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Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 2. Mai 1920.

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2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der
Konkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt.

Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der
Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Cha-
rakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird
ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste,
eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird.
Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher
fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und
zur Fortpflanzung seiner Rasse bedarf. Der Preis einer Ware,
also auch der Arbeit, ist aber gleich ihren Produktionskosten,
In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit
wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demselben Maße,
wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demselben
Maße nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch Ver-
mehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in
einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der
Maschinen usw.

Die moderne Industrie hat die kleine Werkstube des patriar-
chalischen Meisters in die große Fabrik des industriellen Kapi-
talisten verwandelt. Arbeitermassen in der Fabrik zusammen-
gedrängt werden soldatisch organisiert. Sie werden als gemeine
Industriesoldaten unter die Aufsicht einer vollständigen Hier-
archie von Unteroffizieren und Offizieren gestellt. Sie sind nicht
nur Knechte der Bourgeoisklasse, des Bourgeoisstaates, sie
sind täglich und stündlich geknechtet von der Maschine, von dem
Aufseher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bour-
geois selbst. Diese Despotie ist um so kleinlicher, gehässiger, er-
bitternder, je offener sie den Erwerb als ihren Zweck prokla-
miert.

Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäuße-
rung erheischt, d. h. je mehr die moderne Industrie sich entwickelt,
desto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und
Kinder verdrängt. Geschlechts- und Altersunterschiede haben
keine gesellschaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse. Es
gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Ge-
schlecht verschiedene Kosten machen.

Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten
so weit beendigt, daß er seinen. Arbeitslohn bar ausgezahlt er-
hält, so fallen die anderen Teile der Bourgeoisie über ihn her,
der Hausbesitzer, der Krämer, der Pfandleiher usw.

Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Indu-
striellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern,
alle diese Klassen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch,
daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Industrie
nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitalisten
erliegt, teils dadurch, daß ihre Geschicklichkeit von neuen Pro-
duktionsweisen entwertet wird. So rekrutiert sich das Prole-
tariat aus allen Klassen der Bevölkerung.

Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen
durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie beginnt mit seiner
Existenz.

Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar-
beiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges
an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der sie direkt aus-
beutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürger-
lichen Produktionsverhältnisse, sie richten sie gegen die Produk-
tionsinstrumente selbst; sie vernichten die fremden konkurrieren-
den Waren, sie zerschlagen die Maschinen, sie stecken die Fabri-
ken in Brand, sie suchen die untergegangene Stellung des mittel-
alterlichen Arbeiters wieder zu erringen.

Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze
Land zerstreute und durch die Konkurrenz zersplitterte Masse.
Massenhaftes Zusammenhalten der Arbeiter ist noch nicht die
Folge ihrer eigenen Vereinigung, sondern die Folge der Ver-
einigung der Bourgeoisie, die zur Erreichung ihrer eigenen poli-
tischen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung setzen muß
und es einstweilen noch kann. Auf dieser Stufe bekämpfen die
Proletarier also nicht ihre Feinde, sondern die Feinde ihrer
Feinde, die Reste der absoluten Monarchie, die Grundeigentümer,
die nichtindustriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze ge-
schichtliche Bewegung ist so in den Händen der Bourgeoisie kon-
zentriert; jeder Sieg, der so errungen wird, ist ein Sieg der
Bourgeoisie.

Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt sich nicht
nur das Proletariat; es wird in größeren Massen zusammen-
gedrängt, seine Kraft wächst und es fühlt sie mehr. Die Inter-
essen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen sich
immer mehr aus, indem die Maschinerie mehr und mehr die
Unterschiede der Arbeit verwischt und den Lohn fast überall auf
ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachsende Kon-
kurrenz der Bourgeois unter sich und die daraus hervorgehenden
Handelskrisen machen den Lohn der Arbeiter immer schwanken-
der; die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Verbesse-
rung der Maschinerie macht ihre ganze Lebensstellung immer
unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem
einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter
von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen da-
mit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden, sie treten zu-
sammen zur Behauptung ihres Arbeitslohnes. Sie stiften selbst
dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen Empörun-
gen zu verproviantieren Stellenweis bricht der Kampf in
Ementen aus.

