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Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915.

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Allgemeine Zeitung 24. April 1915.
[Spaltenumbruch] Dank aus, ferner den Geburtstagswunsch der Truppen und der Be-
völkerung, sowie die Versicherung, daß im Schutzgebiet der aller-
festeste Wille vorhanden sei, Deutsch-Ostafrika bis aufs äußerste zu
verteidigen. Die günstige Kriegslage in Europa berechtige zu der
Zuversicht, daß Deutschland als Sieger aus dem Kriege hervorgehe.
Der Gouverneur schloß mit einem begeistert aufgenommenen
Kaiser-Hoch.

An einzelnen Kriegsereignissen ist hervorzuheben:

Bei Wanga fand ein Patrouillengefecht statt, worin der
Schütze Bossart schwer verwundet wurde. Die Fort-Schirati-Abtet-
lung war am 17. Januar erfolgreich. Die feindlichen Verluste be-
trugen vier Engländer und zwei Askari tot und neun Europäer
sowie eine unbekannte Anzahl Askari verwundet. Erbeutet wur-
den 8 Maultiere, viele Patronen und Lasten.

Am 22. Januar beschoß der englische Kreuzer "Asträa" das
Zollhaus auf der Insel Kwale mit 21 Schuß, am 1. Februar den Ort
Kiwindje mit 27 Schuß, ohne etwas zu treffen. Am 6. Februar
beschoß ein englischer Kreuzer Kisiwani. Der seinerzeit von den
Engländern gekaperte Dampfer "Adjutant" wurde am 6. Februar
früh bei einer Erkundungsfahrt an der Rufidji-Mündung nach hef-
tigem Gefecht manövrierunfähig gemacht und strandete. Die Be-
satzung, ein Offizier, 21 Mann und 2 Farbige, wurden gefangen ge-
nommen. Auf dem "Adjutant" war ein Mann tot, einer schwer
verwundet; auf deutscher Seite gab es keine Verluste, trotz des schwe-
ren Bombardements durch den "Hyacinth". Nach Privatnachrichten
fielen vier 10.2-, zwei 4.7 Zentimeter-Geschütze nebst Munition in
unsere Hände. "Hyacinth" wurde auch getroffen und rückte mit
Volldampf aus.

Japan und Mexiko.

Die amerikanische Presse ist, wie aus New-York vom
16. d. berichtet wird, sehr beunruhigt durch Berichte aus Kalifornien
über die Landung von 4000 Japanern in der Turtlebay
in Niederkalifornien auf mexikanischem Boden, wo das japanische
Kriegsschiff "Asama" auf Grund lief und noch liegt. Japan sandte
5 Kriegsschiffe und 6 Kohlenschiffe und erklärte, es sei notwendig,
die "Asama" gegen feindliche Angriffe zu schützen. Seitdem haben
die Truppen ein Lager bezogen und eine Funkenstation er-
richtet. Die Behörden in Washington erklären die Berichte für
übertrieben, doch verlangen die Zeitungen eine Untersuchung.

Inzwischen haben die Vereinigten Staaten ein Schiff hin-
geschickt, angeblich nur zur Meldung über die Lage. Sicher ist aber,
daß Japan die unaufhörlichen Wirren in Mexiko benützt, um dort
irgendwie Fuß zu fassen, da Präsident Wilson und Amerika bis
jetzt tatenlos zugesehen haben und keine Lust zeigen, sich einzu-
mischen.

Inzwischen wird unterm 20. d. aus London über eine schwere
Niederlage Villas gemeldet:

Das mexikanische Konsulat empfing
folgende Nachricht aus Veracruz vom 16. d.: Die Streitkräste
des Generals Obregon brachten heute Villas Truppen eine
neue große Niederlage bei Nord-Celaya bei. Villa und 42
seiner Generale hatten die Führung. Die Truppen Villas verloren
30 Geschütze, 5000 Mausergewehre, eine Menge Munition sowie
14,000 Mann. Villa entkam mit dem Rest seiner Leute nach dem
Norden.


