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Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 1. Mai 1915.

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Allgemeine Zeitung 1. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

Ueber die Einzelheiten des Unterseebootsangriffs und der
Rettungsversuche wird von italienischer Seite noch berichtet:

Der Angriff auf den französischen Panzerkreuzer "Leon
Gambetta"
wurde von dem österreichischen Unterseeboot "5"
gegen 1/22 Uhr morgens ungefähr 25 Seemeilen südlich Santa
Maria di Leuca
ausgeführt. Um nicht zu sinken, versuchte der
Panzerkreuzer auf Strand zu laufen.

Im Augenblick des Angriffs befand sich der Chef der ita-
lienischen Signalstation Santa Maria di Leuca mit dem Wach-
geschwader, das dort seinen Liegeplatz hat, in der Nähe und eilte,
ohne sich durch die Gefahr abschrecken zu lassen, daß es in der
Dunkelheit von den österreichischen Schiffen für die Begleitung des
französischen Panzerkreuzers gehalten werden könnte, herbei. Der
"Leon Gambetta" hatte eine starke Schlagseite und konnte seine
Funkeneinrichtung nicht mehr gebrauchen; er mußte sich treiben
lassen und folgte der Richtung des Sirocco. Das Schiff wurde von
der Besatzung verlassen und kam außer Sicht. Die französischen
Offiziere glauben, daß das Schiff verloren ist, da das Leck infolge
des Torpedotreffers ungeheuer groß ist. Wasser füllte den
Maschinenraum.


Das "Giornale d'Italia" sagt zu dem Untergang des "Leon
Gambetta":

"Dies ist der zweite Angriff eines Unterseebootes auf
französische Kampfschiffe. Die Brauchbarkeit für den Seekrieg be-
stätigt sich also immer mehr. Das Unterseeboot griff in der Nacht
bei Mondschein an."

Die "Tribuna" berichtet dagegen, daß zur Zeit
des Angriffs schlechtes Wetter und Nebel herrschten.

Nach einer Meldung der "Agenzia Stefani" aus Brindisi kamen
bei dem Untergang des "Leon Gambetta" der Admiral Senet
und sämtliche Offiziere des Panzerkreuzers um. Es war
ein schauerlicher Anblick, sagt die Meldung weiter, für die italienischen
Matrosen, die zu Hilfe eilten; Trümmer der gekenterten Boote und
Leichen trieben auf dem Meere umher.

Politik und Wirtschaft
Aesthetische Politik.

Fürst Bismarck hat die Politik die Kunst des Möglichen ge-
nannt. Er hat seine Politik stets danach eingerichtet, er ist Real-
politiker kat' e'xokhen gewesen, hat die Verhältnisse und Tatsachen
mit bewundernswertem Scharfblick angesehen und erkannt, wie sie
wirklich waren, und daraus den größtmöglichen Vorteil für seinen
Herrscher, sein Land und sein Volk zu ziehen versucht. Daß er
Politik nach romantischen oder ästhetischen Gesichtspunkten, wie
sie König Friedrich Wilhelm IV. getrieben, als Gefahr ansah, er-
hellt aus den Hohenloheschen Denkwürdigkeiten (7. Tausend, Bd. 2,
Seite 466).

Ob Fürst Bismarck selbst jemals schon den japanischen Staat
in seine Kombinationen und Berechnungen miteinbezogen, wissen
wir nicht, vielleicht gibt die Zukunft enmal hierüber interessante Auf-
schlüsse. Jedenfalls würde er heute diesen Faktor nicht ignorieren,
"Täuschung über reale Machtverhältnisse" -- um einen Bismarck-
schen Ausdruck zu gebrauchen -- war nicht Sache des eisernen
Kanzlers.