[Spaltenumbruch]

Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorüber-
gehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der
unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende
Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wach-
senden Kommunikationsmittel, die von der großen Industrie
erzeugt werden und die Arbeiter der verschiedenen Lokalitäten
miteinander in Verbindung setzen. Es bedarf aber bloß der Ver-
bindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Cha-
rakter zu einem nationalen, zu einem Klassenkampf zu zentrali-
sieren. Jeder Klassenkampf ist aber ein politischer Kampf. Und
die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelaliers mit ihren
Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen
Proletarier mit den Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande.

Diese Organisationen der Proletarier zur Klasse, und da-
mit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder ge-
sprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber
sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger. Sie erzwingt
die Anerkennung einzelner Interessen der Arbeiter in Gesetzes-
form, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.
So die Zehnstundenbill in England.

Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt fördern
mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bour-
geoisie befindet sich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen
die Aristokratie; später gegen die Teile der Bourgeoisie selbst.
deren Interessen mit dem Fortschritt der Industrie in Wider-
spruch geraten; stets gegen die Bourgeoisie aller auswärtigen
Länder. In allen diesen Kämpfen sieht sie sich genötigt, an das
Proletariat zu appellieren, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen
und es so in die politische Bewegung hineinzureißen. Sie selbst
führt also dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h.
Waffen gegen sich selbst zu.

Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der
Industrie ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Prole-
tariat hinabgeworfen oder wenigstens in ihren Lebensbedin-
gungen bedroht. Auch sie führen dem Proletariat eine Masse
Bildungselemente zu.

In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung
nähert, nimmt der Auflösungsprozeß innerhalb der herrschenden
Klasse, innerhalb der ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen,
so grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrschenden
Klasse sich von ihr lossagt und sich der revolutionären Klasse
anschließt, der Klasse, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.
Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging.
so geht jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und
namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theore-
tischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich
hinaufgearbeitet haben.

Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegen-
überstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre
Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit
der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt.

Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kauf-
mann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bour-
geoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang
zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konser-
vativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen das Rad der
Geschichte zurückzudrehen. Sind sie revolutionär, so sind sie es
im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Uebergang ins Prole-
tariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre
zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Stand-
punkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen. --

Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der un-
tersten Schichten der alten Gesellschaft, wird durch eine prole-
tarische Revolution stellenweise in die Bewegung hineingeschleu-
dert, seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein,
sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen.

Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind schon ver-
nichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Prole-
tarier ist eigentumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kindern
hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhält-
nis; die moderne industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung
unter das Kapital, dieselbe in England wie in Frankreich in
Amerika wie in Deutschland, hat ihm allen nationalen Charak-
ter abgestreift. Die Gesetze, die Moral, die Religion, sind für
ihn ebenso viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen sich eben-
so viele bürgerliche Interessen verstecken.

Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, such-
ten ihre schon erworbene Lebensstellung zu sichern, indem sie die
ganze Gesellschaft den Bedingungen ihres Erwerbes unterwarfen.
Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktiokräfte
nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise
und damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffe[n.] Die
Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben
alle bisherigen Privatsicherheiten und Privatversicherungen zu
zerstören.

Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mi[n]ori-
täten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletari[sche] Be-
wegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehr-
zahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat,
die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht er-
heben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schich-
ten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt
wird.

2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen der
Konkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt.

Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der
Maſchinerie und die Teilung der Arbeit allen ſelbſtändigen Cha-
rakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird
ein bloßes Zubehör der Maſchine, von dem nur der einfachſte,
eintönigſte, am leichteſten erlernbare Handgriff verlangt wird.
Die Koſten, die der Arbeiter verurſacht, beſchränken ſich daher
faſt nur auf die Lebensmittel, die er zu ſeinem Unterhalt und
zur Fortpflanzung ſeiner Raſſe bedarf. Der Preis einer Ware,
alſo auch der Arbeit, iſt aber gleich ihren Produktionskoſten,
In demſelben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit
wächſt, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demſelben Maße,
wie Maſchinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demſelben
Maße nimmt auch die Maſſe der Arbeit zu, ſei es durch Ver-
mehrung der Arbeitsſtunden, ſei es durch Vermehrung der in
einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beſchleunigten Lauf der
Maſchinen uſw.

Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriar-
chaliſchen Meiſters in die große Fabrik des induſtriellen Kapi-
taliſten verwandelt. Arbeitermaſſen in der Fabrik zuſammen-
gedrängt werden ſoldatiſch organiſiert. Sie werden als gemeine
Induſtrieſoldaten unter die Aufſicht einer vollſtändigen Hier-
archie von Unteroffizieren und Offizieren geſtellt. Sie ſind nicht
nur Knechte der Bourgeoisklaſſe, des Bourgeoisſtaates, ſie
ſind täglich und ſtündlich geknechtet von der Maſchine, von dem
Aufſeher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bour-
geois ſelbſt. Dieſe Deſpotie iſt um ſo kleinlicher, gehäſſiger, er-
bitternder, je offener ſie den Erwerb als ihren Zweck prokla-
miert.

Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäuße-
rung erheiſcht, d. h. je mehr die moderne Induſtrie ſich entwickelt,
deſto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und
Kinder verdrängt. Geſchlechts- und Altersunterſchiede haben
keine geſellſchaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklaſſe. Es
gibt nur noch Arbeitsinſtrumente, die je nach Alter und Ge-
ſchlecht verſchiedene Koſten machen.

Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten
ſo weit beendigt, daß er ſeinen. Arbeitslohn bar ausgezahlt er-
hält, ſo fallen die anderen Teile der Bourgeoiſie über ihn her,
der Hausbeſitzer, der Krämer, der Pfandleiher uſw.

Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Indu-
ſtriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern,
alle dieſe Klaſſen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch,
daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Induſtrie
nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitaliſten
erliegt, teils dadurch, daß ihre Geſchicklichkeit von neuen Pro-
duktionsweiſen entwertet wird. So rekrutiert ſich das Prole-
tariat aus allen Klaſſen der Bevölkerung.

Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen
durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoiſie beginnt mit ſeiner
Exiſtenz.

Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar-
beiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges
an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der ſie direkt aus-
beutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürger-
lichen Produktionsverhältniſſe, ſie richten ſie gegen die Produk-
tionsinſtrumente ſelbſt; ſie vernichten die fremden konkurrieren-
den Waren, ſie zerſchlagen die Maſchinen, ſie ſtecken die Fabri-
ken in Brand, ſie ſuchen die untergegangene Stellung des mittel-
alterlichen Arbeiters wieder zu erringen.

Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze
Land zerſtreute und durch die Konkurrenz zerſplitterte Maſſe.
Maſſenhaftes Zuſammenhalten der Arbeiter iſt noch nicht die
Folge ihrer eigenen Vereinigung, ſondern die Folge der Ver-
einigung der Bourgeoiſie, die zur Erreichung ihrer eigenen poli-
tiſchen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung ſetzen muß
und es einſtweilen noch kann. Auf dieſer Stufe bekämpfen die
Proletarier alſo nicht ihre Feinde, ſondern die Feinde ihrer
Feinde, die Reſte der abſoluten Monarchie, die Grundeigentümer,
die nichtinduſtriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze ge-
ſchichtliche Bewegung iſt ſo in den Händen der Bourgeoiſie kon-
zentriert; jeder Sieg, der ſo errungen wird, iſt ein Sieg der
Bourgeoiſie.

Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht
nur das Proletariat; es wird in größeren Maſſen zuſammen-
gedrängt, ſeine Kraft wächſt und es fühlt ſie mehr. Die Inter-
eſſen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen ſich
immer mehr aus, indem die Maſchinerie mehr und mehr die
Unterſchiede der Arbeit verwiſcht und den Lohn faſt überall auf
ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachſende Kon-
kurrenz der Bourgeois unter ſich und die daraus hervorgehenden
Handelskriſen machen den Lohn der Arbeiter immer ſchwanken-
der; die immer raſcher ſich entwickelnde, unaufhörliche Verbeſſe-
rung der Maſchinerie macht ihre ganze Lebensſtellung immer
unſicherer; immer mehr nehmen die Kolliſionen zwiſchen dem
einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter
von Kolliſionen zweier Klaſſen an. Die Arbeiter beginnen da-
mit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden, ſie treten zu-
ſammen zur Behauptung ihres Arbeitslohnes. Sie ſtiften ſelbſt
dauernde Aſſoziationen, um ſich für die gelegentlichen Empörun-
gen zu verproviantieren Stellenweis bricht der Kampf in
Ementen aus.

[Spaltenumbruch]

Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorüber-
gehend. Das eigentliche Reſultat ihrer Kämpfe iſt nicht der
unmittelbare Erfolg, ſondern die immer weiter um ſich greifende
Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wach-
ſenden Kommunikationsmittel, die von der großen Induſtrie
erzeugt werden und die Arbeiter der verſchiedenen Lokalitäten
miteinander in Verbindung ſetzen. Es bedarf aber bloß der Ver-
bindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Cha-
rakter zu einem nationalen, zu einem Klaſſenkampf zu zentrali-
ſieren. Jeder Klaſſenkampf iſt aber ein politiſcher Kampf. Und
die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelaliers mit ihren
Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen
Proletarier mit den Eiſenbahnen in wenigen Jahren zuſtande.

Dieſe Organiſationen der Proletarier zur Klaſſe, und da-
mit zur politiſchen Partei, wird jeden Augenblick wieder ge-
ſprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern ſelbſt. Aber
ſie erſteht immer wieder, ſtärker, feſter, mächtiger. Sie erzwingt
die Anerkennung einzelner Intereſſen der Arbeiter in Geſetzes-
form, indem ſie die Spaltungen der Bourgeoiſie unter ſich benutzt.
So die Zehnſtundenbill in England.

Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern
mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bour-
geoiſie befindet ſich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen
die Ariſtokratie; ſpäter gegen die Teile der Bourgeoiſie ſelbſt.
deren Intereſſen mit dem Fortſchritt der Induſtrie in Wider-
ſpruch geraten; ſtets gegen die Bourgeoiſie aller auswärtigen
Länder. In allen dieſen Kämpfen ſieht ſie ſich genötigt, an das
Proletariat zu appellieren, ſeine Hilfe in Anſpruch zu nehmen
und es ſo in die politiſche Bewegung hineinzureißen. Sie ſelbſt
führt alſo dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h.
Waffen gegen ſich ſelbſt zu.

Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der
Induſtrie ganze Beſtandteile der herrſchenden Klaſſe ins Prole-
tariat hinabgeworfen oder wenigſtens in ihren Lebensbedin-
gungen bedroht. Auch ſie führen dem Proletariat eine Maſſe
Bildungselemente zu.

In Zeiten endlich, wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung
nähert, nimmt der Auflöſungsprozeß innerhalb der herrſchenden
Klaſſe, innerhalb der ganzen alten Geſellſchaft, einen ſo heftigen,
ſo grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrſchenden
Klaſſe ſich von ihr losſagt und ſich der revolutionären Klaſſe
anſchließt, der Klaſſe, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.
Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoiſie überging.
ſo geht jetzt ein Teil der Bourgeoiſie zum Proletariat über, und
namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theore-
tiſchen Verſtändnis der ganzen geſchichtlichen Bewegung ſich
hinaufgearbeitet haben.

Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegen-
überſtehen, iſt nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre
Klaſſe. Die übrigen Klaſſen verkommen und gehen unter mit
der großen Induſtrie, das Proletariat iſt ihr eigenſtes Produkt.

Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kauf-
mann, der Handwerker, der Bauer, ſie alle bekämpfen die Bour-
geoiſie, um ihre Exiſtenz als Mittelſtände vor dem Untergang
zu ſichern. Sie ſind alſo nicht revolutionär, ſondern konſer-
vativ. Noch mehr, ſie ſind reaktionär, ſie ſuchen das Rad der
Geſchichte zurückzudrehen. Sind ſie revolutionär, ſo ſind ſie es
im Hinblick auf den ihnen bevorſtehenden Uebergang ins Prole-
tariat, ſo verteidigen ſie nicht ihre gegenwärtigen, ſondern ihre
zukünftigen Intereſſen, ſo verlaſſen ſie ihren eigenen Stand-
punkt, um ſich auf den des Proletariats zu ſtellen. —

Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der un-
terſten Schichten der alten Geſellſchaft, wird durch eine prole-
tariſche Revolution ſtellenweiſe in die Bewegung hineingeſchleu-
dert, ſeiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger ſein,
ſich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu laſſen.

Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon ver-
nichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Prole-
tarier iſt eigentumslos; ſein Verhältnis zu Weib und Kindern
hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhält-
nis; die moderne induſtrielle Arbeit, die moderne Unterjochung
unter das Kapital, dieſelbe in England wie in Frankreich in
Amerika wie in Deutſchland, hat ihm allen nationalen Charak-
ter abgeſtreift. Die Geſetze, die Moral, die Religion, ſind für
ihn ebenſo viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen ſich eben-
ſo viele bürgerliche Intereſſen verſtecken.

Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuch-
ten ihre ſchon erworbene Lebensſtellung zu ſichern, indem ſie die
ganze Geſellſchaft den Bedingungen ihres Erwerbes unterwarfen.
Die Proletarier können ſich die geſellſchaftlichen Produktiokräfte
nur erobern, indem ſie ihre eigene bisherige Aneignungsweiſe
und damit die ganze bisherige Aneignungsweiſe abſchaffe[n.] Die
Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu ſichern, ſie haben
alle bisherigen Privatſicherheiten und Privatverſicherungen zu
zerſtören.

Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mi[n]ori-
täten oder im Intereſſe von Minoritäten. Die proletari[ſche] Be-
wegung iſt die ſelbſtändige Bewegung der ungeheuren Mehr-
zahl im Intereſſe der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat,
die unterſte Schicht der jetzigen Geſellſchaft, kann ſich nicht er-
heben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schich-
ten, die die offizielle Geſellſchaft bilden, in die Luft geſprengt
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[Seite 163[163]/0005] 2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen der Konkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt. Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maſchinerie und die Teilung der Arbeit allen ſelbſtändigen Cha- rakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maſchine, von dem nur der einfachſte, eintönigſte, am leichteſten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Koſten, die der Arbeiter verurſacht, beſchränken ſich daher faſt nur auf die Lebensmittel, die er zu ſeinem Unterhalt und zur Fortpflanzung ſeiner Raſſe bedarf. Der Preis einer Ware, alſo auch der Arbeit, iſt aber gleich ihren Produktionskoſten, In demſelben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächſt, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demſelben Maße, wie Maſchinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demſelben Maße nimmt auch die Maſſe der Arbeit zu, ſei es durch Ver- mehrung der Arbeitsſtunden, ſei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beſchleunigten Lauf der Maſchinen uſw. Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriar- chaliſchen Meiſters in die große Fabrik des induſtriellen Kapi- taliſten verwandelt. Arbeitermaſſen in der Fabrik zuſammen- gedrängt werden ſoldatiſch organiſiert. Sie werden als gemeine Induſtrieſoldaten unter die Aufſicht einer vollſtändigen Hier- archie von Unteroffizieren und Offizieren geſtellt. Sie ſind nicht nur Knechte der Bourgeoisklaſſe, des Bourgeoisſtaates, ſie ſind täglich und ſtündlich geknechtet von der Maſchine, von dem Aufſeher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bour- geois ſelbſt. Dieſe Deſpotie iſt um ſo kleinlicher, gehäſſiger, er- bitternder, je offener ſie den Erwerb als ihren Zweck prokla- miert. Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäuße- rung erheiſcht, d. h. je mehr die moderne Induſtrie ſich entwickelt, deſto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und Kinder verdrängt. Geſchlechts- und Altersunterſchiede haben keine geſellſchaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklaſſe. Es gibt nur noch Arbeitsinſtrumente, die je nach Alter und Ge- ſchlecht verſchiedene Koſten machen. Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten ſo weit beendigt, daß er ſeinen. Arbeitslohn bar ausgezahlt er- hält, ſo fallen die anderen Teile der Bourgeoiſie über ihn her, der Hausbeſitzer, der Krämer, der Pfandleiher uſw. Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Indu- ſtriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern, alle dieſe Klaſſen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch, daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Induſtrie nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitaliſten erliegt, teils dadurch, daß ihre Geſchicklichkeit von neuen Pro- duktionsweiſen entwertet wird. So rekrutiert ſich das Prole- tariat aus allen Klaſſen der Bevölkerung. Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoiſie beginnt mit ſeiner Exiſtenz. Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar- beiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der ſie direkt aus- beutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürger- lichen Produktionsverhältniſſe, ſie richten ſie gegen die Produk- tionsinſtrumente ſelbſt; ſie vernichten die fremden konkurrieren- den Waren, ſie zerſchlagen die Maſchinen, ſie ſtecken die Fabri- ken in Brand, ſie ſuchen die untergegangene Stellung des mittel- alterlichen Arbeiters wieder zu erringen. Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Land zerſtreute und durch die Konkurrenz zerſplitterte Maſſe. Maſſenhaftes Zuſammenhalten der Arbeiter iſt noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung, ſondern die Folge der Ver- einigung der Bourgeoiſie, die zur Erreichung ihrer eigenen poli- tiſchen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung ſetzen muß und es einſtweilen noch kann. Auf dieſer Stufe bekämpfen die Proletarier alſo nicht ihre Feinde, ſondern die Feinde ihrer Feinde, die Reſte der abſoluten Monarchie, die Grundeigentümer, die nichtinduſtriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze ge- ſchichtliche Bewegung iſt ſo in den Händen der Bourgeoiſie kon- zentriert; jeder Sieg, der ſo errungen wird, iſt ein Sieg der Bourgeoiſie. Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht nur das Proletariat; es wird in größeren Maſſen zuſammen- gedrängt, ſeine Kraft wächſt und es fühlt ſie mehr. Die Inter- eſſen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen ſich immer mehr aus, indem die Maſchinerie mehr und mehr die Unterſchiede der Arbeit verwiſcht und den Lohn faſt überall auf ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachſende Kon- kurrenz der Bourgeois unter ſich und die daraus hervorgehenden Handelskriſen machen den Lohn der Arbeiter immer ſchwanken- der; die immer raſcher ſich entwickelnde, unaufhörliche Verbeſſe- rung der Maſchinerie macht ihre ganze Lebensſtellung immer unſicherer; immer mehr nehmen die Kolliſionen zwiſchen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kolliſionen zweier Klaſſen an. Die Arbeiter beginnen da- mit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden, ſie treten zu- ſammen zur Behauptung ihres Arbeitslohnes. Sie ſtiften ſelbſt dauernde Aſſoziationen, um ſich für die gelegentlichen Empörun- gen zu verproviantieren Stellenweis bricht der Kampf in Ementen aus. Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorüber- gehend. Das eigentliche Reſultat ihrer Kämpfe iſt nicht der unmittelbare Erfolg, ſondern die immer weiter um ſich greifende Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wach- ſenden Kommunikationsmittel, die von der großen Induſtrie erzeugt werden und die Arbeiter der verſchiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung ſetzen. Es bedarf aber bloß der Ver- bindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Cha- rakter zu einem nationalen, zu einem Klaſſenkampf zu zentrali- ſieren. Jeder Klaſſenkampf iſt aber ein politiſcher Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelaliers mit ihren Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den Eiſenbahnen in wenigen Jahren zuſtande. Dieſe Organiſationen der Proletarier zur Klaſſe, und da- mit zur politiſchen Partei, wird jeden Augenblick wieder ge- ſprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern ſelbſt. Aber ſie erſteht immer wieder, ſtärker, feſter, mächtiger. Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Intereſſen der Arbeiter in Geſetzes- form, indem ſie die Spaltungen der Bourgeoiſie unter ſich benutzt. So die Zehnſtundenbill in England. Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bour- geoiſie befindet ſich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen die Ariſtokratie; ſpäter gegen die Teile der Bourgeoiſie ſelbſt. deren Intereſſen mit dem Fortſchritt der Induſtrie in Wider- ſpruch geraten; ſtets gegen die Bourgeoiſie aller auswärtigen Länder. In allen dieſen Kämpfen ſieht ſie ſich genötigt, an das Proletariat zu appellieren, ſeine Hilfe in Anſpruch zu nehmen und es ſo in die politiſche Bewegung hineinzureißen. Sie ſelbſt führt alſo dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h. Waffen gegen ſich ſelbſt zu. Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der Induſtrie ganze Beſtandteile der herrſchenden Klaſſe ins Prole- tariat hinabgeworfen oder wenigſtens in ihren Lebensbedin- gungen bedroht. Auch ſie führen dem Proletariat eine Maſſe Bildungselemente zu. In Zeiten endlich, wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung nähert, nimmt der Auflöſungsprozeß innerhalb der herrſchenden Klaſſe, innerhalb der ganzen alten Geſellſchaft, einen ſo heftigen, ſo grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrſchenden Klaſſe ſich von ihr losſagt und ſich der revolutionären Klaſſe anſchließt, der Klaſſe, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoiſie überging. ſo geht jetzt ein Teil der Bourgeoiſie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theore- tiſchen Verſtändnis der ganzen geſchichtlichen Bewegung ſich hinaufgearbeitet haben. Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegen- überſtehen, iſt nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klaſſe. Die übrigen Klaſſen verkommen und gehen unter mit der großen Induſtrie, das Proletariat iſt ihr eigenſtes Produkt. Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kauf- mann, der Handwerker, der Bauer, ſie alle bekämpfen die Bour- geoiſie, um ihre Exiſtenz als Mittelſtände vor dem Untergang zu ſichern. Sie ſind alſo nicht revolutionär, ſondern konſer- vativ. Noch mehr, ſie ſind reaktionär, ſie ſuchen das Rad der Geſchichte zurückzudrehen. Sind ſie revolutionär, ſo ſind ſie es im Hinblick auf den ihnen bevorſtehenden Uebergang ins Prole- tariat, ſo verteidigen ſie nicht ihre gegenwärtigen, ſondern ihre zukünftigen Intereſſen, ſo verlaſſen ſie ihren eigenen Stand- punkt, um ſich auf den des Proletariats zu ſtellen. — Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der un- terſten Schichten der alten Geſellſchaft, wird durch eine prole- tariſche Revolution ſtellenweiſe in die Bewegung hineingeſchleu- dert, ſeiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger ſein, ſich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu laſſen. Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon ver- nichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Prole- tarier iſt eigentumslos; ſein Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhält- nis; die moderne induſtrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, dieſelbe in England wie in Frankreich in Amerika wie in Deutſchland, hat ihm allen nationalen Charak- ter abgeſtreift. Die Geſetze, die Moral, die Religion, ſind für ihn ebenſo viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen ſich eben- ſo viele bürgerliche Intereſſen verſtecken. Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuch- ten ihre ſchon erworbene Lebensſtellung zu ſichern, indem ſie die ganze Geſellſchaft den Bedingungen ihres Erwerbes unterwarfen. Die Proletarier können ſich die geſellſchaftlichen Produktiokräfte nur erobern, indem ſie ihre eigene bisherige Aneignungsweiſe und damit die ganze bisherige Aneignungsweiſe abſchaffen. Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu ſichern, ſie haben alle bisherigen Privatſicherheiten und Privatverſicherungen zu zerſtören. Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minori- täten oder im Intereſſe von Minoritäten. Die proletariſche Be- wegung iſt die ſelbſtändige Bewegung der ungeheuren Mehr- zahl im Intereſſe der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterſte Schicht der jetzigen Geſellſchaft, kann ſich nicht er- heben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schich- ten, die die offizielle Geſellſchaft bilden, in die Luft geſprengt wird.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2020-10-02T09:49:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 2. Mai 1920, S. Seite 163[163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine17_1920/5>, abgerufen am 11.12.2024.