Ueber den Charakter der amerikanischen Neutrali-
tät
ist man sich gegenwärtig schon ziemlich einig, und man darf
ruhig sagen, daß bis jetzt noch immer die englandfreundliche Partei
im Weißen Hause zu Washington die Oberhand hat. Ueber einen
neuen liebenswürdigen Zug dieser Art Neutralität wird aus Rom
unterm 18. d. gemeldet:

Einen bedeutungsvollen Vorstoß gegen die
Freiheit der deutschsprechenden Bürger Amerikas und damit gegen
die Vereinigten Staaten selbst haben sich England und Frank-
reich
erlaubt, indem sie der italienischen Regierung bekanntgaben,
daß sie alle italienischen Dampfer sequestrieren, welche Sendun-
gen für deutsche Bürger
Amerikas an Bord hätten. Des-
halb mußten einige tausend Postsendungen, welche von Deutsch-
land für Amerika an der italienischen Grenze in Chiasso angekom-
men waren, wieder nach Deutschland zurückgesandt werden.

Im übrigen geht Amerika trotz aller Proteste von seiten Deutsch-
lands und im eigenen Lande davon nicht ab, unseren Feinden
Munition zu liefern. Ouousque tandem abutere Catilina patientia
nostra?



[Spaltenumbruch]
Politik und Wirtschaft
Frankreich und die deutsche Weltpolitik.

Wenn ein großes Volk sich plötzlich in einen ungeheuren Krieg
verwickelt sieht, dann werden es mit Naturnotwendigkeit immer zwei
große Fragen sein, welche die Gemüter erfüllen und alle Herzen
bewegen. Diese Fragen lauten: Werden wir siegen? und: Welche
politischen Resultate werden sich aus diesem Kriege ergeben? Und
so wird es auch heute kaum einen Deutschen geben, der sich nicht
diese Fragen vorlegte, der nicht mit dem Vertrauen auf den Sieg
der deutschen Waffen auch die Hoffnung auf eine bessere, größere
Zeit unseres Vaterlandes verbände.

Unsere Regierung hält die Zeit zur Erörterung der Friedens-
ziele bekanntlich noch nicht für gekommen, bevor nicht der Sieg
definitiv errungen, die Feinde wirklich niedergeworfen seien; und
man wird ihr insofern auch recht geben müssen, als heute, wo noch
keiner unserer Gegner wirklich niedergeworfen ist, man noch nicht
im einzelnen darüber diskutieren kann, welche Forderungen
Deutschland bei Friedensverhandlungen später stellen muß. Man
kann heute noch nicht sagen: Im Frieden müssen uns unsere
Feinde so und so viele Quadratkilometer Land abtreten, sie müssen
uns so und so viel Milliarden Kriegskostenentschädigung zahlen,
die Grenze gegenüber unseren heute feindlichen Nachbarn muß so
oder so gezogen werden. Wenn die Regierung solchen schon heute
bestimmt formulierten Forderungen entgegentritt, so ist an sich
dagegen nichts zu sagen, und sie kann immer auf das Wort sich
beziehen, daß man das Fell des Bären nicht eher verteilen soll,
als bis der Bär wirklich tot am Boden liegt.

Eine ganz andere Frage ist es aber freilich, ob man den
heutigen Krieg nur von dem Standpunkte aus betrachtet, daß
man in ihm lediglich eine Abwehr sieht gegen einen Angriff auf
den Bestand unseres nationalen Staates, oder ob man entschlossen
ist, ihn zum Mittel einer aufsteigenden Politik zu machen, und
durch ihn eine Förderung unserer großen nationalen Ziele erstrebt.
Wenn nach dem bekannten Worte des großen preußischen Militär-
schriftstellers Clausewitz der Krieg nichts anderes ist als eine Fort-
führung der Politik eines Staates mit anderen, gewaltsamen
Mitteln, ist dann für uns das politische Kriegsziel erreicht, wenn
wir heute den Angriff unserer Feinde abgeschlagen haben und der
Fortbestand des Deutschen Reiches gesichert ist? Oder soll der
Krieg dazu ausgenutzt werden, die Macht Deutschlands zu er-
höhen und die unserer Feinde dauernd zu schwächen? Insonder-
heit, wenn wir in diesem Kriege nach Verlust hoffnungsreicher
Kolonien fühlen, daß unserer jungen Welt- und Kolonialpolitik
gewisse Mängel noch anhaften, daß es uns an Macht fehlt, unsere
Weltinteressen wirksam außerhalb Europas zu verteidigen, soll
dann dieser uns aufgezwungene Kampf dazu benutzt werden, diese
Mängel zu beseitigen?