Die Tätigkeit der Japaner in Mexiko ist in der deutschen Presse
verschiedenartig kommentiert worden. Teils mit Schadenfreude an-
gesichts der übelwollenden Neutralität der U. S. A. unserem Volke
gegenüber, teils mit der Bezeichnung Amerikas als "Tochterstaat"
Europas und Hinweis auf die Solidarität der weißen Rasse. Solche
Erörterungen sollen nun unbedingt bis nach errungenem Sieg und
geschlossenem Frieden zurückgestellt werden; wenn sie weiter kein
Unheil stiften können, so sicher das, daß sie von unseren Feinden da-
hin weitergegeben werden, wo sie nach ihrem Urteil gegen uns wirken
können. Diese Wirkung mag nicht so schlimm sein, in den Vereinigten
Staaten glaubt man ohnedies bereitwillig und fast nur, was gegen
uns angeführt wird, in Japan ist die Regierung kalt berechnend und
wird Druckerschwärze nicht zu hoch einschätzen, der Presse allerdings
mögen, da sie uns zum großen Teil feindlich gesinnt ist, solche Deduk-
tionen willkommenen Anlaß geben, das Volk gegen Deutschland
und seine Verbündeten aufzuhetzen. Daß sich in Zukunft einmal
in der Geschichte eine Konstellation ergeben kann, wie die, welche
zu der Schlacht auf den katalaunischen Gefilden geführt hat, läßt
sich gewiß nicht bestreiten, jetzt, wo wir von denen bedrängt werden,
welche solche Situation vor uns gefährden würde, ist es ganz gewiß
[Spaltenumbruch] nicht Deutschlands Sache, für seine Bedränger, sei es auch nur mit
Worten, Diskussionen und Zeitungsartikeln, die Kastanien aus dem
Feuer zu holen.

Die japanische Macht ist vorhanden, ausgedrückt in Armee und
Flotte und Geist; in und nach dem Friedensschluß hat sich Deutsch-
land mit ihr auseinanderzusetzen. Danach aber muß Deutschland
den japanischen Machtfaktor, mag es Schönheitsfehler an ihm fin-
den oder nicht, in sein Kalkul einstellen, so wie es den deutschen
Interessen frommt, unter nüchternster Abwägung aller Pro und
Kontras. Diese jetzt aufzuzählen, ist die Zeit noch nicht ge-
kommen.

Theater und Musik
Münchener Theater.

Frau Gutheil-Schoder als Frau Fluth und Elektra. --
Die Walküre. -- Ein Moliere-Abend. -- Die verfunkene Glocke. --
Gefährliche Jahre.

Gastspiele, die kein Engagement zum Zwecke haben,
waren in früheren Jahren unter Mottl in der Oper selten, ja
fast grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Abstinenz hielt man,
wie es damals hieß, dem eigenen Personal zuliebe geboten.
Später brachen dann die Gastspiele Carusos den Bann. Als
ein solches Ehrengastspiel dürfen wir wohl auch das drei-
malige Auftreten der Wiener Hofopernsängerin Frau Gutheil-
Schoder betrachten, die den Münchnern schon von früher her
vorteilhaft bekannt war. Ihre erste Rolle, die Marta im Tief-
land, haben wir ja kürzlich an dieser Stelle besprochen. Sie
sang aber noch zwei weitere Rollen, die zueinander im denk-
bar schärfsten Gegensatz stehen und dadurch allerdings die Uni-
versalität der Künstlerin auf das schönste dokumentierten;
die Frau Fluth in Nicolais köstlicher Oper "Die lustigen
Weiber von Windsor" und die Elektra in dem gleich-
namigen Straußschen Musikdrama. In der ersteren Rolle hatte
sie gegen den naheliegenden Vergleich mit Frau Bosetti, in der
letzteren gegen den mit Frau Faßbender anzukämpfen. Für
beide gilt, daß der rein stimmliche Eindruck hinter dem, den
unsere beiden genannten einheimischen Sängerinnen aus-
üben, etwas zurückblieb. Weder konnte Frau Gutheil-Schoder
an Koloraturgeläufigkeit Frau Bosetti, noch an durch-
dringender Stimmkraft, bei dem in dieser Oper bekanntlich
sehr verstärktem Orchester, Frau Faßbender erreichen. Das
schließt aber nicht aus, daß beide Leistungen durch ihre große
Darstellungskraft doch hoch interessant und sehenswert
wurden. Und es ist merkwürdig, während Frau Faßbenders
Elektra jene der Frau Gutheil-Schoder an gesanglicher
Stärke übertrifft, wird sie selbst an Wildheit und Glaub-
würdigkeit der Darstellung durch die Elektra der Gutheil-
Schoder doch noch überholt. Jedenfalls aber spürt man in
beiden Rollen, daß der Wiener Gast überall durchaus aus
Eigenem schöpft, und das macht eben jede seiner Rollen so
überaus interessant. In der Aufführung der Elektra, in der
wieder der Orest des Herrn Bender hervorragte, war nur
noch Fräulein Krüger als Klytämnestra neu. Jede Frau
wird diese "schlottrichte Königin" glaubhafter darstellen, als
ein junges Mädchen. Die gegenwärtig noch beste Dar-
stellerin ist bekanntlich Frau Bahr-Mildenburg. Fräulein
Krüger aber verdient trotzdem alle Anerkennung für das,
was sie schon jetzt in dieser Rolle geboten hat. Auch sie ist
ein so vielversprechendes Talent, daß sie jeder, selbst der
schwierigsten Aufgabe gewachsen ist.

