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Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915.

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Allgemeine Zeitung 24. April 1915.
[Spaltenumbruch] eigentlichen Kurzeit, wie alljährlich so auch dieses Jahr, am 16. April
begonnen. Um diese Zeit, und auch schon früher, wenn die warmen
Strahlen der Frühlingssonne die Knospen und Blüten im Park
und im Frauenwald hervorlocken und die Vögel anfangen fröh-
lich ihre Lieder zu schmettern, dann beginnt der Zustrom der Gäste.
Im Frühlingskleide ist Bad Nauheim ganz besonders reizvoll und
wer es einmal darin gesehen hat, der wird stets bestrebt bleiben,
um diese Zeit wieder zu ihm zurückzukehren. Auch sollen ja die
Frühjahrskuren, wie festgestellt ist, von noch größerer Wirkung sein
als die Kuren zu anderen Jahreszeiten, und gar mancher Stamm-
gast von Bad Nauheim kann das Frühjahr kaum erwarten, damit
er mit seiner gewohnten Kur beginnen kann. In diesem Jahre ist
dies mehr denn je der Fall. In den Herzen Unzähliger lebt die
Sehnsucht nach Ruhe, nach Ausspannen und Erholung. Der Krieg
mit seinen Schrecken, seinen Aufregungen und der oft ungewohnten
Arbeit, die er für viele bringt, stellt große Anforderungen an die
Gesundheit der einzelnen Menschen, und wer es ermöglichen kann,
der sollte sich für kommende Zeiten stärken. Welcher Platz wäre
hierzu wohl geeigneter als Bad-Nauheim! Kaum ein zweiter Bade-
ort entspricht mehr dem Bedürfnis der Heilungsuchenden. Die wun-
dervolle Lage der Stadt am Fuße des Johannisberges, die ausge-
dehnten Parkanlagen (780 Morgen), die sich stundenlang hinziehen-
den Wälder, die kräftige, reine Luft, dies alles ist wie geschaffen zur
Erholung, zur Beruhigung angegriffener und erschütterter Nerven.
In diesem Jahre ist das Kurleben den Winter hindurch so lebhaft
gewesen wie noch nie. Eines der staatlichen Badehäuser war ge-
öffnet und hatte vollauf zu tun. Die vielen Feldzugsteil-
nehmer
-- Offiziere und Mannschaften --, die mit Herzkrank-
heiten, Rheumatismus usw. gekommen waren, oder auch um ihre
Glieder nach Verwundungen und Knochenbrüchen zu stärken, hatten
außerordentlich günstige Erfolge ihrer Kuren, die ihnen von der
Bade- und Kurverwaltung völlig frei gewährt werden, zu verzeich-
nen. In vielen Fällen konnte in dem medizinisch-diagnostischen
Institut, das unter der Leitung von Professor Dr. Weber steht,
durch Röntgendurchleuchtungen, Elektrokardiogramme und photo-
graphische Pulsuntersuchungen der günstige Erfolg der Bäder ein-
wandfrei festgestellt werden.

Die drei Sprudel Bad-Nauheims gehören zu den kohlensäure-
reichsten Deutschlands. In den neun modernen Badehäusern mit
387 Wannen können täglich bis zu 6000 Bädern abgegeben werden,
und zwar Sol-, Thermalsprudel-, Sprudel-, ferner
die aus den salzarmen Wässern der Trink- und Mineralquellen be-
reiteten Brunnenbäder. Letztere eignen sich besonders für
hautempfindliche Kranke. Das Wasser der Sprudel- und Sprudel-
strombäder fließt, in badefertiger Wärme aus dem Erdinnern kom-
mend, durch eigenen Druck in die Wanne, es braucht nicht geputzt
und nicht angewärmt zu werden und bleibt daher vor Verlust an
Kohlensäure bewahrt.