Für mich ist es nie ein Zweifel gewesen, daß unsere ganze
neuere Welt- und Kolonialpolitik mit einem schweren Mangel be-
haftet gewesen ist: der ungenügenden Macht. Und darum hätte
ich es auch für angemessener gehalten, wenn man in diese Welt-
politik nicht mit so enthusiastischen Kundgebungen eingetreten wäre.
Es ist eine überanstrengte Rolle, wenn ein Land eine großzügige
Welt- und Kolonialpolitik treiben will, das, wie wir, in Europa
eingeklemmt ist zwischen dem stets angriffsbereiten Militärstaat
Frankreich und gleichzeitig im Osten den Riesendruck des russischen
Hundertsiebzig-Millionen-Staates aushalten muß. Ein solcher
Staat verträgt es nicht, wenn seine Politik auch noch weiter be-
lastet wird durch die Feindschaft starker Seemächte wie England,
oder außereuropäischer Militärstaaten wie Japan, oder durch die
Eifersucht Nordamerikas. Ein Volk von siebzig Millionen Ein-
wohnern kann eine großzügige Welt- und Kolonialpolitik nicht
treiben, wenn es in Europa mit der Feindschaft von zweihundert-
fünfzig Millionen Menschen in drei mächtigen Staaten zu rech-
nen hat.

Darum ist es mir nie ein Zweifel gewesen, daß die großen
Tage der deutschen Welt- und Kolonialpolitik erst dann kommen
können, wenn wenigstens einer dieser europäischen Gegner definitiv
unschädlich gemacht ist. Und da Frankreich seit Jahrhunderten
immer unser gefährlichster Gegner gewesen ist, den wir nach dem
ganzen Gange der dreihundertjährigen neueren europäischen Ge-
schichte niemals versöhnen können, so wäre die erste Voraussetzung

Allgemeine Zeitung 24. April 1915.
[Spaltenumbruch] Dank aus, ferner den Geburtstagswunſch der Truppen und der Be-
völkerung, ſowie die Verſicherung, daß im Schutzgebiet der aller-
feſteſte Wille vorhanden ſei, Deutſch-Oſtafrika bis aufs äußerſte zu
verteidigen. Die günſtige Kriegslage in Europa berechtige zu der
Zuverſicht, daß Deutſchland als Sieger aus dem Kriege hervorgehe.
Der Gouverneur ſchloß mit einem begeiſtert aufgenommenen
Kaiſer-Hoch.

An einzelnen Kriegsereigniſſen iſt hervorzuheben:

Bei Wanga fand ein Patrouillengefecht ſtatt, worin der
Schütze Boſſart ſchwer verwundet wurde. Die Fort-Schirati-Abtet-
lung war am 17. Januar erfolgreich. Die feindlichen Verluſte be-
trugen vier Engländer und zwei Askari tot und neun Europäer
ſowie eine unbekannte Anzahl Askari verwundet. Erbeutet wur-
den 8 Maultiere, viele Patronen und Laſten.

Am 22. Januar beſchoß der engliſche Kreuzer „Aſträa“ das
Zollhaus auf der Inſel Kwale mit 21 Schuß, am 1. Februar den Ort
Kiwindje mit 27 Schuß, ohne etwas zu treffen. Am 6. Februar
beſchoß ein engliſcher Kreuzer Kiſiwani. Der ſeinerzeit von den
Engländern gekaperte Dampfer „Adjutant“ wurde am 6. Februar
früh bei einer Erkundungsfahrt an der Rufidji-Mündung nach hef-
tigem Gefecht manövrierunfähig gemacht und ſtrandete. Die Be-
ſatzung, ein Offizier, 21 Mann und 2 Farbige, wurden gefangen ge-
nommen. Auf dem „Adjutant“ war ein Mann tot, einer ſchwer
verwundet; auf deutſcher Seite gab es keine Verluſte, trotz des ſchwe-
ren Bombardements durch den „Hyacinth“. Nach Privatnachrichten
fielen vier 10.2-, zwei 4.7 Zentimeter-Geſchütze nebſt Munition in
unſere Hände. „Hyacinth“ wurde auch getroffen und rückte mit
Volldampf aus.