Zum ersten Male seit den durch den Krieg abgebrochenen
Sommerfestspielen im Prinzregententheater stand wieder eine
vollständige Aufführung von Wagners Ring des Nibelungen
auf dem Spielplan. Damals kam die Aufführung nicht mehr
zustande: nach dem Tristan mußte unser Wagner-Theater
seine Pforten schließen. Es ist aller Ehren wert, daß trotz
der Hindernisse, die der Krieg dem Personal bereitet, nun
wieder eine Gesamtaufführung mit eigenen Kräften möglich
geworden ist, d. h. einmal mußte doch eine Ausnahme ge-
macht werden, da Herr Knote leider seinen Siegfried in der
Götterdämmerung wegen Indisposition absagen mußte. Ein
Suttgarter Gast trat für ihn ein. Wir hörten Herrn Knote

Allgemeine Zeitung 1. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

Ueber die Einzelheiten des Unterſeebootsangriffs und der
Rettungsverſuche wird von italieniſcher Seite noch berichtet:

Der Angriff auf den franzöſiſchen Panzerkreuzer „Léon
Gambetta“
wurde von dem öſterreichiſchen Unterſeeboot „5“
gegen ½2 Uhr morgens ungefähr 25 Seemeilen ſüdlich Santa
Maria di Leuca
ausgeführt. Um nicht zu ſinken, verſuchte der
Panzerkreuzer auf Strand zu laufen.

Im Augenblick des Angriffs befand ſich der Chef der ita-
lieniſchen Signalſtation Santa Maria di Leuca mit dem Wach-
geſchwader, das dort ſeinen Liegeplatz hat, in der Nähe und eilte,
ohne ſich durch die Gefahr abſchrecken zu laſſen, daß es in der
Dunkelheit von den öſterreichiſchen Schiffen für die Begleitung des
franzöſiſchen Panzerkreuzers gehalten werden könnte, herbei. Der
„Léon Gambetta“ hatte eine ſtarke Schlagſeite und konnte ſeine
Funkeneinrichtung nicht mehr gebrauchen; er mußte ſich treiben
laſſen und folgte der Richtung des Sirocco. Das Schiff wurde von
der Beſatzung verlaſſen und kam außer Sicht. Die franzöſiſchen
Offiziere glauben, daß das Schiff verloren iſt, da das Leck infolge
des Torpedotreffers ungeheuer groß iſt. Waſſer füllte den
Maſchinenraum.