Sehr lebhaft hat sich die Trinkkur in den letzten Jahren
entwickelt und sie ist jetzt, nach Fertigstellung der prächtigen neuen
Anlagen, die mit einem Kostenaufwand von 600,000 M. in Huf-
eisenform um einen künstlichen Weiher herumgebaut worden sind,



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in immer weiterem Aufschwung begriffen. Die Wandelhallen, zu
deren Nischen die Trinkquellen hingeleitet wurden, sind 260 Meter
lang und ermöglichen auch bei schlechtem Wetter ein angenehmes
Spazierengehen bei den Klängen des Frühkonzertes.

An ferneren Kurmitteln sind zu nennen die über 1000 Meter
langen Gradierwerke, das vorzüglich eingerichtete Inhala-
torium,
das bereits oben erwähnte medizinisch-dia-
gnostische Institut
(Elektrokardiographie, photographische
Pulszeichnung usw.), Röntgenkabinett mit Herz-
zeichenapparat und Unipulsapparat, Radium-
Emanatorium,
ein ganz außerordentlich reich mit Zander-
und Herzapparaten ausgestattetes medico-mechanisches
Zanderinstitut, Schweizer Milchkuranstalt
usw.

Den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Verkehrs bildet das Kur-
haus, das, hoch und frei gelegen; den prachtvollen alten Kurpark be-
herrscht. Von seiner Terrasse aus sieht man über weite Wiesen-
flächen zwischen prächtigen Baumgruppen hindurch die Sprudel
springen und die roten Dächer der Badehäuser durch das Grün
leuchten. Die vorzüglichen Konzerte des Winderstein-Orchesters
(Leizig), die entweder auf der Terrasse oder in dem 1500 Personen
fassenden Konzerthause stattfinden, bilden einen Hauptanziehungs-
punkt für das Kurpublikum. Im Theatersaal sind viermal wöchent-
lich sehr gute Vorstellungen, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Auch für alle möglichen Unterhaltungen und Abwechslungen ande-
rer Art ist die Kurdirektion stets eifrig bemüht. Die Tennisplätze
suchen, was Schönheit der Lage und tadellose Instandhaltung an-
betrifft, ihresgleichen, ebenso der weite Golfplatz mit seinem ent-
zückenden Golfhaus. Zum Rudern und Angeln bietet der 40 Morgen
große Teich Gelegenheit.

Im Jahre 1913 wurde Bad-Nauheim von 35,000 Kurgästen
besucht und es sind 480,000 Bäder abgegeben worden.