Japan und Mexiko.

Die amerikaniſche Preſſe iſt, wie aus New-York vom
16. d. berichtet wird, ſehr beunruhigt durch Berichte aus Kalifornien
über die Landung von 4000 Japanern in der Turtlebay
in Niederkalifornien auf mexikaniſchem Boden, wo das japaniſche
Kriegsſchiff „Aſama“ auf Grund lief und noch liegt. Japan ſandte
5 Kriegsſchiffe und 6 Kohlenſchiffe und erklärte, es ſei notwendig,
die „Aſama“ gegen feindliche Angriffe zu ſchützen. Seitdem haben
die Truppen ein Lager bezogen und eine Funkenſtation er-
richtet. Die Behörden in Waſhington erklären die Berichte für
übertrieben, doch verlangen die Zeitungen eine Unterſuchung.

Inzwiſchen haben die Vereinigten Staaten ein Schiff hin-
geſchickt, angeblich nur zur Meldung über die Lage. Sicher iſt aber,
daß Japan die unaufhörlichen Wirren in Mexiko benützt, um dort
irgendwie Fuß zu faſſen, da Präſident Wilſon und Amerika bis
jetzt tatenlos zugeſehen haben und keine Luſt zeigen, ſich einzu-
miſchen.

Inzwiſchen wird unterm 20. d. aus London über eine ſchwere
Niederlage Villas gemeldet:

Das mexikaniſche Konſulat empfing
folgende Nachricht aus Veracruz vom 16. d.: Die Streitkräſte
des Generals Obregon brachten heute Villas Truppen eine
neue große Niederlage bei Nord-Celaya bei. Villa und 42
ſeiner Generale hatten die Führung. Die Truppen Villas verloren
30 Geſchütze, 5000 Mauſergewehre, eine Menge Munition ſowie
14,000 Mann. Villa entkam mit dem Reſt ſeiner Leute nach dem
Norden.


Ueber den Charakter der amerikaniſchen Neutrali-
tät
iſt man ſich gegenwärtig ſchon ziemlich einig, und man darf
ruhig ſagen, daß bis jetzt noch immer die englandfreundliche Partei
im Weißen Hauſe zu Waſhington die Oberhand hat. Ueber einen
neuen liebenswürdigen Zug dieſer Art Neutralität wird aus Rom
unterm 18. d. gemeldet:

Einen bedeutungsvollen Vorſtoß gegen die
Freiheit der deutſchſprechenden Bürger Amerikas und damit gegen
die Vereinigten Staaten ſelbſt haben ſich England und Frank-
reich
erlaubt, indem ſie der italieniſchen Regierung bekanntgaben,
daß ſie alle italieniſchen Dampfer ſequeſtrieren, welche Sendun-
gen für deutſche Bürger
Amerikas an Bord hätten. Des-
halb mußten einige tauſend Poſtſendungen, welche von Deutſch-
land für Amerika an der italieniſchen Grenze in Chiaſſo angekom-
men waren, wieder nach Deutſchland zurückgeſandt werden.

Im übrigen geht Amerika trotz aller Proteſte von ſeiten Deutſch-
lands und im eigenen Lande davon nicht ab, unſeren Feinden
Munition zu liefern. Ouousque tandem abutere Catilina patientia
nostra?



[Spaltenumbruch]
Politik und Wirtſchaft
Frankreich und die deutſche Weltpolitik.