Das „Giornale d’Italia“ ſagt zu dem Untergang des „Léon
Gambetta“:

„Dies iſt der zweite Angriff eines Unterſeebootes auf
franzöſiſche Kampfſchiffe. Die Brauchbarkeit für den Seekrieg be-
ſtätigt ſich alſo immer mehr. Das Unterſeeboot griff in der Nacht
bei Mondſchein an.“

Die „Tribuna“ berichtet dagegen, daß zur Zeit
des Angriffs ſchlechtes Wetter und Nebel herrſchten.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Brindiſi kamen
bei dem Untergang des „Léon Gambetta“ der Admiral Senet
und ſämtliche Offiziere des Panzerkreuzers um. Es war
ein ſchauerlicher Anblick, ſagt die Meldung weiter, für die italieniſchen
Matroſen, die zu Hilfe eilten; Trümmer der gekenterten Boote und
Leichen trieben auf dem Meere umher.

Politik und Wirtſchaft
Aeſthetiſche Politik.

Fürſt Bismarck hat die Politik die Kunſt des Möglichen ge-
nannt. Er hat ſeine Politik ſtets danach eingerichtet, er iſt Real-
politiker ϰατ’ ε’ξοχην geweſen, hat die Verhältniſſe und Tatſachen
mit bewundernswertem Scharfblick angeſehen und erkannt, wie ſie
wirklich waren, und daraus den größtmöglichen Vorteil für ſeinen
Herrſcher, ſein Land und ſein Volk zu ziehen verſucht. Daß er
Politik nach romantiſchen oder äſthetiſchen Geſichtspunkten, wie
ſie König Friedrich Wilhelm IV. getrieben, als Gefahr anſah, er-
hellt aus den Hohenloheſchen Denkwürdigkeiten (7. Tauſend, Bd. 2,
Seite 466).

Ob Fürſt Bismarck ſelbſt jemals ſchon den japaniſchen Staat
in ſeine Kombinationen und Berechnungen miteinbezogen, wiſſen
wir nicht, vielleicht gibt die Zukunft enmal hierüber intereſſante Auf-
ſchlüſſe. Jedenfalls würde er heute dieſen Faktor nicht ignorieren,
„Täuſchung über reale Machtverhältniſſe“ — um einen Bismarck-
ſchen Ausdruck zu gebrauchen — war nicht Sache des eiſernen
Kanzlers.

Die Tätigkeit der Japaner in Mexiko iſt in der deutſchen Preſſe
verſchiedenartig kommentiert worden. Teils mit Schadenfreude an-
geſichts der übelwollenden Neutralität der U. S. A. unſerem Volke
gegenüber, teils mit der Bezeichnung Amerikas als „Tochterſtaat“
Europas und Hinweis auf die Solidarität der weißen Raſſe. Solche
Erörterungen ſollen nun unbedingt bis nach errungenem Sieg und
geſchloſſenem Frieden zurückgeſtellt werden; wenn ſie weiter kein
Unheil ſtiften können, ſo ſicher das, daß ſie von unſeren Feinden da-
hin weitergegeben werden, wo ſie nach ihrem Urteil gegen uns wirken
können. Dieſe Wirkung mag nicht ſo ſchlimm ſein, in den Vereinigten
Staaten glaubt man ohnedies bereitwillig und faſt nur, was gegen
uns angeführt wird, in Japan iſt die Regierung kalt berechnend und
wird Druckerſchwärze nicht zu hoch einſchätzen, der Preſſe allerdings
mögen, da ſie uns zum großen Teil feindlich geſinnt iſt, ſolche Deduk-
tionen willkommenen Anlaß geben, das Volk gegen Deutſchland
und ſeine Verbündeten aufzuhetzen. Daß ſich in Zukunft einmal
in der Geſchichte eine Konſtellation ergeben kann, wie die, welche
zu der Schlacht auf den katalauniſchen Gefilden geführt hat, läßt
ſich gewiß nicht beſtreiten, jetzt, wo wir von denen bedrängt werden,
welche ſolche Situation vor uns gefährden würde, iſt es ganz gewiß
[Spaltenumbruch] nicht Deutſchlands Sache, für ſeine Bedränger, ſei es auch nur mit
Worten, Diskuſſionen und Zeitungsartikeln, die Kaſtanien aus dem
Feuer zu holen.

