den Fall gründlich überlegt
und bin zu einer ganz eigenen Anſicht ge-
kommen. Fahnden Sie nur weiter, lieber
Lund, aber fahnden Sie in anderer — oh,
in durchaus anderer Atmoſphäre als in die-
ſer hier!“ Damit machte er eine großartige
Geſte und erklärte dann geheimnisvoll: „—
oder vielmehr, fahnden Sie lieber überhaupt
nicht!“

„Ich begreife wirklich nicht —“, entgegnete
der Aſſeſſor.

„Fragen Sie mich unter vier Augen.
Dann will ich Rede ſtehen. Und dann
mögen Sie handeln, wenn Sie zu handeln
da noch vermögen.“

„Muki, du fängſt an, mir gewaltig zu
imponieren,“ meinte Eſtrup gemacht ernſt-
haft.

„Ich habe den Baron Thott immer ſehr
ernſt genommen,“ miſchte ſich Morris ins
Geſpräch, „und wäre begierig, ſeine Hypo-
theſe zu hören. — A propos, Herr Aſſeſſor,
iſt keine Wendung eingetreten?“

„Keine.“

„Ich muß geſtehen, das iſt mir mehr als
peinlich. Es tut mir leid — für Sie und
mich. Da werde ich mich wohl genötigt
ſehen, auf eigene Fauſt zu operieren. Denn
ich muß hier öffentlich erklären, daß ich an
meines Freundes Schuld ſo wenig glauben
kann, wie ich an die meines Lehrers Ter-
ſchak geglaubt habe.“

Lund machte eine äußerſt ſteife Verbeu-
[Spaltenumbruch] gung. „Ich habe bereits gemutmaßt, hier
würden ſich unſere Wege trennen,“ entgeg-
nete er offiziell. Morris drehte ihm brüsk
den Rücken und erklärte den anderen:
„Gleich übermorgen, wenn ich von meinen
Bekannten aus Lyngby zurück bin, werde
ich beginnen. Ah — gut, daß ich daran
denke! Weiß einer der Herren, ob morgen
die Banken offen ſind?“

„Nein,“ erklärte Eſtrup. „Morgen iſt ja
geſetzlicher Feiertag.“

„Alſo wirklich!!“ rief der Ire unmutig.
„Das iſt mir aber höchſt fatal.“

„Darf ich mir erlauben, verehrter Herr
Morris, mich als Ihren Bankier anzubieten,
falls Sie Mammon nötig haben?“ tat
Muki ſich wichtig.

„Vielen Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.
Aber es handelt ſich gerade um das Gegen-
teil. Ich habe mein ganzes Reiſegeld bei
mir, und da ich über Nacht in Lyngby zu
bleiben gedenke, iſt es mir ſehr unangenehm,
in der Wohnung, die doch jetzt — nach Stein-
manns Inhaftnahme — leer ſtehen wird,
einen größeren Betrag zurückzulaſſen.“

„So nehmen Sie doch Ihr Geld in der
Brieftaſche mit, das iſt das einfachſte,“
meinte Eſtrup.

„Es handelt ſich um einen — ziemlich
großen Betrag, und ſolche Summen führe
ich ungern bei mir.“

„Dann fordern Sie doch die alte Zu-
geherin Steinmanns auf, den Feiertag über
in der Wohnung zu bleiben und die Nacht
dazu. Die Alte betreut Ihre Schätze beſſer
als ein Drache von Beruf,“ lachte der Lega-
tionsrat.