Wenn ein großes Volk ſich plötzlich in einen ungeheuren Krieg
verwickelt ſieht, dann werden es mit Naturnotwendigkeit immer zwei
große Fragen ſein, welche die Gemüter erfüllen und alle Herzen
bewegen. Dieſe Fragen lauten: Werden wir ſiegen? und: Welche
politiſchen Reſultate werden ſich aus dieſem Kriege ergeben? Und
ſo wird es auch heute kaum einen Deutſchen geben, der ſich nicht
dieſe Fragen vorlegte, der nicht mit dem Vertrauen auf den Sieg
der deutſchen Waffen auch die Hoffnung auf eine beſſere, größere
Zeit unſeres Vaterlandes verbände.

Unſere Regierung hält die Zeit zur Erörterung der Friedens-
ziele bekanntlich noch nicht für gekommen, bevor nicht der Sieg
definitiv errungen, die Feinde wirklich niedergeworfen ſeien; und
man wird ihr inſofern auch recht geben müſſen, als heute, wo noch
keiner unſerer Gegner wirklich niedergeworfen iſt, man noch nicht
im einzelnen darüber diskutieren kann, welche Forderungen
Deutſchland bei Friedensverhandlungen ſpäter ſtellen muß. Man
kann heute noch nicht ſagen: Im Frieden müſſen uns unſere
Feinde ſo und ſo viele Quadratkilometer Land abtreten, ſie müſſen
uns ſo und ſo viel Milliarden Kriegskoſtenentſchädigung zahlen,
die Grenze gegenüber unſeren heute feindlichen Nachbarn muß ſo
oder ſo gezogen werden. Wenn die Regierung ſolchen ſchon heute
beſtimmt formulierten Forderungen entgegentritt, ſo iſt an ſich
dagegen nichts zu ſagen, und ſie kann immer auf das Wort ſich
beziehen, daß man das Fell des Bären nicht eher verteilen ſoll,
als bis der Bär wirklich tot am Boden liegt.

Eine ganz andere Frage iſt es aber freilich, ob man den
heutigen Krieg nur von dem Standpunkte aus betrachtet, daß
man in ihm lediglich eine Abwehr ſieht gegen einen Angriff auf
den Beſtand unſeres nationalen Staates, oder ob man entſchloſſen
iſt, ihn zum Mittel einer aufſteigenden Politik zu machen, und
durch ihn eine Förderung unſerer großen nationalen Ziele erſtrebt.
Wenn nach dem bekannten Worte des großen preußiſchen Militär-
ſchriftſtellers Clauſewitz der Krieg nichts anderes iſt als eine Fort-
führung der Politik eines Staates mit anderen, gewaltſamen
Mitteln, iſt dann für uns das politiſche Kriegsziel erreicht, wenn
wir heute den Angriff unſerer Feinde abgeſchlagen haben und der
Fortbeſtand des Deutſchen Reiches geſichert iſt? Oder ſoll der
Krieg dazu ausgenutzt werden, die Macht Deutſchlands zu er-
höhen und die unſerer Feinde dauernd zu ſchwächen? Inſonder-
heit, wenn wir in dieſem Kriege nach Verluſt hoffnungsreicher
Kolonien fühlen, daß unſerer jungen Welt- und Kolonialpolitik
gewiſſe Mängel noch anhaften, daß es uns an Macht fehlt, unſere
Weltintereſſen wirkſam außerhalb Europas zu verteidigen, ſoll
dann dieſer uns aufgezwungene Kampf dazu benutzt werden, dieſe
Mängel zu beſeitigen?