Die japaniſche Macht iſt vorhanden, ausgedrückt in Armee und
Flotte und Geiſt; in und nach dem Friedensſchluß hat ſich Deutſch-
land mit ihr auseinanderzuſetzen. Danach aber muß Deutſchland
den japaniſchen Machtfaktor, mag es Schönheitsfehler an ihm fin-
den oder nicht, in ſein Kalkul einſtellen, ſo wie es den deutſchen
Intereſſen frommt, unter nüchternſter Abwägung aller Pro und
Kontras. Dieſe jetzt aufzuzählen, iſt die Zeit noch nicht ge-
kommen.

Theater und Musik
Münchener Theater.

Frau Gutheil-Schoder als Frau Fluth und Elektra. —
Die Walküre. — Ein Molière-Abend. — Die verfunkene Glocke. —
Gefährliche Jahre.

Gaſtſpiele, die kein Engagement zum Zwecke haben,
waren in früheren Jahren unter Mottl in der Oper ſelten, ja
faſt grundſätzlich ausgeſchloſſen. Dieſe Abſtinenz hielt man,
wie es damals hieß, dem eigenen Perſonal zuliebe geboten.
Später brachen dann die Gaſtſpiele Caruſos den Bann. Als
ein ſolches Ehrengaſtſpiel dürfen wir wohl auch das drei-
malige Auftreten der Wiener Hofopernſängerin Frau Gutheil-
Schoder betrachten, die den Münchnern ſchon von früher her
vorteilhaft bekannt war. Ihre erſte Rolle, die Marta im Tief-
land, haben wir ja kürzlich an dieſer Stelle beſprochen. Sie
ſang aber noch zwei weitere Rollen, die zueinander im denk-
bar ſchärfſten Gegenſatz ſtehen und dadurch allerdings die Uni-
verſalität der Künſtlerin auf das ſchönſte dokumentierten;
die Frau Fluth in Nicolais köſtlicher Oper „Die luſtigen
Weiber von Windſor“ und die Elektra in dem gleich-
namigen Straußſchen Muſikdrama. In der erſteren Rolle hatte
ſie gegen den naheliegenden Vergleich mit Frau Boſetti, in der
letzteren gegen den mit Frau Faßbender anzukämpfen. Für
beide gilt, daß der rein ſtimmliche Eindruck hinter dem, den
unſere beiden genannten einheimiſchen Sängerinnen aus-
üben, etwas zurückblieb. Weder konnte Frau Gutheil-Schoder
an Koloraturgeläufigkeit Frau Boſetti, noch an durch-
dringender Stimmkraft, bei dem in dieſer Oper bekanntlich
ſehr verſtärktem Orcheſter, Frau Faßbender erreichen. Das
ſchließt aber nicht aus, daß beide Leiſtungen durch ihre große
Darſtellungskraft doch hoch intereſſant und ſehenswert
wurden. Und es iſt merkwürdig, während Frau Faßbenders
Elektra jene der Frau Gutheil-Schoder an geſanglicher
Stärke übertrifft, wird ſie ſelbſt an Wildheit und Glaub-
würdigkeit der Darſtellung durch die Elektra der Gutheil-
Schoder doch noch überholt. Jedenfalls aber ſpürt man in
beiden Rollen, daß der Wiener Gaſt überall durchaus aus
Eigenem ſchöpft, und das macht eben jede ſeiner Rollen ſo
überaus intereſſant. In der Aufführung der Elektra, in der
wieder der Oreſt des Herrn Bender hervorragte, war nur
noch Fräulein Krüger als Klytämneſtra neu. Jede Frau
wird dieſe „ſchlottrichte Königin“ glaubhafter darſtellen, als
ein junges Mädchen. Die gegenwärtig noch beſte Dar-
ſtellerin iſt bekanntlich Frau Bahr-Mildenburg. Fräulein
Krüger aber verdient trotzdem alle Anerkennung für das,
was ſie ſchon jetzt in dieſer Rolle geboten hat. Auch ſie iſt
ein ſo vielverſprechendes Talent, daß ſie jeder, ſelbſt der
ſchwierigſten Aufgabe gewachſen iſt.