„Iſt auch unmöglich,“ erklärte Morris.
„Ich habe ihr bereits für morgen Urlaub
gegeben. Sie will den Feiertag bei ihrer
derheirateten Tochter auf dem Lande zu-
bringen und iſt heute ſchon abgereiſt. —
Ich ſehe: mir bleibt nichts anderes übrig,
als mit dem letzten Zug morgen wieder
heim zu fahren.“

„Da müſſen Sie aber früh dort aufbre-
chen,“ warf der kleine Baron ein. „Scheuß-
liche Zugverbindung. Kenne das! Habe
leider da oben eine Jagd gepachtet. Der
erſte Zug geht vor fünf Uhr.“

„Schon vor fünf? Das iſt mir zu früh.
[Spaltenumbruch] Was tue ich? Da mache ich den Ausflug
lieber im Auto.“

„Tun Sie das, lieber Morris. Wenn Sie
ſolche Reichtümer zu hüten haben, können
Sie ſich die Ausgabe ruhig leiſten,“ meckerte
Muki.

Morris lachte und ſagte: „Ich danke
Ihnen für die Auskunft. Entſchuldigen Sie
mich jetzt, dort drüben ſteht Profeſſor Ter-
ſchak, den will ich begrüßen. Er iſt ja zum
erſteg Male ſeit ſeinem Mißgeſchick wieder
in Geſellſchaft.“

„Iſt denn der Ire ſo wohlhabend?“ fragte,
nach Franks Weggang, eine alte Dame, die
ſehr intereſſiert zugehört hatte.

„O, die Familie Morris iſt eine reiche,
über die ganze Welt verſtreute Familie,“
ſchrie der kleine Baron.

„Zudem wird er wohl auch Steinmanns
Gelder in Verwahrung haben,“ mutmaßte
Eſtrup.

Lund war hinzugetreten. Er warf ſich
ſtreng in die Bruſt. „Da irren Sie, Herr
Legationsrat. Die hat das Gericht beſchlag-
nahmt.“

„Ach, der Aermſte!“ rief die alte Dame
pathetiſch. „Was nützt es ihm jetzt, daß er
ſein neues Bild ſo gut verkauft hat.“

„Ja, das iſt Unglück im Glück,“ meinte
Uſſing trocken.

„Und ſolche Summe!“ ſagte die alte
Dame, ihren Kopf ſchief zur Seite legend.
„Mein Növöh malt doch auch recht hübſche
Bilder, aber zwanzigtauſend Kronen hat
ihm noch keiner geboten.“

„Fünfundzwanzigtauſend!“ glaubte je-
mand verbeſſern zu müſſen.

„Ja, hat denn Steinmann kürzlich ein
Bild verkauft —?“ fragte Lund und ſpielte
den finſter Erſtaunten.

„— und bar bezahlt bekommen. Das
wiſſen Sie nicht? Sonſt weiß die Polizet
doch alles über unſereinen.“

„Und noch ein bißchen mehr!

„Das erſte, was ich höre.“

„Die ganze Stadt ſpricht aber davon,
keifte die alte Dame, entrüſtet darüber, wie
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(Fortſetzung folgt)