Für mich iſt es nie ein Zweifel geweſen, daß unſere ganze
neuere Welt- und Kolonialpolitik mit einem ſchweren Mangel be-
haftet geweſen iſt: der ungenügenden Macht. Und darum hätte
ich es auch für angemeſſener gehalten, wenn man in dieſe Welt-
politik nicht mit ſo enthuſiaſtiſchen Kundgebungen eingetreten wäre.
Es iſt eine überanſtrengte Rolle, wenn ein Land eine großzügige
Welt- und Kolonialpolitik treiben will, das, wie wir, in Europa
eingeklemmt iſt zwiſchen dem ſtets angriffsbereiten Militärſtaat
Frankreich und gleichzeitig im Oſten den Rieſendruck des ruſſiſchen
Hundertſiebzig-Millionen-Staates aushalten muß. Ein ſolcher
Staat verträgt es nicht, wenn ſeine Politik auch noch weiter be-
laſtet wird durch die Feindſchaft ſtarker Seemächte wie England,
oder außereuropäiſcher Militärſtaaten wie Japan, oder durch die
Eiferſucht Nordamerikas. Ein Volk von ſiebzig Millionen Ein-
wohnern kann eine großzügige Welt- und Kolonialpolitik nicht
treiben, wenn es in Europa mit der Feindſchaft von zweihundert-
fünfzig Millionen Menſchen in drei mächtigen Staaten zu rech-
nen hat.

Darum iſt es mir nie ein Zweifel geweſen, daß die großen
Tage der deutſchen Welt- und Kolonialpolitik erſt dann kommen
können, wenn wenigſtens einer dieſer europäiſchen Gegner definitiv
unſchädlich gemacht iſt. Und da Frankreich ſeit Jahrhunderten
immer unſer gefährlichſter Gegner geweſen iſt, den wir nach dem
ganzen Gange der dreihundertjährigen neueren europäiſchen Ge-
ſchichte niemals verſöhnen können, ſo wäre die erſte Vorausſetzung