Zum erſten Male ſeit den durch den Krieg abgebrochenen
Sommerfeſtſpielen im Prinzregententheater ſtand wieder eine
vollſtändige Aufführung von Wagners Ring des Nibelungen
auf dem Spielplan. Damals kam die Aufführung nicht mehr
zuſtande: nach dem Triſtan mußte unſer Wagner-Theater
ſeine Pforten ſchließen. Es iſt aller Ehren wert, daß trotz
der Hinderniſſe, die der Krieg dem Perſonal bereitet, nun
wieder eine Geſamtaufführung mit eigenen Kräften möglich
geworden iſt, d. h. einmal mußte doch eine Ausnahme ge-
macht werden, da Herr Knote leider ſeinen Siegfried in der
Götterdämmerung wegen Indispoſition abſagen mußte. Ein
Suttgarter Gaſt trat für ihn ein. Wir hörten Herrn Knote

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[Seite 270.[270]/0008] Allgemeine Zeitung 1. Mai 1915. Ueber die Einzelheiten des Unterſeebootsangriffs und der Rettungsverſuche wird von italieniſcher Seite noch berichtet: Der Angriff auf den franzöſiſchen Panzerkreuzer „Léon Gambetta“ wurde von dem öſterreichiſchen Unterſeeboot „5“ gegen ½2 Uhr morgens ungefähr 25 Seemeilen ſüdlich Santa Maria di Leuca ausgeführt. Um nicht zu ſinken, verſuchte der Panzerkreuzer auf Strand zu laufen. Im Augenblick des Angriffs befand ſich der Chef der ita- lieniſchen Signalſtation Santa Maria di Leuca mit dem Wach- geſchwader, das dort ſeinen Liegeplatz hat, in der Nähe und eilte, ohne ſich durch die Gefahr abſchrecken zu laſſen, daß es in der Dunkelheit von den öſterreichiſchen Schiffen für die Begleitung des franzöſiſchen Panzerkreuzers gehalten werden könnte, herbei. Der „Léon Gambetta“ hatte eine ſtarke Schlagſeite und konnte ſeine Funkeneinrichtung nicht mehr gebrauchen; er mußte ſich treiben laſſen und folgte der Richtung des Sirocco. Das Schiff wurde von der Beſatzung verlaſſen und kam außer Sicht. Die franzöſiſchen Offiziere glauben, daß das Schiff verloren iſt, da das Leck infolge des Torpedotreffers ungeheuer groß iſt. Waſſer füllte den Maſchinenraum. Das „Giornale d’Italia“ ſagt zu dem Untergang des „Léon Gambetta“: „Dies iſt der zweite Angriff eines Unterſeebootes auf franzöſiſche Kampfſchiffe. Die Brauchbarkeit für den Seekrieg be- ſtätigt ſich alſo immer mehr. Das Unterſeeboot griff in der Nacht bei Mondſchein an.“Die „Tribuna“ berichtet dagegen, daß zur Zeit des Angriffs ſchlechtes Wetter und Nebel herrſchten. Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Brindiſi kamen bei dem Untergang des „Léon Gambetta“ der Admiral Senet und ſämtliche Offiziere des Panzerkreuzers um. Es war ein ſchauerlicher Anblick, ſagt die Meldung weiter, für die italieniſchen Matroſen, die zu Hilfe eilten; Trümmer der gekenterten Boote und Leichen trieben auf dem Meere umher. Politik und Wirtſchaft Aeſthetiſche Politik. Fürſt Bismarck hat die Politik die Kunſt des Möglichen ge- nannt. Er hat ſeine Politik ſtets danach eingerichtet, er iſt Real- politiker ϰατ’ ε’ξοχην geweſen, hat die Verhältniſſe und Tatſachen mit bewundernswertem Scharfblick angeſehen und erkannt, wie ſie wirklich waren, und daraus den größtmöglichen Vorteil für ſeinen