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Allgemeine Zeitung 24. April 1915.
[Spaltenumbruch] eigentlichen Kurzeit, wie alljährlich ſo auch dieſes Jahr, am 16. April
begonnen. Um dieſe Zeit, und auch ſchon früher, wenn die warmen
Strahlen der Frühlingsſonne die Knoſpen und Blüten im Park
und im Frauenwald hervorlocken und die Vögel anfangen fröh-
lich ihre Lieder zu ſchmettern, dann beginnt der Zuſtrom der Gäſte.
Im Frühlingskleide iſt Bad Nauheim ganz beſonders reizvoll und
wer es einmal darin geſehen hat, der wird ſtets beſtrebt bleiben,
um dieſe Zeit wieder zu ihm zurückzukehren. Auch ſollen ja die
Frühjahrskuren, wie feſtgeſtellt iſt, von noch größerer Wirkung ſein
als die Kuren zu anderen Jahreszeiten, und gar mancher Stamm-
gaſt von Bad Nauheim kann das Frühjahr kaum erwarten, damit
er mit ſeiner gewohnten Kur beginnen kann. In dieſem Jahre iſt
dies mehr denn je der Fall. In den Herzen Unzähliger lebt die
Sehnſucht nach Ruhe, nach Ausſpannen und Erholung. Der Krieg
mit ſeinen Schrecken, ſeinen Aufregungen und der oft ungewohnten
Arbeit, die er für viele bringt, ſtellt große Anforderungen an die
Geſundheit der einzelnen Menſchen, und wer es ermöglichen kann,
der ſollte ſich für kommende Zeiten ſtärken. Welcher Platz wäre
hierzu wohl geeigneter als Bad-Nauheim! Kaum ein zweiter Bade-
ort entſpricht mehr dem Bedürfnis der Heilungſuchenden. Die wun-
dervolle Lage der Stadt am Fuße des Johannisberges, die ausge-
dehnten Parkanlagen (780 Morgen), die ſich ſtundenlang hinziehen-
den Wälder, die kräftige, reine Luft, dies alles iſt wie geſchaffen zur
Erholung, zur Beruhigung angegriffener und erſchütterter Nerven.
In dieſem Jahre iſt das Kurleben den Winter hindurch ſo lebhaft
geweſen wie noch nie. Eines der ſtaatlichen Badehäuſer war ge-
öffnet und hatte vollauf zu tun. Die vielen Feldzugsteil-
nehmer
— Offiziere und Mannſchaften —, die mit Herzkrank-
heiten, Rheumatismus uſw. gekommen waren, oder auch um ihre
Glieder nach Verwundungen und Knochenbrüchen zu ſtärken, hatten
außerordentlich günſtige Erfolge ihrer Kuren, die ihnen von der
Bade- und Kurverwaltung völlig frei gewährt werden, zu verzeich-
nen. In vielen Fällen konnte in dem mediziniſch-diagnoſtiſchen
Inſtitut, das unter der Leitung von Profeſſor Dr. Weber ſteht,
durch Röntgendurchleuchtungen, Elektrokardiogramme und photo-
graphiſche Pulsunterſuchungen der günſtige Erfolg der Bäder ein-
wandfrei feſtgeſtellt werden.

Die drei Sprudel Bad-Nauheims gehören zu den kohlenſäure-
reichſten Deutſchlands. In den neun modernen Badehäuſern mit
387 Wannen können täglich bis zu 6000 Bädern abgegeben werden,
und zwar Sol-, Thermalſprudel-, Sprudel-, ferner
die aus den ſalzarmen Wäſſern der Trink- und Mineralquellen be-
reiteten Brunnenbäder. Letztere eignen ſich beſonders für
hautempfindliche Kranke. Das Waſſer der Sprudel- und Sprudel-
ſtrombäder fließt, in badefertiger Wärme aus dem Erdinnern kom-
mend, durch eigenen Druck in die Wanne, es braucht nicht geputzt
und nicht angewärmt zu werden und bleibt daher vor Verluſt an
Kohlenſäure bewahrt.

Sehr lebhaft hat ſich die Trinkkur in den letzten Jahren
entwickelt und ſie iſt jetzt, nach Fertigſtellung der prächtigen neuen
Anlagen, die mit einem Koſtenaufwand von 600,000 M. in Huf-
eiſenform um einen künſtlichen Weiher herumgebaut worden ſind,



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[Spaltenumbruch]

in immer weiterem Aufſchwung begriffen. Die Wandelhallen, zu
deren Niſchen die Trinkquellen hingeleitet wurden, ſind 260 Meter
lang und ermöglichen auch bei ſchlechtem Wetter ein angenehmes
Spazierengehen bei den Klängen des Frühkonzertes.

An ferneren Kurmitteln ſind zu nennen die über 1000 Meter
langen Gradierwerke, das vorzüglich eingerichtete Inhala-
torium,
das bereits oben erwähnte mediziniſch-dia-
gnoſtiſche Inſtitut
(Elektrokardiographie, photographiſche
Pulszeichnung uſw.), Röntgenkabinett mit Herz-
zeichenapparat und Unipulsapparat, Radium-
Emanatorium,
ein ganz außerordentlich reich mit Zander-
und Herzapparaten ausgeſtattetes medico-mechaniſches
Zanderinſtitut, Schweizer Milchkuranſtalt
uſw.