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[Seite 256.[256]/0010] Allgemeine Zeitung 24. April 1915. Dank aus, ferner den Geburtstagswunſch der Truppen und der Be- völkerung, ſowie die Verſicherung, daß im Schutzgebiet der aller- feſteſte Wille vorhanden ſei, Deutſch-Oſtafrika bis aufs äußerſte zu verteidigen. Die günſtige Kriegslage in Europa berechtige zu der Zuverſicht, daß Deutſchland als Sieger aus dem Kriege hervorgehe. Der Gouverneur ſchloß mit einem begeiſtert aufgenommenen Kaiſer-Hoch. An einzelnen Kriegsereigniſſen iſt hervorzuheben: Bei Wanga fand ein Patrouillengefecht ſtatt, worin der Schütze Boſſart ſchwer verwundet wurde. Die Fort-Schirati-Abtet- lung war am 17. Januar erfolgreich. Die feindlichen Verluſte be- trugen vier Engländer und zwei Askari tot und neun Europäer ſowie eine unbekannte Anzahl Askari verwundet. Erbeutet wur- den 8 Maultiere, viele Patronen und Laſten. Am 22. Januar beſchoß der engliſche Kreuzer „Aſträa“ das Zollhaus auf der Inſel Kwale mit 21 Schuß, am 1. Februar den Ort Kiwindje mit 27 Schuß, ohne etwas zu treffen. Am 6. Februar beſchoß ein engliſcher Kreuzer Kiſiwani. Der ſeinerzeit von den Engländern gekaperte Dampfer „Adjutant“ wurde am 6. Februar früh bei einer Erkundungsfahrt an der Rufidji-Mündung nach hef- tigem Gefecht manövrierunfähig gemacht und ſtrandete. Die Be- ſatzung, ein Offizier, 21 Mann und 2 Farbige, wurden gefangen ge- nommen. Auf dem „Adjutant“ war ein Mann tot, einer ſchwer verwundet; auf deutſcher Seite gab es keine Verluſte, trotz des ſchwe- ren Bombardements durch den „Hyacinth“. Nach Privatnachrichten fielen vier 10.2-, zwei 4.7 Zentimeter-Geſchütze nebſt Munition in unſere Hände. „Hyacinth“ wurde auch getroffen und rückte mit Volldampf aus. Japan und Mexiko. Die amerikaniſche Preſſe iſt, wie aus New-York vom 16. d. berichtet wird, ſehr beunruhigt durch Berichte aus Kalifornien über die Landung von 4000 Japanern in der Turtlebay in Niederkalifornien auf mexikaniſchem Boden, wo das japaniſche Kriegsſchiff „Aſama“ auf Grund lief und noch liegt. Japan ſandte 5 Kriegsſchiffe und 6 Kohlenſchiffe und erklärte, es ſei notwendig, die „Aſama“ gegen feindliche Angriffe zu ſchützen. Seitdem haben die Truppen ein Lager bezogen und eine Funkenſtation er- richtet. Die Behörden in Waſhington erklären die Berichte für übertrieben, doch verlangen die Zeitungen eine Unterſuchung. Inzwiſchen haben die Vereinigten Staaten ein Schiff hin- geſchickt, angeblich nur zur Meldung über die Lage. Sicher iſt aber, daß Japan die unaufhörlichen Wirren in Mexiko benützt, um dort irgendwie Fuß zu faſſen, da Präſident Wilſon und Amerika bis jetzt tatenlos zugeſehen haben und keine Luſt zeigen, ſich einzu- miſchen. Inzwiſchen wird unterm 20. d. aus London über eine ſchwere Niederlage Villas gemeldet: Das mexikaniſche Konſulat empfing folgende Nachricht aus Veracruz vom 16. d.: Die Streitkräſte des Generals Obregon brachten heute Villas Truppen eine neue große Niederlage bei Nord-Celaya bei. Villa und 42 ſeiner Generale hatten die Führung. Die Truppen Villas verloren 30 Geſchütze, 5000 Mauſergewehre, eine Menge Munition ſowie 14,000 Mann. Villa entkam mit dem Reſt ſeiner Leute nach dem Norden. Ueber den Charakter der amerikaniſchen Neutrali- tät iſt man ſich gegenwärtig ſchon ziemlich einig, und man darf ruhig ſagen, daß bis jetzt noch immer die englandfreundliche Partei im Weißen Hauſe zu Waſhington die Oberhand hat. Ueber einen neuen liebenswürdigen Zug dieſer Art Neutralität wird aus Rom unterm 18. d. gemeldet: Einen bedeutungsvollen Vorſtoß gegen die Freiheit der deutſchſprechenden Bürger Amerikas und damit gegen die Vereinigten Staaten ſelbſt haben ſich England und Frank- reich erlaubt, indem ſie der italieniſchen Regierung bekanntgaben, daß ſie alle italieniſchen Dampfer ſequeſtrieren, welche Sendun- gen für deutſche Bürger Amerikas an Bord hätten. Des- halb mußten einige tauſend Poſtſendungen, welche von Deutſch- land für Amerika an der italieniſchen Grenze in Chiaſſo angekom- men waren, wieder nach Deutſchland zurückgeſandt werden. Im übrigen geht Amerika trotz aller Proteſte von ſeiten Deutſch- lands und im eigenen Lande davon nicht ab, unſeren Feinden Munition zu liefern. Ouousque tandem abutere Catilina patientia nostra? Politik und Wirtſchaft Frankreich und die deutſche Weltpolitik. Wenn ein großes Volk ſich plötzlich in einen ungeheuren Krieg verwickelt