Herrſcher, ſein Land und ſein Volk zu ziehen verſucht. Daß er Politik nach romantiſchen oder äſthetiſchen Geſichtspunkten, wie ſie König Friedrich Wilhelm IV. getrieben, als Gefahr anſah, er- hellt aus den Hohenloheſchen Denkwürdigkeiten (7. Tauſend, Bd. 2, Seite 466). Ob Fürſt Bismarck ſelbſt jemals ſchon den japaniſchen Staat in ſeine Kombinationen und Berechnungen miteinbezogen, wiſſen wir nicht, vielleicht gibt die Zukunft enmal hierüber intereſſante Auf- ſchlüſſe. Jedenfalls würde er heute dieſen Faktor nicht ignorieren, „Täuſchung über reale Machtverhältniſſe“ — um einen Bismarck- ſchen Ausdruck zu gebrauchen — war nicht Sache des eiſernen Kanzlers. Die Tätigkeit der Japaner in Mexiko iſt in der deutſchen Preſſe verſchiedenartig kommentiert worden. Teils mit Schadenfreude an- geſichts der übelwollenden Neutralität der U. S. A. unſerem Volke gegenüber, teils mit der Bezeichnung Amerikas als „Tochterſtaat“ Europas und Hinweis auf die Solidarität der weißen Raſſe. Solche Erörterungen ſollen nun unbedingt bis nach errungenem Sieg und geſchloſſenem Frieden zurückgeſtellt werden; wenn ſie weiter kein Unheil ſtiften können, ſo ſicher das, daß ſie von unſeren Feinden da- hin weitergegeben werden, wo ſie nach ihrem Urteil gegen uns wirken können. Dieſe Wirkung mag nicht ſo ſchlimm ſein, in den Vereinigten Staaten glaubt man ohnedies bereitwillig und faſt nur, was gegen uns angeführt wird, in Japan iſt die Regierung kalt berechnend und wird Druckerſchwärze nicht zu hoch einſchätzen, der Preſſe allerdings mögen, da ſie uns zum großen Teil feindlich geſinnt iſt, ſolche Deduk- tionen willkommenen Anlaß geben, das Volk gegen Deutſchland und ſeine Verbündeten aufzuhetzen. Daß ſich in Zukunft einmal in der Geſchichte eine Konſtellation ergeben kann, wie die, welche zu der Schlacht auf den katalauniſchen Gefilden geführt hat, läßt ſich gewiß nicht beſtreiten, jetzt, wo wir von denen bedrängt werden, welche ſolche Situation vor uns gefährden würde, iſt es ganz gewiß nicht Deutſchlands Sache, für ſeine Bedränger, ſei es auch nur mit Worten, Diskuſſionen und Zeitungsartikeln, die Kaſtanien aus dem Feuer zu holen. Die japaniſche Macht iſt vorhanden, ausgedrückt in Armee und Flotte und Geiſt; in und nach dem Friedensſchluß hat ſich Deutſch- land mit ihr auseinanderzuſetzen. Danach aber muß Deutſchland den japaniſchen Machtfaktor, mag es Schönheitsfehler an ihm fin- den oder nicht, in ſein Kalkul einſtellen, ſo wie es den deutſchen Intereſſen frommt, unter nüchternſter Abwägung aller Pro und Kontras. Dieſe jetzt aufzuzählen, iſt die Zeit noch nicht ge- kommen. M. S. Theater und Musik Münchener Theater. Frau Gutheil-Schoder als Frau Fluth und Elektra. — Die Walküre. — Ein Molière-Abend. — Die verfunkene Glocke. — Gefährliche Jahre. Gaſtſpiele, die kein Engagement zum Zwecke haben, waren in früheren Jahren unter Mottl in der Oper ſelten, ja faſt grundſätzlich ausgeſchloſſen. Dieſe Abſtinenz hielt man, wie es damals hieß, dem eigenen Perſonal zuliebe geboten. Später brachen dann die Gaſtſpiele Caruſos den Bann. Als