Den Mittelpunkt des geſellſchaftlichen Verkehrs bildet das Kur-
haus, das, hoch und frei gelegen; den prachtvollen alten Kurpark be-
herrſcht. Von ſeiner Terraſſe aus ſieht man über weite Wieſen-
flächen zwiſchen prächtigen Baumgruppen hindurch die Sprudel
ſpringen und die roten Dächer der Badehäuſer durch das Grün
leuchten. Die vorzüglichen Konzerte des Winderſtein-Orcheſters
(Leizig), die entweder auf der Terraſſe oder in dem 1500 Perſonen
faſſenden Konzerthauſe ſtattfinden, bilden einen Hauptanziehungs-
punkt für das Kurpublikum. Im Theaterſaal ſind viermal wöchent-
lich ſehr gute Vorſtellungen, die ſich großer Beliebtheit erfreuen.
Auch für alle möglichen Unterhaltungen und Abwechslungen ande-
rer Art iſt die Kurdirektion ſtets eifrig bemüht. Die Tennisplätze
ſuchen, was Schönheit der Lage und tadelloſe Inſtandhaltung an-
betrifft, ihresgleichen, ebenſo der weite Golfplatz mit ſeinem ent-
zückenden Golfhaus. Zum Rudern und Angeln bietet der 40 Morgen
große Teich Gelegenheit.

Im Jahre 1913 wurde Bad-Nauheim von 35,000 Kurgäſten
beſucht und es ſind 480,000 Bäder abgegeben worden.



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[Seite 264.[264]/0018] Allgemeine Zeitung 24. April 1915. eigentlichen Kurzeit, wie alljährlich ſo auch dieſes Jahr, am 16. April begonnen. Um dieſe Zeit, und auch ſchon früher, wenn die warmen Strahlen der Frühlingsſonne die Knoſpen und Blüten im Park und im Frauenwald hervorlocken und die Vögel anfangen fröh- lich ihre Lieder zu ſchmettern, dann beginnt der Zuſtrom der Gäſte. Im Frühlingskleide iſt Bad Nauheim ganz beſonders reizvoll und wer es einmal darin geſehen hat, der wird ſtets beſtrebt bleiben, um dieſe Zeit wieder zu ihm zurückzukehren. Auch ſollen ja die Frühjahrskuren, wie feſtgeſtellt iſt, von noch größerer Wirkung ſein als die Kuren zu anderen Jahreszeiten, und gar mancher Stamm- gaſt von Bad Nauheim kann das Frühjahr kaum erwarten, damit er mit ſeiner gewohnten Kur beginnen kann. In dieſem Jahre iſt dies mehr denn je der Fall. In den Herzen Unzähliger lebt die Sehnſucht nach Ruhe, nach Ausſpannen und Erholung. 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An ferneren Kurmitteln ſind zu nennen die über 1000 Meter langen Gradierwerke, das vorzüglich eingerichtete Inhala- torium, das bereits oben erwähnte mediziniſch-dia- gnoſtiſche Inſtitut (Elektrokardiographie, photographiſche Pulszeichnung uſw.), Röntgenkabinett mit Herz- zeichenapparat und Unipulsapparat, Radium- Emanatorium, ein ganz außerordentlich reich mit Zander- und Herzapparaten ausgeſtattetes medico-mechaniſches Zanderinſtitut, Schweizer Milchkuranſtalt uſw. Den Mittelpunkt des geſellſchaftlichen Verkehrs bildet das Kur- haus, das, hoch und frei gelegen; den prachtvollen alten Kurpark be- herrſcht. Von ſeiner Terraſſe aus ſieht man über weite Wieſen- flächen zwiſchen prächtigen Baumgruppen hindurch die Sprudel ſpringen und die roten Dächer der Badehäuſer durch das Grün leuchten. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915, S. Seite 264.[264]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine17_1915/18>, abgerufen am 24.11.2024.