ſieht, dann werden es mit Naturnotwendigkeit immer zwei große Fragen ſein, welche die Gemüter erfüllen und alle Herzen bewegen. Dieſe Fragen lauten: Werden wir ſiegen? und: Welche politiſchen Reſultate werden ſich aus dieſem Kriege ergeben? Und ſo wird es auch heute kaum einen Deutſchen geben, der ſich nicht dieſe Fragen vorlegte, der nicht mit dem Vertrauen auf den Sieg der deutſchen Waffen auch die Hoffnung auf eine beſſere, größere Zeit unſeres Vaterlandes verbände. Unſere Regierung hält die Zeit zur Erörterung der Friedens- ziele bekanntlich noch nicht für gekommen, bevor nicht der Sieg definitiv errungen, die Feinde wirklich niedergeworfen ſeien; und man wird ihr inſofern auch recht geben müſſen, als heute, wo noch keiner unſerer Gegner wirklich niedergeworfen iſt, man noch nicht im einzelnen darüber diskutieren kann, welche Forderungen Deutſchland bei Friedensverhandlungen ſpäter ſtellen muß. Man kann heute noch nicht ſagen: Im Frieden müſſen uns unſere Feinde ſo und ſo viele Quadratkilometer Land abtreten, ſie müſſen uns ſo und ſo viel Milliarden Kriegskoſtenentſchädigung zahlen, die Grenze gegenüber unſeren heute feindlichen Nachbarn muß ſo oder ſo gezogen werden. Wenn die Regierung ſolchen ſchon heute beſtimmt formulierten Forderungen entgegentritt, ſo iſt an ſich dagegen nichts zu ſagen, und ſie kann immer auf das Wort ſich beziehen, daß man das Fell des Bären nicht eher verteilen ſoll, als bis der Bär wirklich tot am Boden liegt. Eine ganz andere Frage iſt es aber freilich, ob man den heutigen Krieg nur von dem Standpunkte aus betrachtet, daß man in ihm lediglich eine Abwehr ſieht gegen einen Angriff auf den Beſtand unſeres nationalen Staates, oder ob man entſchloſſen iſt, ihn zum Mittel einer aufſteigenden Politik zu machen, und durch ihn eine Förderung unſerer großen nationalen Ziele erſtrebt. Wenn nach dem bekannten Worte des großen preußiſchen Militär- ſchriftſtellers Clauſewitz der Krieg nichts anderes iſt als eine Fort- führung der Politik eines Staates mit anderen, gewaltſamen Mitteln, iſt dann für uns das politiſche Kriegsziel erreicht, wenn wir heute den Angriff unſerer Feinde abgeſchlagen haben und der Fortbeſtand des Deutſchen Reiches geſichert iſt? Oder ſoll der Krieg dazu ausgenutzt werden, die Macht Deutſchlands zu er- höhen und die unſerer Feinde dauernd zu ſchwächen? Inſonder- heit, wenn wir in dieſem Kriege nach Verluſt hoffnungsreicher Kolonien fühlen, daß unſerer jungen Welt- und Kolonialpolitik gewiſſe Mängel noch anhaften, daß es uns an Macht fehlt, unſere Weltintereſſen wirkſam außerhalb Europas zu verteidigen, ſoll dann dieſer uns aufgezwungene Kampf dazu benutzt werden, dieſe Mängel zu beſeitigen? Für mich iſt es nie ein Zweifel geweſen, daß unſere ganze neuere Welt- und Kolonialpolitik mit einem ſchweren Mangel be- haftet geweſen iſt: der ungenügenden Macht. Und darum hätte ich es auch für angemeſſener gehalten, wenn man in dieſe Welt- politik nicht mit ſo enthuſiaſtiſchen Kundgebungen eingetreten wäre. Es iſt eine überanſtrengte Rolle, wenn ein Land eine großzügige Welt- und Kolonialpolitik treiben will, das, wie wir, in Europa eingeklemmt iſt zwiſchen dem ſtets angriffsbereiten Militärſtaat Frankreich und gleichzeitig im Oſten den Rieſendruck des ruſſiſchen Hundertſiebzig-Millionen-Staates aushalten muß. Ein ſolcher Staat verträgt es nicht, wenn ſeine Politik auch noch weiter be- laſtet wird durch die Feindſchaft ſtarker Seemächte wie England, oder außereuropäiſcher Militärſtaaten wie Japan, oder durch die Eiferſucht Nordamerikas. Ein Volk von ſiebzig Millionen Ein- wohnern kann eine großzügige Welt- und Kolonialpolitik nicht treiben, wenn es in Europa mit der Feindſchaft von zweihundert- fünfzig Millionen Menſchen in drei mächtigen Staaten zu rech- nen hat. Darum iſt es mir nie ein Zweifel geweſen, daß die großen Tage der deutſchen Welt- und Kolonialpolitik erſt dann kommen können, wenn wenigſtens einer dieſer europäiſchen Gegner definitiv unſchädlich gemacht iſt. Und da Frankreich ſeit Jahrhunderten immer unſer gefährlichſter Gegner geweſen iſt, den wir nach dem ganzen Gange der dreihundertjährigen neueren europäiſchen Ge- ſchichte niemals verſöhnen können, ſo wäre die erſte Vorausſetzung

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915, S. Seite 256.[256]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine17_1915/10>, abgerufen am 21.11.2024.