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[12/0012] „AZ am Abend“ Nr. 18 Dienstag, den 22. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN von A. M. FREY (22. Fortſetzung) Der Ire ſetzte ſeinen Hut auf. „Rupert, du mußt mir noch deine ſämtlichen Schlüſſel aushändigen; denn die nächſten Tage werde ich hier der alleinige Herr ſein.“ Steinmann tat es und ſeufzte: „Jetzt, wo es intereſſant wird, bin ich kalt geſtellt.“ Frank beruhigte ihn: „Tröſte dich. Du kommſt ſchon zu deinem Nervenkitzel. Am Tage der Schlacht ſollſt du wieder zugegen ſein.“ „Wenn du mir das gelobſt,“ freute ſich der Maler, „dann gehe ich beinahe leichten Herzens in den Turm.“ „Ich gelob’ es!“ lachte Frank. „Nun aber kann der Gefangenentransport beginnen. Nimm Abſchied, Rupert, bis zur großen Stunde! — Lund, vergeſſen Sie die einge- wickelten Liebesgaben nicht!“ Der Aſſeſſor trug das Paket ſchon ſorgſam auf den Händen. Die drei Männer verließen die Wohnung. 7. Der Köder. Das Stiftungsfeſt war längſt in vollem Gang, als Lund das Muſeum betrat. Er hatte bis ſpät abends zu tun gehabt, um ſich für den morgigen Vormittag frei zu machen, der mit dem großen Experiment ausgefüllt ſein würde. An dem Aufſehen, das ſein Erſcheinen er- regte, merkte er bald, daß er der gefeierte Held der Stunde war. Leute, die ſich ſonſt wenig um ihn gekümmert hatten, winkten ihm freundlich oder achtungsvoll zu. Ein Lächeln der Befriedigung glitt über ſein Ge- ſicht, als er Morris in einem größeren Kreiſe bemerkte. Sein Verbündeter hatte offenbar gut manövriert: unter den ihn Umgebenden befanden ſich viele von jenen, die den beiden Männern verdächtig erſcheinen mußten. Lund trat auf die Geſellſchaft zu. Der erſte, der ihn mit krähender Stimme be- grüßte, war Baron Thott: „Na, Lund, ha- ben Ihre Folterknechte dem armen Stein- mann noch kein Geſtändnis abgepreßt?“ Da ſich der Angeredete mit Achſelzucken be- gnügte, fuhr der Kleine fort: „Ich glaube, ſo wenig wie Herr Morris an Steinmanns Schuld. War denn ich — oder bin ich etwa der geſuchte Betrüger? Nein, alles Unſinn! Ich habe mir den Fall gründlich überlegt und bin zu einer ganz eigenen Anſicht ge- kommen. Fahnden Sie nur weiter, lieber Lund, aber fahnden Sie in anderer — oh, in durchaus anderer Atmoſphäre als in die- ſer hier!“ Damit machte er eine großartige Geſte und erklärte dann geheimnisvoll: „— oder vielmehr, fahnden Sie lieber überhaupt nicht!“ „Ich begreife wirklich nicht —“, entgegnete der Aſſeſſor. „Fragen Sie mich unter vier Augen. Dann will ich Rede ſtehen. Und dann mögen Sie handeln, wenn Sie zu handeln da noch vermögen.“ „Muki, du fängſt an, mir gewaltig zu imponieren,“ meinte Eſtrup gemacht ernſt- haft. „Ich habe den Baron Thott immer ſehr ernſt genommen,“ miſchte ſich Morris ins Geſpräch, „und wäre begierig, ſeine Hypo- theſe zu hören. — A propos, Herr Aſſeſſor, iſt keine Wendung eingetreten?“ „Keine.“ „Ich muß geſtehen, das iſt mir mehr als peinlich. Es tut mir leid — für Sie und mich. Da werde ich mich wohl genötigt ſehen, auf eigene Fauſt zu operieren. Denn ich muß hier öffentlich erklären, daß ich an meines Freundes Schuld ſo wenig glauben kann, wie ich an die meines Lehrers Ter- ſchak geglaubt habe.“ Lund machte eine äußerſt ſteife Verbeu- gung. „Ich habe bereits gemutmaßt, hier würden ſich unſere Wege trennen,“ entgeg- nete er offiziell. Morris drehte ihm brüsk den Rücken und erklärte den anderen: „Gleich übermorgen, wenn ich von meinen Bekannten aus Lyngby zurück bin, werde ich beginnen. Ah — gut, daß ich daran denke! Weiß einer der Herren, ob morgen die Banken offen ſind?