ein ſolches Ehrengaſtſpiel dürfen wir wohl auch das drei- malige Auftreten der Wiener Hofopernſängerin Frau Gutheil- Schoder betrachten, die den Münchnern ſchon von früher her vorteilhaft bekannt war. Ihre erſte Rolle, die Marta im Tief- land, haben wir ja kürzlich an dieſer Stelle beſprochen. Sie ſang aber noch zwei weitere Rollen, die zueinander im denk- bar ſchärfſten Gegenſatz ſtehen und dadurch allerdings die Uni- verſalität der Künſtlerin auf das ſchönſte dokumentierten; die Frau Fluth in Nicolais köſtlicher Oper „Die luſtigen Weiber von Windſor“ und die Elektra in dem gleich- namigen Straußſchen Muſikdrama. In der erſteren Rolle hatte ſie gegen den naheliegenden Vergleich mit Frau Boſetti, in der letzteren gegen den mit Frau Faßbender anzukämpfen. Für beide gilt, daß der rein ſtimmliche Eindruck hinter dem, den unſere beiden genannten einheimiſchen Sängerinnen aus- üben, etwas zurückblieb. Weder konnte Frau Gutheil-Schoder an Koloraturgeläufigkeit Frau Boſetti, noch an durch- dringender Stimmkraft, bei dem in dieſer Oper bekanntlich ſehr verſtärktem Orcheſter, Frau Faßbender erreichen. Das ſchließt aber nicht aus, daß beide Leiſtungen durch ihre große Darſtellungskraft doch hoch intereſſant und ſehenswert wurden. Und es iſt merkwürdig, während Frau Faßbenders Elektra jene der Frau Gutheil-Schoder an geſanglicher Stärke übertrifft, wird ſie ſelbſt an Wildheit und Glaub- würdigkeit der Darſtellung durch die Elektra der Gutheil- Schoder doch noch überholt. Jedenfalls aber ſpürt man in beiden Rollen, daß der Wiener Gaſt überall durchaus aus Eigenem ſchöpft, und das macht eben jede ſeiner Rollen ſo überaus intereſſant. In der Aufführung der Elektra, in der wieder der Oreſt des Herrn Bender hervorragte, war nur noch Fräulein Krüger als Klytämneſtra neu. Jede Frau wird dieſe „ſchlottrichte Königin“ glaubhafter darſtellen, als ein junges Mädchen. Die gegenwärtig noch beſte Dar- ſtellerin iſt bekanntlich Frau Bahr-Mildenburg. Fräulein Krüger aber verdient trotzdem alle Anerkennung für das, was ſie ſchon jetzt in dieſer Rolle geboten hat. Auch ſie iſt ein ſo vielverſprechendes Talent, daß ſie jeder, ſelbſt der ſchwierigſten Aufgabe gewachſen iſt. Zum erſten Male ſeit den durch den Krieg abgebrochenen Sommerfeſtſpielen im Prinzregententheater ſtand wieder eine vollſtändige Aufführung von Wagners Ring des Nibelungen auf dem Spielplan. Damals kam die Aufführung nicht mehr zuſtande: nach dem Triſtan mußte unſer Wagner-Theater ſeine Pforten ſchließen. Es iſt aller Ehren wert, daß trotz der Hinderniſſe, die der Krieg dem Perſonal bereitet, nun wieder eine Geſamtaufführung mit eigenen Kräften möglich geworden iſt, d. h. einmal mußte doch eine Ausnahme ge- macht werden, da Herr Knote leider ſeinen Siegfried in der Götterdämmerung wegen Indispoſition abſagen mußte. Ein Suttgarter Gaſt trat für ihn ein. Wir hörten Herrn Knote

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 1. Mai 1915, S. Seite 270.[270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine18_1915/8>, abgerufen am 24.11.2024.