“ „Nein,“ erklärte Eſtrup. „Morgen iſt ja geſetzlicher Feiertag.“ „Alſo wirklich!!“ rief der Ire unmutig. „Das iſt mir aber höchſt fatal.“ „Darf ich mir erlauben, verehrter Herr Morris, mich als Ihren Bankier anzubieten, falls Sie Mammon nötig haben?“ tat Muki ſich wichtig. „Vielen Dank für Ihre Liebenswürdigkeit. Aber es handelt ſich gerade um das Gegen- teil. Ich habe mein ganzes Reiſegeld bei mir, und da ich über Nacht in Lyngby zu bleiben gedenke, iſt es mir ſehr unangenehm, in der Wohnung, die doch jetzt — nach Stein- manns Inhaftnahme — leer ſtehen wird, einen größeren Betrag zurückzulaſſen.“ „So nehmen Sie doch Ihr Geld in der Brieftaſche mit, das iſt das einfachſte,“ meinte Eſtrup. „Es handelt ſich um einen — ziemlich großen Betrag, und ſolche Summen führe ich ungern bei mir.“ „Dann fordern Sie doch die alte Zu- geherin Steinmanns auf, den Feiertag über in der Wohnung zu bleiben und die Nacht dazu. Die Alte betreut Ihre Schätze beſſer als ein Drache von Beruf,“ lachte der Lega- tionsrat. „Iſt auch unmöglich,“ erklärte Morris. „Ich habe ihr bereits für morgen Urlaub gegeben. Sie will den Feiertag bei ihrer derheirateten Tochter auf dem Lande zu- bringen und iſt heute ſchon abgereiſt. — Ich ſehe: mir bleibt nichts anderes übrig, als mit dem letzten Zug morgen wieder heim zu fahren.“ „Da müſſen Sie aber früh dort aufbre- chen,“ warf der kleine Baron ein. „Scheuß- liche Zugverbindung. Kenne das! Habe leider da oben eine Jagd gepachtet. Der erſte Zug geht vor fünf Uhr.“ „Schon vor fünf? Das iſt mir zu früh. Was tue ich? Da mache ich den Ausflug lieber im Auto.“ „Tun Sie das, lieber Morris. Wenn Sie ſolche Reichtümer zu hüten haben, können Sie ſich die Ausgabe ruhig leiſten,“ meckerte Muki. Morris lachte und ſagte: „Ich danke Ihnen für die Auskunft. Entſchuldigen Sie mich jetzt, dort drüben ſteht Profeſſor Ter- ſchak, den will ich begrüßen. Er iſt ja zum erſteg Male ſeit ſeinem Mißgeſchick wieder in Geſellſchaft.“ „Iſt denn der Ire ſo wohlhabend?“ fragte, nach Franks Weggang, eine alte Dame, die ſehr intereſſiert zugehört hatte. „O, die Familie Morris iſt eine reiche, über die ganze Welt verſtreute Familie,“ ſchrie der kleine Baron. „Zudem wird er wohl auch Steinmanns Gelder in Verwahrung haben,“ mutmaßte Eſtrup. Lund war hinzugetreten. Er warf ſich ſtreng in die Bruſt. „Da irren Sie, Herr Legationsrat. Die hat das Gericht beſchlag- nahmt.“ „Ach, der Aermſte!“ rief die alte Dame pathetiſch. „Was nützt es ihm jetzt, daß er ſein neues Bild ſo gut verkauft hat.“ „Ja, das iſt Unglück im Glück,“ meinte Uſſing trocken. „Und ſolche Summe!“ ſagte die alte Dame, ihren Kopf ſchief zur Seite legend. „Mein Növöh malt doch auch recht hübſche Bilder, aber zwanzigtauſend Kronen hat ihm noch keiner geboten.“ „Fünfundzwanzigtauſend!“ glaubte je- mand verbeſſern zu müſſen. „Ja, hat denn Steinmann kürzlich ein Bild verkauft —?“ fragte Lund und ſpielte den finſter Erſtaunten. „— und bar bezahlt bekommen. Das wiſſen Sie nicht? Sonſt weiß die Polizet doch alles über unſereinen.“ „Und noch ein bißchen mehr! „Das erſte, was ich höre.“ „Die ganze Stadt ſpricht aber davon, keifte die alte Dame, entrüſtet darüber, wie einer ſo wenig orientiert ſein konnte. (Fortſetzung folgt) _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 22. Januar 1929, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine18_1929/12>, abgerufen am 11.12.2024.